Archive for Mai 2011

Elektron „runder“ denn je gemessen: ein Test auch für manch ’neue Physik‘

31. Mai 2011

Auch ein Objekt ohne räumliche Ausdehnung kann rund oder in die Länge gezogen sein: Ein freies Elektron umgibt sich nämlich – quantenmechanisch gesehen – mit einer Wolke aus virtuellen Teilchen. Und deren Kugelform ist nun genauer als je zuvor im Labor gemessen worden: zwar nur um 50% besser als zuvor aber mit einem neuen Ansatz, der in ein paar Jahre eine noch 100-mal genauere Aussage über die „Rundheit“ des Elektrons erlauben dürfte – was wiederum Abweichungen vom Standardmodell der Teilchenphysik nachweisen oder ausschließen würde, komplementär zu Messungen etwa in Teilchenbeschleunigern (s.u.). Exakt gesprochen geht es um die Bestimmung eines eventuellen elektrischen Dipolmoments (EDM) des Elektrons, das um mindestens 16 Zehnerpotenzen kleiner als sein magnetisches ist: Die neuen Messungen bedienten sich erstmals eines Moleküls (Ytterbiummonofluorid, YbF), dessen Quantenzustände präzise untersucht wurden. Schon kleine elektrische Zusatzeffekte an seinen Valenzelektronen würden sich interferometrsisch bemerkbar machen, was sie aber nicht taten.

Anders ausgedrückt: Würde man das Elektron (bzw. die virtuelle Ladungswolke um es herum) auf die Größe des ganzen Sonnensystems aufblasen, dann läge die Abweichung von der Kugelgestalt unter der Dicke eines menschlichen Haares. Das Standardmodell sagt ein EDM voraus, das um 11 Zehnerpotenzen unter der heute messbaren Obergrenze liegt, aber diese schließt bereits jetzt bestimmte Ideen in Sachen Supersymmetrie aus, namentlich WIMPs mit einigen 100 GeV: Die würden ein schon jetzt nachweisbares EDM des Elektrons zur Folge haben. Und auch bestimmte Lösungen der Materie/Antimaterie-Asymmetrie – es gilt zu erklären, warum am Ende Materie übrig blieb – lassen sich anhand eines eventuellen EDM testen. Hudson & al., Nature 473 [26.5.2011] 493-6; Leanhard, ibid. 459-60; Imperial College PR, Nature News, New Scientist 25., Physics World 26., Welt der Physik 30.5.2011. Und Arina & al., Preprint 25.5.2011 zum konfusen Bild der diversen Versuche, Dunkle Materie nachzuweisen, und astrobites 26.5.2011 zu einer neuen Methode mit speziellen CCDs

LHC mit Rekord-Strahlintensität weiter auf Erfolgskurs

Inzwischen sind die öffenlichen Versprechen führender Manager des Large Hadron Collider schon sehr konkret geworden: Innerhalb eines Jahres werde der Beschleuniger sicher festgestellt haben, ob an der Supersymmetrie etwas dran ist. Und wenn das Higgsteilchen eine besonders LHC-günstige Masse hat, dann könnte es schon diesen Sommer dingfest gemacht werden – anderenfalls sei bis Ende 2012 eine klare Aussage möglich, ob es überhaupt existiert oder aber nicht. Dieser Optimismus beruht auf der ständig wachsenden Strahlintensität: Mitte April waren bereits 480 „Bunches“ im Protonenstrahl, also Pakete à rund 100 Mrd. Protonen, das Ziel sind 2080 Bunches. Und im Mai hat sich die Zahl der tatsächlichen Kollisionen zwischen den Protonen gegenüber dem Vormonat auf 100 Mio./Sekunde verzehnfacht. Auch liegen jetzt die ersten detaillierten Analysen des Quark-Gluonen-Plasmas vor, das Ende 2010 bei Blei-Blei-Kollisionen („Erste LHC-Blei-Ergebnisse …“) erzeugt worden war: Für kurze Zeit gab es im LHC Materie, die 100’000-mal heißer als das Innere der Sonne und dichter als ein Neutronenstern war – und sich fast wie eine ideale Flüssigkeit verhielt.

Viel diskutiert wurde in den letzten Wochen auch über die nach draußen gedrungene Falschinformation über einen angeblichen Nachweis des Higgsteilchens: Während beim ATLAS-Detektor, aus dessen Kreisen das Leck gekommen war, eher Ärger vorherrscht, freut man sich beim LHC-Management schon fast ein wenig, ist doch die Anlage mal wieder ‚in die Zeitung‘ gekommen – und jetzt wissen alle genau, wie das mit der mehrstufigen Prüfung vermeintlicher Entdeckungen läuft bzw. im Idealfall zu laufen hat. Die merkwürdige Anomalie („Ein weltbewegendes …“) beim bald still gelegten Konkurrenten Tevatron ist übrigens mit mehr Daten nicht wieder weg gegangen sondern sogar stärker geworden, doch der LHC sieht sie weiterhin nicht. Bei der enorm gestiegenen Strahlintensität wird es aber nicht mehr lange dauern, bis er das Tevatron-Resultat klar bestätigen oder widerlegen kann. (Quantum Diaries, Ars Technica, Scientific American 31., Resonaances, Cosmic Variance 30., Francis Science News 28., Nature News 27., AFP 24., CERN Release, Symmetry Breaking 23., New York Times 21., Science News 20., Physics World Blog, New Scientist 19., New Scientist 18., AFP, BBC 17., New Scientist 12., Scientific American 11.5., Quantum Diaries 22.4.2011) NACHTRAG: zum Tevatron-Bump auch dieser und dieser Artikel.

Der Satellit Fermi bestätigt PAMELAs mysteriösen Positronenüberschuss gegenüber Elektronen in der Kosmischen Strahlung: Eigenlich ein Gamma-Observatorium, ist der NASA-Satellit auch als Teilchendetektor zu gebrauchen – und durch clevere Ausnutzung des Erdmagnetfelds sogar in der Lage, positiv und negativ geladene Elektronen zu unterscheiden. Der Effekt ist also kein instrumentelles Problem PAMELAs – aber seine Natur so ungeklärt wie zuvor: Es kann sich ebenso gut um eine bisher übersehene astrophysikalische Quelle – populärste Erklärung: teilchenbeschleunigende Pulsare – handeln wie zerstrahlende Dunkle Materie. Der neue Super-Teilchendetektor AMS auf der ISS – installiert just als die Fermi-Ergebnisse präsentiert wurden – sollte aber in der Lage sein, zwischen den Modellen zu unterscheiden. (Resonaances 17., Physics World 20.5.2011. Und Aguilar & al., Preprint 24.5.2011 zur weiterhin vorhandenen Anisotropie der Quellen der Kosmischen Strahlung mit ~20 TeV über der Südhalbkugel, die das Neutrinoteleskop IceCube anhand von inzwischen 32 Mrd. Myonen sieht)

Während wir weiter auf das ISS-Foto warten …

31. Mai 2011

… gibt’s hier schon mal welche ohne Endeavour dran: entstanden von Bord derselbigen aus nach dem Abdocken am 29. Mai; außer um solche Pretty Pictures der – aus US-Sicht – nunmehr kompletten Raumstation (hat ja nur 13 Jahre gedauert …) ging es bei den Fotos auch um das Troubleshooting einer Antenne des ATV. Unten noch die andockte (und ‚geleerte‘) Endeavour über der nächtlichen Erde am 28. und eine nächtliche Impression der ISS vom 27. Mai – und zwei fischäugige Schnappschüsse eines Astronauten während der 4. und letzten EVA von STS-134 am selben Tag, während der die 1000-Stunden-Marke für Ausstiege im Zusammenhang mit dem ISS-Bau passiert wurde. Und sie dürfte zugleich die letzte EVA des gesamten Shuttle-Programms gewesen sein, denn beim letzten Flug STS-135 – der am 8. Juli beginnen soll – sind keine Ausstiege mehr geplant.

June 2011: three eclipses – 2 partial solar, 1 total lunar – in one month!

31. Mai 2011

Vorschauen auf die SoFis am 1. Juni und 1. Juni und die MoFi am 15. Juni und Blicke zurück auf das Ende der Planetenparade am Morgenhimmel und allerlei andere Kuriose der vergangenen zwei Wochen im neuen Cosmos 4 U!

Die Rotverschiebungen 43’000 ‚lokaler‘ Galaxien

28. Mai 2011

an – fast – dem gesamten Himmel zeigt dieses Produkt der 2MASS Redshift Survey, die überwiegend Galaxien mit 0.01 < z < 0.04 enthält (das gibt’s auch aufgesplittet nach z-Intervallen), was 140 bis 550 Mio. Lichtjahren Distanz entspricht: Die Farbe zeigt hier die Rotverschiebung an. Dieser Datensatz gilt als vollständigste 3D-Karte des ‚lokalen‘ Universums und reicht für extragalaktische Surveys ungewohnt nah an die galaktische Ebene heran.

Vier von zahlreichen Galaxien, wie sie der IR-Satellit WISE sah: Generell erscheinen die ältesten Sterne in dieser Falschfarb-Darstellung rötlich, jüngere Populationen eher weißlich. Von mindestens 1000 Galaxien aller Typen sollen aus der Durchmusterung WISEs Bilder ähnlicher Qualität extrahiert werden. Da kann sich das Spitzer Space Telescope nicht lumpen lassen und hat einen Atlas kollidierender Galaxien abgeliefert, der auch UV-Daten von GALEX einbezieht.

Der Lagunennebel M 8 in falschen Farben vom HST aufgenommen mit der ACS durch H-Alpha-, N-II- und V-Filter, denen die Farben R, G und B zugeteilt wurden. Man vergleiche mit einer ähnlichen Gemini-Aufnahme („Ein kleiner Ausschnitt …“).

14’000 Sterne im Carina-Nebel und ein diffuses Röntgenglühen sind auf diesem Mosaik aus 22 Chandra-Aufnahmen zu sehen: In diesem Sternentstehungsgebiet haben bereits die ersten Supernovae gezündet.

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 auf einer Hubble-Aufnahme – aber ist es überhaupt einer? Wenn das Ergebnis einer Internetabstimmung – siehe ISAN 137-8 – ‚Gesetz‘ würde, dann müsste man ihn ob seiner zwei getrennten Sternpopulationen, 6 und 12 Mrd. Jahre alt, als kleine Galaxie führen.

Nachrichten aus der Astronomie kompakt

28. Mai 2011

Erste japanische 7-m-Antenne dem ALMA übergeben

Oder sollte man sich stattdessen lieber an die Abkürzung JAO – Joint ALMA Observatory – gewöhnen, die die Beteiligung von 16 japanischen Radioschüsseln an dem europäisch-amerikanischen Radio-Interferometer in Chile mit dann insgesamt 66 Antennen einschließt? 54 davon haben 12 m Durchmesser (inkl. 4 japanischer), zwölf 7 m (alle japanisch): Letztere lassen sich enger zusammen stellen als die 12-m-Schüsseln, was bessere Bilder von ausgedehnten Himmelsquellen verspricht. Die 16 japanischen Antennen bilden selbst auch wieder den Atacama Compact Array (ACA alias Izayoi), der auch alleine eingesetzt werden kann, wenn ihn ALMA gerade nicht im Netzwerk braucht. (NAO Press Release 18.5.2011. Auch ein NRAO Press Release 24.5.2011 zu den Errungenschaften des EVLA – s.a. Artikel 34 – plus Jackson, Preprint 11.5.2011 zur Beobachtung der schwächsten Radioquelle überhaupt mit selbiger VLA-Aufbesserung. Und Nature Blog 19., Caribbean Business, Science Insider 20.5.2011 zum Ende von Cornell als Betreiber von Arecibo)

Macht das Fehlen der USA den SKA zu einem Luftschloss? Im Founding Board für den Square Kilometer Array („‚Founding …'“) glänzen die USA durch Abwesenheit: Weil die Teilnahme größere Ausgaben für die Vorbereitung des Riesenradioteleskops in näherer Zukunft erfordern würde, sah sich die National Science Foundation angesichts leerer Kassen zu einem Eintritt außer Stande. Dabei hatte man gehofft, dass die USA ein Drittel der Gesamtkosten tragen würden. Aber nicht verzagen: Das Interferometer ist so modular gestrickt, dass es auch schon mit weniger Antennen viel Science liefern kann. (Scientific American 9.5.2011. Auch ein Chinese Acad. of Sci. PR 15.3. und Nan & al., Preprint 20.5.2011 zum großen chinesischen Radioteleskop FAST. Und Carnegie, TAMU Releases und Nature Blog 17.5.2011 zu einer privaten 25-Mio.$-Spende für das Giant Magellan Telescope)

Weiterhin nur ein Galaxien-Kandidat mit z~10 zu finden

Häufig sind Galaxien mit Rotverschiebungen von 10 nicht: Auch eine Suche in einem dreimal größeren Feld hat wieder nur den einen Kandidaten aus ISAN 130-6 zu Tage gefördert (der sich – siehe ISAN 137-6 – mit einem GRB um die Ehre des fernsten Himmelsobjekts streitet). Dank der umfassenderen Suche sind die statistischen Konsequenzen härter: Gäbe es bei z~10 so viele Galaxien wie bei 8>z>4, dann hätte man statt der einen 6 erwarten müssen. Mithin hat sich das Universum vor z=8 deutlich rasanter entwickelt. (Oesch & al., Preprint 11.5.2011)

Zwei weitere Bestätigungen der Dunklen Energie – ohne Rückgriff auf Supernovae – sind der australischen WiggleZ Dark Energy Survey gelungen, die auf 240’000 Galaxienentfernungen bis z=1 basiert, die mit dem AAT gemessen wurden. Auf zwei Wegen verrät sich in dem Galaxienmuster die DE: über das Wachstum großskaliger Strukturen und über Baryonen-akustische Oszillationen – und, na so was, das Standardbild der modernen Kosmologie mit Omega_Lambda um 72 wird wieder einmal gut bestätigt, wobei eine Konstanz des DE-Terms angedeutet ist. (Blake & al., Preprints 14. und 15., AAO und JPL Releases 19., Starts with a Bang 20.5.2011)

Die meisten Compact Massive Galaxies rotieren schnell

Diese Galaxien des jungen Universums (z~2) enthalten ähnlich viele Sterne wie die großen Galaxien heute, sind aber 4- bis 5-mal kleiner und 100-mal dichter – und in ihrer Mehrheit stark abgeflacht, wie sich jetzt (auf Hubble-WFC-3-Bildern von 14 Exemplaren) gezeigt hat. Offenbar rotieren sie sehr schnell, und ihre Sterne sausen mit 700 km/s um die Galaxienzentren (die Sonne in der Milchstraße bringt es auf 230 km/s). Kurioserweise rotieren die Elliptischen Galaxien der Gegenwart, die aus diesen kompakten Galaxien hervorgehen, fast gar nicht mehr. (van der Wel & al., Preprint 10.3.2011; van Dokkum, Nature 473 [12.5.2011] 160-1. Und PMn des MPIfR und der Uni Erlangen und ein NASA Release 20.5.2011 mit einer scharfen Radio-Aufnahme des Jets von Cen A)

Die Milchstraße und M 31 sind schon ziemlich weit entwickelt und im sog. „Green Valley“ angekommen: Die Sternentstehungsrate nimmt ab, da das zur Verfügung stehende kalte Gas bereits zur Neige geht – in spätestens 5 Mrd. Jahren ist Schluss damit. Das wird aus einem Vergleich ihrer Farben – bei der Milchstraße wegen unserer Position mitten drin sehr schwer zu ermitteln! – und Galaxien der SDSS geschlossen, die die beiden Galaxien bereits in der kritischen Übergangsphase, einer Mid-life Crisis sozusagen, sieht. (Mutch & al., Preprint 12., Welt der Physik 23., Swinburne Press Release 25.5.2011. Und ein ESA Release 9.5.2011 zu starken molekularen Massenausflüssen mancher Galaxien)

Altersbestimmungen von Sternen per „Gyrochronologie“

ermöglicht der Kepler-Satellit dank der unzähligen präzisen Lichtkurven, die er als Abfallprodukt seiner Planetensuche liefert: Durch mühsame Eichung am 1 Mrd. Jahre alten Sternhaufen NGC 6811 ist es gelungen, an 71 Sternen eine ziemlich strenge Beziehung zwischen Farbe = Masse und Rotationsrate (zwischen 1 und 10 Tagen) zu etablieren, wobei sich letztere dank über die Scheibe ziehender Sternflecken den Lichtkurven aufprägt. Schon vorher wurden entsprechende Gesetzmäßigkeiten in jüngeren Haufen gefunden, die sich nun mit dem neuen Ergebnis verbinden lassen: Mit dem Alter wird die Rotation immer langsamer. Das resultierende neue „Kepler-Gesetz“ erlaubt es nun, das Alter von Sternen irgendwo in der Milchstraße bei bekannter Farbe direkt aus deren Rotationsrate ablesen. (Meibom & al., Preprint 14.4., CfA Release, BdW 23.5.2011)

Koronale Spikulen können doch keine Korona-Temperatur erreichen, im Gegensatz zu einer früheren Untersuchung („Eine neue Art …“): Sonnensatelliten maßen in drei großen Spikulen keine Temperatur über 300’000 Kelvin. (Madjarska & al., Preprint 6.5.2011. Und Striani & al., Preprint 25. und Chandra, NASA Release 11.5.2011 zu mysteriösen Gamma-Flares im Krebsnebel, die nicht in anderen Wellenlängen auftreten)

Wie ‚falsch herum‘ laufende Exoplaneten entstehen könnten

Jeder vierte ‚heiße Jupiter‘ läuft andersherum um seinen Stern als dieser rotiert (jedenfalls in das in 8 von 32 gut untersuchten Fällen so): Störungen müssen ihren Bahndrehimpuls gewaltig verändert haben. Neue Simulationsrechnungen haben jetzt einen möglichen Mechanismus aufgezeigt, bei dem subtile Effekte bei der Wechselwirkung benachbarer Planeten den Ausschlag geben und etwas erreichen, das selbst die nahe Passage eines Sterns nicht zustande brächte. Voraussetzung ist allerdings, dass die gegenseitige Bahnneigung der beiden am Anfang mindestens 50° beträgt. (Naoz & al., Nature 473 [12.5.2011] 187-9; Northwestern, NSF Releases, AFP, BdW 11.5.2011. Auch das Zooniverse Blog 22.5.2011 zu Planethunters, die bis zu 88’000 Kepler-Lichtkurven checkten. Und ein Berkeley Release 13.5.2011 zu SETI-Beobachtungen an den 86 ‚besten‘ Kepler-Kandidaten)

Komet Hartley 2 veränderte schnell seine Rotationsperiode

Und zwar während er zur Unterstützung des Besuchs durch Deep Impact in der zweiten Jahreshälfte 2010 von 51 Teleskopen auf der Erde wie auch 8 Weltraumobservatorien überwacht wurde: Von August bis Dezember stieg die Rotationsperiode von 16.6 auf fast 19 Stunden an. Das ist eine Rarität: Zwar verändert sich auch die Periode von Tempel 1, aber 10-mal langsamer; dem kleinen Kern Hartleys müssen die Drehmomente von Gasjets oder generell irreguläres Ausgaben stark zugesetzt haben. Chemisch unterschied sich Hartley 2 kaum von anderen Kometen der Jupiter-Familie, ungewöhnlich war dagegen die Dominanz der von Kohlendioxid angetriebenen Aktivität nahe des Perihels, die zum ersten Mal überhaupt bei einem Kometen beobachtet wurde. Und auffällig war auch ein großer Halo aus Wassereis-Körnchen rund um den Kern, die nahe des Perihels signifikant zur gesamten Wasserproduktion beitrugen. (Meech & al., Ap.J.Lett. 734 [„10. Juni“ 2011] L1-9. Auch NASA Release 17., Centauri Dreams 18., BdW 19.5.2011 zu diesem und anderen Hartley-Papers von Parallel-Beobachtern – Papers des Deep-Impact-Projekts selbst sind dagegen immer noch nicht publiziert)

Die Staubkoma des Rosetta-Ziels Churyumov-Gerasimenko dehnt sich ungewöhnlich langsam aus, haben bodengebundene Beobachtungen zur Unterstützung der großen ESA-Kometenmission gezeigt, die 2008/9 in selben großen Bereich unterschiedlicher heliozentrischer Abstände des Kometen erfolgten, die Rosetta 2014 ‚vor Ort‘ erleben wird. Dabei wurde auch eine unerwartete Erhöhung der Komadichte in Kernnähe registriert, die am besten durch eine – in 3 AU Sonnenabstand – mit nur 1 m/s expandierende Staubwolke erklärt werden kann. Ob dies für Rosetta ein Problem darstellen könnte, darüber schweigt sich das Paper aus. (Tozzi & al., Preprint 2.5.2011)

Warum C/2010 A2 (LINEAR) derart lange ‚übersehen‘ wurde

Die Interpretation des verrückten ‚kopflosen Kometen‘ ist zwar kontrovers (siehe ISAN 122-7), aber in beiden Szenarien – Kollisionen zweier Asteroiden bzw. Aktivität eines Hauptgürtelkometen – entstand der markante Staubschweif etliche Monate bevor das Phänomen im Januar 2010 endlich entdeckt wurde. Das ist auch kein Wunder hat jetzt eine Analyse von Nicht-Entdeckungen durch erdgebundene Suchprogramme sowie die SOHO- und STEREO-Satelliten sowie von später aufgespürten Pre-Discovery-Beobachtungen durch LINEAR ab Nov. 2009 ergeben: Zuerst war das Objekt entweder zu sonnennah (für die Suchprogramme) oder zu schwach (für die Sonnensatelliten) gewesen, dann zwar da aber wiederum zu seltsam geformt, als dass es die automatische Software von LINEAR als reales Objekt erkennen konnte! Erst als es genau am hellsten zwar, klappte die Detektion endlich: Man darf mithin vermuten, dass so manches exotische Ding zwischen Asteroid und Komet unerkannt durch’s Sonnensystem zieht … (Jewitt & al., Preprint 18.5.2011. Und ein FECYT Release über kristallines Wassereis auf dem Zwergplaneten Haumea)

Die Meteoriten von Příbram und Neuschwanstein reisten 5000 Jahre auf nahezu identischen Bahnen um die Sonne, bevor sie 1959 bzw. 2002 in Europa niedergingen, haben neue numerische Integrationen der Bahnen der beiden gezeigt – und das gilt auch für ‚Klone‘ davon. Das stärkt den Verdacht, dass es hier doch einen Zusammenhang gibt (siehe auch ISAN 133-4), und tatsächlich lassen sich 5 Feuerkugeln und 6 Near Earth Asteroids mit heute den beiden Meteoriten vergleichbaren Orbits finden. Allerdings hatten nur je ein Feuerkugelverursacher und ein NEA in den letzten 2000 Jahren eine ähnliche Bahnentwicklung wie die Meteoriten erlebt – trotzdem macht sich diese Studie dafür stark, dass Příbram und Neuschwanstein denselben Mutterkörper hatten: einen Rubble-Pile-Asteroiden mit Brocken unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung. (Kornos & al., Preprint 15.4.2011)

Neues Mineral in Meteorit eines der frühesten überhaupt

Das erste natürliche Vorkommen von CaAl2O4 – genauer: Ca1.02Al1.99O4 – bei geringem Druck ist im Meteoriten NWA 1934 entdeckt und nach einem Hawaiianischen Meteoritenforscher „Krotit“ getauft worden: Es steckte in einer ‚refractory inclusion‘ des kosmischen Körpers, die zu dem ersten planetaren Material gehören, das überhaupt im Sonnensystem entstand, als sich der solare Urnebel abkühlte. (Univ. of HI Release 6.5.2011. Und Wired 12.5.2011 über fossile Mikrometeoriten)

Es gibt kein periodisches Signal bei den Impaktkratern auf der Erde, sagt eine tiefschürfende Analyse – und die Impaktrate scheint über Jahrhundertmillionen konstant zu sein: Etwaige Trends lassen sich zwanglos auf die Wirkung von Erosion und Probleme beim Entdecken von Kratern auf diesem lebendigen Planeten zurückführen. (Bailer-Jones, Preprint 20.5.2011) NACHTRAG: Monate später MPG und MPIA PMn dazu.

Zehn Jahre Himmelscheibe von Nebra – und (k)ein bisschen weiser

28. Mai 2011

Es war diesen Monat vor 10 Jahren, am 10. Mai 2001, als ihn der frischgebackene Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, in Berlin zum ersten Mal zu Gesicht bekam: auf 25 schlechten Fotos aus finsterer Quelle, die ihm sein dortiger Amtskollege zeigte. Zu sehen war ein offenbar bronzezeitlicher Hort, der letzterem bereits zwei Jahre zuvor konspirativ angeboten worden war und aus Sachsen-Anhalt stammen sollte. Zwischenzeitlich waren die Sachen – darunter eine merkwürdige symbolverzierte Scheibe – wieder verschwunden, nun aber auf dem ‚grauen Markt‘ aufgetaucht. Nach einer abenteuerlichen und hinreichend bekannten Kriminalgeschichte konnten sie schließlich am 23. Februar 2002 beschlagnahmt und der Wissenschaft – und auch Vermarktung – zugeführt werden. Genau drei Jahre später war die mysteriöse Himmelsscheibe, längst zur weltweit größten archäologischen Sensation seit Jahrzehnten ausgerufen, dann Gegenstand einer großen interdisziplinären Tagung in Halle, über in Artikel A24 und dem Cosmic Mirror #287 aus erster Hand ausführlich berichtet wurde.

Nach weiteren sechs Jahren sind nun kürzlich die lang ersehnten Proceedings dieser Tagung erschienen, die erste umfassende wissenschaftliche Darstellung des Fundes und seiner mutmaßlichen Bedeutung im Kontext der Bronzezeit – aber von einer geschlossenen Darstellung ist das 1039 Seiten starke und viele Kilogramm schwere Werk in zwei Bänden („Der Griff nach den Sternen – wie Europas Eliten zu Macht und Reichtum kamen“; Meller & Bertemes, Hrsg.) mindestens so weit entfernt wie es die damalige Tagung war. Sicher ist nach umfangreichen physikalisch-chemischen Untersuchungen (und kunstgeschichtlicher Betrachtung) nur, dass die Himmelsscheibe – die anderen Funde sind nur Beiwerk bei ihrer finalen „Beerdigung“ beim heutigen Nebra gewesen – erstens echt ist und zweitens mehrfach energisch umgestaltet wurde. Damit kann man sich auf der Suche nach der Intention ihres eigentlichen Schöpfers auf die Betrachtung der ursprünglichen 32 Goldpunkte sowie des kreis- und des sichelförmigen Goldobjekts beschränken, die zusammen ein außergewöhnlich abstraktes und alles andere als – für unsere Augen – klar verständliches Piktogramm bilden.

Schon die Annahme, dass es sich „offensichtlich“ um eine Art Himmelsdarstellung handeln müsse, noch dazu mit konkret zu fassenden Himmelskörpern, ist in letzter Konsequenz nicht beweisbar, da es keinerlei zwingende Parallelen in der Kunstgeschichte dieser Zeit gibt, weder in Mitteleuropa noch in Hochkulturen in Nordafrika oder Mesopotamien. Insbesondere ist die Interpretation der sieben enger zusammen stehenden und eine Rosette bildenden Sterne (wenn es denn welche sein sollen) als Symbol für den Sternhaufen der Plejaden quasi ein Zirkelschluss, da sie auf der Bedeutung der Plejaden-Sichtbarkeit als Kalendermarke für insbesondere die Landwirtschaft in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten fußt. Die Deutung der beiden Großobjekte als Mond in Voll- und Sichelphase leitet sich dann aus der Annahme ab, es müsse sich um einen Himmelskörper handeln, der häufig mit den Plejaden zusammen gesehen werden kann und dabei seine Form verändert: Dafür kommt nun einmal nur der Mond in Frage. Aber was das ganze Ensemble dann bedeuten soll, darin unterscheiden sich verschiedene Autoren in den Proceedings erheblich:

  • Die wohl konservativste Interpretation der Konstellation(en) der mutmaßlich astronomisch gemeinten Ur-Scheibenmotive vertritt in den Proceedings – die Artikel spiegeln oft einen jüngeren Stand der Gedanken als zur Zeit der Tagung wieder – R. Hansen (S. 953-62), nach dessen Auffassung der Künstler einfach nur die Nachbarschaft von Sichel- bzw. Vollmond und Plejaden darstellen wollte. Die entsprechenden Zeitpunkte – Mondsichel bei den Plejaden am Abendhimmel bzw. Vollmond bei ihnen die ganze Nacht – markieren ungefähr den Frühlings- bzw. Herbstbeginn (ein Zusammenhang, der auch in Babylonien im astronomischen Werk Mul-Apin vermerkt wird) und korrespondieren mit den landwirtschaftlich wesentlichen Zeiträumen für Aussaat und Ernte. Die Scheibe wäre damit eine Art Gedächtnisstütze gewesen, vermutlich irgendwo im öffentlichen Raum platziert. Allerdings sind die Plejaden neben dem Vollmond in seinem von der Atmosphäre gestreuten Licht unsichtbar: Der ‚Benutzer‘ der Scheibe hätte sie sich quasi dazu denken bzw. ihren Ort aus nicht überstrahlten hellen mondfernen Sternen triangulieren müssen.

  • Allein auf die Sichtbarkeit der Plejaden hebt die Interpretation von W. Schlosser (S. 913-33) ab: Ansonsten perfekte Bedingungen vorausgesetzt definieren der letzte beobachtbare Abenduntergang und der erste erkennbare Morgenuntergang des hellsten Plejaden-Sterns Alcyone zwei Daten auf wenige Tage genau (die heute dem 7.-10. März bzw. 14.-17. Oktober entsprechen), weil die Ekliptik dann besonders steil steht. Dabei passiert es natürlich nur sehr selten, dass auch gerade der Mond daneben steht (der dabei überdies die Alcyone-Sichtbarkeit sabotieren würde): In dieser Deutung der Scheibensymbolik sind die Monde neben den Plejaden nur als allgemeine Erinnerung an die Zeitpunkte für die Beobachtungen am Abend (wenn im Prinzip eine Sichel neben dem Sternhaufen stehen kann) bzw. Morgen (wenn ein Mond, dann ein voller) zu verstehen. Abermals wäre die Scheibe ein für die weite Nutzerkreise bestimmtes „Memo“ – was freilich (wie auch bei der Hansen-Version) die Frage aufwirft, warum sie aus so wertvollem Metall gefertigt wurde. Und warum es nicht ganz viele davon gibt …

  • Am weitesten geht H. Meller (S. 23-73), der sich eine frühere Überlegung von Hansen zu eigen gemacht hat, die ein Jahr nach der Tagung publik und in ISAN 12-7 diskutiert wurde, die Hansen selbst in den Proceedings allerdings nur noch in einer Fußnote erwähnt: Danach ist die Hauptaufgabe der Scheibe das komplexe Codieren einer Schaltregel, die Mond- und Sonnenjahr zusammenhält und sich so genau auch im Zweistromland wiederfindet. Damit wäre die Scheibe ein höchst elitärer Gegenstand mit kalendarischem Geheimwissen, was gut zu ihrer edlen Beschaffenheit passen würde. Indes gibt es keinerlei anderweitige Indizien, dass sich die damalige Kultur überhaupt um das Ärgernis scherte, dass das Sonnenjahr kein ganzes Vielfaches der synodischen Mondperiode ist. Zum kulturellen Umfeld und möglichen Wissen über kosmische Abläufe vor 3600 Jahren ist überhaupt ziemlich wenig auf den über 1000 Proceedings-Seiten zu finden – was natürlich vor allem der bescheidenen Quellenlage geschuldet ist.

Noch zu erwähnen wäre, dass ein Spezialist für mesopotamische Astronomie – H. Hunger – der Stellung der Monde und Sterne auf der Scheibe jedwede weitergehende Bedeutung abspricht (S. 972), analog zu entsprechenden Symbolen auf orientalischen Darstellungen, die auch nie eine konkrete astronomische Orientierung besitzen. Und mehrere Stonehenge-Forscher – M. Parker Pearson et al. – vermuten wiederum einen diesem Steinbau analogen Bezug zu feierlich begangenen Sonnenwenden (S. 413), was mit den Scheibenelementen der 1. Phase allerdings nicht zu begründen ist. Der ursprüngliche Zweck der Himmelsscheibe bleibt also herzlich unklar (wenn sie denn nicht nur ein Kultgegenstand mit hübschen astronomischen Motiven war; eine häretische Sichtweise, für die sich niemand stark macht) – aber was dachten sich dann erst diejenigen, die sie dreimal umgestalteten und schließlich los werden wollten? Für Meller ist der geschichtliche Ablauf ein einziger intellektueller Niedergang „vom Logos zum Mythos“: Erst wird das kalendarische Geheimwissen vom Mondlauf verbummelt und durch vergleichweise banale Sonnendaten ersetzt, und dann wird die exakte Wissenschaft auch noch zugunsten einer mythologischen ‚Sonnenbarke‘ aufgegeben.

  • Die Anbringung der beiden Horizontbögen, die den Azimutbereich wiedergeben, den die Sonne bei Auf- und Untergang in Mitteldeutschland überspannt, ist unbestritten ein radikaler Schritt, weg vom Nacht- zum Taghimmel. Allerdings wird zugleich die abstrakte Symbolik durch konkrete und ziemlich präzise Messergebnisse – erkennbare Auswirkungen der Refraktion inklusive! – ersetzt, die erst einmal gewonnen und dann winkelgetreu auf die Scheibe aufgebracht werden mussten: wirklich ein intellektueller Rückschritt?

  • Das mutmaßliche Sonnenschiff, das in der dritten Phase zwischen den beiden solaren Horizontbögen verkehrt, passt immerhin thematisch zu ihnen. Aber stellt es wirklich einen Übergang von einer anfangs wissenschaftlichen zu einer nunmehr mythologischen Sichtweise dar? Um dies belegen zu können, müsste man wissen, wie die religiöse Welt der Scheibenbesitzer zuvor ausgesehen hatte: Vielleicht hatten sie einfach nur keine Veranlassung (oder gar ein Bilderverbot?), das Transportmittel der Sonne konkret darzustellen.

  • Auch der Zweck der 39-fachen und ziemlich brutalen Lochung der Scheibe und ihrer im Laufe von Jahrhunderten angesammelten Bildelemente bleibt im Dunkeln. Man könnte sich vorstellen, dass sie auf einem Stoffuntergrund (wegen ihrer tellerartigen Krümmung wäre ein festes Brett weniger geeignet gewesen) aufgenäht wurde, um sie auf einer Art Standarte herum zu zeigen. Vermutlich hatte sie bis dahin alle konkrete Bedeutung eingebüßt, auch die Sonnenbarke war wieder ‚out‘, und war nur noch ein wertvoller Gegenstand.

Auf jeden Fall muss die Scheibe für ihre Besitzer bis zum Schluss etwas Besonderes geblieben sein: Erkennbar ist dies an ihrer regelrechten Beisetzung nach Art eines Fürstengrabes, vielleicht als Opfer an die Götter gedacht. Und nun lässt sie, 3600 Jahre später von Raubgräberhand wieder ans Licht befördert, die Köpfe qualmen: Die Schwierigkeit für Forscher aller Disziplinen, diesem absoluten Unikat der Frühgeschichte signifikante Geheimnisse zu entlocken, ist vielleicht der einzige dominante rote Faden, der sich durch die Scheiben-Proceedings zieht, wobei deren Großteil zahllose Papers zu mehr oder weniger vergleichbaren – aber leider komplett astronomiefreien – archäologischen Funden des bronzezeitlichen Europa ausmachen. Bedauerlicherweise wurden fast alle Artikel in Deutsch verfasst, so dass sich die Leserschaft des prächtig gestalteten Werks (Abb.) im Ausland in Grenzen halten dürfte. Gerade unbefangene neue Ansätze – aus anderen Forschungstraditionen, Kulturkreisen und auch Disziplinen – hätte die Nebra-Forschung in ihrem zweiten Jahrzehnt aber dringend nötig. Eigentlich schade, dass es hauptberufliche „Symbolologen“ nur in den Romanen von Dan Brown gibt …

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Die ISS/Endeavour-Bilder? Gibt’s in einer Woche!

26. Mai 2011

Direkt nachdem Soyuz TMA-20 die ISS in der Nacht zum 24. Mai verlassen hatte, gab es noch eine präzise geplante Foto- und Video-Session von der ISS nebst angedockter Endeavour, die sich im Raum drehte, während P. Nespoli (im Bild von der ISS aus hinter dem oberen Bullauge zu erahnen) detaillierte Aufnahmen machte. In Echtzeit gab es nur vage Impressionen durch die Docking-Kamera des KURS-Systems (Video; andere Zusammenschnitte hier und hier sowie ein paar Standbilder). Nach der Landung (Bilder aus einem Hubschrauber; weitere Aufnahmen und ein Bericht; die TV-Liveübertragung ging völlig schief, siehe 7:20-8:20 …) war offenbar geplant gewesen, die Speicherkarten – die Kameras selbst mussten im verglühten Vorderteil zurückbleiben – auszulesen und die Bilder verfügbar zu machen, doch es kam und kam nichts: Schon machten Gerüchte die Runde, die Karten seien verloren gegangen, womöglich gar in den Kameras verblieben o.ä. Jetzt heißt es jedoch, sie seien wohlbehalten in der Soyuz-Kapsel – und würden nun auf dem Dienstweg an die NASA übergeben. Was noch etwa eine Woche dauern soll; so war es gestern auch auf einer Pressekonferenz zu hören. Erfreuen wir uns eben so lange an den Videos der SRB-Kameras der Endeavour.

Der Ausbruch des Grímsvötn aus dem Orbit

23. Mai 2011

14 Monate nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull ist am Spätnachmittag des 21. Mai mit der Eruption des Grímsvötn unter dem Vatnajökull-Gletscher Island wieder zum Leben erwacht: von oben Bilder vom 22. Mai um 7:15 MESZ (die zeitweise 20 km hohe Aschewolke wirft einen Schatten nach Westen) und 15:00 MESZ (beides MODIS auf Terra) und vom 23. Mai um 13:49 MESZ (Metop-A); die ESA hat noch mehr Bilder und Animationen.

Der Satellit Tango, gesehen von Mango am 27. März während des zweiten DLR-Experiments zur Autonomen Flugformationskontrolle der beiden Teile des PRISMA-Projekts („Der Satellit …“), dessen Fortgang ein fleißiges Blog begleitet.

Ein ISS-Foto von der ‚Heimat‘ ihrer europäischen Bewohner: dem Europäischen Astronauten-Zentrum auf dem Campus des DLR neben dem militärischen Teil des Köln-Bonner Flughafens

Kepler lässt keinen Zweifel: je kleiner ein Planet, desto mehr gibt’s davon in der Milchstraße

23. Mai 2011

Dieses Diagramm, das vor einer knappen Stunde auf einer Pressekonferenz auf der 218. AAS-Tagung in Boston von Geoff Marcy präsentiert wurde [NACHTRAG: eine Aufzeichnung], zeigt zum ersten Mal ohne Auswahleffekte, wie häufig Planeten unterschiedlicher Größe in der Umgebung der Sonne sind: Die Entdeckungen des Kepler-Satelliten wurden dazu akribisch korrigiert, um die Entdeckungswahrscheinlichkeit zu berücksichtigen. „Supererden“ mit dem doppelten Erddurchmesser (darunter wird’s dann doch etwas unscharf) sind damit 10-mal so häufig wie Neptune (die die tatsächlichen Kepler-Entdeckungen dominieren), welche wiederum 10-mal so häufig wie Jupiters sind. Zu anderen interessanten Kepler-Trends gehört, dass jeder dritte der 1235 bisher bekannt gegebenen Kandidaten zu einem Mehrfachsystem gehört: Kepler hat derer schon 170 gefunden, viel mehr als man erwarten würde, wenn die Bahnneigungen von Planeten in einem System typischerweise so so stark von einander abweichen würden wie im Sonnensystem (bis zu 7°). Die Kepler-Systeme haben alle ihre Planeten innerhalb von 1°, sonst würden gar nicht 2 oder mehr von ihnen Transits vollführen.

Es fällt auf, dass es in den Kepler-Planetensystemen keine Heißen Jupiters gibt: Offenbar bringen massereiche Planeten die Ordnung gerne durcheinander, während sich Systeme mit nur masseärmeren Planeten friedlicher entwickeln und so flach bleiben wie sie einst entstanden sind. Dutzende Male hat Kepler inzwischen auch gegenseitige Bahnstörungen von Planeten in einem System gesehen, die sich als Transit Timing Variations bemerkbar machen und die Massen der Planeten und damit wiederum ihre Dichten liefern. Und im System Kepler-10 (siehe ISAN 128-9) ist nun auch die Existenz eines zweiten Planeten (10c) zweifelsfrei erwiesen, der sich nur durch Transits aber keinen messbaren Radialgeschwindigkeits-Effekt bemerkbar macht: Mit der BLENDER-Software wurden alle erdenklichen Doppelsternsysteme im Hintergrund durchgespielt, die Transits durch 10c vorgaukeln könnten, 10^15 Rechnungen – und die Wahrscheinlichkeit beträgt nur 1:60’000, dass so eine Täuschung vorliegt. Die Kepler-Missíon geht derweil immer weiter: Schon über 5.5 Milliarden einzelnen Helligkeitsmessungen an den 160’000 überwachten Sternen sind im Kasten und allein seit diesem Februar 66 wissenschaftliche Arbeiten erschienen. NACHTRAG: ein Paper zu Kepler-10c.