Archive for Oktober 2009

Raumfahrt kurz & bündig

29. Oktober 2009

Von THEMIS zu Artemis: 2 Mondorbiter quasi für lau

genehmigt sich die NASA, indem die beiden äußeren der 5 Satelliten der THEMIS-Konstellation (siehe ISAN 34-3) durch komplizierte Flugmanöver seit diesem Juli bis Herbst 2010 in Umlaufbahnen um den Mond bugsiert werden. Dort können sie dann die „Umwelt“ des Erdtrabanten erforschen, während die anderen drei weiter den erdnahen Raum erkunden. Die zwei auf den ausholenderen Bahnen wären dort in so tiefe Finsternisse geraten, dass sie dies nicht überlebt hätten – nun können sie sich am Mond nützlich machen! (365 Days of Astronomy 18.6., THEMIS News 20.7., DailyTech 20.10.2009)

Mars Reconnaissance Orbiter droht Totalausfall – Welle von Safe Modes gefährdet Computer

Bereits seit 9 Wochen ist der MRO in einem Safe Mode, schon dem vierten dieses Jahr, und die Ursache war immer ein – echtes oder auch nur ‚eingebildetes‘ – Spannungsproblem, dessen eigentliche Ursache bislang vergeblich gesucht wird. Beim Eintritt in diese eigentlich der Sicherheit des Satelliten dienenden Modi könnte es aber unter unglücklichen Umständen zu einer Komplettlöschung des Bordspeichers kommen: Der MRO würde dann ‚denken‘, er säße noch auf der Erde – und darauf warten, dass jemand den Einschaltknopf drückt. Dieses Horrorszenario gilt es durch behutsame Softwareänderungen zu beheben: Wann der MRO wieder seine Arbeit aufnehmen kann, ist noch völlig offen. (JPL Release 4.9., Arizona Daily Star 28., Planetary Society Blog 29.10.2009) NACHTRAG: ein Update der Lage.

Russland träumt wieder von einer Venus-Landung

Aber diesmal soll der Lander einen ganzen Tag auf der Oberfläche durchhalten und auf Venusbeben warten, aus denen man etwas über das Innenleben des Planeten lernen könnte. Venera D soll offiziell 2016 starten und die konkrete Entwicklung nächstes Jahr beginnen: Von der ursprünglichen Idee, einen ganzen Monat auszuhalten, ist man wieder abgerückt, stattdessen sind mehrere kleine Ballons als ‚Trostpreis‘ geplant. (BBC 7.10.2009)

Mission von CoRoT bis 2013 verlängert

Wegen seiner großen Erfolge bei der Asteroseismologie und Exoplanetensuche (7 bestätigte Entdeckunge, darunter – siehe z.B. ISAN 94-9 – eine Reihe Extremfälle) haben die französische Weltraumbehörde CNES und ihre europäischen Partner am 23.10. die Verlängerung der Mission (siehe ISAN 34-2) um 3 Jahre bis zum 31. März 2013 beschlossen. Neue Typen von Sternen können nun in das Seismologieprogramm aufgenommen und die Jagd auf heiße Supererden verschärft werden. (ESA Release 28.10.2009. Auch ein A&A Press Release 22.10.2009 zu einem Sonderheft mit 55 CoRoT-Papers. Und Konkurrent Kepler soll Bildprobleme haben)

Hydrologie-Satellit SMOS der ESA vor dem Start

Am 2. November um 2:50 MEZ soll er auf einer Rockot-KM in Plesetsk starten: Soil Moisture & Ocean Salinity, ein ESA-Satellit des „Living Planet“-Programms, der mit einem einzigen Instrument, dem interferometrischen Mikrowellenradiometer MIRAS bei 1.4 GHz Emission von Wasser auffangen soll – daraus können die Bodenfeuchte und der Salzgehalt der Meere global bestimmt werden. Ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis des Wasserkreislaufs der Erde, wo noch viel zu tun ist – siehe z.B. Artikel C54 zu Messungen über das Erdschwerefeld. (ESA-Artikelpaket in Deutsch 29.10.2009)

Kosmische Kuriosa kurz & bündig

29. Oktober 2009

Namen für sämtliche Exoplaneten vorgeschlagen

Der Max-Planck-Astronom Wladimir Lyra hat allen bis eben entdeckten über 400 Exoplaneten Eigennamen verpasst, die allesamt aus der griechisch-römischen Mythologie stammen, irgendwie mit den Sternbildern zusammenhängen, zu denen die Sterne gehören – und natürlich völlig inoffiziell sind, da die IAU bisher jede Exoplanetentaufe ablehnt. Schon früher waren Namenssysteme für Exoplaneten vorgeschlagen worden, die Lyra teilweise aufgenommen (und wohl als erster auf sämtliche Planeten ausgedehnt) hat – jetzt hat seine Fleißarbeit eine angeregte Diskussion in der Blogosphäre ausgelöst. (Paper an sich 25.10.2009, alle Namen und Reaktionen in den arXiv, Astronomy, New Scientist, Exoplanetology, S. Askew’s, Physics World und Science Blogs)

Hebräische Namen für Uranus und Neptun werden dieses Jahres mittels eines Wettbewerbs anlässlich des IYA bestimmt: Jeweils zwei Finalisten stehen schon fest. (Jerusalem Post und Jew School 21.10.2009)

Hinterlässt die Planetenbildung Spuren in der Chemie der Sterne – und kann man gar der Chemie der Sonne entnehmen, dass bei ihr einst die Erde entstand? Dieser angebliche Effekt ist noch reichlich kontrovers, könnte aber bei der gezielten Suche nach anderen Erden helfen. (Preprint 5., Physics World 16.10.2009. Auch Space.com 29.10.2009 zur Bildung erdähnlicher Planeten)

String-Theoretiker folgt auf Hawking

18. „Lucasian Professor of Mathematics“ an der britischen Cambridge University wird am 1.11. mit Michael Green einer der Begründer der – in ihrer Relevanz umstrittenen – Stringtheorie: Er folgt auf Stephen Hawking, der den 1663 begründeten Lehrstuhl von 1980 bis diesen September innehatte und wiederum Physik-Promis wie Newton und Dirac gefolgt war. (Physics World 20., KosmoLogs 28.10.2009) NACHTRAG: ein Interview mit Green.

Die Anzahl der Universen im Multiversum zu berechnen, ist eine ziemlich zweckfreie Aufgabe im Rahmen bestimmter kosmologischer Spekulationen – aber die resultierende Zahl von mindestens 10^10^10^7 lässt zumindest kurz aufhorchen, von eventuellen philosophischen Konsequenzen ganz zu schweigen … (Preprint 9., arXiv Blog 15., New Scientist 28.10.2009)

Noch wesentlich spekulativer ist die Physik hinter der bizarren Hypothese, die Natur sabotiere rückwirkend den LHC, um die Produktion von Higgs-Teilchen zu unterbinden – da stecken zwar jede Menge unbewiesene Annahmen drin, aber es ist zumindest ‚moderne‘ theoretische Physik … (Cosmic Variance 14. und Cocktail Party Physics 23.10.2009 – hier wird’s noch am detailliertesten diskutiert. Auch: Tagesschau 19.10.2009)

Das Quartär ist plötzlich 800’000 Jahre länger

Die International Commission on Stratigraphy hat beschlossen, die jüngste Epoche der Erdgeschichte bereits vor 2.6 statt 1.8 Mio. Jahren beginnen zu lassen: Nach Jahrzehnte währender Debatte fällt der Anfang des Quartär nun besser mit dem Auftreten der ersten Eiszeiten zusammen. (Wiley PR 22.9.2009)

Alte Navigationstechniken der Südsee sind wieder ‚in‘: Auf der mikronesischen Insel Yap werden jetzt wieder Kanus in alter Tradition gebaut – und anhand von Sternen und anderen Wegweisern gesteuert, demnächst gar bei einer richtigen Regatta. (BBC 24.10.2009)

Raumfahrt kurz & bündig

29. Oktober 2009

Schlechtes Titan im Marsrover Curiosity verbaut?

Neues Unheil schwebt über dem Mars Science Laboratory alias Curiosity: Möglicherweise ist minderwertiges Titan – das eine Quasi-Monopol-Firma verkauft hatte – an kritischen Stellen in dem Mars Rover verwendet worden. Die Überprüfung kostet Zeit und noch mehr Geld (schon jetzt liegen die Kosten des MSL bei 2.3 Mrd.$), und die kriminelle Firma wird kaum dafür aufkommen … (Spaceflight Now 20.10.2009) NACHTRAG: genau der richtige Zeitpunkt für einen Jubel-Artikel über Curiosity der NASA …? NACHTRAG 2: Zwei Monate später immer noch Titan-Sorgen …

Neue Hinweise auf Höhlen auf dem Mars sind auf Bildern des – weiterhin übrigens lahmliegenden – Mars Reconnaissance Orbiter entdeckt worden: Es handelt sich um eingestürzte Lavaröhren, ziemlich nah unter der Oberfläche und damit leichter zugänglich als früher gefundene Marshöhlen. (Pasadena Star News 21., LA Times 24., Space.com 26.10.2009)

Verrückte Windspuren auf der Marsoberfläche zeigt ein MRO-Bild vom August: Staubteufel haben sich auf einer Dünenlandschaft verewigt. (UA HiRISE 14426_2070 sowie Great Beyond 16.10.2009)

Japanischer Venusorbiter schon vor dem Start getauft!

Bislang wurden die Spitznamen japanischer Forschungssatelliten immer erst nach dem geglückten Start bekannt gegeben – aber um die Popularität des im Winter 2010 startenden Venusorbiters PLANET-C bzw. Venus Climate Orbiter schon jetzt zu steigern, hat die JAXA ihn bereits Akatsuki getauft. Das bedeutet Morgendämmerung und bezieht sich auf die Morgenstern-Natur der Venus zur Ankunftszeit sowie den Wunsch, dass Akatsuki als erster „Wettersatellit“ der Venus quasi eine neue Disziplin begründen und überhaupt ein großer Erfolg werden möge. (JAXA Release 23., Spaceflight Now 24., Cosmic Diary 26.10.2009)

Zwei Milliarden Laserblitze auf die Erde hat in 3½ Jahren der Satellit CALIPSO geschickt, um die Erdatmosphäre zu durchleuchten: Es geht um dünne Wolken und Aerosole. (LARC Press Release 20.10.2009)

Iran plant offenbar neuen Satellitenstart

Erstaunlich detailliert hat das iranische Fernsehen letztens über die Vorbereitung einer Safir-2 berichtet, die einen kleinen Daten-Relais-Satelliten in den Orbit bringen soll. Derartiges war dem Iran – nach mindestens einem Fehlschlag – bereits in diesem Februar geglückt: Der Satellit Omid war bis April in der Umlaufbahn geblieben. Ab 2011 will der Iran auch Tiere in den Weltraum befördern, zunächst aber nur suborbital. Fernziel (bis 2021) ist es, Israel als führende Weltraummacht der Region abzulösen – und bei der Gelegenheit auch eine Reihe Langstreckenraketen zu bekommen. (FarsNews 6., Spaceflight Now 18.10.2009)

Nur wenig ist über den Test des unbemannten Raumgleiters X-37B bekannt, den die USAF offenbar im April 2010 durchführen will – und das 10 m lange Vehikel wird ganz in der Nutzlastverkleidung einer Atlas, Modell „Evolved Expendable“, verschwinden. Gestartet wird in Florida, gelandet auf der VAFB in Kalifornien. (Space.com 22.10.2009) NACHTRAG: ein paar weitere Details.

Indischer Ex-Präsident fordert „World Space Council“

In einer Rede in Florida hat Abdul Kalam eine weltweite Behörde angeregt, die die Planung und Durchführung von „exploration, space security and societal missions“ überwachen solle – was einen „Quantensprung in Weltraumforschung und -technologie“ bewirken würde. (Univ. of Central Fla. PR 24.10.2009)

Schnelle Hilfe aus dem Weltall dank SPace-based Information for Disaster Management and Emergency Response alias SPIDER: Im Vordergrund eines Workshops standen die konkrete Umsetzung von Konzepten für Anwendungen und Projekte im Bereich des Katastrophenmanagements mit Hilfe von Weltraumtechnologien. (DLR PM 21.10.2009)

Nochmal 3 1/2 Stunden Zittern – dann ein Ares-Flug wie aus dem Bilderbuch!

28. Oktober 2009

Immer wieder war auch am zweiten Tag der Start der Ares I-X verschoben worden, diesmal nur wegen – für das bloße Auge kaum wahrnehmbarer – Cirrus-Wolken. Aber die hätten zur elektrischen Aufladung der durchstoßenden Rakete führen können, was wiederum die Funkverbindung zur Selbstzerstörungsanlage stören könnte. Doch um 16:26 MEZ war es so weit: Ein Beobachtungsflugzeug meldete ausreichend klaren Himmel und zog sich zurück – und der bei t-4 min. stehende Countdown konnte wieder aufgenommen werden.

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Von unten nach oben der Verlauf des Ares-I-X-Fluges ab 16:30 MEZ: Die 1. Stufe hat dem Anschein nach perfekt gearbeitet, höchstens die Abtrennung der 2. (Dummy-)Stufe verlief etwas anders als in Computersimulationen. Nach eigen Minuten Unsicherheit war dann auch klar, dass die 1. Stufe im Ozean gesichtet wurde; ob allerdings die Fallschirme korrekt gearbeitet haben, konnte zunächst nicht bestätigt werden. NACHTRAG: Auf einer PK zwei Stunden nach dem Start wurde das Erreichen aller Missionsziele gefeiert – die Ares folgte perfekt und problemlos der geplanten Trajektorie. Die unerwartete Mechanik bei der Stufentrennung muss noch ergründet werden, und ob die Fallschirme funktionierten, weiß man auch noch nicht (aber da die 1. Stufe schwimmt, war das wohl so). NACHTRAG 2: ein Video und Bilder (v.a. dieses; der Effekt wird hier und hier diskutiert) vom und ein NASA Press Release zum Start – und die Fallschirme haben funktioniert: Da schwimmt sie, die Ares! NACHTRAG 3: Der Tag zusammengefasst.

US-Mondforscher-Star wollte Spion werden – und landete beim FBI (und dann im Knast)

28. Oktober 2009

nozette

Noch grinst er einen auf den Mission Pages der NASA an, ist er doch führender Wissenschaftler des Mondradars MiniRF, das sowohl auf dem US-Orbiter LRO wie auch dem indischen Chandrayaan-1 installiert wurde: Bei ersterem ist Steward „Stu“ Nozette sogar der Principal Investigator, bei der indischen Version Co-Investigator. Auch der – fehlgeschlagene – Versuch, beide Instrumente gleichzeitig zur Eissuche auf dem Mond zu verwenden, war v.a. seine Idee gewesen. Und Mondfans werden sich an Nozette natürlich auch als einen der führenden Köpfe beim Mondorbiter Clementine erinnern, der 1994 Technologie von Interesse für eine weltraumgestützte Raketenabwehr im Rahmen einer Wissenschaftsmission testete (und auf dessen Mondkarte der 25-m-Mond im Gasometer Oberhausen basiert!) – aber jetzt kennt ihn die ganze Welt als verhinderten Spion!

Ob Nozette überhaupt jemals als geheim eingestufte US-Informationen, zu denen er im Rahmen militärischer Forschungsprogramme zeitweise Zugang hatte, illegal weitergegeben hat, ist keineswegs sicher – aber er war dazu offenbar bereit. Nachdem sich eine FBI-Frau ihm gegenüber als Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad ausgab, lieferte er zweimal Antworten, die als „secret“ bzw. „top secret“ galten, auf konkrete Fragen und nahm im Gegenzug insgesamt 11’000 US-Dollar entgegen, bevor er am 19. Oktober festgenommen wurde. Zuvor hatte Nozette u.a. jahrelang als externer Berater für den israelischen Konzern Israel Aerospace Industries gearbeitet, was durchaus nicht illegal gewesen zu sein braucht (schließlich arbeiten die USA und Israel auf militärischem Gebiet oft eng zusammen), aber gegenüber der falschen Agentin äußerte Nozette, er habe IAI immer schon für eine Tarnorganisation des Mossad gehalten! Und es sei ja geradezu an der Zeit gewesen, dass dieser sich ihm gegenüber mal offenbare. Zwar habe er inzwischen keinen Zugang zu aktuellen Geheimsachen mehr, aber von früher noch eine Menge im Kopf, was er auch gerne verkaufen würde – und ein israelischer Pass sei ja wohl auch drin.

Zu der filmreifen FBI-Stingoperation war es im Rahmen von Ermittlungen gegen eine (vermeintliche?) Nonprofit-Organisation gekommen, die Nozette 2000 gegründet hatte, und zuletzt hatte er sich im Januar verdächtig gemacht, als er mit mehreren Datenträgern in ein nicht näher genanntes Land geflogen und ohne sie zurückgekehrt war. Dabei hat es sich vermutlich um Indien gehandelt, wo Nozettes Verhaftung einige Aufregung ausgelöst hat: Als amerikanischer Chandrayaan-„Passagier“ war er öfters in den dortigen Medien aufgetreten und auch mehrmals in Einrichtungen der Weltraumbehörde ISRO unterwegs gewesen – aber dabei ständig bewacht, wie nun betont wird. (Dem Mitflug zweier US-Instrumente auf Chandrayaan war langes Tauziehen vorausgegangen, allerdings wegen Bedenken der US-Seite.) Über die Motivation von Nozette, 52, für die versuchte Karriere als Spion kann man nur spekulieren – vielleicht war es eine Midlife Crisis, die schon manchen Spitzenforscher auf Abwege geführt hat. Allerdings selten so gravierend: Im Falle einer Verurteilung droht Nozette bis zu lebenslange Haft …

Ein Press Release des Justizministeriums, eine Biografie und Artikel von Washington Post (früher, noch früher und noch früher), Wash. Examiner, NYT Blog, Astronomy, Space Movement, A Times, Deccan Herald, Times of India, TIME, Baltimore Sun, CSM, Nature Blog, Discovery, TPM, NASA Watch, Outlook, Independent und Space Today mit zusätzlichen Erkenntnissen oder Spekulationen.

Ares-Start nach 3 1/3 Stunden dramatischer „Seifenoper“ abgesagt

27. Oktober 2009

So spannend war ein Nicht-Start wohl selten gewesen: 3 Stunden und 20 Minuten durfte gehofft, geflucht und auch öfters mal gelacht werden, als heute von 13:00 bis 16:20 MEZ vergeblich auf den Start der Ares I-X gewartet wurde. Gehofft, weil mit der Rakete selbst alles im grünen Bereich war und es meist nur am sich andauernd ändernden Wetter lang, dass ein Startzeitpunkt nach dem anderen gekippt wurde, geflucht, weil als endlich mal alles passte, ein Frachtschiff in die Seeverbotszone vor dem Cape eindrang. Und gelacht, weil man eben diesem Schiff offenbar ganz buchstäblich „Dampf gemacht“ hatte und es statt in den zunächst angekündigten 90 Minuten blitzschnell aus der Gefährdungszone gescheucht werden konnte. Oder weil am Ende neue „allerletzte“ Startzeiten im Minutentakt nachgeliefert wurden, während ein Astronaut in einem Flugzeug durch die vorüberjagenden Wolken sauste, auf der Suche nach einem vielleicht doch noch passenden Loch. Denn durch Wolken starten wollte man nicht, wegen der Gefahr tribolelektrischer Effekte auf der Raketenhaut (einem relativ neuen Kriterium).

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Vor allem aber war es zuvor recht lustig geworden (für die TV-Zuschauer jedenfalls), als die Schutzverkleidung einiger Messinstrumente an der Raketenspitze längere Zeit nicht abgehen wollte und man zuschauen konnte, wie mit wachsender Verzweiflung am Seil gezerrt wurde (Bild). Als die „Socke“ dann plötzlich weg war, war die Freude um so größer, und in der Flugkontrolle wurde applaudiert, was sonst während Startvorbereitungen nie passiert. Doch was half’s: Morgen wird’s erneut probiert, die Wahrscheinlichkeit für schlechtes Wetter sinkt von den heutigen 60 auf dann 40%, mit insgesamt weniger Wolken und weniger Wind – aber immer noch genug Potenzial für Aufregungen, die heute selbst in einem NASA-eigenen Blog als wahre soap opera gesehen wurden. Vielleicht morgen nicht mehr ganz so vielen … NACHTRAG: andere Artikel über heute von BBC, Space.com und Universe Today. NACHTRAG 2: Was es mit den triboelektrischen Problemen auf sich hat … NACHTRAG 3: Und was bei Starts sonst schon passiert ist.

Noch 45 Minuten bis zum Ares-Startfenster

27. Oktober 2009

Mal abgesehen von der Frage, ob das Programm überhaupt weitergeführt werden wird, ist der möglicherweise in weniger als einer Stunde stattfindende Flug der Ares I-X ein Meilenstein(chen) der Raumfahrtgeschichte: Der ‚Stack‘ auf der Rampe 39B des Kennedy Space Center ist die derzeit längste Rakete der Welt und die erste große der NASA ist fast drei Jahrzehnten – aber auch eine kuriose Kombination aus übrig gebliebenen Teilen verschiedener Raketenprogramme, was ihr den Spitznamen „Lego-Projekt“ eingebracht hat. Im Prinzip handelt es sich um einen der Feststoffbooster des Space Shuttle mit ein bisschen „was drauf“: den Dummies einer zweiten Stufe und eines Abort-Systems aber auch über 700 Sensoren. Die sind am wichtigsten: Bei dem Flug handelt es sich gewissermaßen um einen Windtunnel-Test in freier Natur zum mechanischen Verhalten der ersten Stufe – oder auch nicht, denn der verwendete Booster hat nur die üblichen vier Segmente, während die erste Stufe der echten Ares noch ein fünftes haben soll (dessen Rolle jetzt ebenfalls ein Dummy spielt), und Experten sind sich uneins, wie gut die Ares I-X überhaupt dem ‚Original‘ entspricht.

Alles Wesentliche wird in nur zwei Minuten passieren: Viel schneller als ein Space Shuttle soll die überaus schlanke Rakete die Rampe verlassen, akustische und mechanische Belastungen erleben, die u.U. zu bedenklichen Vibrationen führen und dann nach 124 Sekunden bei Mach 4.7 in 39 km Höhe die mit Stahlplatten gefüllte Dummy-Stufe abwerfen – zumindest Telekameras sollten bei klarem Himmel diese Phase noch zeigen. Die erste Stufe kehrt dann (wie auch die normalen Shuttle-Booster) am Fallschirm zurück und wird geborgen, der Rest versinkt 236 km von der Rampe entfernt im Meer. Dann beginnt die Analyse der Datenflut der Sensoren – 12 MB/Sekunde – und der Vergleich mit den Modellen: Jeder echte Testflug verspricht ganz neue Erkenntnisse, weshalb auch die Augustine-Komission bei allen Zweifeln nie einen Verzicht auf die I-X in Erwägung gezogen hatte (und das nicht nur wegen der 445 Mio.$, die der Test kostet) – irgendwelche Erfahrungen wird man auf jeden Fall einmal nutzen können. Ob ein klarer Erfolg oder gravierende Probleme allerdings die anstehenden politischen Entscheidungen beeinflussen werden, darüber gehen die Meinungen schon vorher auseinander …

Eine TV-Liveshow von Spaceflight Now nebst schnellem Blog, das offizielle Blog der NASA und die letzten Artikel von Spaceflight Now, Orlando Sentinel und Orion.

Vielleicht in 2 1/2 Stunden: Teststart der „Ares“ ins Ungewisse

27. Oktober 2009

ARES I-X Launch Prep

Im Augenblick ist das Wetter über dem Cape – überraschend – grün: Wenn das so bleibt, könnte es bereits zu Beginn des 4-stündigen Startfensters ab 13:00 MEZ losgehen mit dem ersten Start einer neu entwickelten Rakete in Florida in Jahrzehnten. Die 100 m hohe Ares I-X (hier gestern abend zu sehen) soll nur einen zweiminütigen suborbitalen Testflug mit einer Dummy-Nutzlast aber über 700 Messgeräten an Bord absolvieren und unterscheidet sich auch deutlich von der Ares I, die nach offiziellem Plan 2015, nach Einschätzung der Augustine-Komission aber erst 2017 in der Lage sein würde, Astronauten in einen niedrigen Erdorbit zu befördern. Ob das Programm freilich jemals so weit kommen wird, ist alles andere als sicher: Kurz nachdem die Ares I-X vor einer Woche auf die Rampe gerollt war, hatten Augustine & Co. ihren Abschlussbericht vorgelegt – und auf den 157 Seiten „Seeking a Human Spaceflight Program Worthy of a Great Nation“ kommt gerade die Ares I nur am Rande vor, in zwei von fünf Szenarien und nicht unbedingt den bevorzugten.

Wie schon in der Vorab-Version macht der – bereits heftig diskutierte – Bericht vom 22. Oktober klar, dass beim augenblicklichen Etat nennenswerte bemannte Raumfahrt jenseits des Low Earth Orbit noch für Jahrzehnte nicht zu machen ist. Aus rund 3000 möglichen Szenarien hatte man die 5 grundsätzlichen Vorgehensweisen herauskondensiert, aus denen sich nun das Weiße Haus und natürlich der Kongress eine aussuchen dürfen, wenn sie wollen. Alles, was nicht die größtmögliche Sicherheit der Astronauten garantiert, wurde von vorneherein ausgeschlossen, so dass die Entscheidung nur vom gewünschten Ziel und den Finanzen abhängt. In zwei der 5 Szenarien bleibt das Finanzniveau, die ISS wird bis 2020 betrieben und danach geht es vielleicht – aber nicht vor 2030 – zum Mond. Wenn aber jedes Jahr(!) 3 Mrd.$ mehr zur Verfügung ständen, dann könnte man wahlweise mit dem aktuellen Constellation-Programm (also Ares I und V und Orion-Kapsel) weitermachen und (bei Versenkung der ISS 2016) immerhin 2025 den Mond erreichen, mit einem alternativen Trägersystem bei ISS-Betrieb bis 2020 den Mond um 2025 erreichen oder aber die ISS bis 2020 betreiben und – mit alternativen Raketen – einem „flexible path“ zu NEOs, den Marsmonden etc. folgen.

Letzteres Szenario wird zwar nicht ausdrücklich empfohlen aber als besonders attraktiv beschrieben: Immer wieder würden im Laufe der Jahre neue Ziele erreicht, es bliebe spannend, und einige Wissenschaft fiele auch noch dabei ab. Das Fernziel aller Bemühungen soll übrigens eine Landung auf der Mars werden, aber die hält die Augustine-Komission für derart schwierig, dass auf jeden Fall eine Reise zum Mond oder eben der flexible path davor absolviert werden müssten. Grundsätzlich sollten sich die USA auch bemühen, die Führung eines internationalen Programms zu übernehmen, privaten Anbietern möglichst große Freiräume geben (was am Ende Kosten senken könnte, aber auch riskant ist) und natürlich die Erfahrungen der vergangenen 50 Jahre optimal nutzen. Noch hat das Weiße Haus nicht wirklich erkennen lassen, wie es mit den Erkenntnissen der Komission zu verfahren gedenkt, und es könnte noch bis kommenden Januar oder Februar dauern, bis im Etatplan für das Finanzjahr 2011 drin stehen muss, was passieren soll. Beobachter vermuten aber, dass sich Obama schon früher äußern wird – und womöglich auch direkt in die Planungen eingreifen wird.

Ein Live-Blog zum Ares-Start, Bilder vom Roll-Out, auf der Rampe und mit künstlerischem Anspruch – und Artikel und Links zu Ares und Augustine zuhauf im Cosmic Mirror 332 im grünen Kasten!

Supernovae nicht die Antwort: Wie soll man die Dunkle Energie ergründen?

26. Oktober 2009

Drei astrophysikalische Messverfahren, eins so aufwändig wie das andere, werden derzeit diskutiert, um der Natur der vor knapp 12 Jahren entdeckten Dunklen Energie des Universums endlich auf die Spur zu kommen, d.h. mehr und mehr der vorgeschlagenen Interpretationen ausschließen zu können. Laut einem aktuellen Review von R. Massey (Nature 461 [8.10.2009]) ist ausgerechnet der Klassiker auf dem absteigenden Ast: Zwar verrät die Helligkeit von Supernovae des Typs Ia in Abhängigkeit von ihrer Entfernung eigentlich die zeitliche Entwicklung der kosmischen Expansion – die in jedem Modell für die DE eine andere ist – auf ziemlich direktem Wege, doch diese Sternexplosionen sind eben nicht alle exakt gleich hell. Und die Abweichungen aufgrund der Sternchemie und -umgebung lassen sich wohl nicht so präzise berechnen, wie man es gerne hätte.

Damit hat auch die Idee eines Satellitenobservatoriums, das allein diesen Supernovae gewidmet würde, an Attraktivität verloren, und die geplante Joint Dark Energy Mission soll bereits mehrere Techniken verbinden. Alternative Wege zur Dunklen Energie führen über schwache Gravitationslinseneffekte (aber dafür muss man mehr über die Massenverteilung der linsenden Galaxien wissen als oft der Fall ist) und Baryonen-akustische Oszillationen (denen gerade BOSS nachspürt; siehe ISAN 95-8). Aber auch hier wachsen schon wieder Zweifel, wie gut die beobachtbaren Galaxien eigentlich das ursprüngliche Schallwellenmuster des Jungkosmos nachzeichnen. Es ist immer dasselbe, lamentiert Massey: Ein neues Verfahren wird postuliert, große Aufregung, dann Ernüchterung. Er würde im Moment am ehesten auf die Gravitationslinsen setzen. NACHTRAG: ein Berkeley Feature über die Methoden in 3 Teilen – und JDEM geht es gar nicht gut, trotz Internationalisierung …

Ein ganzes Stadtviertel voller Weltraumkunst!

25. Oktober 2009

kic

Wer in der kommenden Woche ein Geschäft im Kölner „Veedel“ Sülz/Klettenberg aufsucht (oder das Büro der SPD oder den Zahnarzt), wird mit einiger Wahrscheinlichkeit etwas Unerwartetes vorfinden: Kunst! Und zwar astronomische! Denn die nun schon im siebten Jahr seit 2002 veranstaltete Aktion Kunst im Carrée wurde von Projektleiterin Brigitte Hellwig dieses Mal unter das Thema „Firmanente + Gestirne“ gestellt, direkt inspiriert durch das International Year of Astronomy. Regelmäßig besucht sie nämlich die Webseite der UNESCO auf der Suche nach ‚amtlichen‘ Themenjahren, und das IYA passte genau ins Konzept.

Schwieriger gestaltete sich zunächst zwar die Suche nach Künstlern mit astronomischem Portfolio, aber am Ende war wieder ein bunter Strauß aus zum Teil verwegen originellen Beiträgen zusammengestellt, der in einem zweiten Arbeitsgang den Sülzer Einzelhändlern schmackhaft gemacht werden musste: Gegen die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten gibt es die Auflistung in einem Flyer, für dessen Druckkosten noch ein bescheidener Obulus anfällt. Unterstützt auch von der nahen Volkssternwarte, die schon mal ihre Teleskope auffährt, standen schließlich 34(!) Schauplätze für insgesamt 40 Künstler fest, ein Drittel im Veedel selbst ansässig. Und was gibt es da – noch bis zum 1.11. – nicht alles zu sehen!

Da waren z.B. Sternstrichspuren umgesetzt worden, der Blick durch ein Teleskop der Sternwarte Hoher List hatte G. Ludwid zu einer ungewohnten Sicht auf den Kugelsternhaufen M 71 gebracht, A. Brauner „malt“ mit dem Mond (eine Technik, die sie bei einem ‚Unfall‘ mit einer Polaroidkamera entdeckte), kosmische Gemälde finden sich in Accessoire-Läden oder zwischen Herrenmode wieder – oder beim Zahnarzt! Den Preis für die beste künsterische Leistung erhielten diese schwarzen Sonnen von S. van Sierenberg – aber das verblüffendste Werk der KiC Nr. 7 sind wohl Sternbilder aus Fischen aus Plastikflaschenresten im Fenster einer Buchhandlung. Und zusammen erfüllt dieser Ausstellungsmarathon – die Begehung nach der heutigen Vernissage dauerte fast 4 Stunden! – den Anspruch des IYA auf’s Beste, neue Zielgruppen mit Astronomischem zu überraschen. NACHTRAG: eine Nachwirkung dieser Aktion?