Astrophysikalische Papers von 2011 kompakt

Herbig-Haro 34 ist doch symmetrisch – im Infraroten (rechts: Spitzer IRAC), während im sichtbaren Licht (links: VLT) nur ein Jet des Jungsterns zu sehen ist. Aus leichtem Versatz von Knoten in beiden Ausflüssen um 4 1/2 Jahre lässt sich schließen, dass die Quelle dieser Jets kleiner als 2.8 AU ist: Eine so scharfe Obergrenze für deren Entstehungsregion gab es noch nie, bisher war sie 10-mal größer. Allerdings könnte es auch sein, dass sich die Knoten gar nicht nicht ballistisch bewegen, wie hierbei angenommen: Dann wäre die Region noch kleiner. (Raga & al., Preprint 23.1., JPL Release 4.4.2011)

Ein Verwandter von Polaris, noch interessanter als dieser

Der F9-Ib-Überriese HDE 344787 ist – historischen Beobachtungen sowie aktuellen Pro/Am-Beobachtungen zufolge – ein Cepheiden-Veränderlicher mit zwei Perioden und extrem geringer Amplitude: ein Verwandter des exotischen Cepheiden Polaris (siehe ISAN 71-8) mit noch krasseren Eigenschaften. Wenn das mit ihm so weiter geht, stellt er um das Jahr 2045 das Pulsieren ganz ein. Schon 2008/9 war da fast kein Signal mehr (Turner & al., Preprint 23.2.2011)

Die ersten Sterne waren oft Mehrfachsysteme – sagt eine Simulation der ersten Stern/Scheiben-Systeme, von den kosmologischen Anfangsbedingungen bis zu einer Größenskala von 1.5 AU: In den Scheiben bilden sich dabei markante Spiralarme, aus denen einer oder sogar mehrere Begleiter des Hauptsterns entstehen. Die allererste „Population III“ des Kosmos sollte damit komplizierter als bisher gedacht sein – und die kleinesten Sterne, die bei diesem Prozess herausgekommen sind, waren womöglich so massearm, dass sie bis heute überleben konnten. (Clark & al., Science 331 [25.2.2011] 1040-2; McDonald Obs. PR, PM der Uni Heidelberg 3.2.2011)

Noch mehr Kepler-Papers: Planetenstatistik, Sternstatistik und Asteroseismologie Roter Riesen

  • Eine Hochrechnung der Häufigkeit erdähnlicher Planeten um sonnenähnliche Sterne aus den 1235 aufgespürten Planeten-Kandidaten kommt zu dem Schluß, dass 1.4 bis 2.7% dieser Sterne mit Erd-analogen Planeten aufwarten: Einerseits ziemlich viele, auf die gesamte Milchstraße bezogen rund 2 Mrd. prinzipiell bewohnbare Erden, andererseits so wenige, daß künftige Satelliten, die Fremderden in relativer Sonnennähe im Detail untersuchen sollen, sehr detaillierte Ziellisten benötigen werden. Kepler jedenfalls wird nach dieser Analyse auch am Ende der Mission nur 12 andere Erde gefunden haben, von denen jede dritte schon erkannt wurde; andere glauben, dass da noch mehr drin ist. Abwarten! (Catanzarite & Shao, Preprint 8., Nature Blog 10., National Geographic 29.3.2011. Auch Howard & al., Preprint 13., astrobites 15.3.2011 mit einer anderen Hochrechnung)
  • Sonnenähnliche Oszillation bei 500 sonnenähnlichen Sternen hat Kepler durch regelmäßige schwache Helligkeitsschwankungen nachweisen können: Vor der Mission war dies nur bei etwa 25 Sternen gelungen: Nun sind umfangreiche statistische Untersuchungen der wichtigsten Sternparameter – Masse, Durchmesser, Alter – möglich, und prompt zeichnen sich Widersprüche zu Vorhersagen aufgrund von Modellen synthetischer Sternpopulationen in der Galaxis ab. So passt z.B. die Radienverteilung der Sterne ziemlich gut, während die Verteilung der Massen deutlich breiter ist. (Chaplin & al., Science 332 [8.4.2011] 213-6, auch Montgomery, ibid. 180-1; Iowa State Univ. PR 7.4.2011)
  • Allerlei Erkenntnisse über das Wesen Roter Riesen hat Keplers Asteroseismologie ebenfalls schon geliefert: So hat sich bei Messungen an rund 400 Exemplaren gezeigt, dass man allein anhand bestimmter Schwingungsmuster (gravity modes) zwischen Wasserstoff- und Helium-verbrennenden Roten Riesen unterscheiden kann (Bedding & al., Nature 471 [31.3.2011] 608-11, auch Metcalfe, ibid. 580-1; Univ. of Sydney PR 31.3.2011), bei einem Roten Riesen konnten „gravity mode period spacings“ nachgewiesen werden, im Einklang mit theoretischen Vorstellungen (Beck & al., Science 332 [8.4.2011] 205; University of Iowa Press Release 30.3.2011), und ein Kepler-Stern hat sich als hierarchisches Dreifach-System mit zwei Arten gegenseitiger Verfinsterungen erwiesen, an dem noch viel erforscht werden kann. (Derekas & al., Science 332 [8.4.2011] 216-8; Kepler Release 7., NASA Release 12.4.2011)

Einstein@Home hat seinen zweiten Pulsar entdeckt

Während es eigentlich um die Analyse der Daten von Detektoren für Gravitationswellen geht, wird bei diesem Distributed Computing-Projekt ein Teil der Rechenleistung der beteiligten Heimrechner auch für die Auswertung der Pulsar ALFA Survey mit dem Radioteleskop von Arecibo benutzt (siehe ISAN 82-10 und 117-10): Jetzt wird der zweite Treffer berichtet, ein Millisekundenpulsar mit 20.7 ms Periode, der auf einer praktisch perfekten Kreisbahn alle 9.4 Stunden um einen unsichtbaren Begleiter läuft, vermutlich einen Weißen Zwerg. (Knispel & al., Ap.J.Lett. 732 [1.5.2011] L1ff; Milde Marketing 1.3., MPG PM 6.4.2011)

Die Flares aus dem Crab bleiben einstweilen mysteriös: Mehrmals haben die Hochenergiesatelliten AGILE und Fermi Strahlungsausbrüche aus dem Crab-Nebel („Die Folgen …“) registriert, deren Helligkeit und Zeitskala für einen Ursprung in der Nähe des Krebs-Pulsars sprechen – aber ein Mechanismus, der hier über Teilchenbeschleunigung für die Strahlung sorgt, ist nicht ersichtlich und „eine Herausforderung“, wie es gleich in beiden Entdeckungs-Papers heißt. Dass es überhaupt zu den Beobachtungen kam, ist aber auch ein Erfolg: Zahlreiche Instrumente in einem breiten Energiespektrum konnten sofort aktiviert werden. (Bernardini / Tabani & al. / Abdo & al., Science 331 [11.2.2011] 686-7 / 736-42)

Ein Schwarzes Loch mit 1 Mio. Sonnenmassen in einer nahen Zwerggalaxie?

Inmitten der Starburst-Zwerggalaxie Henize 2-10, die in vielen Aspekten den Mini-Galaxien des frühen Kosmos ähnelt, sitzt eine kompakte Radioquelle, die zugleich eine Quelle harter Röntgenstrahlung ist: Die wird („noch nicht ganz wasserdicht“, wie es heißt) als akkretierendes Schwarzes Loch interpretetiert – was wiederum bedeuten würde, das auch schon die Urgalaxien dergleichen besessen haben könnten. Das mutmaßliche SL in Henize 2-10 ist weder mit einem Bulge noch einem zentralen Sternhaufen noch sonst irgendeiner Art „Kern“ assoziiert – derlei Umgebungen braucht(e) es offenbar nicht, damit es entstand. Was profunde Auswirkungen auf das Verständnis der Galaxienentwicklung hätte. (Reines & al., Nature 470 [3.2.2011] 66-8, auch Greene, ibid 45-6; NRAO Release 9., NASA Image 13.1., Chandra Picture 11.3.2011)

Schwarz-Loch-Masse in Galaxien korreliert nicht mit den Dunkle-Materie-Halos und auch mit markanten sichtbaren Eigenschaften der Galaxien nicht: Konkret enthalten Galaxien ohne Bulge – selbst wenn sie von massereichen Dunklen Materie-Halos umgeben sind – im besten Fall Schwarze Löcher sehr kleiner Masse. Damit hängt das Wachstum der schwarzen Löcher hauptsächlich mit der Entstehung eines Bulges und nicht mit der Dunklen Materie zusammen: Macht irgendwie auch mehr Sinn, dass die schwarzen Löcher durch Gas aus ihrer Umgebung wachsen, insbesondere während der Entstehungsphase der Galaxien. (Kormendy & al., Nature 469 [20.1.2011] 374-6, Kormendy & Bender, ibid. 377-80, Peebles, ibid. 305-6; MPG PM 21.1.2011)

Baryonen am Rand des röntgenhellsten Galaxienhaufens

sind mit dem japanischen Röntgenteleskop Suzaku systematisch erfasst worden: Der Anteil am heißen Intracluster-Medium ändert sich gegenüber weiter innen im Haufen nicht, was wohl bedeutet, dass das Haufengas dort draußen geklumpt vorliegt. Wieder ein Mosaikstein für das Verständnis der Entstehung der Galaxienhaufen aus dem ‚kosmischen Netz‘ der Umgebung. (Simionescu & al., Science 331 [25.3.2011] 1576-9; NASA Release 24.3.2011)

Die Protonen- und Helium-Spektren der Kosmischen Strahlung sind verschieden, zeigen Beobachtungen mit dem Satelliten-Experiment PAMELA: Das widerspricht der verbreiteten Vorstellung von Teilchenbeschleunigung in Supernova-Überresten und anschließender diffuser Ausbreitung durch die Galaxis – komplexere Prozesse sind wohl erforderlich, z.B. mit mehreren unterschiedlichen Quellen. (Adriani & al., Science 332 [1.4.2011] 69-72; CERN Courier 30., Physics World 4., Universe Today 3.3.2011. Und die Deseret News zur Beobachtung Kosmischer Strahlung mit Radar sowie ASPERA zum Gammateleskop H.E.S.S. II)

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Eine Antwort to “Astrophysikalische Papers von 2011 kompakt

  1. Das AMS-02 nach 17 Jahren am Ziel: das teuerste, größte, kontroverseste Experiment auf der ISS « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Reihe von drastisch preiswerteren Ballonflügen wäre ein viel besserer Weg gewesen und/oder das Satelliten-Experiment PAMELA (ganz unten) habe bereits die Creme der Forschung abgeschöpft, aber Ting ignoriert seine […]

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