Der Mond ist um 200 Meter geschrumpft – und noch kein Ende in Sicht
Die Abkühlung des Mondes seit seiner Entstehung geht mit einem geringfügigen Verlust an Durchmesser einher, der sich durch tektonische Verwerfungen auf seiner Oberfläche bemerkbar macht: Bisher kannte man nur wenige solcher „lobate scarps“ (wörtlich: gelappte Böschungen), aber die Kamera des Lunar Reconnaissance Orbiter hat nun 14 weitere entdeckt und sie nun auf dem gesamten Körper nachgewiesen. Viel größere lobate scarps kennt man vom Merkur, der im Rahmen seiner Abkühlung gleich um Kilometer kleiner geworden ist – beim Mond dagegen spricht das scarp-Muster für einen Durchmesserverlust um gerade einmal 200 Meter.
Allerdings passierte das nicht schon in der fernen Vergangenheit: Die scarps sind so frisch und kraterarm, dass sie in den letzten 800 Mio. Jahren entstanden sein dürften. Und die Schrumpfung dürfte noch immer andauern, wenn sie auch mit abnehmender Restwärme des Mondes ständig langsamer wird und irgendwann ganz zum Erliegen kommt. Von der Erde aus nachweisen kann man den winzigen Effekt wohl gar nicht, aber er zeigt doch, dass der Mond geologisch gesehen noch ‚lebt‘. (NASA Telecon, Visuals, Press Release, Air & Space Blog, Scientific American, New Scientist, Telegraph 19.8.2010) NACHTRAG: wer sonst noch im Sonnensystem schrumpft.
Ein natürlicher Mondkrater, der höchstens 38 Jahre alt ist, findet sich auf einer LRO-Aufnahme: Zu Apollo-Zeiten (konkret: als Apollo 15 vorbei kam) war an dieser Stelle eindeutig noch nichts, und weit und breit ist kein – bekanntes – Stück Mondhardware eingeschlagen, der alle bisher vom LRO entdeckten neuen Krater zuzuschreiben sind. (Planetary Society Blog 27.7., LSI News 3.8.2010. Auch Details des Kraters Bhabha in schräger Sicht, Nature zur Datierung mit Mondkratern und LRO-Bilder eines Mond-Vulkans sowie von Löchern, die nun auch im Schrägblick untersucht werden sollen. Neue LRO-Datenprodukte auch von Diviner und Mini-RF)
Indizien für ein – moderat – feuchtes wie ein sehr trockenes Inneres des Mondes
sind kurz nacheinander veröffentlicht worden, basierend auf Untersuchungen von Mondgestein mit neuartigen Techniken: Ein klares Bild ergibt sich daraus nicht. Erst wurden Fluor, Chlor und das Hydroxyl-Ion OH- in Apatit (Kalziumphosphat) von einer Apollo-15-Probe („Tatsächlich Wasser …“) und einem Mondmeteoriten und Wasserstoff/OH-, Chlor und Schwefel in Apatit in einem Apollo-14-Stein gefunden, die im letzteren Fall auf Mengenanteile flüchtiger Substanzen (Wasser inklusive) wie in irdischem Magma hinwiesen – aber dann wurden in anderem Mondgestein stark schwankende Isotopenverhältnisse von Chlor entdeckt. Die Anwesenheit von Wasser hätte dies vermutlich verhindert, da das Chlor mit dem Wasserstoff eine Verbindung eingegangen wäre, sich so aber an Metalle halten musste; das führt zu anderen Entweich-Verhältnissen. Vielleicht haben beide Studien recht, und das Mondinnere ist sehr uneinheitlich: Um das zu klären, müssen noch viel mehr Mondproben untersucht werden. (Boyce & al., Nature 466 [22.7.2010] 466-9; PSRD 1., Caltech, Univ. TN Releases 21.7., Univ. of NM, LANL Releases 5.8.2010; Science News „28.“, Sky & Tel. 11., Nature 6., Scientific American 5.8.2010. Und Universe Today zum weiter konfusen lunaren „Wasserzyklus“ auf der Oberfläche)
Der erste Nachweis von Graphit auf dem Mond – teilweise in Gestalt sogenannter Whiskers – ist in einer Probe von Apollo 17 gelungen: Entweder brachte die der Impaktor mit, der das Mare Serenitatis schuf, oder sie kondensierten aus der Dampfwolke nach dem Einschlag. Auf jeden Fall scheint kohlenstoffhaltiges Material aus der Zeit des Late Heavy Bombardement noch auf dem Mond zu existieren. (Steele & al., Science 329 [2.7.2010] 51; JPL Release, Scientific American 1.7.2010)
Russischer Lander mit indischem Mini-Rover auf Chandrayaan-2
Nach gewisser Verwirrung scheint nun klar zu sein, dass die nächste indische Mondsonde („Der Bau von …“) nur einen Rover mitführen wird, und zwar einen selbst gebauten – aber abgesetzt wird er mit einem russischen Lander. Mit einer Masse von 15 kg ist der indische Rover ein Winzling, verglichen mit den russischen Lunochods (750 kg), aber für ein paar Instrumente reicht’s (während auf dem Lander bis zu 10 russische Instrumente, z.T. entwickelt im Rahmen von Fobos-Grunt, installiert werden könnten). Ungefähr zur selben Zeit – Anfang 2013 – soll auch im Rahmen der 3. chinesischen Mondmission Chang’e 3 („Ergebnisse …“) ein Rover abgesetzt werden: Hier zeichnet sich ein interessanter Wettlauf ab. (Parallel Spirals, Deccan Chronicle 15., BBC 13., Parallel Spirals 5., Ministry of Science and Technology PR 4.8., The Hindu 27.7.2010. Auch: Lunar Networks und Xinhua zu Ergebnissen von Chang’e und NASA und Parallel Spirals zu Ergebnissen von Chandrayaan-1 – und Current Science zu Unmut über dessen Datenpolitik …) NACHTRAG: Ein spanisches Blog hat Bilder des Landers. NACHTRAG 2: Warum kein russischer Rover mehr? Spekulationen … NACHTRAG 3: die Nutzlast von Chandrayaan-2 – erwartungsgemäß diesmal alles Made in India auf Orbiter & Rover. NACHTRAG 4: doch ein 30- bis 100-kg-Rover möglich, sagen die Russen. NACHTRAG 5: Der Orbiter wird tiefer fliegen als Chandrayaan-1.
Konsequenzen für den Google Lunar X-Prize werden möglicherweise die indischen und chinesischen Mondrover haben: Die Regularieren für den Wettbewerb, bei dem ein zu 90% privat finanzierter Mondrover abgesetzt werden soll, um dann bestimmte Aufgaben zu erfüllen, werden vermutlich verschärft. Sollte nämlich einer der Regierungs-Rover dem ersten privaten zuvor kommen, dann gibt’s ein geringeres Preisgeld – dafür wird aber gleichzeitig die Deadline entschärft. (Asia Times 12.8.2010)
Erste Artemis-Sonde (Ex-THEMIS) bald im Mondorbit: Diesen Monat und im Oktober sollen die beiden umgeleiteten Erdorbiter in Umlaufbahnen um den Mond eintreten („Die beiden …“); bis nächsten April müssen die Bahnen noch angepasst werden. Dann kann die neue Mission „Acceleration Reconnection and Turbulence and Electrodynamics of the Moon’s Interaction with the Sun“ beginnen, deren Finanzierung zwar noch nicht steht aber als ausgemacht gilt. (Discovery 27., New Scientist Blog 29., Lunar Networks 30.7., DLF 6.8.2010. Auch: JPL Release zum Bau der GRAIL-Mondorbiter) NACHTRAG: ARTEMIS-P1 ist am 25.8. im Orbit angekommen! NACHTRAG 2: Nee, nicht wirklich!
Schlagwörter: Artemis, Chandrayaan, Chang'e, lro, Lunar Reconnaissance Orbiter, mond, THEMIS
20. August 2010 um 16:23 |
[…] This post was mentioned on Twitter by Daniel Fischer, Daniel Fischer. Daniel Fischer said: @Lichtecho @DLR_de Erstaunlich, wie viele Kollegen Radius = Durchmesser denken – es sind natürlich *200* m Schrumpfung: http://is.gd/erGSr. […]
21. Oktober 2010 um 23:49 |
[…] Instrumente werden auf dem russischen Lander von Chandrayaan II sitzen, wurde jetzt bekannt; der Orbiter und vom Lander ausgesetzte Rover („Russischer Lander …“) tragen weitere 5 bzw. 2 Instrumente. Bei der russischen […]
4. November 2010 um 03:36 |
[…] 25. August bzw. 22. Oktober haben die beiden ehemaligen THEMIS-Satelliten (“Erste ARTEMIS-Sonde …”) den ersten Schritt hin zu ihrer neuen Aufgabe als […]
23. Mai 2011 um 14:51 |
[…] mit GSLV-Rakete verzögert zweiten indischen Mondorbiter: Frühestens 2014 kann Chandrayaan-2 („Russischer Lander …“) starten, weil die indische Raumfahrtbehörde die dafür […]