Der Astronauten-Cartoon, den keiner versteht …

Selten hat eine Kurve die Welt der Astro-Blogger und -Twitterer in derartige Wallung versetzt wie diese hier, die vor ein paar Tagen im populären Webcomic eines Ex-NASA-Mannes erschien: Gegen die Zeit aufgetragen ist die Zahl der noch lebenden Astronauten, die auf einem fremden Himmelskörper gestanden haben, mit der zukünftigen Entwicklung anhand von Sterbetafeln abgeschätzt. Keine erfolgreichen Reisen zu Zielen im Sonnensystem vorausgesetzt (zumindest Asteroidenbesuche in den 2020-ern sind ja NASA-seitig angedacht, mit Mars- oder eher Marsmond-Besuchen in den 2030-ern), würde demnach der letzte ‚außerirdische‘ Mensch um das Jahr 2035 sterben. „The universe is probably littered with the one-planet graves of cultures which made the sensible economic decision that there’s no good reason to go into space – each discovered, studied, and remembered by the ones who made the irrational decision“, steht dann noch in das Bild eingebettet. Unisono wird der Cartoon als Anklage gegen die Dummheit der Menschheit im Allgemeinen (oder der aktuellen US-Regierung im Besonderen) gefeiert, von „Trauer“, gar „Schmerz“ ist die Rede, die einen beim Betrachten überkomme.

Ein gewaltiges Missverständnis von Autor wie Fans gleichermaßen, die das Apollo-Programm zu dem Aufbruch in den weiteren Kosmos schlechthin verklären, der dann von unfähigen Politikern von Nixon (Space Shuttle statt Mond- und Marsflug) bis Obama (irgendwie gar nichts mehr, jedenfalls in der irrigen öffentlichen Meinung) systematisch und nachhaltig sabotiert wurde! Dabei wird verkannt, dass die Mondlandungen 1969 bis 1972 eine regelrechte Anomalie der Geschichte waren, eine heroische Anstrengung – geboren unter kuriosen Umständen (siehe Artikel 277; in 3 Wochen ist es genau 50 Jahre her) und mit kaum mehr fassbarem Glück nur 12 Jahre nach dem Beginn der Raumfahrt überhaupt zu einem Erfolg geraten. Eine nachhaltige Strategie zur Expansion der Menschheit über seine viel beschworene „Wiege“ hinaus steckte nie dahinter, und mit der primitiven Technik der 1960-er Jahre wäre das auch verwegen gewesen. Die beste Parallele ist wohl die Erforschung und spätere permanente Besiedlung des Südpols, der vor 100 Jahren ein dem Weltraum vergleichbares mythisches Ziel gewesen sein dürfte.

Nachdem Amundsen und Scott 1911/12 mit primitiven Mitteln und Einsatz aller Kräfte den Pol tatsächlich erreicht hatten (und nur eine der beiden Expeditionen die Rückreise überstand), stand nicht weniger als 45 Jahre kein Mensch mehr am Pol, erst 1956 wieder, diesmal vergleichsweise komfortabel per Flugzeug angereist. Womit noch im selben Jahr auch der Aufbau der Amundsen–Scott South Pole Station begann, auf der seither vielfältige Forschung betrieben wird. Warum soll es mit der interplanetaren bemannten Raumfahrt nicht ganz genau so sinnvoll voran gehen?! Wir sind jetzt in der Ära zwischen den aufopferungsvollen Demonstrationen, dass es überhaupt geht, und der Phase der bezahlbaren, Nutzen bringenden und nachhaltigen Ausführung. Die – wie schon bei anderer Gelegenheit argumentiert – eher durch energische Arbeit an neuen Raumfahrttechniken denn durch Apollo-artige Crashprogramme erreicht werden kann. Und schon gar nicht durch Wehklagen, früher sei alles besser gewesen – ein erklärter Fan des XKCD-Cartoons hat das immerhin schon eingesehen

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2 Antworten to “Der Astronauten-Cartoon, den keiner versteht …”

  1. Live-Blog zu ereignisreichen Tagen im All … « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] wird viel betrauert und nach einer baldigen Rückkehr gerufen – dabei sollte man die Angelegenheit viel gelassener sehen … Potentielles Astronauten-Mini-Ziel per Radar erfasst: Sollte die nächste Reise […]

  2. Gene Cernan, 1934-2016: der letzte auf dem Mond | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] die nun schon Jahrzehnte währende Lücke nach Apollo 17 ein unerhörter Skandal sei, kann man nun wirklich nicht so […]

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