Archive for Juli 2011

What the comets Elenin, Garradd and PANSTARRS will (perhaps) look like in your sky

31. Juli 2011

Detaillierte Berechnungen der Sichtbarkeiten für die drei Kometen (die die älteren Analysen für Elenin – die schon ziemlich gut traf – und PANSTARRS [auch ISAN 138-5] ersetzen), viele Links zu u.a. dem 1. Erdtrojaner, dem 4. Plutomond und einem Paper zur Koronaheizung und noch manches aus den vergangenen zwei Wochen mehr sowie die Vorschau auf den August im neuen Cosmos 4 U!

Warum MSL Curiosity im Krater Gale landen soll

30. Juli 2011

Er hat 155 km Durchmesser, ist – eine Rarität im Sonnensystem – nach einem Amateurastronomen benannt, dem Australier Walter Frederick Gale (1865-1945; Biographien hier, hier und hier) und liegt ungewöhnlich tief, 4.6 km unter dem Normalniveau des Mars. Aber das ist es nicht, was die NASA bewogen hat, ihren nächsten Marsrover Mars Science Laboratory alias Curiosity in diesen Krater zu schicken („Curiosity is am Cape …“): Vielmehr lockt im Kraterinneren ein faszinierender Berg aus zahlreichen Sedimentschichten, die mit flüssigem Wasser in unterschiedlichen Mars-Epochen zusammen hängen könnten, enorme 5 km hoch und doch von so geringer Steigung, dass der Rover den Aufstieg schaffen sollte, während gleichzeitig Canyons exzellente Aufschlüsse versprechen (im Bild eine 3D-Darstellung aus MRO- und Mars-Express-Daten; von oben sieht Gale so aus). Gale war bereits für die Mars Exploration Rover in die engere Auswahl gekommen, aber damals dominierten noch technische Aspekte die Auswahl der Landeplätze: Die Landeellipsen waren so groß, dass auch der Berg selbst hätte getroffen werden können, abgefahren werden musste aber im Flachen.

Das ist nun möglich, da das MSL von einem schwebenden „Kran“ aus abgeseilt werden soll – und die Zielellipse ist jetzt nur noch 21 x 14 km groß, so dass in sicherem Abstand neben dem Berg aufgesetzt werden kann. Zum ersten Mal überhaupt war die Wissenschaft ausschlaggebend für die Wahl des Landeplatzes einer Marsmission: Auf fünf offen Workshops seit 2006 und schließlich in kleinem Kreis führender Manager war die Zahl der Kandidaten von anfangs rund 60 auf vier, dann zwei eingedampft worden, und zum Schluss gewann Gale haarscharf vor einem anderen Krater namens Eberswalde, in den offensichlich früher ein See Sedimente abgeladen hatte. Aber in Sachen Sediment-Erwartung hatten die Marsplaner schon einmal daneben getippt, als sie den MER Spirit in den Krater Gusev schickten – und sich dort auf langweiligem Basalt wieder fanden. Eberswalde war ein „one trick pony“, hatte nur den See-Verdacht zu bieten. Gale dagegen verspricht die größte Auswahl an Untersuchungsmaterial: Da der Krater so tief liegt, ist praktisch sicher, dass hier irgendwann flüssiges Wasser landete und Spuren hinterließ. Der Berg besteht offenbar aus Lagen aus Ton wie Sulfaten, aber es ist – was bei den Curiosity-Planern durchaus Unbehagen hinterlässt – reichlich unklar, wie er überhaupt entstanden ist. Ablagerungen aus verschiedenen feuchten Epochen können es sein – aber auch lediglich angewehtes Material, was dann weniger über das Auftreten lebensfreundlicher Zeiträume verraten würde.

So oder so verspricht der Berg aber eine regelrechte Lektüre der Marsgeschichte mit mindestens drei ganz unterschiedlichen Phasen, während Curiosity langsam hinauf rollt. Die Primärmission soll dabei zwei Jahre dauern, wobei auch die spektakulärste Rundum-Sicht aller bisherigen Marslander versprochen wird: So viel Topografie war noch nie! „Die Szenerie allein“, verspricht ein Gale-Fan, „wird die Sicht der Welt auf den Mars verändern.“ Mit zehn wissenschaftlichen Instrumenten – weit mehr als bei den MER – wird das diverse Bodenmaterial unter die Lupe genommen und auch auf organische Chemie abgeklopft. (Und nein, zum Fossiliensuchen ist auch das MSL-Mikroskop nicht ausgelegt: Sollten sich verdächtige Strukturen zeigen, würde es keine Handhabe geben, einen biologischen Ursprung nachzuweisen – was schon auf der Erde bei mikrobiologischen Hinterlassenschaften oft misslingt.) Angestachelt durch die Zähigkeit der MER wird bereits an Plänen für eine verlängerte Mission gebastelt, die bis zu einem Aufstieg zum Gipfel des Berges reichen: Das allerdings könnte zehn Jahre dauern. Science 29.7.2011 S. 508-9; Discovery 26., S&T 24., AGU Blog, Science Insider, CSM, New Scientist 22.7., New Scientist 19., Planetary Society Blog 18.5.2011

Der MER Opportunity nähert sich seinem größten Aufschluss, dem 22-km-Krater Endeavour: Der unermüdliche Rover – der kürzlich die 30-km- und 20-Meilen-Marken seiner 7-1/2-jährigen Marsrundfahrt knackte – wird als erstes Cape York am Kraterrand erreichen, von dem „Oppy“ nur noch 1/2 km entfernt ist. Dort locken Phyllosilikate und insbesondere Ton, für dessen Bildung längere Zeit flüssiges Wasser vorhanden gewesen sein muss. (Road to Endeavour 15.5., LA Times 7.6., JPL Release 19., Planetary Society Blog 21., Road to Endeavour 26.7.2011) Der Beschluss zur Aufgabe des anderen MER Spirit im Mai („Nachruf …“; auch ISAN 137-5) war gefallen, nachdem sich die Beleuchtungsverhältnisse an seinem Standort bereits wieder verschlechterten: Selbst wenn er sich überraschend doch noch mal gemeldet hätte, wäre nichts Sinnvolles mit dem Rover anzufangen gewesen, dem bereits der nächste Winter ins Haus stand. Das MER-Projekt wurde schon Monaten vorher de facto als Ein-Rover-Mission betrieben, mit 40 verbliebenen Fulltime-Experten (gegenüber mehreren hundert 2004) und jährlichen Kosten von 12 Mio.$. Auf einem Festakt im JPL wurde im Juli Spirits gedacht. (Planetary Society 26., Cosmic Log 31.5., JPL Blog 20.7.2011) NACHTRAG: der neueste der entsetzlich langen MER-Lageberichte der Planetary Society.

ExoMars-Missionen 2018 und 2016 im Schwebezustand

Der Plan – von ESA und NASA eigentlich gemeinsam beschlossen – sieht den Start eines Marsorbiters im Fester 2016 vor, der auch eine experimentelle Landeeinheit mitführt, und den Start eines gewaltigen Rovers 2018, der wesentliche Komponenten der Landetechnik Curiositys übernimmt und in dem der ursprüngliche ESA-Rover ExoMars aufgeht („Nur ein gemeinsamer …“). Doch angesichts ihrer Haushaltsprobleme konnte die NASA bis zu einer entscheidenden ESA-Sitzung Ende Juni nicht schriftlich garantieren, dass sie ihre versprochenen Beiträge zum Rover auch wirklich leisten kann und musste bis September vertrösten – das wiederum hat Frankreich und Großbritannien veranlasst, gegen den expliziten Willen der ESA-Spitze die Mittelfreigabe für den Baubeginn des 2016-er Orbiters zu verhindern. Denn die beiden Missionen werden als eine gemeinsame betrachtet, mit einem harten Kostendeckel von 1 Mrd. Euro (von denen 850 Mio. aufgebracht sind): Ärger mit dem Rover müsste durch Kürzungen beim Orbiter aufgefangen werden. Der soll zum einen als Funkrelais für den Rover dienen, zum anderen aber den mysteriösen Methanquellen des Mars nachspüren und u.U. zur Auswahl des Landeortes für den Rover beitragen. Auch ist er der Träger der Landeeinheit, mit der die ESA den Atmosphäreneintritt und das weiche Aufsetzen – im Hinblick auf spätere Missionen – üben will; gerade wurde die Nutzlast ausgewählt. Die ESA verhandelt nun mit den Firmen, die den Orbiter bauen sollen, über eine Zwischenlösung: Ab wann die Zeit (zu) knapp wird, darüber gehen die Meinungen auseinander. (ESA Release 10., Space News 24., 30.6.2011)

Eine weitere NASA-Marsmission hat die Critical Design Review passier: Damit kann der Bau von MAVEN – Mars Atmosphere and Volatile EvolutioN – beginnen, der Ende 2013 starten soll. Bei dieser Mission aus der neuen (und schon wieder eingestellten) „Mars-Scout“-Serie geht es ganz um die Marsatmosphäre und insbesondere ihre Verlustprozesse, um die sich frühere Sonden – etwa Phobos 2 – nur am Rande kümmern konnten. Erst wenn der Verlust durch den Sonnenwind genau quantifiziert werden kann, lässt sich zurücl rechnen, wieviel Atmosphäre der Mars einmal gehabt haben kann – und ob das zu der geologischen Evidenz für reichlich flüssiges Wasser in der Frühzeit passt. (NASA, U. Colorado Releases 22.7.2011)

Zwei Hinweise zur Frage, warum der Mars so klein ist

(im Vergleich mit den terrestrischen Planeten Erde und Venus), haben kürzlich Untersuchungen an Marsmeteoriten wie Modellrechnungen zur Wanderung des Jupiter im Sonnensystem in dessen wilder Jugend gegeben: Die Isotopenanalysen legen nahe, dass der Mars in nur wenigen Jahrmillionen entstanden ist, im Gegensatz zur 100 Mio. Jahre lang gewachsenen Erde – und der Jupiter hat möglicherweise durch damals viel geringeren Sonnenabstand dafür gesorgt, dass gar nicht mehr ‚Baumaterial‘ für einen größeren Planeten vorhanden war. Nach der neuen Hafnium/Wolfram-Analyse erreichte der Mars seine heutige – kleine – Größe in nur 800’000 bis 2.7 Mio. Jahren und blieb als „gestrandeter planetarer Embryo“ zurück, mit nur 11% der Erdmasse. Und in den Simulationsrechnungen des jungen Sonnensystems macht sich der Jupiter bis auf 1.5 AU an die Sonne heran, was die Planetesimal-Scheibe bei 1 AU regelrecht abschneidet: Für die Erde blieb reichlich Baumaterial zurück, für den Mars aber nicht. Später, als der Saturn entstand, zog sich der Jupiter dann auf die heutigen 5 AU zurück, wobei zwischen Mars und ihm der – mit neuen Planetesimals aufgefüllte – Asteroidengürtel verblieb: Auch seine Feinstruktur mit mehr eisreichen Kleinplaneten weiter draußen ist in diesem Szenario gut zu verstehen. (Dauphas & Pourmand, Nature 473 [26.5.2011] 489-92, Brandon, ibid 460-1, Walsh et al., Nature 475 [14.7.2011] 206-9; Science 10.6.2011 S. 1255; U. Miami, U. Chicago Releases 25.5., SwRI, PSI Releases 5.6., NASA Feature 6.6.2011)

Ein erster Blick auf Vestas – finsteren – Nordpol

29. Juli 2011

ist Dawn am 23. Juli gelungen, nachdem die Sonde auf ihrer noch fernen Umlaufbahn – Abstand damals: 5200 km – auf die ‚andere Seite‘ gelangt war: Hier ist gerade Winter. Weitere Bilder und erste Interpretationen sollen am Montag um 18:00 MESZ geboten werden; die PK wurde überraschend um 2 Stunden vorverlegt.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

28. Juli 2011

Antenne von Spektr-R nach Problemen offen & eingerastet

Der erste russische Astro-Satellit seit Jahrzehnten, vom Roskosmos-Chef in einem TV-Interview schon mal „besser als Hubble“ tituliert, ist jetzt bereit für umfangreiche Tests, nachdem sich die 10-m-Antenne am 23. Juli doch noch voll geöffnet hat und eingerastet ist – letzteres hatte Tags zuvor in mehreren Anläufen nicht geklappt. Im Herbst sollen die VLBI-Beobachtungen für das RadioAstron-Programm mit bis zu 30-mal größeren Basislinien als auf der Erde möglich beginnen, mit dem mutmaßlichen Supermassiven Schwarzen Loch in der Galaxie Messier 87 als Paradeobjekt: Mit einer Winkelauflösung von bis zu 7 Mikrobogensekunden könnte der Schwarzschild-Radius erkennbar werden. Der gelungene Start von Spekr-R wird u.a. auch in Indien gefeiert: Dort hatte man vor 15 Jahren einen Empfänger für den Satelliten gebaut und bei all den Startverschiebungen (der Satellit wird seit 1978 geplant!) schon wieder fast vergessen – als es dann doch ernst wurde, gab es neue Tests, und das Gerät arbeitete einwandfrei. Spektr-R ist erst der Anfang: 2013, 2015 und 2017/18 sollen noch Spektr-RG (Röntgenbereich), -UF (Ultraviolett) und -M folgen. (Roskosmos Release 23.7.2011; TASS 26., Spaceflight Now 25., AFP 23., Times of India 20., Beyond Moon & Mars 19., Sky & Tel., Spaceflight Now, Parabolic Arc 18.7.2011)

Eine rein europäische LISA-Mission kann bis 2022 starten und immer noch effizient nach Gravitationswellen suchen, auch wenn die Satelliten nach dem Ausstieg der USA abgespeckt werden müssen, sagen ESA-Planer: Im Herbst soll ein detailliertes Konzept vorgelegt werden. (Study Group Statement 21.7.2011. Und eine Solidaritätserklärung der IAU für das JWST, dessen neue Kosten das Weiße Haus kennt aber nicht verraten will – was soll denn bitte das?)

Beide ARTEMIS-Satelliten kreisen nun um den Mond

Am 17. Juli ist planmäßig auch die zweite der umgeleiteten THEMIS-Sonden („Die ARTEMIS-Sonden …“) in einer Umlaufbahn angekommen – die der der am 27. Juni angekommenen entgegen läuft: So ensteht ein dreidimensionales Bild der magnetischen Umgebung des Mondes, dem die Satelliten bis auf 100 km nahe kommen. Dabei werden sie dank gestreuter Teilchen des Sonnenwinds und abgesputterter Ionen auch Aussagen über die Chemie der Mondoberfläche liefern – und zwar die nächsten sieben bis 10 Jahre. (NASA Release 19.7.2011. Und New York Times, New Scientist Blog, Space Policy Online und Forbes Blog zu mühsamen Fortschritten und verrückten Geschäftsideen beim Google Lunar X Prize)

Pioneer-„Anomalie“ wird planmäßig schwächer: Wie bei der hinreichend oft durch Wärmeabstrahlung erklärten („Pioneer-‚Anomalie‘ …“) winzigen Abbremsung der Sonden nicht anders zu erwarten, nimmt diese mit der Zeit ab, da ja auch die Radioisotopen-Batterien schwächer werden – das ist in neu aufgefundenen bzw. rekonstruierten Doppler-Daten erstmals erkennbar geworden. Zum x-ten Mal in den vergangenen zehn(!) Jahren also: Tschüss, „Neue Physik“ … (Turyshev & al., Preprint 14., arXiv Blog 20., Planetary Society, Physics World Blogs 22., Discovery 24.7.2011)

Bemannter Asteroiden-Flug wird gewaltiges Unternehmen

Die erste Reise zu einem (noch unbestimmten und womöglich noch nicht einmal entdeckten) Kleinplaneten, das erklärte erste Ziel der NASA jenseits der Mondbahn für bemannte Flüge mit dem vagen Zieldatum 2025, wird die Apollo-Mondlandungen an Komplexität und Attraktivität bei weitem in den Schatten stellen, wird allmählich klar – zu dumm, dass die NASA bisher nicht in der Lage war, dieses erste große Highlight der Post-Shuttle-Ära angemessen zu ‚verkaufen‘. Der Flug dürfte ein halbes Jahr dauern, so dass – neben der kleinen Crew-Kapsel – ein ziemlich großes Wohnschiff erforderlich sein wird: Das werden wohl mehrere der irgendwie kommenden Schwerlastraketen in Stücken ins All bringen, wo sie im ISS-Stil zusammengefügt werden. Ein Ionenantrieb könnte den Komplex dann allmählich in Fahrt bringen, und die Crew springt erst ganz zum Schluss auf. Am Asteroiden angekommen, ist eine Landung wegen dessen geringer Schwerkraft nicht möglich: Das Raumschiff wird quasi wie an ein anderes Vehikel andocken müssen. Um den Astronauten dann Mobilität zu verleihen, werden sie sich vermutlich mit einem oder mehreren Miniraumschiffchen, die eher an Tiefsee-Vehikel erinnern, um den Asteroiden bewegen und mit Greifarmen Proben entnehmen. Oder sie steigen aus, gesichert mit Seilen, Düsenrucksäcken oder netzartigen Gebilden. Die NASA-Planer der Mission sind ebenso ehrfürchtig vor der Herausforderung wie auch begeistert: Zum ersten Mal wird tatsächlich in der Tiefe des Planetensystems operiert. Und fast alle Technologien, die bei dem Asteroiden-Flug zum Einsatz kommen, werden in den 2030-ern auch bei einer Marsmission benötigt. (Science Journalism Tracker 23.7.2011. Auch Space News 28.7.2011 zu einer Subpoena, die die NASA zur Herausgabe von Planungsunterlagen zu der Superrakete zwingen soll, NASA Spaceflight 27.7.2011 zu besagten Plänen und Spaceflight Now 24.7.2011 zur Weiterverwendung der Shuttle-Startrampen für die Rakete)

Astronomische Teleskope für ein Suborbital-Raumschiff

Teleskope mit Astronomen als Begleiter bei Suborbitalflügen kurz in den Weltraum bringen will das Planetary Science Institute – und zwar mit dem Lynx von XCOR, dessen Flexibilität es den Forschern angetan hat. Das Atsa-Instrument (Adler in der Navajo-Sprache) soll speziell in Sonnennähe Himmelskörper unter die Lupe nehmen, wobei der begleitende Astronom in den wenigen Minuten über der Atmosphäre für die schnelle und präzise Ausrichtung sorgt. Teleskope fliegen schon seit Jahrzehnten auf Höhenforschungsraketen, aber nach jedem Einsatz müssen sie aufwändig wieder auf Vordermann gebracht werden – das entfällt bei den sanften bemannten Flügen, die sich so im Endeffekt rechnen sollen. Und weil der Lynx schon kurz nach der Landung wieder starten können soll, sind sogar mehrere Flüge in einer Nacht denkbar – wann der Lynx zum ersten Mal überhaupt abhebt, steht allerdings ebenfalls ‚in den Sternen‘ … (XCOR Press Release 12., Universe Today 13.7. 2011. Und Space.com 28.7.2011 zur derzeitigen Testpause beim SpaceShipTwo)

Die Atlas V soll für die privaten Raumkapseln fit gemacht werden: Ihr Betreiber ULA und die NASA haben einen intensiven Austausch von Dokumenten und Erfahrungen beschlossen, damit die bewährte kommerzielle Rakete – 26 Starts, alle erfolgreich – das entscheidende Man-Rating erhalten kann, um eine oder mehrere der z.Z. in Entwicklung befindlichen kommerziellen Raumkapseln zur ISS zu tragen. Geld fließt diesmal keins, und viel scheint nicht mehr zu fehlen: Die wichtigste Komponente, die eine bemannte Atlas V benötigt, ist ein Emergency Detection System für einen sauberen Startabbruch – und das daran arbeitet ULA schon mit früherem NASA-Geld. (Spaceflight Now 19.7.2011. Und Spaceflight Now 25.7.2011 zum wahrscheinlichen Flug der nächsten Falcon 9/Dragon zur ISS schon am 30.11. und 22.7.2011 zu einer Verschiebung des ersten Testflugs der Taurus 2, die demnach frühestens im Februar 2012 die erste Cygnus-Kapsel zur ISS bringen kann)

Wenige Tage alte Sat-Bilder der Erde für ein paar Cent

an Unmengen von Privatkunden zu verhökern: Das ist die wilde Geschäftsidee von Mobeo Ltd. auf der Isle of Man, die nicht weniger als 17(!) eigene Satelliten starten will, 12 optische und 5 mit Radar. Jedes Erdbild soll nur 5 US-Cent kosten, höchtens eine Woche alt sein und direkt auf Millionen von Smartphones landen, die den Service abonniert haben. Was dann die 1.2 Mrd.$, die die Satelliten und ihr Betrieb kosten, wieder einspielen soll. Auch Gelegenheitsnutzer, die im Urlaub mal nach ihrem Haus sehen wollen, sollen angesprochen werden, kommerzielle Kunden zahlen mehr. Bei der ESA möchte man übrigens alle Satelliten-Erdbilder kostenlos zur Verfügung stellen, insbesondere bei den kommenden Sentinel-Satelliten – die EU, die dabei mit im Boot ist, hat sich noch nicht geäußert. (Space News 14.7.2011. Und Space News 18.7.2011 zum erneut gescheiterten Versuch, dem DSCOVR-Satelliten endlich den Start zu bezahlen)

Künstliche Horizonte aus digitalen Geländemodellen berechnen ist zum Beispiel für die Archäoastronomie interessant: Wo stehen von verdächtigen Bauwerken aus Berge etc.? Mit Theodolithen kann das zwar alles ausmessen, aber es ist mühsam, und wenn inzwischen ein Wald im Weg steht, geht es gar nicht – also greife man z.B. zu den frei verfügbaren Höhendaten der Shuttle Radar Topography Mission von 2000 (Auflösung 90 x 90 Meter, Höhengenauigkeit Meter, berücksichtige Erdkrümmung und atmosphärische Refraktion: Schon ist ein Horizont mit ein paar Bogenminuten Genauigkeit fertig, ausreichend für viele Anwendungen. (Patat, Preprint 11.7.2011)

Der Large Hadron Collider treibt das Higgs-Teilchen, die Supersymmetrie & Co. in die Enge

26. Juli 2011

Der Hochsommer ist die Zeit der großen Tagungen der Teilchenphysik, und dieses Jahr steht natürlich der Large Hadron Collider im Zentrum: nicht mit Entdeckungen, worunter man den Nachweis eines neuen Teilchens oder Effekts mit 5 Standardabweichungen (Sigma) Signifikanz versteht, ja nicht einmal „Evidenz“ (3 Sigma). Sondern mit harten Limits für all die gesuchten Phänomene, für die immer weniger ‚Platz‘ bleibt, um sich noch zu verstecken: Das gilt ebenso für das letzte noch unentdeckte Teilchen des Standardmodells (SM) der Teilchenphysik, das Higgs, wie auch für Erweiterungen des SM in Richtung Supersymmetrie, zusätzliche Dimensionen etc. Die Datenmenge, die der LHC inzwischen eingefahren hat, ist deutlich größer als geplant, und täglich wird die Proton-Proton-Kollisionsrate weiter gesteigert: Nicht erst Ende 2012, wie das CERN-Management weiter konservativ verspricht, sondern schon diesen Herbst oder Winter könnten die ersten harten Aussagen möglich werden, hieß es vielfach auf der International Europhysics Conference on High Energy Physics, die derzeit in Grenoble läuft.

Das größte Interesse gilt dabei natürlich dem Higgs-Teilchen, das das SM abschließen und u.a. erklären würde, wie alle anderen Teilchen zu ihren Massen kommen – seine Masse selbst lässt sich indes nur sehr vage mit 100 bis 600 Protonenmassen = 95 bis 550 GeV/c^2 vorhersagen. Bereits der LHC-Vorgänger LEP hat nachgewiesen, dass das Higgs mindestens 114 GeV schwer sein musste, und der US-Beschleuniger Tevatron und nun der LHC haben den noch erlaubten Massenbereich immer weiter eingegrenzt: Verboten sind nun 155-190 und 295-450 GeV (LHC-Atlas, 95% Confidence) bzw. 149-206 und 300-440 GeV (LHC-CMS). Die beiden Tevatron-Detektoren CDF und D0 schließen derweil 157-174 bzw. 162-170 GeV aus. Die Limits aus diversen Detektoren einfach addieren darf man übrigens nicht; gemeinsame Limits zu berechnen ist kompliziert. Kurioserweise zeigt sich im erlaubten Bereich unter 150 GeV bei beiden LHC-Detektoren derzeit ein „Exzess“, d.h. ein vager Hinweis auf Teilchen mit weniger als 3 Sigma Signifikanz: bei 120-145 GeV mit 2.8 Sigma bei ATLAS und bei 130-150 GeV mit ca. 2 Sigma bei CMS.

Da allerdings beide Detektoren sehr ähnliche Mathematik zur Berechnung des Hintergrunds verwenden, auf dem dieses potenzielle Signal eines massearmen Higgs sitzt, handelt es sich nicht wirklich um eine gegenseitige Bestätigung, und gejubelt wird nicht. Auch das Tevatron sieht bei 140 GeV etwas, freilich nur mit nur 1 Sigma und daher kaum relevant, während LHCs ATLAS auch noch einen schwachen Exzess im erlaubten ’schwereren‘ Bereich bei 250 GeV hat. Der gute Lauf des LHC, der bis Jahresende fünfmal so viele Kollisionen wie bisher eingefahren haben sollte, dürfte dafür sorgen, dass die Exzesse nun binnen weniger Monate entweder zu Evidenz und schließlich Entdeckungen werden (was man daran erkennen würde, dass bei ATLAS wie CMS das Signal parallel weiter wächst) – oder aber ebenso verschwinden wie diverse andere vor ihnen. Das Higgs ist also eingekesselt, und spätestens nächstes Jahr wird klar sein, ob es existiert oder nicht: Beides wäre für die Physik spannend, letzteres sogar auf- und für die Zukunft auch anregender aber auch ziemlich unheimlich.

Derweil hat der LHC inzwischen auch scharfe Limits für zahlreiche von Theoretikern erdachte Erweiterungen des SM geliefert, denn weder Teilchen der Supersymmetrie noch Hinweise auf zusätzliche Raumdimensionen auf kleiner Skala (was die Entstehung der berüchtigten Schwarzen Mini-Löcher fördern würde) oder unbekannte Bosonen oder sonstige schwere Teilchen sind bisher in den Kollisionsdaten zu sehen, und die Quarks bleiben auch bei den bisherigen LHC-Energie punktförmig. „Niedrig hängende Früchte“ für den teuren Beschleuniger, auf die so mancher Physiker heimlich gehofft hatte, gibt es damit offenbar nicht, und in Grenoble machte sich bei aller Begeisterung über die Leistung des LHC, der nun reihenweise theoretische Vorhersagen mit der Realität konfrontiert, auch etwas Frust breit. Konkret für die populäre Supersymmetrie bedeutet das bisherige LHC-Nullresultat bereits, dass ihre einfachste Variante kaum mehr zu halten ist, da unter ~900 GeV keine „Spartikel“ gefunden wurden: „Die Luft wird dünn,“ hieß es in Grenoble.

Rasant geht es nun jedenfalls weiter: Bereits morgen werden auf der Tagung die gemeinsamen Higgs-Limits der beiden Tevatron-Detektoren präsentiert [NACHTRAG: Danach ist 156-177 GeV ausgeschlossen], im August dann in Mumbai gemeinsame der beiden LHC-Detektoren [NACHTRAG: die zusammen derzeit etwas bei 144 GeV mit 2.9 Sigma sehen]. Und ein britischer Buchmacher geht bei Wetten auf das Higgs neuerdings klar von seinem Nachweis noch 2011 aus … Physics World Blog, Symmetry Breaking, Basler Zeitung 26., Nature News & Blog, Quantum Diaries, New Scientist, Not Even Wrong, Cosmic Log, Independent, BBC, Space.com, Science Journalism Tracker 25., BBC, Ian Sample 24., BBC, KosmoLogs 23., Nature News, Physics World, Symmetry Breaking (mehr), Science Now, New Scientist Blog, Quantum Diaries 22.7.2011. Auch Fermilab Relase 20., Ars Technica 21., Welt der Physik 22.7.2011 zu einem neuen Baryon (aus strange, up & bottom) vom Tevatron und Nature News 23., Spiegel 15., Symmetry Breaking 14.7.2011 zu weiteren aktuellen Tevatron-Entdeckungen (asymmetrische Quarks bzw. ein seltener Zerfall) sowie DLF 26.7.2011 zum möglichen LHC-Nachfolger CLIC

Geoneutrinos: Halbe innere Erdwärme von Radioaktivität

Gleich 111 (Anti-)Neutrinos aus dem Erdinneren hat das japanische KamLAND-Experiment einfangen können, eine Größenordnung mehr als bei früheren Experimenten („10±4 Neutrinos …“): Daraus lässt sich berechnen, dass der radioaktive Zerfall im Erdinneren ungefähr 20 Terawatt Leistung erbringt, in ganz gutem Einklang mit theoretischen Modellen zur Menge der radioaktiven Isotopen. Da aber insgesamt 44 TW aus dem Erdinneren dringen, muss es noch andere Quellen geben: vielleicht aus der Entstehung des Sonnensystems herüber gerettet, vielleicht von einem anderen Prozess erzeugt. (Physics World, New Scientist 19.7.2011)

Spielt die Rotation der Milchstraße eine Rolle … in der Teilchenphysik? Das Frame-dragging von Materie durch das Schwerefeld der rotierenden Milchstraße bringen jetzt Theoretiker ins Spiel, um die CP-Verletzung bei bestimmten Teilchenzerfällen in den Griff zu bekommen: Das wiederum könnte den Weg zur Erklärung der Materie-Antimaterie-Asymmetrie nach dem Urknall weisen. (Hadley, Preprint 8., Warwick Release, Space.com 14.7.2011. Auch Physics World 25.7.2011 zur leichteren Positronium-Herstellung und BdW 8.6.2011 zum Langzeit-Fang von Antimaterie)

Ein Amateur entdeckte kürzlich diesen Nebel …

25. Juli 2011

… und das Gemini-Nord-Teleskop hat ihn kurz darauf schon in H-Alpha & [O III] abgelichtet: Der Planetarische Nebel „Kronberger 61“ oder Kn 61 ist deswegen besonders interessant, weil er in jenem 105 Quadratgrad großen Himmelsfeld sitzt, das der planetenjagende Satellit Kepler ständig fotografiert. Die Entdeckung war den „Deep Sky Hunters“ gelungen, einer internationalen Gruppe von Amateurastronomen, die digitale Himmelsdurchmusterungen nach unbekannten Deep-Sky-Objekten durchforsten und immer wieder fündig werden (Kronberger et al., interstellarum Sonderheft 1/2011 „Entdeckungen“ 39-45): Planetarische Nebel sind abseits der Milchstraße, auf die sich die großen Suchprogramme beschränkten, noch etliche zu entdecken. Spektren mit mittelgroßen Profiteleskopen bestätigen dann die Natur der Funde als Planetarische Nebel, zuletzt wieder in 15 Fällen.

Darunter war auch Kn 61, dessen Zentralstern nun permanent von Kepler überwacht wird (wie auch die anderen 5 bisher in seinem Feld aufgespürten Planetarischen): Variiert seine Helligkeit? Und wenn ja, ist das ein Anzeichen für ein Doppelsystem (das durch einseitige Heizung durch den Begleiter, gegenseitige Bedeckungen oder die Gezeiten-Verformung eines Sterns durch den anderen für Veränderlichkeit sorgen kann)? Binärsysteme – oder auch Sterne mit großen Planeten – sind eine der Möglichkeiten, die oft stark symmetrischen Strukturen in Planetarischen Nebeln zu erklären, und womöglich sind sie sogar entscheidend, dass überhaupt ein Planetarischer Nebel entsteht, wenn ein massearmer Stern aufgegeben hat. Zur Statistik wird nun das halbe Dutzend Kepler-Planetarische beitragen, von denen es ohne den Einsatz der Amateure viel weniger geben würde.

Ist dies der Einschlagskrater vom Lunar Orbiter 2?

24. Juli 2011

Die Koordinaten des Orts, wo 1967 der Lunar Orbiter 2 auf den Mond schlug, sind nur ungefähr bekannt, denn es passierte – natürlich ohne Funkkontakt – auf der Mondrückseite. Aber genau am wahrscheinlichsten Ort ist die hochauflösende Kamera des Lunar Reconnaissance Orbiter auf diese kuriose Struktur gestoßen, die zu einem schrägen Impakt passt. Sie ist ein bisschen groß für so eine kleine Raumsonde, aber die schräge Beleuchtung kann eine Rolle spielen: Aufnahmen mit steilerer Sonne sind schon geplant, um den Krater genauer zu vermessen.

Fast das ganze Arktis-Eis wolkenlos sah der NASA-Satellit Terra am 11. Juli – da war natürlich, nur Wochen nach der Sommersonnenwende, auch die Beleuchtung besonders gut.

Ein Radarbild des chilenischen Vulkans Puyehue vom Satelliten TerraSAR-X vom 6. Juli; der große Ausbruch im Juni erfolgte 7 km weiter nordwestlich im Cordón Caulle-Gebiet, hier als gleichmäßige, hellblau gefärbte Fläche zu erkennen – und Satellitenradar war auch entscheidend gewesen, um den Ort schnell zu lokalisieren.

Weitere größere Artikel

22. Juli 2011

Vesta in Opposition – und Dawn schraubt sich näher (und hat am 18. Juli auch obiges Bild aus 10’500 km Distanz gemacht; inzwischen ist der Abstand nochmals halbiert worden).

Neues Galaxien-Schema löst Hubbles »Stimmgabel« ab! Nach 75 Jahren …

Wie Kometen im Anflug auf die Sonne untergehen: detaillierte Theorie – und ein ganz aktueller Fall.

(Riesige Staubwolken im Wind von Beteigeuze im IR abgebildet)

Gewaltiges Amateur-Fotomosaik des ganzen Himmels noch detailreicher als die beiden 2009-er.

Kürzere Artikel

(Neptuns Tageslänge neu vermessen – aber auch korrekt?)

(Vierter Plutomond entdeckt – aber winzig.)

Die Große Magellansche Wolke stahl der Kleinen Sterne und Gas, und dabei könnte auch 30 Dor entstanden sein.

Was der Shuttle konnte – und was kommen soll

22. Juli 2011

Eine Premiere, ausgerechnet beim allerletzten Flug eines Space Shuttle: Astronauten auf der ISS gelang es, den Eintritt der Atlantis in die Erdatmosphäre aufzunehmen (1.6 Sek. Belichtung bei ISO 10’000 [NACHTRAG: noch eine späte Erläuterung dazu]; mehr Bilder hier, dieses auch hier und hier)! Auch vom Erdboden war die Ionsisationsspur des Reentrys spektakulär zu sehen, wie das Video aus Cancun beweist. Dann war’s vorbei (die letzte Besatzung nach der Landung, alle 135 STS-Missionen in einem 8-Minuten-Video und die Atlantis wird abgeschleppt; Aufnahme eines DLR-Besuchers), und es stellen sich viele Fragen …

I. Haben sich die 30 Jahre Shuttle-Programm „gelohnt“?

Das kommt sehr auf die Perspektive an: Die Versprechungen von vor 40 Jahren von einem unglaublich preiswerten Transportsystem, das alles und jedes (und jeden) für wenige Mio.$ in den Orbit befördern könne, wurden dramatisch verfehlt, statt 10 Mio.$ kostete eine Mission etwa 1.5 Mrd.$ und das ganze Programm rund 200 Mrd.$ – wobei die Kostenüberschreitungen bei der Entwicklung sogar im bei Projekten dieser Größenordnung ‚üblichen‘ Rahmen blieben, die anschließenden Betriebskosten der Raumfähren aber alle Dimensionen sprengten. Allseits gelobt werden die Vielfalt der Missionen des Shuttles, die kein anderes Raumfahrzeug erreichte, und insbesondere seine maßgebliche Rolle beim Bau der ISS – (deren Wert freilich selbst wieder eine Frage des Blickwinkels ist): 24 große Bauteile mit zusammen 232 Tonnen Masse haben Shuttles in den Orbit gebracht.

Und 231 Tonnen Satelliten ausgesetzt, 77 große und 44 kleine, sowie 347 Astronauten aus 18 Nationen nach oben gebracht, die insgesamt 818-mal flogen (was man auch anders zählen mag). All das machte den Shuttle – ungeachtet seiner total missratenen Wirtschaftlichkeit – zu einem nicht nur in den USA weithin akzeptierten Symbol schlechthin für amerikanische Hochtechnologie, was sicher das verbreitete Wehklagen bei seinem Abtritt erklärt. Aber man muss auch sehen, dass von 1961 bis 1975 insgesamt 33 bemannte amerikanische Raumflüge starteten (zwei der X-15, die es 1963 über die 100-km-Marke schafften, inklusive), und alle kehrten heil zurück. Bei den 135 Shuttleflügen 1981-2011 war nur 133-mal der Fall … (AW&ST, Daily Mail 22., Guardian, BBC, DLF, Space.com 21., AW&ST 15., KosmoLogs 14., Village Voice 8., Technology Review 6., Space.com 5., New York Times 4., AW&ST, Reuters 1.7.2011)

II. Was wird jetzt aus der bemannten US-Raumfahrt?

Obwohl der neue Plan für die NASA seit 17 Monaten bekannt und in unzähligen Hearings, Ansprachen und Artikeln erklärt worden ist, wird er in der amerikanischen Öffentlichkeit mit zum Teil unfassbarer Ignoranz bedacht: Mit der Landung der Atlantis sei die bemannte Raumfahrt des Landes zuende, glauben viele, und man sei allenfalls noch zahlender Passagier bei den Russen. (Was übrigens ein gutes Geschäft wäre: Hätte man alle US-Astronauten, die in den letzten drei Jahren mit dem Shuttle zur ISS flogen, stattdessen in Soyuzze gesteckt, hätte das trotz der gestiegenen Ticketpreise nur ein Drittel gekostet. Und da künftig viel weniger Amerikaner fliegen werden, sind die Einsparungen gewaltig.) Dabei ist die Situation eigentlich sogar besser als zuvor: Erstmals haben die USA im Prinzip sogar zwei bemannte Raumfahrtprogramme, ein noch etwas vages staatliches mit der Raumkapsel MPCV und der Großrakete SLS für Ausflüge ins Planetensystem ab ca. 2025.

Und dieser Reise an Orte jenseits der Mondbahn – dass die erste zu einem Asteroiden geht, wird inzwischen bei jeder Gelegenheit beschworen – steht ein privates Programm für den Transport zur noch bis mindestens 2020 betriebenen ISS und ggf. auch anderen Zwecken wie Tourismus gegenüber. „I want to send American astronauts where we’ve never been before by focusing our resources on exploration and innovation,“ drückte das der NASA-Chef anlässlich der Atlantis-Landung aus, „while leveraging private sector support to take Americans to the International Space Station in low Earth orbit.“ Letzteres erregt nun doch vermehrt Aufsehen in den Mainstream-Medien, und mitunter ist schon von einem neuen ‚Wettlauf im All‘ die Rede, nun zwischen Space X, Orbital und Co. – der Markt reicht vermutlich nur für ein oder zwei Anbieter in diesem doch eher speziellen Sektor des Raumtransportwesens aus. (Space Politics, China Daily 22., BBC, New Space Journal, CSM, New Scientist Blog, CNN Video 21., Spaceflight Now 19., Universe Today 15., NY Daily News 8., New Scientist 6., Space Politics Online 1.7.2011)

III. Was ist eigentlich „bemannte“ Raumfahrt zu anderen Himmelskörpern?

Na, wir landen auf einem fremden Planeten oder Mond, stellen eine Fahne auf und sammeln Steine ein, würde man im ersten Moment sagen – aber das wäre so was von gestern. Denn am Ende müsste man dann wieder starten und sich aus dem mehr (Mars!) oder weniger (Kleinplanet) tiefen Gravitationspotenzial heraus kämpfen, was mit heutiger Technik einen Riesenaufwand darstellt. Deshalb könnte auf absehbare Zeit ein Kompromiss zwischen bemannter und unbemannter Raumfahrt der beste Weg sein: Astronauten nähern sich zwar dem Ziel, bleiben aber in gebührendem Abstand – und steuern Scharen von Robotern auf der Oberfläche, die keine Lebenserhaltung benötigen und vor allem nicht mehr am Ende ihres Einsatzes wieder zurück wollen.

Die Erfahrung zeigt, dass solche Telepräsenz vom menschlichen Gehirn praktisch als „dort sein“ interpretiert wird, wenn man das Ergebnis einer Handlung binnen einer halben Sekunde sieht: Daher wäre ein Abstand von bis zu 75’000 km leicht zu akzeptieren. Roboter auf der Mondoberfläche könnten also problemlos von Astronauten in einem der nur 40’000 km von ihm entfernten Lagrange-Punkte 1 oder 2 des Erde-Mond-Systems ferngesteuert werden, und viele für bemannte Landungen viel zu gefährliche Himmelskörper im Sonnensystem würden auf ähnliche Weise plötzlich „zugänglich“, in idealer Kombination von Mensch und Maschine. Der Blick in die Runde mit Rover-Augen wäre dabei auch nicht ‚künstlicher‘ als der aus einem sperrigen Raumanzug, und auch der Tastsinn lässt sich simulieren – Avatar lässt grüßen. (Lester, The Space Review 5.7.2011)

Die mit Befremden aufgenommene Vision Obamas vom April 2010 („Vager Zeitplan …“), in den 2030-ern Menschen zum Mars zu schicken, dann aber nicht zu landen, klingt plötzlich gar nicht mehr so seltsam – und wer weiß schon, wie ausgereift die Telepräsenz erst in 20 Jahren sein wird? (Als Bonus kann dann auch jeder auf der Erde mit einigen Minuten Verzögerung die „1. Marslandung“ auf seiner WiiiPlayBox zuhause nacherleben.) Bloss: Wird sich dieses Szenario der (amerikanischen) Öffentlichkeit und Politik schmackhaft machen lassen? Viele naiv-pompöse Kommentare angesichts des Endes des Shuttle-Programms – unzählige Artikel und Meinungen bis zum 21. Juli inklusive sind hier und auf den Folgeseiten verlinkt – mögen befürchten lassen, dass man sich in Zweifel doch nur eine Fahne-hoch-Salutieren-und-weg-Mission im Apollo-11-Stil vorstellen kann …

Galaktische Einsichten von Weltraumteleskopen

22. Juli 2011

IC 342 auf einer Aufnahme des Spitzer Space Telescope von 3.6 bis 8.0 µm Wellenlänge: Weil sich diese Galaxie in der Ebene unserer eigenen Milchstraße befindet, ist das Bild von allerlei ‚heimischen‘ Sternen überlagert, die in der Falschfarbendarstellung bläulich erscheinen.

Messier 101 aus Sicht des WISE-Satelliten bei 3.4 bis 22 µm: Mit fast 200’000 Lichtjahren Durchmesser ist diese ‚Grand Design‘-Spirale fast doppelt so groß wie die Milchstraße.

Ein winziger Teil der Andromedagalaxie auf einer HST-Aufnahme mit der ACS, die ihn in einzelne Sterne zerlegt (hier ein Sternstrom, Rest einer im Schwerefeld von M 31 zerrissenen Zwerggalaxie) und zugleich viele entfernte Galaxien im Hintergrund zeigt: Teil eines umfangreichen Projekts zur Charakterisierung der diversen Sternpopulationen von Messier 31.