Archive for Juni 2011

Allerlei Nachrichten vom Mond kompakt

30. Juni 2011

Der Zentralberg des Kraters Tycho vom LRO am 10. Juni im Schrägblick – um 65° – im Morgenlicht aufgenommen.

192 TB des Lunar Reconnaissance Orbiter abgeheftet

Die Primärmission des LRO – im Auftrag der NASA-Abteilung für bemannte Raumfahrt – ist nun formell abgeschlossen: Die dabei gesammelten mehr als 192 Terabyte Monddaten, die natürlich auch jenseits der einstweilen gestrichenen neuen bemannten Aktivitäten einen Wert haben, wurden nun in das Planetary Data System eingespielt und sind damit frei verfügbar. Die große Nähe des Mondes – verglichen mit allen anderen Körpern des Sonnensystems – ermöglicht die enormen Downloads. Bereits letzten Herbst war das Kommando des LRO an die Wissenschafts-Abteilung übergeben worden, die den Mondorbiter zunächst bis September 2012 betreiben darf, zzgl. 6 Monaten Auswertung, sich aber um mindestens eine weitere zweijährige Verlängerung bemühen wird. Im gegenwärtigen nur 50 km hohen Orbit wird man allerdings nur bis Ende dieses Jahres bleiben: Hier muss zu oft die Bahn korrigiert werden, um nicht abzustürzen. Für den Rest der Mission soll ein inhärent stabiler elliptischer Orbit eingenommen werden, mit dem nächsten Punkt über dem Südpol: Das kann im Prinzip noch 6 bis 8 Jahre beibehalten werden. (NASA Press Release, Visuals & Transkript einer PK 21.6.2011)

Levitierter Staub auf dem Mond alles nur Messfehler? Astronauten wie unbemannte Lander sahen etwas diffus Leuchtendes über der Mondoberfläche, und das Apollo-Experiment LEAM schien auch allerlei Impakte elektrostatisch levitierter Staubteilchen zu registrieren – aber jetzt behauptet eine Neuanalyse der alten Daten, das seien alles nur elektrische Störsignale gewesen, verursacht von anderen Oberflächen-Experimenten in 7 m Entfernung. Kann nicht sein, schimpfen die LEAM-Forscher – vielleicht gelingt ja dem NASA-Orbiter LADEE 2013 aus dem Orbit eine eindeutige Antwort. (Science 24.6.2011 S. 1439. Und ein ESA Release 31.5.2011 zum vorgeschlagenen Euro-Mondlander von 2018, der sich mit der ‚Umwelt‘ der Mondoberfläche und natürlich auch der Staubsituation befassen würde)

Chinas zweiter Orbiter Chang’e 2 hat den Mond verlassen

und bewegt sich seit dem 9. Juni Richtung des Lagrangepunkts L2 des Erde-Sonne-Systems, den er nach ca. 85 Tagen 1.5 Mio. km in Antisolar-Richtung von der Erde entfernt erreichen soll: Damit hat sich China für die riskanteste mehrerer Möglichkeiten entschieden, die aber als Testlauf für Operationen tiefer im Sonnensystem (sprich: am Mars) verstanden werden kann. Beobachter hatten eher mit einer viel einfacheren Reise zum L2 des Erde-Mond-Systems („Chang’e verlässt …“) gerechnet. Vor dem Aufbruch war Chang’e 2 – dessen Primärmission („Wieder ein chinesischer …“) am 1. April beendet war – noch einmal bis auf 15 km hinunter gegangen, um erneut den Sinus Iridum unter die Lupe zu nehmen, wo „um 2012“ Chang’e 3 landen soll, und hatte erneut die beiden Polregionen aufgenommen. Die jetzige Missionsphase ist riskanter, da Chang’e 2 – so ein Projektmitarbeiter – für Operationen jenseits des Mondorbits eigentlich gar nicht ausgelegt ist. (Xinhua 9., China Daily 10., AW&ST 13., Space.com 15., Planetary Society Blog 16.6.2011. Indiens nächster Orbiter Chandrayaan 2 muß derweil etwas länger warten und abgespeckt werden, weil er sicherheitshalber nur eine normale GSLV-Rakete – die man für prinzipiell sicher hält – und keine Mk-III bekommen wird)

Die Artemis-Sonden erreichen die Mond-Umlaufbahn: Zwei der fünf THEMIS-Erdorbiter waren bekanntlich – da sie durch lange Schattenphasen eh‘ zerstört worden wären – auf verschlungenen und störungsanfälligen aber auch enorm Treibstoff sparenden Wegen Richtung Mond geschickt worden (siehe ISAN 123-8). Zunächst hielten sie sich eine Weile quasi „hinter“ dem Mond auf, wo sie einem „veritablen Zoo von Plasma-Phänomenen“ begegneten, aber jetzt werden sie tatsächlich zu Orbitern: ARTEMIS P1 am 27. Juni und P2 am 17. Juli. (NASA Feature 23., NASA Release 28.6.2011) NACHTRAG: ein Berkeley Release 13.7.2011.

Auch Dreck vom Mond gehört den Vereinigten Staaten …

Jedenfalls wenn er bei einer der Apollo-Mondlandungen an etwas haften blieb, das dann zur Erde zurückkehrte: Das ist die dezidierte Meinung des amerikanischen Gesetzgebers, und die hat sie nun wieder einmal durchgesetzt. Ein Fotograf hatte beim Öffnen einer der Kameras, die bei Apollo 11 auf der Mondoberfläche waren, etwas Mondstaub vorgefunden, der dort nicht hingehörte und den Film zu zerkratzen drohte: Unter anderem mit einem Streifen Klebeband entfernte er ihn. Diesen Streifen klebte er später auf eine Tafel mit Erinnerungsfotos, die ihm die Astronauen geschenkt hatten, und – so sagt er heute – niemand hatte was dagegen. 2001 verkaufte er die Tafel für 25’000$ an einen deutschen Händler für Weltraum-Memorabilia (ohne dass es Probleme gab): Der löste das Klebeband mit dem Mondstaub ab, schnitt es in kleinere Schnipsel und verkaufte diese. Eines dieser Stücke – mit so wenig Mondstaub dran, dass man ihn kaum sieht – gelangte (wie genau, ist ungeklärt) in den Besitz eines Amerikaners, der nun verstorben ist, woraufhin seine Witze das Objekt zur Versteigerung gab.

Der Auktionator wusste, dass das US-Gesetz keinen Privatbesitz an Apollo-Steinen erlaubt, dachte sich bei dem Staub aber nichts weiter. Das Justizministerium schon: Es verlangte unmißverständlich nach dem Schnipsel, hat ihn nun wieder (weder Auktionshaus noch Witwe leisteten Widerstand) und feiert den großen Fang in einer dramatischen Presseerklärung, in der der NASA-Fotograf als Verbrecher und die gefügige Witwe als Heldin mitspielen: Das „amerikanische Volk“ (O-Ton) habe sein Eigentum zurück. Das einzige Argument für die erbarmungslose Jagd auf mikroskopische Partikel ist wohl ein „Wehret den Anfängen“, so ein US-Experte für Weltraum-Sammelstücke: Bei welcher Größe der Mondprobe sollte man sonst die Grenze ziehen? Legal Mondmaterial besitzen kann man – auch als Amerikaner – gleichwohl: Teile der Proben von den Luna-Landern der Sowjetunion sind seit Jahren auf dem Markt, eindeutig dem Mond zugeschriebene Meteoriten ebenfalls. (Dept. of Justice PR, CBS, AP, New York Times 23., Space.com, Discovery, TIME 24.6.2011; Diskussion & Hintergründe. Und KHOU 28.6.2011 zu einem verschollenen und LA Times Blog 20., Space.com 26.5.2011 zu einem mutmaßlichen geklauten Apollo-Stein) NACHTRAG: Jetzt soll auch noch ein Apollo-14-Astronaut eine Mond-Kamera geklaut haben …

29.8 km Höhe erreicht, verschollen im Sauerland – und dann doch ein Happy End

29. Juni 2011

Man kann zurecht über diejenigen lästern, die einen Ballonflug bis in 30 km Höhe schon für eine Art Raumfahrt halten – aber wer heute auf der Bundesgartenschau in Koblenz bei Start und Verfolgung des Ballons „K32001“ des Ortsverbands Mittelrhein K32 des Deutschen Amateur Radio-Clubs dabei war, der konnte sich eines gewissen Raumfahrt-Feelings nicht erwehren, Erinnerungen an Apollo 13 (Mission wie Film) inklusive. Der etwa vierstündige Flug war nach erster Einschätzung der Lage ein kompletter Erfolg: Mit 29’772 Metern wurde praktisch die maximal mögliche Höhe erreicht, der Ballon sendete Live-TV-Bilder (die allerdings am Startort nur begrenzt zu empfangen waren), und nach der Landung konnte er binnen einer Stunde wohlbehalten geborgen werden.

Pünktlich zu Beginn des von der Deutschen Flugsicherung freigegebenen Startfensters war der Ballon an der Festung Ehrenbreitstein um 12:02 MESZ frei gelassen worden und hielt dann 3 Stunden und 15 Minuten, bevor er in fast 30 km Höhe nahe Gummersbach zerplatzte. Der rasante Abstieg am Fallschirm war noch bis in 11 km Höhe zu verfolgen (Grafik: dunkelrote Abschnitte; der senkrechte rosa Strich ist der Rücktransport nach Koblenz), als die Funksignale plötzlich versiegten: Möglicherweise war die Elektronik vereist. Bange Minuten folgten: ohne Ortung keine Bergung der immerhin rund 1000 Euro teuren Nutzlast. Aber in 3 km Höhe meldete sich der APRS-Sender wieder, nunmehr in der Nähe der Sauerlandlinie A 45 bei Lüdenscheid, wo der Ballon schließlich kurz vor 16:00 MESZ landete. Wieder Spannung, und kurz vor 17:00 MESZ dann der erlösende Anruf: Die Verfolger-Teams hatten die Kapsel in Händen! An Bord auch ein Speicherchip mit – wie man hoffen darf – vielen scharfen Bildern von der gesamten Mission, die als „Champions League“ des Amateurfunks gilt. Impressionen spannender sechs Stunden:

Das Startgelände für den Ballon (links) und „Mission Control“ in einem Zelt rechts – zu ‚kontrollieren‘ war da natürlich nichts, aber hier liefen auf mehreren Computern die Bilder zweier Kameras an Bord des Ballons und seine Positionsdaten ein.

Die Hauptnutzlastkapsel mit viel spezialisierter Funktechnik, die z.T. direkt in den USA besorgt werden musste. Die eigentlichen Funkgeräte sind allerdings preiswerte chinesische.

Gruppenbild aller Beteiligten nebst farblich erkennbarer Vertreterin der BuGa.

Befüllen des Ballon mit Helium – das mit EUR 250 zu Buche schlug. Die Menge ist kritisch: genug für den Auftrieb, aber nicht zu viel, sonst platzt der Ballon schon in geringerer Höhe.

Der Fallschirm (normalerweise für die Rückkehr von Modellraketen benutzt): essentiell für eine weiche Landung der Nutzlast.

In der Mitte sichtbar ein improvisierter Radarreflektor, der sicher stellt, dass der Ballon auf dem Radar der Flugsicherung erscheint.

Panorama Minuten vor dem Start – die formelle Freigabe durch die Flugsicherung liegt vor, und das Wetter hält (im Gegensatz zu so mancher Prognose).

Die Reise beginnt: Die einzelnen Komponenten – Ballon, Fallschirm, Radarreflektor, große und kleine Nutzlast – werden der Reihe nach frei gelassen.

„Mission Control“: Auf den vorderen Monitoren beginnen die ersten Bilder via ATV (Amateur-TV mit echter Videorate) und SSTV (Slow-scan TV) ein zu laufen, auf den hinteren die GPS-Positionen des Ballons via APRS (Amateur Packet Radio Service).

Live-TV vom (noch nicht, aber bald) Stratosphärenballon „K32001“ aus relativ geringer Höhe! Auf dem unteren Bild (Ausschnitt) sind auch das Startgelände und der Eingangsbereich „E“ der BuGa zu erkennen, dahinter der Rhein. Die Originalbilder sollen HD-Qualität haben.

„Missionskommentator“ R.-D. Schlüsener mit dem ATV-Live-Bild, das leider etwa 10 Minuten nach dem Start immer verrauschter wurde und schließlich – noch vor Durchstoßen der Wolkendecke – abbrach: Die Antennen vor Ort auf der BuGa reichten nicht. Aber ein Amateurfunker bei Neuwied meldete später, natürlich per Funk, dass er mehrere Stunden ATV-Signale empfangen und 13 GB aufzeichnen konnte.

Das Slow-Scan-TV mit einem gering aufgelösten Bild (um 90° gedreht) alle paar Sekunden blieb dagegen noch länger erhalten und zeigte noch den Durchstoß durch die Wolken, bevor auch dieses Signal verloren war. Damit gab es nur noch die GPS-Positionen via APRS …

… die hier die nahezu maximale erreichte Höhe nach gut drei Stunden Flug dokumentieren. Gefolgt von rapide sinkenden Werten nach dem Platzen des Ballons, während sich sein Heading ständig verändert und er zeitweise 120 km/h schnell wird, während er durch unterschiedliche Luftschichten sinkt. In 11 km Höhe reisst die Funkverbindung nahe Kierspe ab …

… und kehrt in 3.4 km Höhe zur allgemeinen Erleichterung wieder zurück (das Hoffen auf ein Lebenszeichen erinnerte heftig an die Schlussszene von „Apollo 13“): Der Ballon ist viel weiter nördlich als beim letzten Signal und nähert sich nördlich von Lüdenscheid der A 45.

Die überquert er aber noch, um fast genau vier Stunden nach dem Start zu landen. Gleich drei Verfolgerteams sind ihm schon lange auf den Fersen, und es dauert noch eine weitere Stunde …

… bis K32-Chef Arno Herz – in dessen Keller der Ballon montiert worden war – den erlösenden Anruf von der Bergung des Ballons in Empfang nehmen kann. Exakt 5 Stunden nach dem Start und etwa ein Jahr nach dem Beginn des Projekts. NACHTRAG: Die Bilder auf der Speicherkarte der Bordkamera sind hervorragend! Auf der News-Seite von K32 läuft eine kleine Diashow mit Aufnahmen aus geringer Höhe – und der Blogger hat auch schon ein paar exzellente aus bis zu 20 km (mit Wolken und dunklem Himmel) gesehen: Bald soll es mehr im K32-BuGa-Blog geben, wo bereits in den Kommentaren zum letzten Artikel vor dem Start ein paar Updates stehen. NACHTRAG 2: der offizielle Flugbericht, mit vielen Bildern, auch von der Bordkamera!

Updates von anderen Stratosphärenballons vom Mai 2011

Von BTS-1 gibt es Unmengen von Aufnahmen der Bordkamera, den Track (mehr), einen weiteren Auftritt von Kommandantin Gummihuhn im NASM, weitere Blog-Berichte (mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), eine Erwähnung in einem chaotischen Podcast (ab ca. Minute 25; zu ~60% ‚vorspulen‘) und einen neuen UStream-Channel für Folgeprojekte. (Derweil wurde der Organisator von BTS-1 in Russland mit absurden Vorwürfen konfrontiert, was er nicht auf sich sitzen lässt.) Ein weiterer deutscher Start fand in Worms [NACHTRAG: und weitere am Bodensee und in Röttingen] statt, während ein weiterer amerikanischer zu spektakulären Erdaufnahmen führte und es beim italienischen StratoSpera 2 Ergebnisse von den Fadenwürmern an Bord gibt sowie weitere Flug-Aufnahmen – und eine von StratoSpera 1 ist heute Earth Science Picture of the Day geworden. NACHTRAG: Und von Senatobia 1 gibt es noch Bilder aus der größten Höhe des Fluges. NACHTRAG 2: Während über einen deutschen Flug inzwischen das WDR-Fernsehen und 1LIVE berichteten.

Noch mehr Kuriosa aus der Amateur-„Raum“-Fahrt gefällig? Da gäbe es einen Mini-Raketenstart gefilmt aus einem ferngesteuerten Helikopter ziemlich nah an der Flugbahn – und den Teststart der Copenhagen Suborbitals von der Rampe aus gesehen. NACHTRAG: noch verrückter – Mini-Kameras auf Feuerwerksraketen … NACHTRAG 2: Dann schon lieber Kameras auf einer richtigen Höhenforschungsrakete!

Die wilde Lichtkurve des Asteroiden 2011 MD

28. Juni 2011

Vom nahen Vorbeiflug von 2011 MD haben zahlreiche (überwiegend Amateur-)Astronomen Gebrauch gemacht: meist in der Nacht vor der ungünstig gelegenen größten Annäherung, als der NEA schon ganz schön schnell über den Himmel jagte. Oben ein Video mit dem 60-cm-Teleskop der Sternwarte Črni Vrh in Slowenien (4 h 40 m auf 43 Sekunden verkürzt), unten ein kanadisches aus etwa 1000 2-Sek.-Aufnahmen mit einem 14-Zöller, aus dem auch diese Lichtkurve gewonnen wurde (hier eine andere). In der Mitte der Lichtwechsel von 2011 MD aus Messungen am Lowell Obs. am 26. Juni phasengerecht mit einer Periode von 11.6 Minuten aufaddiert: Die scharfen Einbrüche der Helligkeit – der Asteroid is offenbar länglich und richtet dann die lange Achse Richtung Erde – sind auch in beiden Videos deutlich. Und wie der Asteroid am Himmel immer schneller wurde, ist diesem Video aus Australien gut zu entnehmen. Geplant waren auch Radarbeobachtungen mit Goldstone; dem Vernehmen nach wurden Echos empfangen.

Auch die zweite Sternbedeckung durch Pluto beobachtet

Sie war der ersten u.a. von SOFIA verfolgten, die auch mehrere Stationen auf der Erde („Pluto update 6/24“) beobachten konnten, nach wenigen Tagen gefolgt. Eine Menge Daten über Plutos Atmosphäre, Charon und vielleicht auch Nix sind bei der aufwändigen Kampagne zusammen gekommen, die auch von den Planern der New Horizons-Mission mit Interesse verfolgt wurde.

Chinesischer Ex-Mondorbiter als „Asteroid“ entdeckt: Chang’e 2 hat am 9. Juni die Mondumlaufbahn Richtung des Lagrangepunkts L2 des Erde-Sonne-Systems verlassen, den er nach knapp 3 Monaten erreichen soll – und als 18 mag. helles Objekt wird er wohl noch so manchem Astronomen vor die Kamera laufen …

Tiny asteroid comes to visit Monday: closest approach to Earth surface 12,280 km

25. Juni 2011

Die neuesten Zahlen & Links zum Mini-NEO – offenbar doch kein alter Raumschrott – 2011 MD (Grafik: montäglicher Erdbesuch aus der Sicht der Mondbahnebene), jede Menge mehr von der MoFi vor 10 Tagen und noch so einiges der letzten Woche im neuen Cosmos 4 U!

Weitere größere Artikel

Berühmteste Supernova erreicht neue Phase: Röntgenstrahlung vom Ring heizt SN 1987A nach.

Dawn vor dem Ziel: Asteroid Vesta immer klarer zu sehen.

E-ELT »nur« noch 39 m groß – aber dafür bezahlbar.

Cosmic Mirror #342 abgeschlossen

Das Endergebnis der Gravity Probe B, Dawn im Anflug auf Vesta, Milliarden (extrapolierte) einsame Planeten, superhelle Supernovae, ein GRB mit z=9.4 und vieles mehr im CM #342 (24. April bis 25. Juni 2011).

Kürzere Artikel

(Letzter § von) Supernova in M 51 erreicht 12,5m – Konfusion um den Vorgängerstern der SN 2011dh.

Fällt der 25. Sonnenzyklus aus? Kontroverse Extrapolationen.

Neue Art Supernova definiert, 10-mal so hell wie eine typische Typ-Ia-SN.

Vesta wächst im Fadenkreuz der Dawn-Sonde

23. Juni 2011

Nur im Wochenrhythmus schaut die NASA-Sonde Dawn im Anflug auf den Asteroiden Vesta in dessen Richtung: Dazu muss jeweils der Ionenantrieb abgeschaltet und in Sonde mit ihren fest montierten Kameras im Raum gedreht werden. Das obige Video fasst alle bisher entstandenen Aufnahmen zu einem Video zusammen, das jeweils eine Teilrotation in unterschiedlichem Abstand zeigt; darunter Einzelbilder vom 14. und 20. Juni: Jetzt sind die Bilder schon doppelt so scharf wie die besten von Hubble und zeigen einen verblüffend strukturreichen Himmelskörper, auch wenn gerade auf einer NASA-PK noch keine Interpretation der Details gewagt wurde. Noch beträgt der Abstand etwa 155’000 km, beim „Eintritt“ in den Orbit am 16. Juli werden es 16’000 km sein. Während der vorsichtigen weiteren Annäherung wird die 500-km-Vesta 20 Tage oder 7 Orbits lang aus 2700 km Höhe Abstand kartiert, später aus 680 km Abstand 30 Tage lang für eine systematische mineralogische und stereographische Erfassung, und schließlich folgen Elementen-Analysen via Gammastrahlung und Schwerefeldvermessung aus nur 200 km Höhe, die 70 Tage dauern. Dann geht es wieder in größere Höhe (jetzt ist die Sonne weiter nach Norden gewandert, und neue Bereiche liegen im Licht) und schließlich weiter Richtung Ceres. NACHTRAG: Fans prozessieren die Bilder weiter.

SOFIA hat seine erste Sternbedeckung gesehen!

23. Juni 2011

Und zwar durch den Zwergplaneten Pluto, vor wenigen Stunden: Bisher gibt es nur eine knappe aber eindeutige Erfolgsmeldung von R. Fienberg, der an Bord – vor der Westküste der USA – dabei war. Zwei Sternbedeckungen durch Pluto in rascher Folge sind der Gegenstand einer intensiven Beobachtungskampagne, die auch viele Stationen am Boden einschließt. Für SOFIA aber war es die erste Demonstration einer Art von Beobachtung, die sein Vorgänger KAO häufig durchführte und dabei u.a. die Uranus-Ringe entdeckte: Eine fliegende Sternwarte kann – im Prinzip – überall auf der Welt zur rechten Zeit am rechten Ort sein. NACHTRAG: eine offizielle Bestätigung des Erfolgs ohne weitere Einsichten. NACHTRAG 2: nach einem Tag ein USRA Press Release mit ein paar Details vom Flug, insbesondere einer Routenänderung in letzter Minute. NACHTRAG 3: Na ja, „lots of ink“ hat das nicht gerade hinterlassen.

Curiosity ist am Cape – und hat offenbar auch ein Ziel auf dem Mars bekommen, den Krater Gale

Vergangene Nacht ist der neue NASA-Marsrover Mars Science Laboratory alias Curiosity (Video oben: das Einpacken am JPL im Zeitraffer [NACHTRAG: eine geschnittene & kommentierte Version]) per Lastflugzeug am Kennedy Space Center angekommen (Bild), wo er nun für den Start im November vorbereitet wird – und fast zeitgleich machte die inoffizielle Nachricht die Runde, dass als Ziel auf dem Mars der Krater Gale ausgewählt wurde: Das Video unten zeigt einen simulierten Rundflug darüber. NACHTRAG: zwei neue Animationen von EDL & Betrieb. NACHTRAG 2: Es hat doch noch keine Entscheidung über das Ziel gegeben. NACHTRAG 3: Aber es gibt zwei Finalisten! NACHTRAG 4: Und es ist doch Gale geworden. NACHTRAG 5: Ein neues Video zeigt, wo es lang gehen soll – und ein Video in 3D liefert die detaillierte Begründung dazu!

Auch das zweite ATV ist verglüht: „Johannes Kepler“ (Bild: kurz nach dem Abdocken; hier und hier andere Perspektiven) ist vorgestern in die Atmosphäre eingetreten. Diesmal gab es keine Beobachtungs-Kampagne aus der Luft, aber es war ein Datenrecorder an Bord; über dessen Schicksal wurde noch nichts bekannt. NACHTRAG: Das System hat komplett versagt, im Gegensatz zum ersten REBR („‚Flugschreiber‘ …“) auf dem HTV-2!

Eine ausgedehnte Staubwolke umgibt Betelgeuse

23. Juni 2011

Der Überriese im Orion (im Deutschen fälschlicherweise Beteigeuze geschrieben) hat sie mit seinem starken Sternwind produziert, das VISIR-Instrument des VLT nun bei 7 bis 19 µm in schrillen Falschfarben abgebildet. Im gleichen Maßstab im Zentrum sternnahe Nebelstrukturen im nahen IR von NACO ebenfalls am VLT aufgenommen (siehe ISAN 91-9), die vielleicht mit den nun entdeckten staubigen Wolken bis in 60 Mrd. km Entfernung von der Sternoberfläche zusammen hängen.

Der protoplanetarische Nebel IRAS 22036+5306 aus Hubbles Sicht mit dem hochauflösenden Kanal der ACS: Noch wird das Licht des Zentralsterns von den Gasmassen, die er zuvor ausgestoßen hat, nur reflektiert – aber wenn er sich in einen heißen Weißen Zwerg umgewandet hat, wird er sie zur Emission anregen. Die Übergangsphase ist viel kürzer als der Zustand als planetarischer Nebel, weshalb nur einige hundert protoplanetarische bekannt sind.

Ein Stück aus dem Staubband der Galaxie Centaurus A, von UV bis NIR von Hubble aufgenommen mit der WFC3: Sonst hinter Staub verborgene Sternentstehungsgebiete werden so sichtbar.

Die Spiralgalaxie NGC 7479 auf einer Hubble-Aufnahme mit der ACS: Im Radiobereich sieht man kurioserweise einen Jet, der sich entgegen der Spiralstruktur im Sichtbaren krümmt – vermutlich das Ergebnis einer Kollision.

Sichtbare Galaxien, heißes Gas und Dunkle Materie des Galaxienhaufens Abell 2744: Das optische Bild stammt von Hubble und dem Very Large Telescope (die Galaxien machen kaum 5% der Haufenmasse aus), das Gas sieht Chandra im Röntgenlicht glühen (hier rosa dargestellt; 20% der Haufenmasse) – und die Verteilung der DM (blau; 75%) ist aus dem Hubble-Bild und Aufnahmen mehrerer irdischer Großteleskope über den Gravitationslinsen-Effekt auf Galaxien im Hintergrund ermittelt worden. Die komplexe Konfiguration von Gas und Dunkler Materie deutet auf die gleichzeitige Kollision von vier Galaxienhaufen hin.

Neue Perspektiven vom Saturnmond Helene

20. Juni 2011

hat Cassini am 18. Juni geliefert, als der Saturnorbiter bis auf 6970 km an den Mond heran kam: Der hat hier schon oft mitgespielt (siehe z.B. hier und hier [„Das beste Bild …“]), jetzt ist er endlich von allen Seiten abgelichtet. NACHTRAG: Gibt’s auch animiert und in 3D – wer braucht da noch Avatar …

Drei Lasersterne zugleich über dem Mauna Kea

18. Juni 2011

Erst waren zwei gleichzeitig im Einsatz („Bewegendes …“), und am 26. Mai waren sogar drei Laser für die Erzeugung künstlicher Sterne für Adaptive Optik parallel im Einsatz, bei Subaru und den beiden Keck-Teleskopen. Wenn das mal keine Klagen der Kollegen über Lichtverschmutzung gibt …

Ein Bild des Sternentstehungsgebiets RCW 120, kombiniert aus Herschel- und Spitzer-Daten: Das UV-Licht heißer Sterne hat den Ring zusammengepresst und aufgeheizt; links entsteht gerade ein neuer Stern.

Der „Elefantenrüssel-Nebel“ IC 1396 aus Sicht von WISE: Ein massereicher Stern hat hier im ISM ‚aufgeräumt‘, aber ein besonders dichter Knubbel ist zurück geblieben.

Der protoplanetare Nebel IRAS 13208-6020 auf einem HST-Bild mit der ACS: eine klassische bipolare Form.

Nachrichten aus der Teilchenphysik kompakt

18. Juni 2011

T2K-Experiment beobachtet erste Neutrino-Oszillationen

Bei „Tokai to Kamioka“ („Großes japanisches Neutrino-Experiment …“) schickt der Japan Proton Accelerator Research Complex (J-PARC) über 295 km hinweg Myon-Neutrinos zum großen Detektor Super-Kamiokande – und sechs davon sind offenbar als Elektron-Neutrinos angekommen: Diese „Appearance“ anderer Neutrinos als abgeschickt wurden ist ein wichtiger Beleg dafür, dass die ‚Flavors‘ von Neutrinos tatsächlich oszillieren und war letztes Jahr bereits beim OPERA-Experiment gesehen worden, allerdings weniger signifikant und mit einem Tau-Neutrino. Von Januar 2010 bis zum Erdbeben im März 2011, der das Experiment zum Erliegen brachte, registrierte Super-K 88 der J-PARC-Neutrinos, davon 6 mit Elektronen-Flavor: Noch sind das zu wenige, um von einem klaren Beweis für Oszillationen zu sprechen (konkret: der letzte noch unbekannte Neutrino-Mischungswinkel theta-13 ist nur mit 2.5 Sigma nicht Null, da man 1.5 Elektron-Neutrinos aus dem Hintergrund erwarten würde), aber Ende des Jahres soll der Versuch weiter gehen und mehr Daten sammeln. Im Sommer 2013 sollte theta-13 genau bekannt sein: Ein Wert ungleich Null könnte den Neutrinos auch eine wichtige Rolle bei der Materie-Antimaterie-Asymmetrie geben. Und der japanische Fast-Nachweis wird schon jetzt v.a. in den USA gefeiert: Dort – aber auch anderswo – vorbereitete Neutrino-Experimente bekommen dadurch eine größere Erfolgs-Wahrscheinlichkeit. (J-PARC, STFC Releases 15., RWTH Aachen PM 16.6.2011; Symmetry Breaking, Nature Blog, Physics World, New Scientist 15., LA Times, Ars Technica, Science Journalism Tracker 16., Quantum Diaries 17.6.2011)

Auch zwei Sonnenneutrino-Experimente bestätigen Neutrino-Oszillationen, per MSW-Effekt durch Wechselwirkung mit Materie verstärkt: KamLAND und Borexino. (Abe & al., Preprint 4. und Borexino collaboration, Preprint 15.6.2011. Und Symmetry Breaking 16.6.2011 zum TAUWER-Proposal, das Tau-Neutrinos als Verursacher von UHECRs jagen würde sowie ein PAO-Paper 15.6.2011 über Komplikationen mit der Anisotropie der letzteren. Plus Quantum Diaries 9.6.2011 über das Problem der Falsifizierbarkeit in der Teilchenphysik, am Beispiel des aufgrund bestimmter Experimente postulierten sterilen Neutrinos – und der … Theologie)

LHC bricht neue Marke – Tevatron-Bump schon wieder weg

Gestern Vormittag hat der Large Hadron Collider nach durch drei Monaten Laufzeit 2011 einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die großen Detektoren ATLAS und CMS haben ein inverses Femtobarn integrierte Leuchtkraft eingefahren! Ein fb^-1 entspricht etwa 70 Billionen Kollisionen – und die Marke war für das gesamte Jahr 2011 gesetzt worden (zumindest offiziell; angestrebt werden 2-3 inverse Femtobarn). Im ganzen Jahr 2011 waren nur 45 inverse Picobarn erreicht worden, was bereits für eine Menge – allerdings bekannte – Physik reichte. Derweil schien der „Tevatron-Bump“ der amerikanischen Konkurrenz (die es übrigens gerade in 10 Jahren auf 10 fb^-1 gebracht hat) zunächst stärker geworden zu sein („LHC mit …“, 2. Absatz) – aber jetzt sieht ein anderes Tevatron-Experiment diese Jet-Jet-Resonanz explizit nicht! „The DZero collaboration found its data for the production of a W boson and two jets to be in agreement with the predictions by the Standard Model,“ heißt es trocken (oder auch nicht ganz so trocken – die Kunde wurde bei einem Wine & Cheese Seminar am Fermilab überbracht).

Schon ist eine interne Untersuchung eingeleitet worden, wenige Monate vor der endgültigen Abschaltung des amerikanischen Beschleunigers, um den Widerspruch zu beleuchten: Zweifler tippten schon immer auf einen ungenügend modellierten Hintergrund, der den viel diskutierten Daten-Hügel nur vortäuschte. Auch ein statistisch scheinbar signifikanter Effekt muss also keine Entdeckung sein. Ende Juni müsste auch der LHC genug Daten haben, und was er zu dem angeblichen Bump zu sagen hat, wird Ende Juli bekannt gegeben. Dann ist überhaupt die Zeit der großen Teilchen-Tagungen, wo von LHC wie Tevatron Interessantes erhofft wird. (CERN Release 17., Fermilab Release 10., Austral. Gov’t Release 9.6.2011; Cosmic Variance 18., BBC 17., Quantum Diaries, Not even Wrong 15., CERN Bulletin 13., Discovery 11., Resonaances, Nature News, Physics World Blog, New Scientist, Ars Technica, BBC 10., Not even Wrong 8., Resonaances 6.6., Science 2.0 31.5.2011. Auch Cosmic Variance 14.6.2011 über die Notwendigkeit des Higgs und Back Reaction 11.6.2011 über die bisherige LHC-Suche nach Extra-Dimensionen des Raumes)

CoGeNT-Daten zur Dunklen Materie: Aufregung und Zweifel

gleichermaßen hat die Entdeckung zeitlicher Variationen beim DM-Detektor CoGeNT („Direkte Detektionsversuche …“) ausgelöst: Während unabhängige Analysen durchaus einen – nicht besonders signifikanten – jahreszeitlichen Effekt sehen, der mit der Bahn der Sonne durch die DM der Galaxie erklärt werden könnte, meldet das Detektionsexperiment SIMPLE ein negatives Ergebnis, das die von CoGeNT vermeintlich entdeckten DM-Teilchen auszuschließen scheint. Nach dem Feuer in der Soudan-Mine konnte das Experiment immer noch nicht inspiziert, geschweigedenn wieder in Betrieb genommen werden (nach iner anderen Quelle läuft er aber seit dem 6. Juni wieder): Bislang muss man erst einmal mit den 15 Monaten schon gewonnenen Daten auskommen. Dass die einen klaren Nachweis von WIMPs der DM enthalten, behaupten die CoGeNT-Forscher ganz und gar nicht: „We wouldn’t touch that word with a ten-foot pole.“ Aber weil die periodischen Variationen sowohl zu den alten DAMA-Daten wie auch noch unveröffentlichten des Experiments CRESST zu passen scheinen, ist man schon etwas erregt … (Felizardo & al., Preprint 15., Aalseth & al., Preprint 10., Hooper & Kelso, Preprint, Univ. of Chicago Press Release, Kavli Foundation Feature 6.6.2011; arXiv blog 8., Nature Blog 9., e-Astronomer 13., Physics World 15.6.2011. Auch ein neues Negativ-Resultat von EDELWEISS-II und das Verhältnis von LHC & direkten DM-Detektoren auf der WIMP-Jagd) NACHTRAG: mehr CoGeNT-Zoff

Ist die Parität des Universums verletzt, also keine Spiegel-Symmetrie vorhanden? Die wäre eigentlich zu erwarten, aber eine Analyse von 15’158 Galaxien-Bilder der Sloan Digital Sky Survey bei z~0.04 zeigt eine 7%ige Überhäufigheit von linkshändigen Spiralen, wie auch die Milchstraße eine ist. Das scheint zwar ein kleiner Effekt zu sein, aber die Wahrscheinlichkeit für Zufall liegt nur bei 1:1 Mio. Dummerweise stammen die SSDS-Daten überwiegend von der Nordhalbkugel, da das Durchmusterungs-Teleskop nun einmal in New Mexico steht: Um den kuriosen Effekt zu testen, werden eben so viele Galaxien der Südhalbkugel benötigt, wo einer in einem kleineren Katalog immerhin angedeutet scheint. Sollte sich der Kosmos als nicht isotrop erweisen sondern eine Art Achse besitzen, hätte das profunde Konsequenzen. (Longo, Preprint 14.4., Atra Materia 16.6.2011. Aber siehe auch Land & al., Preprint 28.5. = Universe Today 28.3.2008 vs. Longo, Preprint 25.7.2007 – was ist jetzt anders?) NACHTRAG: ganz spät noch ein Press Release zum neuen Paper – mit Folgen. NACHTRAG 2: Gaaanz langsam kommt eine Diskussion in Gang.