Noch vor einem Jahr wurde das Thema kaum ernstgenommen, angesichts allenfalls schemenhafter Indizien, aber das hat sich dank einer Flut von Entdeckungen der aktuellen Generation von Mondmissionen schlagartig geändert – und schon wieder gibt es neue Erkenntnisse, die das Gesamtbild immer komplizierter erscheinen lassen.
- Ein weiteres Instrument auf dem Lunar Reconnaissance Orbiter sorgt für Verwirrung, denn der Neutronendetektor LEND registriert die Signatur von Wassereis nur aus einem Bruchteil von schattigen Polkratern (darunter immerhin jenem Cabeus, wo LCROSS eine Wasserdampfwolke aufsteigen ließ), während andererseits auch in gut besonnten Mondregionen Eis vorzukommen scheint. Wenn sich das bestätigen sollte, haben wir einen wesentlichen Prozess des Mond-Wasser-Kreislaufs – Eisablagerung in größerer Menge nur in polaren Kältefallen – überhaupt nicht verstanden, doch es gibt auch gewisse Zweifel an den Messungen selbst. (Nature Blog 2.3.2010, New Scientist 22.12.2009)
- In rund 40 – korrekt schattigen – Kratern in der Nähe des Mond-Nordpols hat das Radar Mini-SAR auf Chandrayaan-1 Hinweise auf Wassereis gefunden: Das streut nämlich dank vieler interner Reflexionen zirkular polarisierte Strahlung mit derselben Drehrichtung zurück, während normaler Boden die Richtung umdreht. Den Eis-Effekt kann zwar auch besonders rauher Boden nachahmen, der bei einem Impakt zu erwarten ist, aber die Mini-SAR-Daten zeigen, dass der Effekt auf die glatten Böden der 2 bis 15 km großen Krater beschränkt ist. Und es gibt ihn auch nur in permanent schattigen Kratern. Hochgerechnet mindestens 600 Mio. Tonnen Wassereis dürfte das Radar damit nachgewiesen haben, in grobem quantitativem Einklang mit alten Neutronendaten des Lunar Prospector. (NASA Feature, Air Space Mag Blog 1., ISRO Release, Tagesschau 2., Scientific American, Times of India, Space Today, Science Blogs 3.3.2010)
- In der Ejektawolke nach dem LCROSS-Impakt („Wassereis …“) sind neben Wasserdampf inzwischen sicher SO2, CH3OH und H2C4 nachgewiesen worden. Eine klare Antwort auf den Ursprung des Wassers in Cabeus („Das Wassereis …“) und seiner Beimischungen wird aber offenbar weiter gesucht: Angesichts der Vielfalt der Daten scheint es nun möglich, dass das Wasser auf dem Mond mehrere verschiedene Quellen haben könnte. (Sky & Tel. 2.3.2010)
Die Laser-Retroreflektoren auf dem Mond werden immer schlechter, offenbar die Wirkung von – elektrostatisch angehobenem und herumgeblasenem – Mondstaub: Entweder zerkratzt er die von Apollo-Astronauten und Lunochod-Rovern zurückgelassenen Katzenaugen oder er legt sich nur drauf. So oder so verändert er die thermischen Eigenschaften der Spiegel, die jeweils bei Vollmond – aber nicht während der Totalität einer MoFi – besonders schlecht die irdischen Laserblitze zurückwerfen. Das erschwert zumindest für kleinere Laserteleskope die Vermessung der Mondbahn, was für die Suche nach subtilen relativistischen Effekten immer noch interessant ist. Und dient als Warnung für die Planer futuristischer optischer Sternwarten auf der Mondoberfläche. (Murphy & al., Preprint 3.3.; New Scientist 15., Lunar Networks 16.2., Science Blogs 5.3.2010)
Lava-Tunnel auf dem Mond bleiben in den Schlagzeilen
Während die Kamera LROC des Lunar Reconnaissance Orbiters neue Bilder der bekannten „Marius-Hills-Grube“ geliefert hat, wo offenbar ein unterirdischer Lavakanal eingebrochen ist, gibt es von der Terrain Mapping Camera auf Chandrayaan-1 ein Bild aus dem Oceanus Procellarum, wo eine Mondrille streckenweise unterirdisch zu verlaufen scheint. Schon wird in der indischen Presse spekuliert, dass man doch in solch einem Mond-Tunnel gut einen Rover parken könnte … (The Hindu 9.2., LROC Featured Image 1., Parallel Spirals 3.3.2010) NACHTRAG: lunare Lavaröhren als Habitate für Mondbewohner.
Noch eine Chandrayaan-1-Entdeckung: eine „neue Art Mondgestein“, das von Magnesium-Spinel dominiert wird – das soll nicht zu gängigen Modellen der Entwicklung der Mondkruste passen. (The Hindu 9.2.2010)
Der Bau von Chandrayaan-2 beginnt dieses Jahr
Bei der 2. indischen Mondmission – deren Start für das 1. Quartal 2013 angepeilt wird – geht es um das Absetzen von zwei Mondrovern, die jeweils bis zu einem halben Jahr durchhalten sollen. Dafür wird die Zahl der mitgeführten Instrumente deutlich kleiner als bei Chandrayaan-1 mit seinen 11 ausfallen. Und Bewerber aus dem Ausland haben diesmal entsprechend weniger Chancen. (The Hindu 2., DNA 27., Sify 28.1.2010)
Chang’e-2 soll bis zu 1 Meter Auflösung erreichen: Zwar wird als Bildauflösung der Kamera des 2. chinesischen Mondorbiters – der noch dieses Jahr starten soll – 7 Meter angegeben, aber im Tiefflug könnte sie bis auf einen Meter steigen. Derweil hat China verkündet, die Technologie seit bald bereit für eine Mondlandung, und auch wenn es explizit keine konkret Pläne für eine bemannte solche gibt (die US-Politiker so gerne beschwören), so dürfen die Ingenieure des Landes zumindest schon mal über eine Mega-Rakete im Stil der Saturn V nachdenken. (People’s Daily 12.1., 8.2., AW&ST 5.3.2010) NACHTRAG: „Um 2013“ soll Chang’e 3 starten, mit Lander & Rover. NACHTRAG 2: Und über ein Labor für Mondgestein wird auch schon nachgedacht.
Schlagwörter: Chandrayaan, Chang'e, Lunar Reconnaissance Orbiter, mond, wasser
7. März 2010 um 22:02 |
Die Strategie der Nasa ist ja nicht schlecht: Auf Chandrayaan-1 (Kontakt bis Ende August 2009) fliegen sie ein Mini-SAR. Die wesentlich spektakulärere Mission LCROSS findet im Oktober 2009 einige Gallonen an Wasser (http://www.nasa.gov/home/hqnews/2009/nov/HQ_09-265_LCROSS_Confirms_Water.html). Diese Ergebnisse werden medienwirksam zuerst vorgestellt. Daß das Mini-SAR auf Chandrayaan-1 schon zuvor (http://www.nasa.gov/home/hqnews/2010/mar/HQ_10-055_moon_ice.html) ein Vielfaches dessen gefunden hatte, wird einige Monate später nachgeschoben. Wäre ja auch kontraproduktiv gewesen, das vor dem LCROSS Einschlag zu verkünden – der wäre dann nicht mehr so interessant gewesen…
7. März 2010 um 22:11 |
Mal abgesehen davon, dass wir gar nicht wissen, wie weit die Auswertung der Mini-SAR-Daten letzten Herbst überhaupt schon fortgeschritten war: Die LCROSS-Spektren sind so oder so ein wesentlich direkterer Hinweis auf das lange gesuchte Eis.
Radardaten, die mal eisig, dann wieder trocken interpretiert wurden, gibt es ja schon seit vielen Jahren, und genau so wie die noch früheren Neutronendaten des Lunar Prospector haben sie nur wenige als klaren Beweis betrachtet.
Der aktuelle Streit geht eher darum, ob es sich bei dem Eis in den 40 Nord-Kratern um einen „amerikanischen“ oder einen „indischen“ Fund gehandelt hat – von einer „Entdeckung des Jahrtausends“ hat ja schon eine indische Zeitung geschrieben …
15. März 2010 um 00:02 |
[…] nur per Fernerkundung lässt sich Wasser auf dem Mond finden: Auch im bei den Apollo-Missionen eingesammelten Mondgestein […]
9. April 2010 um 23:26 |
[…] sonnigem Mondboden kann Wassereis überleben, besagen neue Modellrechnungen, die die mysteriösen Daten des Instruments LEND (1. Item) auf dem Lunar Reconnaissance Orbiter erklären könnten, wonach es auch Eis in Kratern […]
19. August 2010 um 22:18 |
[…] gewisser Verwirrung scheint nun klar zu sein, dass die nächste indische Mondsonde („Der Bau von …“) 2013 nur einen Rover mitführen wird, und zwar einen selbst […]