Archive for 20. Juni 2010

Nachrichten aus der Planetenforschung kompakt

20. Juni 2010

Hayabusas Probebehälter in Japan – und eine neue Mission?

Mit einem Charterflugzeug ist der – von aller Pyrotechnik befreite (Bild oben) und weiterhin hermetisch versiegelte – Probencontainer der Hayabusa-Kapsel von seiner Landestelle in Australien in der Nacht vom 17. zum 18. Juni zum japanischen Flughafen von Haneda gebracht worden, von dem es aus weiter in ein Speziallabor in Kanagawa ging. Hier wird der Container zunächst mit Computertomografie untersucht, bevor er in einigen Wochen vorsichtig geöffnet wird. Schon jetzt wird die in Japan überaus populäre Mission als Triumpf gefeiert – und der Ruf wird laut, die Arbeit an der de facto eingestellten Mission Hayabusa 2 wieder aufzunehmen, die einen anderen Asteroiden ansteuern würde. Mittleres Bild: die Spur der Kapsel am Himmel, während die Reste des Mutterschiffs verglühen, aufgenommen mit einer Bildverstärker-Kamera auf dem NASA-Flugzeug. Unten: Strichspuren der beiden, aufgenommen am Boden (in Kingoonya) bei wolkigem Himmel. (Mainichi Daily News, Japan Times 18., Daily Yomiuri, Space.com 17., Japan Today, Daily Yomiuri [Kommentare] 16.6.2010)

Chaos bei Fobos-Grunt: Schafft Russland einen Sample Return vom Marsmond Phobos? Der Start der kühnen russischen Mission ist bereits von 2009 auf’s nächste Fenster 2011 gerutscht, aber es ist keineswegs ausgemacht, dass die überaus kompliziertes Mission bis dahin bereit sein wird: Den Mechanismus für die Probenentnahme wird man offenbar durch den polnischen Bohrer CHOMIK (entwickelt für den Kometenlander Philae) ergänzen, der aber wohl nur zum Einsatz kommt, wenn der Boden ungewöhnlich hart sein sollte. Das Flugkontrollsystem weist noch erhebliche Mängel auf. Und der Landeort der Probenkapsel – ein Militärgelände in Kasachstan mit ein bisschen oder eins in den USA mit ganz viel Radar zur Ortung – ist ein Politikum, fordern die USA doch sofortigen Zugang zu den Bodenproben als Gegenleistung … (Russian Space Web) NACHTRAG: dieselbe Story bei der BBC.

Cassini wagt sich näher an Titan als je zuvor: 880 km Abstand

Am Morgen des 21. Juni (MESZ) wird der Cassini-Orbiter noch 70 km tiefer in die Atmosphäre des Saturnmonds Titan eindringen als bei irgendeiner der 70 nahen Begegnungen zuvor und sich der Oberfläche bis auf 880 km nähern: Drei Jahre lang war dieses etwas riskante Manöver vorbereitet worden, das auch mit Absicht ans Ende der aktuellen Missionsverlängerung (Equinox Mission) gelegt worden. Die Missionsplaner sind sich praktisch sicher, dass Cassini durch den Luftwiderstand nicht in gefährliches Schlingern geraten wird und haben herausgefunden, dass die sicherste Orientierung zufälligerweise fast genau dieselbe ist, bei der die große Antenne Richtung Erde zeigt. Daher hat man beschlossen genau diese Lage einzunehmen und während des Flyby Funkkontakt zur Erde zu halten. Jeder Kilometer tiefer verbessert die Messbarkeit eines eventuellen Titan-eigenen Magnetfelds erheblich, dessen Signatur mit der vierten Potenz der Höhe abnimmt. Und in 880 km unterfliegt Cassini auch zum ersten Mal Titans Ionosphäre und kann fast ungestört von Saturns Feld auch einem schwachen Feld des Mondes nachspüren. Zwar jetzt Titan Saturns Magnetismus nichts Nennenswertes entgegen, aber das heißt ja nicht, dass sein eigenes Feld exakt Null ist: Zu wissen, ob Titan überhaupt eins hat, verspricht weitere Aussagen über sein Innenleben. (JPL Release, Blog, Insider 17., Raumfahrer 20.6.2010)

Intensive Instrumententests mit der Kuipergürtelsonde New Horizons, die nach längerer Zeit wieder einmal aufgeweckt wurde, finden derzeit statt – sie befindet sich (unfähr auf halbem Weg zu ihrem ersten Ziel Pluto) in einer Art Niemandsland des Sonnensystems. (Science@NASA, Raumfahrer 18.6., Centauri Dreams 24., PI Perspective 21.5.2010. Und Planetary Society Blog, Space Politics und Raumfahrer zur weiter nicht gesicherten Versorgung künftiger Sonden ins ferne Sonnensystem mit Plutonium-238)

Die Datenbänder von Explorer 1 und 3 werden digitalisiert

5000(!) Magnetbandspulen aus der Urzeit der Weltraumforschung, die Messdaten James van Allens aus dem erdnahen Weltraum mit den allerersten Forschungssatelliten der USA enthalten, werden nach über 50 Jahren im Rahmen eines 60’000-Dollar-Projekts komplett digitalisiert und dann im Internet zugänglich gemacht: Sie lagerten in einem Keller der University of Iowa, wo sie zu schimmeln begonnen hatten. Da die Messungen der Stärke der Kosmischen Strahlung in einer Art akustischem Format gesendet und auf die Magnetbänder geschrieben wurden, handelt es sich zugleich um den ersten „Schall“-Dokumente der amerikanischen Raumfahrtgeschichte, deren Erhalt nun gesichert zu sein scheint. (Science 328 #5985 18.6.2010)

Nachrichten aus der Erdbeobachtung kompakt

20. Juni 2010

Nur noch wenige Stunden bis zum Start von TanDEM-X

Ein Probecountdown für den deutschen Radar-Satelliten („Schon 6 Tage später …“) ist schon absolviert, und um 4:14 MESZ am 21. Juni soll die Dnepr nun aus ihrem Silo in Baikonur flutschen: Mindestens drei Jahre gemeinsame radarinterferometrische Messungen der beiden fast identischen TanDEM-X und TerraSAR-X sind geplant. Das Ziel ist eine komplette 3D-Karte der festen Erde, mit einer Maschenweite von 12 Metern und einer Höhenpräzision von 2 Metern. Da es sich um eine Private-Public Partnership handelt, wird es allerdings nicht ganz leicht, an die Daten(produkte) heran zu kommen. (Grundlagen, Datenpolitik, Start-Blog; DPA, Welt)

Die Mission der GRACE-Satelliten wird bis 2015 verlängert

Das haben DLR (Satellitenbus, Start, Betrieb) und NASA (Instrumente, Datenarchiv) beschlossen: Das 2002 gestartete Satellitenpaar zur extrem genauen Vermessung des Erdschwerefelds (siehe Artikel 447) hat sich u.a. erheblich um Transportprozesse von Wasser auf der Erde verdient gemacht (siehe z.B. Artikel C54) aber auch um die Beobachtung vieler anderer Vorgänge, die das Schwerefeld der Erde subtil verändern. (DLR PM, JPL, NASA Releases 10., NASA Blog 16.6.2010)

Die ersten Daten des Schwerefeld-Satelliten GOCE sind öffentlich, „Level-1b-Daten“ vom November 2009: Die ersten weiter verarbeiteten Level-2-Daten des Gravity field and steady-state Ocean Circulation Explorer – ein komplettes Modell des Schwerefeldes der Erde – werden Ende des Monats ausführlich auf einer Tagung in Norwegen präsentiert. (ESA Release 9.6.2010. Auch eine PM der TU München zur GOCE-Vermessung des Himalaya)

Bodenfeuchte-Satellit SMOS kämpft mit Störsendern

Der ESA-Satellit („Hydrologie-Satellit SMOS …“) ist der erste Erdbeobachter, dessen Messgerät im L-Band des Radiospektrums arbeitet – und die Hydrologen mussten eine böse Überraschung erleben: Da funken eine Menge Sender, von denen man nichts wusste und die die Daten verschlechtern. Einige konnten inzwischen allerdings zum Schweigen gebracht werden, und da auch die USA und China L-Band-Satelliten vorbereiten, wird bald noch mehr Druck gemacht werden können. Der Satellit SMOS an sich ist inzwischen ausgetestet, und Programme zur Eichung z.B. durch Parallelbeobachtungen mit Flugzeugen laufen (ESA Release 21., General-Anzeiger 12., Nature Blog 6., BBC, Tracker 5.5.2010)

Zufrieden mit den Spirale-Frühwarnsatellitchen, die letztes Jahr zusammen mit zwei Nachrichtensatelliten auf einer Ariane 5 gestartet worden waren, ist das französische Militär: Sie haben Millionen Erdaufnahmen im Infraroten gemacht, um den Hintergrund zu ermitteln, vor dem die Signatur startender Raketen erkannt werden müsste. (Astrium Release 15.6.2010)

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

20. Juni 2010

Wir haben wieder „Augen“ auf der Raumstation!

Mit der Rückkehr von S. Noguchi von der ISS war der monatelange Strom faszinierender „Live“-Fotos aus dem Orbit abrupt zuende – aber drei Wochen später ist er wieder da: Kaum mit Soyuz TMA-19 auf der Raumstation angekommen, hat der US-Astronaut Doug Wheelock die ‚Tradition‘ heute wieder aufgenommen. Seine ersten beiden Bild-Sendungen via TwitPic zeigen ein schönes Polarlicht und eine Gegenlichtansicht der ISS – und schon vor dem Start hatte er aus Baikonur einen ungewöhnlichen Blick auf ’seine‘ Rakete geschickt. NACHTRAG: Wie ein österreichischer Amateur-Archivist von Erdaufnahmen aus dem Orbit herausgefunden hat, waren die ersten Bilder nach Wheelocks Start alle alt, mal Monate, mal Jahre! (Persönliche Mitteilung 25.6.2010) Mißtrauen geweckt hatte ein falsches Mondbild („Wer hat …“) – und die Aurora könnte von O. Kotov stammen.

Vorbereitung des nächsten Falcon-9-Starts – und ein Riesenauftrag

Noch im Spätsommer soll das zweite Exemplar der schlagzeilenträchtigen Privatrakete („Nächste Falcon 9“) starten, dann mit einer vollwertigen Dragon-Kapsel, die zu 95% fertig ist: Vom Erfolg dieses ersten Tests im NASA-Auftrag wird entscheidend abhängen, ob bereits beim nächsten Mal direkt zur ISS geflogen werden darf. Der praktisch tadellose Erstflug der Rakete – der Zielorbit in 250 km Höhe wurde prozentgenau getroffen – hat jedenfalls schon Folgen: Vom Satellitenhandy-Betreiber Iridium Communications Inc. (dem einzigen, der die gesamte Erde abdeckt) gab es Startauftrag für den Großteil der 72 Satelliten der nächsten Generation. In den 492 Mio.$ ist auch die Entwicklung eines Adapters inbegriffen, der den gleichzeitigen Start mehrerer Satelliten erlaubt (weil noch gar nicht feststeht, wie groß und schwer die Iridium-NEXT-Satelliten sein werden, ist auch nicht klar, wieviele Falcon 9s zum Einsatz kommen sollen). Die Starts sollen zwischen 2015 und 2017 erfolgen – vorher sind noch 24 andere Flüge geplant. Den Auftrag bekam die Falcon, weil sie unschlagbar billig ist: Nur 7 Mio.$ pro Iridium-Satellit! Derartige Tarife gab es in den 1990-er Jahren mal in Russland und der Ukraine, heute aber nirgendwo mehr. (Space X Press Release 16.6.2010; Raumfahrer 19., peHUB 18., Space News, Space Today, 17., Spaceflight Now, Space.com, Nature Blog, Discovery, Spiegel 16., AW&ST, Raumfahrer 15.6.2010)

Weiterhin Streit um die Schuld am koreanischen Raketenfehlschlag: Weder von der ersten noch der zweiten Stufen des KSLV-1 waren vor dessen plötzlichem Verlust irgendwelche offensichtlichen Signale gekommen, die auf ein Problem hingedeutet hätten, und so sind sich Korea und Russland weiter uneins („Russland und …“) über die Verantwortung, die nun eine gemeinsame Komission klären soll. Unklar bleibt daher auch, wie es mit dem KSLV-Programm weitergehen soll und ob Russland nun eine dritte 1. Stufe gratis liefern muss; eine weitere zweite hätte Korea noch übrig. Dort werden derweil Vorwürfe laut, der misslungene Start sei unter zu großem – selbstgemachtem – Zeitdruck erfolgt. (Novosti, LaunchSpace 18., Yonhap 16., Korea Times, Yonhap, Arirang 14.6.2010)

Kein Deutscher da: Dordain bleibt ESA-Generaldirektor

Eigentlich wäre nun Deutschland an der Reihe gewesen, aber dessen ESA-Delegation konnte keinen geeigneten Kandidaten finden (nachdem der DLR-Chef keine Lust hatte, nach Paris zu gehen): So bekommt der Generaldirektor der Europäischen Weltraumbehörde Jean-Jacques Dordain eine dritte Amtszeit bis 2014; vielleicht findet sich ja dann ein passender Nachfolger aus Schland. (ESA Release 17.6.2010; BBC Blog, Space Today 18., Space News, BBC 17., Spiegel 13., Spaceflight Now 8.6.2010)

Eine deutsche „Raumfahrt-Strategie“ bis Ende des Jahres verspricht der DLR-Chef – in Erfüllung des Koalitionsvertrages der Bundesregierung – in einem Interview: Ziel dieser Strategie müsse sein, längerfristige Perspektiven zu formulieren, die dann durch Einzelziele und daraus abzuleitende Projekte und Missionen umgesetzt werden. (Kowalski 7.6.2010. Auch Woerner-Blog, Parabolic Arc und Flight Global zu neuer deutsch-amerikanischer Raumfahrt-Nähe und Space News zu deutschem Drang nach optischen Aufklärungssatelliten)