Opportunity auf halbem Weg zu Endeavour – und jetzt geht’s schneller voran
Zwei Jahre hat der Mars Exploration Rover Opportunity gebraucht, bis er am 8. September die Hälfte des 19 km langen Weges zwischen dem 800-m-Krater Victoria und dem nächsten Rand des 22-km-Kraters Endeavour zurücklegte: Ein Dünenfeld hatte einen ca. 7 km langen Umweg erzwungen, und Interessantes am Wegesrand für Stopps gesorgt. Aber jetzt scheint der Weg einfacher zu sein, und bis zum nächsten großen Ziel wird es wahrscheinlich nicht noch einmal so lange dauern. Dort warten die ersten Aufschlüsse von Phyllosilikaten, die je in Reichweite eines Marslanders waren: Diese Art Gips entsteht nur unter geradezu lebensfreundlichen Bedingungen und wurde aus dem Orbit auch schon mancherorts aufgespürt. (Planetary Society Tweet 7., NASA Release, Bild, Cosmic Log 8., Road to Endeavour 10.9.2010)
Gebt dem schweigenden Spirit noch etwas Zeit! Eine überraschende – und widersprüchliche – Pressemitteilung des JPL, die fast wie ein Nachruf klang, versetzte die Fans des anderen Marsrovers Ende Juli in helle Aufregung, aber Gemach: Konkret mitgeteilt wurde nur, dass es diesem seit März schlafenden MER („Spirit offenbar …“) nach neuen Rechnungen möglicherweise so kalt geworden ist, dass seine innere Uhr ausfiel. In diesem Fall würde der Rover in einem zufälligen – und z.Z. nur kurzen – Intervall nach Kommandos von der Erde lauschen, die er sofort quittieren würde. Also wird Spirit seit dem 26. Juli systematisch angefunkt; realistisch mit einer Antwort rechnen kann man aber wohl nicht vor November, aber es kann auch bis April 2011 dauern. Erst wenn dann immer noch nichts vom Mars zurück kommt, darf man Spirit abschreiben. (Planetary Society 31., San Francisco Chronicle 1.8., Planetary Society, Space Today 31., JPL Release, Science@NASA, Spaceflight Now, Planetary Society Blog 30.7.2010)
Experimente für den 2016-er Marsorbiter von NASA und ESA ausgewählt
Unter 19 Kandidaten sind nun fünf Instrumente für den ersten Marsorbiter („Grünes Licht …“) des gemeinsamen Marsprogramms von NASA und ESA ausgewählt worden: Vier haben einen amerikanischen, eines einen belgischen Principal Investigator, aber in der Regel sind bei jedem Instrument Wissenschaftler beiderseits des Atlantiks beteiligt, allerdings nur bei einem – der Marskamera HiSCI aus Arizona – auch deutsche. Der ExoMars Trace Gas Orbiter startet auf einer US-Rakete und setzt nebenher auch einen Landedemonstrator der ESA ab, ferner dient er später als Funkrelais für die aufwändigere Mission von 2018.
Das Hauptinteresse gilt zwar der chemischen Erforschung der Marsatmosphäre mit ihren Spurengasen, die – v.a. das Methan – erhebliche Rätsel aufgeben: Sie werden mit verschiedenen Techniken mit enormer Empfindlichkeit gemessen; MATMOS z.B. könnte bereits drei irdische Kühe (aufgrund ihrer Methan-produzierenden Bakterien) auf dem Mars nachweisen. Aber es sind auch wieder zwei neue Kameras dabei. Die HiSCI ist dabei eine Variante von HiRISE auf dem MRO: Diesmal ist die Auflösung mit 2 m/Pixel geringer, dafür aber das Bildfeld so viel größer, dass der komplette Planet erfasst werden kann. Und zwar sofort in 3D, ähnlich wie mit der HRSC des Mars Express. (JPL, ESA, UA, Caltech Releases 2., Uni Bern PM 3., JPL Release 26.8.2010)
Der nächste Marslander Curiosity ist zum ersten Mal gefahren
Allerding nur einen Meter vor und zurück, nachdem das Mars Science Laboratory im Juli seine 6 Räder nebst Aufhängung und Motoren bekommen hat.Und auch der Robotarm hat sich erstmals bewegt: Das Vehikel ist nun zu 80-90% fertig, und alle wesentlichen Hürden scheinen genommen, so dass es mit dem Start im Fenster Ende 2011 klappen dürfte. Auch der Ärger mit dem Titan-Betrug liegt weitgehend hinter dem gebeutelten Projekt und gilt gleichfalls als zu 80-90% erledigt. (JPL Releases 1., 13., 23.7., 3.9.2010; Spaceflight Now 23., Space Today 24.7.2010. Auch ein JPL Release zur Abstiegs-Filmkamera MARDI und das Planetary Society Blog zum ebenfalls 2011 – als Mitpassagier auf Russlands Fobos-Grunt – startenden ersten chinesischen Marsorbiter Yinghuo-1)
Mars-Scout-Programm beendet – aber Billig-Mars-Missionen dürfen bei „Discovery“ eingereicht werden: Weil sich die NASA in Zukunft auf teure Landeoperationen (inklusive irgendwann einer Sample Return Mission) konzentrieren will, wird die Scout-Reihe für Marsmissionen bis 485 Mio.$ nach nur zwei Missionen, Phoenix (s.u.) und MAVEN (Start 2013) schon wieder eingestellt. Sollte aber doch noch jemand eine vielversprechende „preiswerte“ Marssonde einfallen, dann darf diese künftig im Rahmen der Discovery-Serie von Billigplanetensonden – bis 425 Mio.$ – eingereicht werden, wo der Mars bisher keinen Platz hatte. Die Konkurrenz von anderen spannenden Zielen im Sonnensystem ist dann natürlich gewaltig. (Spaceflight Now 29.7.2010)
CO2-Isotopen-Messungen von Phoenix sprechen für durchgehenden Vulkanismus auf dem Mars
und möglicherweise auch Kontakt der Atmosphäre des Planeten mit flüssigem Wasser bis in die Gegenwart: Das EGA-Spektrometer des TEGA-Instruments auf dem 2008-er Marslander Phoenix hat die Isotopenverhältnisse des CO2 in der Marsatmosphäre genauer als je zuvor bestimmen könnnen – und sie sind nicht so, wie man sie bei einem ‚toten‘ Planeten erwarten würde. Diverse geochemische Prozesse wirken auf dieses Verhältnis ein, und ziemlich klar ist wohl, dass Vulkane beständig CO2 mit leichtem C-12 nachliefern: Ansonsten hätte sich das schwerere Isotop C-13, das leichter in den Weltraum entweicht, längst anreichern müssen, was aber laut den EGA-Daten nicht der Fall ist. Strittiger ist da die andere Schlussfolgerung, dass das CO2 bis in die Gegenwart mit flüssigem Wasser in Kontakt gewesen sein müsse, doch für die beobachtete Anreicherung von O-18 kommen auch andere Prozesse in Betracht. (Niles & al., Science 329 [10.9.2010] 1334-7, auch 1267-8; JPL Release, UA News 9., CSM 10.9.2010)
Erzwingen Phoenix-Erkenntnisse die Neubewertung von Viking-Messungen? Das Fehlen von organischen Substanzen auf der Marsoberfläche, dass die NASA-Lander 1976 gemeldet hatten und das angesichts eines Regens derartiger Verbindungen (die mit Leben erst einmal gar nichts zu tun haben) aus dem Weltraum auf die Oberfläche Verblüffung ausgelöst hatte, ist vielleicht ein Artefakt des Messprozesses. Der 2008-er Lander Phoenix hatte auf der Marsoberfläche Perchlorat nachgewiesen, das mit organischen Verbindungen koexistieren kann – doch wenn man das Gemisch so erhitzt, wie in den Viking-„Labors“ geschehen, wird alle Organik zerstört, weil Perchlorat dann zu einem starken Oxidator wird. Wobei allerdings zwei Chlor-Methan-Verbindungen frei werden – und genau diese hatte Viking damals gemessen, aber sie waren für Rückstände eines Reinigungsmittels gehalten worden.
Ob die neuen Erkenntnisse im Umkehrschluss die Existenz organischer Substanz – welcher Quelle auch immer – auf der Marsoberfläche beweisen, ist allerdings nicht klar: Sie basieren nämlich auf Laborversuchen mit Erdreich aus der Atacama-Wüste als Analog des Marsbodens. (JPL Release 3., Washington Post 4., BBC 6., Science Insider 7., Science Journalism Tracker 8.9.2010) HISTORISCHE ANMERKUNG: Genau dieselbe Erklärung (minus das Atacama-Experiment) sorgte bereits im Frühjahr 2009 für Aufsehen; ein längerer Artikel wurde seither hinter einer Paywall versteckt, aber es gibt Zusammenfassungen bei Softpedia und auf SF- und Verschwörungs-Webseiten (s.a. diese Diskussion) …
Schlagwörter: Curiosity, ESA, ExoMars, Mars, MER, MSL, nasa, Opportunity, Phoenix, spirit, Trace Gas Orbiter
4. Mai 2012 um 23:24 |
[…] Bedingungen entstanden sein dürften. Ihre ungefähre Ortung aus dem Orbit war einst überhaupt die Motivation für die große Fahrt Opportunitys bis zu Endeavour gewesen. Weiter geht’s dann zu ausgedehnten Gips-Feldern zwischen Cape York […]