Keine Indizien für Leben auf einem anderen Himmelskörper, auch keine Entdeckung einer „Schatten-Biosphäre“ mit grundlegend anderer Biochemie auf unserem Planeten – aber vielleicht ein Hinweis darauf, das so etwas im Prinzip möglich wäre, und wenn hier, warum dann nicht auch anderswo: Das war die Quintessenz einer nach einer kryptischen Ankündigung der NASA fieberhaft erwarteten Pressekonferenz heute Abend (MEZ). Biologen hatten eine Mikrobe der Genvariante GFAJ-1 mit überwiegend Arsen statt Phosphor gefüttert – und die Bakterien (aus dem chemisch exotischen Mono Lake in Kalifornien) waren’s offenbar zufrieden, wie das Bild zeigt. Noch andauernden Untersuchungen zufolge konnten sie das bislang für biochemisch unverzichtbar gehaltene Phosphor in ihrem Stoffwechsel und selbst Erbgut durch den instabileren und giftigen chemischen Verwandten Arsen ersetzen, auch wenn es schon auf der PK gewissen Streit darüber gab, wie weitgehend die Winzlige auf Arsen umgeschwenkt waren.
Die NASA feiert die Experimente als erstes „life as we do NOT know it“, und auf der Pressekonferenz wurden die Arsen-ernährten GFAJ-1 allen Ernstes mit den Horta aus der Star Trek-Episode „The Devil in the Dark“ verglichen: Die Möglichkeiten für Leben im All, so solle man mitnehmen, seien nun noch größer als bisher gedacht. Ob es da draußen freilich arsenoides Leben gibt ist genau so unklar wie die Frage, ob es auf der Erde natürlich vorkommt: Bereits auf der PK machte ein geladener Kritiker klar, dass As-Verbindungen bei irdischen Temperaturen viel leichter zerbrechen dürften als P-Bindungen. Aber auf Welten wie dem Titan, wo es zwar reichlich biochemische Grundlagen („Massenweise …“) geben dürfte aber die Temperaturen extrem gering sind, könnten Arsen-Mikroben sogar eine größere Chance haben. Noch stehen die Forschungen an GFAJ-1 ziemlich am Anfang, und im Februar wird das nächste Paper eingereicht: Ob die heutige Enthüllung ein Meilenstein der Astrobiologie oder nur eine Abzweigung war, wird sich vielleicht bald erweisen.
Erste Artikel von Nature News, New York Times, Space.com, Discovery (mehr und mehr), Spaceflight Now, New Scientist, Wired, Scientific American, NPR, BBC, Discover, Centauri Dreams, Planetary Society, Universe Today, Gizmodo, IO9, The SpaceWriter, Fischblog, ZEIT, Spektrum Direkt, Tagesschau, Neue Presse und Seti.cl – und ein Spezial-Blog des Guardian zu der Entwicklung der Story. Zur verwandten Frage einer (As-basierten) „shadow biosphere“ – deren Entdeckung weiter aussteht – auch frühere Artikel von AstroBiology, Times und Fisch-Blog sowie ein Paper und noch eins. Und ein alter BBC-Artikel zu Arsen-verwendenden Bakterien im Mono Lake. NACHTRAG: SLAC, LLNL und NASA Releases und Artikel von Washington Post, USA Today, WSJ, CNN, TIME, Space.com, Guardian, Nat’l Geographic, Pharyngula (besonders lesenswert!), Space Policy Online, Exposing Pseudoastronomy, Ars Technica, New Scientist Blog, Cosmos, FAZ, Tagesschau, TechnoPolis, BdW und Eureka. (Later stories get linked in Cosmic Mirror #339 at the very bottom!)
Schlagwörter: Arsen, Astrobiologie, Mono Lake
3. Dezember 2010 um 00:10 |
[…] This post was mentioned on Twitter by Daniel Fischer, Daniel Fischer. Daniel Fischer said: My 2 cents about the As-munching bacteria story: http://is.gd/i6RG7 – with many links, mostly to English stories, also related earlier ones. […]
5. Dezember 2010 um 16:57 |
[…] nur ist reichlich unklar, welche Bedeutung Arsen-verbauende Bakterien für die Frage des Lebens im All hätten: Inzwischen häuft sich scharfe Kritik an dem […]
7. Januar 2011 um 12:57 |
Blogs als wissenschaftliches Kontrollinstrument…
Anfang Dezember letzten Jahres gab es reichlich viel Aufregung um ein kleines Arsen-Bakterium und die Veröffentlichung, in der dieses Bakterium vorgestellt wurde. Die Details kann man schöner im Fischblog nachlesen, als ich sie jetzt wiedergeben könnte…
22. August 2012 um 19:28 |
[…] unmittelbar nach einer spektakulären NASA-Pressekonferenz im Dezember 2010 mit Bakterien, die angeblich ihren Stoffwechsel unter Zwang statt mit Phosphor auch mit Arsen […]