Archive for Januar 2012

Spekulationen über das Versagen – und den endgültigen Verbleib – von Fobos-Grunt

31. Januar 2012

treiben auch zwei Wochen nach dem Wiedereintritt die Weltraumszene um: Zum einen gibt es jetzt einen offiziellen Untersuchungsbericht zum Ausfall der Marssonde schon kurz nach Erreichen der Parkbahn um die Erde Anfang November 2011, zum anderen angeblich präzise Koordinaten ihres Einschlags am 15. Januar 2012 – aber beidem fehlt die letzte Überzeugungskraft. Der Bericht zum Versagen der Sonde verweist immerhin Spekulationen über äußere Einflüsse – wie ein amerikanisches Radar – ebenso ins Reich der Fantasie wie Programmierfehler: Stattdessen werden einige Probleme benannt und der Ausfall im Wesentlichen der Wirkung Kosmischer Strahlung auf ungeeignete elektronische Bauteile – zwielichtige Billigimporte aus China womöglich – zu geschrieben, die wider besseres Wissen über solche Risiken verbaut worden seien. Nachdem sie der Strahlungsbelastung nicht standhielten, rebooteten dem Bericht zufolge zwei Bordcomputer von Fobos-Grunt und verblieben dann in einem Wartezustand, aus dem sie sich dann in den zwei dramatischen Monaten in der Parkbahn nicht mehr befreien ließen. [NACHTRAG: Zusammenfassungen des Berichts in Russisch und in Englisch vom 3. Februar.]

Und das Ende? USSTRATCOM hat zu guter Letzt doch noch einen genauen Zeitpunkt und Koordinaten – 18:46 MEZ ±1 Minute und 46°S 87°W – angegeben, was im Pazifik 930 km vor der südamerikanischen Küste und 1100 km vor der nächsten Landberührung auf der Bahn liegen würde. Diese Angaben – wenn sie wirklich so präzise sind, basieren sie wohl auf der direkten Beobachtung des Wiedereintritts durch einen Frühwarnsatelliten; offiziell wird das mal wieder nicht bestätigt – beziehen sich indes auf eine Höhe von 80 km: Diverse Orbitexperten gehen davon aus, dass bestimmte Trümmerteile (darunter die Probenkapsel) noch bis zu 820 km weiter entlang der Bahn nieder gegangen sein könnten. Und da Fobos-Grunt jede Minute 450 km zurück legte, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass etwas die Region Araucania in Chile erreichte. Berichte über derartige Beobachtungen – oder gar Funde – aus dieser dünn besiedelten Region gibt es allerdings weiter nicht, aber vielleicht lohnt ja tatsächlich die Suche. Voice of Russia, TASS, Novosti, Reuters, Universe Today, Spiegel 31., Jonathan’s Space Report, The Space Review 30., Txnologist 29., ESA Release, Universe Today 25.1.2011

Eine vermeintliche Enthüllung über das Ende des ROSAT geistert gleichzeitig durch die Medienwelt, aufgebracht von Spiegel Online und heute ohne Quellenangabe übernommen und weiter aufgepeppt von der britischen Daily Mail: Danach hätte der deutsche Horror-Satellit beinahe die chinesische Hauptstadt Beijing vernichtet (oder so ähnlich). Welche Neuigkeit: In der Reentry-Nacht hatten Weltraumfans rund um den Globus, darunter natürlich auch dieser Blogger, den letzten Orbit ROSATs per Simulation anhand der letzten Bahnelemente ‚live‘ verfolgt und natürlich registriert, dass der – virtuelle – Satellit (der da nach späteren Angaben schon in den Indischen Ozean gefallen war) über mehrere chinesische Großstädte hinweg zog.

Und der nächste Röntgensatellit kommt bestimmt: der RXTE

Wenn der gerade abgeschaltete Rossi X-ray Timing Explorer der NASA im Zeitraum – je nach künftiger Sonnenaktivität – 2014 bis 2023 unkontrolliert in die Erdatmosphäre eintritt, dann besteht ein ungewöhnlich großes Risiko für einen Personenschaden von 1:1000 (dass es irgendwen auf dem Planeten trifft): Das ist 10-mal größer als man heute für akzeptabel hält. Doch der Start des erfolgreichen Satelliten war im Dezember 1995 vier Monate erfolgt, bevor die NASA diesen Standard in Kraft setzte, so dass formell alles mit rechten Dingen zugegangen ist. In ein paar Jahren wird sich das Spektakel der unkontrollierten Rückkehr eines Röntgensatelliten also wiederholen: Dann ist die Zone zwischen 23° N & S betroffen. Satelliten mit einem RXTE-ähnlichen Schadensrisiko – das beim ROSAT 1:2000 und beim UARS 1:3200 betragen hatte – fallen übrigens alle paar Jahre vom Himmel, und passiert ist noch nie etwas: Auch 1:1000 ist halt eine ziemlich kleine Zahl.

IBEX & das Interstellare Medium: Andere Chemie

31. Januar 2012

als im Sonnensystem sieht der Interstellar Boundary Explorer bei seinem Blick aus der Heliosphäre hinaus mit seinen Kameras für energiereiche neutrale Atome: So lässt sich nun sagen, dass pro 20 Neonatome aus dem ISM 74 Sauerstoffatome ankommen, während es im Sonnensystem 111 wären. Entweder ist das Sonnensystem mithin in einer abnormen Umgebung entstanden – oder aber viel Sauerstoff seither aus dem interstellaren Gas in Staub- oder Eisteilchen entschwunden. Andere Erkenntnisse, die der dynamische IBEX-PI David McComas (oben) und drei Kollegen gerade auf einer NASA-PK [NACHTRAG: NASA-Fotos] präsentierten, umfassten die Erkenntnis, dass die meisten Neutralatome aus Richtung Libra anströmen (Karte Mitte) und nicht Scorpio – hier macht sich die Ablenkung durch die Sonnenschwerkraft bemerkbar. Und dass sich das Sonnensystem zur Zeit noch innerhalb der lokalen interstellaren Wolke befindet und nicht an deren Rand: Das folgt aus der Geschwindigkeit (23 km/s statt bisher angenommener 26 km/s) und Richtung der Teilchen (unten). Allerdings wird das Sonnensystem schon in wenigen 100 bis 1000 Jahren die lokale Wolke verlassen. Die Visuals der PK, Press Releases von IBEX, LANL, NASA (mehr), U NH und SwRI und ein 3-Minuten-Video

Series of solar flares excites high latitudes, leaves others in the dark

31. Januar 2012

Während die Folgen eines Flares vom 19. Januar immerhin bis zu Polarlicht im Norden der Britischen Inseln reichten, schaffte es ein – von wildem Medienecho begleiteter – Flare vom 23. Januar gerade einmal, die Aurora im üblichen Oval (wie hier in Nordschweden zu sehen) zu intensivieren, während weiter südlich vergeblich auf Polarlichter gewartet wurde. Viele Links dazu und zu anderen solar-terrestrischen Erkenntnissen (Kleine Eiszeit keine Folge des Maunder-Minimums!), zur heutigen Erdnähe von Eros, zu aktuellen Kometen (Garradd spektakulär bei M 92) und noch einigem mehr im neuen Cosmos 4 U!

Die große Eros-Parallaxen-Kampagne läuft!

28. Januar 2012

Die kritische Woche für die „Nachstellung“ bahnbrechender Messungen der Dimensionen des Sonnensystems aus den 1930-er Jahren (siehe ISAN 153-10) hat soeben begonnen: Vom 28. Januar und 3. Februar sind zu jeweils drei international koordinierten Uhrzeiten – in Europa: Punkt Mitternacht MEZ – Bilder von Eros & Sternen auf zu nehmen, die dann astrometrisch ausgewertet werden sollen. Auf exakt diese Weise wurde mit demselben Kleinplaneten vor 80 Jahren eine bessere Astronomische Einheit als zuvor mit den Venustransits erhalten, und das 2012 bietet die einmalige Chance, beide Methoden im selben Jahr nach zu stellen! Die weltweite Bewerbung der Idee wird hoffentlich zu genügend ‚erotischen‘ Daten führen: Hier gibt’s die beste Aufsuchkarte – und die Bilder dieses Bloggers hier und hier zeigen, dass man Eros mit seinen 8.5 mag. sogar mit stehender Kamera erwischen kann.

Christoph Gerber

Eine visuelle Lichtkurve von Eros aus einer (langen) Nacht – auch das kann man mit dem unförmigen Eros in Erdnähe anstellen! „Ausgerüstet mit einem 12×60-Fernglas konnte ich den Lichtwechsel gut verfolgen,“ berichtet Christoph Gerber aus dem Neckartal bei Heidelberg, „und zwar genau über die etwa 5:16 Stunden lange Rotationsperiode (00:25 – 05:55 MEZ). Ich habe alle halbe Stunde die Helligkeit geschätzt, wobei mir das Programm Stellarium (Version 0.10.2) von großer Hilfe für die Bestimmung der Helligkeit war. Da ich die visuellen Helligkeiten (V) anhand der dazugehörigen Farbhelligkeiten gemäß dem Johnson-Faktor auf ‚Augen-visuelle‘ Helligkeiten (v) korrigieren konnte, sind mir sehr einheitliche Schätzungen mit einer Genauigkeit von 0.05 mag. gelungen.

Das liegt mit daran, daß sich der Kleinplanet in der Mitte eines Sternfeldes mit sehr günstigen Vergleichsternen befand, was mir zwei oder sogar drei Schätzungen mit jeweils unterschiedlichen Sternen zu den einzelnen Zeitpunkten erlaubte. Die einzelnen Schätzungen erwiesen sich als sehr konsistent untereinander, mit einer maximalen Abweichungen von 0.05 mag! Die erhaltene Lichtkurve ist für eine visuelle Beobachtung daher ungewöhnlich glatt – ein bessers Ergebnis ist kaum zu erzielen. Die erwartete Doppelkurve mit zwei unterschiedlich hohen Maxima und Minima zeigte sich sehr schön. Die Gesamtamplitude in dieser Nacht betrug 0.55 mag. (7.95 – 8.50 m) – zwar deutlich unter der maximal möglichen von 1.5 mag, aber dennoch sehr auffällig und leicht zu verfolgen.“

ESA / MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA / UMSF

Diese Rosetta-Aufnahmen von Mars & Phobos sah die Welt fünf Jahre lang nicht: Nach dem Vorbeiflug der Kometensonde war nur wenig veröffentlicht worden – und erst kürzlich landeten die Bilder der OSIRIS-Kamera im öffentlichen Datenarchiv. Wo sie sogleich von Fans geborgen und ordentlich aufbereitet wurden, etwa ein Bild mit Phobos & seinem Schatten auf dem Mars, so dass nun sie endlich öffentlich bestaunt werden können: oben ein Gesamtmars und zwei Nah-Ausschnitte mit Phobos neben bzw. vor dem Planeten.

NASA/NOAA/GSFC/Suomi NPP/VIIRS/Norman Kuring

Eine Erde mit 8000 x 8000 Pixeln vom Satelliten Suomi NPP, wie der letzten Oktober gestartete US-Wettersatellit neuerdings heißt, kurz für „Suomi National Polar-orbiting Partnership“. Bei dem Bild vom 4. Januar herrscht Anklick-Pflicht („hi-res image“): Dann erscheint es in voller Pracht, als neueste „Blaue NASA-Murmel“. Der gute Eindruck täuscht übrigens ein wenig: In 4 der 22 Farbkanäle verringert ein schmutziger Spiegel die Empfindlichkeit der Kamera VIIRS – das soll sich aber kompensieren lassen.

Live-Blog zu Sonnenflare & CME vom 23. Januar

24. Januar 2012

Die Polarlichter ziehen es vor, im hohen Norden zu bleiben, wie hier auf einem Fischaugen-Webcam-Bild aus Tromsø (70°N) von vor einer Stunde – auch aus Trondheim (63°N) gab es noch nette Bilder, aber mit schon tiefer im Norden liegenden Vorhängen, während es z.B. aus Schottland bisher nur arg tiefer gelegte Aurora (auf 58°N) und aus Deutschland gar nur marginale fotografische Nachweise von Glühen direkt am Horizont gibt. Hat also der große ‚Sturm‘ – hier mal Flare & CME in Bewegung – bis auf verlegte Pol-Flugrouten (dito) wenig gebracht, außer dass man mal wieder über Flare-Klassen und Aurora-Mechanismen nachgedacht hat. Vielleicht kommt ja noch was: Wer mag, kann noch ’ne Weile das AKM-Polarlicht-Forum, das Webcam-Netz des IAP und weitere Cams oder diese und diese solare FB-Seite weiter im Blick behalten. [23:55 MEZ – Ende]

Noch nicht mal in Bergen (auf 60°N) ist etwas zu sehen

So ist es einem Kommentar zu dieser Statusmeldung in Sachen Sturm zu entnehmen – zwar liegt der Kp-Wert inzwischen bei 5, aber es gibt nach wie vor nur einen schwachen geomagnetischen Sturm der Kategorie G1 und keine erkennbaren Aussichten auf „Besserung“. Na, können sie in San Diego ja beruhigt sein – und in Deutschland warten sie weiter und glauben immerhin vage Anzeichen an der Ostsee gesehen bzw. fotografiert zu haben. [21:20 MEZ]

Noch tut sich nichts in mittleren nördlichen Breiten, wie auch diese für 21:05 MEZ modellierte Lage des Auroraovals oder dieser Stackplot norwegischer Magnetometer (mit bislang keinen nennenswerten Ausschlägen im Süden des Landes) zeigen. Was z.B. diese nordschwedische Kamera in den letzten Stunden sah, ist ‚das Übliche‘ für Orte nahe des normalen Auroraovals, wie auch die Aufnahmen dieses Bloggers vom letzten Jahr (ohne nennenswerte Sonnen-Action) verdeutlichen: Ein Bezug zum CME-Impakt wie hier oder hier hergestellt ist kaum gegeben. Weitere mehr oder weniger recherchierte Artikel ‚zur Lage‘ hier (erweitert aus diesem Text), hier, hier, hier und hier – und heutige Press Releases der ESA zur CME (da war sie übrigens längst angekommen – ’situational awareness‘?), der AGU zu Plasma im erdnahen Raum und des NRL zu einem Instrument für den Solar Orbiter. [20:50 MEZ]

Der stärkste solare Strahlungssturm seit Oktober 2003

findet im Augenblick statt, melden die US-Weltraumwetter-Wächter soeben: „After the arrival of the CME earlier today, the 10 MeV flux again increased and we were at around 6300 pfu. This is now the largest Solar Radiation Storm since October 2003.“ Gemeint sind energiereiche Protonen von der Sonne. „20 Personen gefällt das“ … [17:45 MEZ]

Ankunft des koronalen Massenauswurfs von gestern an der Erde, erkennbar im heftigen Ausschlag eines Magnetometers auf den Lofoten (Nordnorwegen) heute kurz nach 16:00 MEZ. Und nun? In Kürze wird es in Europa dunkel – und wenn der eigene Himmel nicht mitspielt, gibt es immer noch eine Menge empfindliche Webcams, z.B. hier, hier (DSLR = besonders hohe Bildqualität) oder hier. [17:25 MEZ]

Die CME hat die Erde erreicht – die Spannung steigt

In diesen Minuten tritt die Coronal Mass Ejection in Wechselwirkung mit der Erdmagnetosphäre, nachdem sie um 15:33 MEZ den Satelliten ACE – 1.5 Mio. km ‚vor‘ der Erde – passiert hatte. „Interplanetares Magnetfeld bei rund 50nT Gesamtstärke“, hieß es gerade in einem Rundschreiben von U. Rieth vom AKM, wo jetzt ein neuer Forums-Thread die weiteren Entwicklungen begleitet: „Das ist ein extremer Wert. Ausrichtung beim Schock noch nordwärts, aber bei der Heftigkeit des Sonnenwindes dürfte das egal sein. Ich rechne mit Polarlicht in ganz Deutschland heute Abend, sollten die Magnetfeldwerte in der Stärke so bleiben.“ Weitere Berichte hier und hier – und zur Einstimmung auf (hoffentlich) Kommendes noch mal das wohl beste Bild vom 22.1. mit mehr Details zu den Umständen sowie weitere Bilder aus der Serie. [16:40 MEZ]

Bringt dieser Flare Polarlichter für Mitteleuropa?

Am Morgen des 23. Januar (UTC) hat die Aktivitätsregion 1402 auf der Sonne einen starken Flare (Klasse M9) samt einem ziemlich erdwärts gerichtetem und über 2000 km/s schnellen koronalem Massenauswurf (CME) produziert, der bereits heute gegen 15:00 MEZ die Erde treffen dürfte – wo sich etwa beim AK Meteore seit dem Morgen helle Aufregung breit macht. Und das wiederum gilt Beobachtern als relativ verlässliches Indiz, dass etwas Großes bevorstehen könnte. Die amerikanischen Weltraum-Wetter-Wächter sprechen derzeit sicher von einem geomagnetischen Sturm der – moderaten – Stärke G2, vielleicht auch einem starken G3: Hier gibt’s alle Daten auf einen Blick. Schon seit etlichen Stunden tobt der stärkste Protonen-Sturm seit Mai 2005, der ungefähr jetzt sein Maximum erreicht haben dürfte – mit vereinzelten Auswirkungen auf den Flugverkehr. Ein paar Status- und Vorschau-Artikel hier, hier, hier und hier, auch zu den Folgen für die Raumfahrt. Bereits in der Nacht vom 22. zum 23. Januar hatte eine CME vom 19. Januar zu auffälligen Polarlichtern ab dem Norden der britischen Inseln geführt, etwa in Northumberland (55°N), Irland und Schottland (jeweils 56°N) – weitere Bildersammlungen hier, hier, hier und hier. Das, da sind sich alle Aurora-Kenner einig, sollte in den kommenden 24 Stunden noch zu toppen sein. [1:05 MEZ]

Schrödingers Heiner? Quantenkrimi „Reality XL“

23. Januar 2012

Hat dieser Blogger etwa ein neues Naturgesetz entdeckt? Je geringer das Budget eines Science-Fictions-Films, desto origineller die Umsetzung der Idee – und desto mehr wird der Zuschauer zu echtem Nachdenken angeregt. So war es zuletzt bei „Another Earth“ (USD 200’000) – und so ist es erst recht beim deutschen Indie-Mystery-Thriller „Reality XL“ (EUR 90’000), der seit dem 12. Januar mit nur rund 20 Kopien vergeblich nach Kino-Zuschauern sucht. Was ausgesprochen schade ist, denn auf diesem Niveau und mit einem so originellen Ansatz wurden in einem Spielfilm wohl noch nie grundlegende Fragen der Realität im Spiegel (nicht nur) der modernen Physik erörtert. Die Ausgangssituation sei gerade noch allen verraten: Ein Physiker des LHC wird verhört, weil er als einziger dessen Kontrollraum wieder verließ, den er doch zusammen mit 23 Kollegen betreten hatte. Wer den Film – der bald auf DVD erscheint – doch noch sehen will, sollte gar nicht mehr wissen (und keinesfalls das detaillierte Plot-Summary auf der Wikipedia-Seite lesen, was auch dieser Blogger zum Glück vermied), denn die kafkaeske Handlung – nur vier Personen und ein Schauplatz im Wesentlichen, kurioserweise der Fuß einer der Antennen der ehemaligen Erdfunkstelle Raisting – nimmt immer wieder neue Wendungen.

SPOILER AB HIER! So ist der – von Heiner Lauterbach ebenso brilliant wie unter Rückstellung seiner Gage gespielte – Physiker aufgrund von (leider nicht näher ausgeführten) Messungen bei LHC-Kollisionen zu dem Schluss gekommen, dass es eigentlich gar keine Materie gäbe und alles nur existiere, weil es sich jemand vorstelle und darob die Wellenfunktion kollabiere. In diesem Falle sorge halt er für die Entstehung der Realität – und weil seine Kollegen ihm da nicht folgen wollten, habe er sie kurzerhand ’nichtexistent‘ gemacht. Und als nächster ist dann wohl der nervende Staatsanwalt dran … oder ist etwa alles ganz anders? ENDE DER SPOILER! Wenn Sie nun glauben, das sei Lauterbachs erster Ausflug in die Science-Fiction gewesen, dann liegen Sie falsch: Der bekennende Weltraumfan spielte 1985 in der Fernsehproduktion „Das Gespinst“ einen Astronomen, und gedreht wurde damals u.a. im Radioteleskop Effelsberg. Den LHC selbst gibt es diesmal hingegen nie im Bild zu sehen, und bis auf einen einsamen Tweet scheint sich CERN auch nicht um den Film geschert zu haben; bei „Angels & Demons“ war das noch ganz anders gewesen. Wenn Sie den Beschleuniger auf der Leinwand sehen wollen, müssen Sie wohl in einen anderen aktuellen Film gehen, The Muppets nämlich – siehe 0:18-0:26 mit dem ATLAS-Detektor als Backdrop …

Himmlische Highlights des Jahres 2012

22. Januar 2012

23. Januar: Chinesisches Neujahr, es beginnt das Jahr des (Wasser-)Drachens 壬辰, das das des (Metall-)Hasen ablöst.

31. Januar: Asteroid Eros besonders erdnah, ideal für ein Parallaxen-Experiment.

Februar: Das ESA-Instrument MIRI für das James Webb Space Telescope wird abgeliefert (und NIRSpec im November).

9. Februar: Erster Start einer Vega-Rakete in Französisch-Guyana.

22. Februar: 1. Teststart der kommerziellen US-Rakete Antares, der ehemaligen Taurus 2.

Ende Februar bis Anfang März: Beste Abendsichtbarkeit des Planeten Merkur; größte Elongation am 5. März.

Anfang März: vermutlich größte Helligkeit von Komet Garradd (ca. 6 mag.), mit hoch nördlicher Deklination.

März: Die beiden GRAIL-Satelliten Ebb & Flow beginnen mit der Vermessung des Schwerefeldes des Mondes.

3. März: Planet Mars in Opposition, leider besonders weit weg (max. Scheibchen 14″).

9. März: Start des 3. Automated Transfer Vehicle (Andocken 19.3.).

13./14. März: Konjunktion von Venus und Jupiter am Abendhimmel in 3° Abstand (und am 25./26. März tritt die Mondsichel dazu).

14. März: Start des Röntgensatelliten NuSTAR der NASA auf einer Pegasus.

18. März: Ende der Primärmission des Merkur-Orbiters MESSENGER.

23. März: 100. Geburtstag von Wernher von Braun. Und wir singen alle mit

24. März: Astronomietag in Deutschland, Motto „Die Lange Nacht der Planeten“.

27. März: größte östliche Elongation der Venus (46°) während der Abendsichtbarkeit vor dem Transit im Juni.

Ende März: Erster Start einer Dragon-Kapsel zur ISS auf einer Falcon 9.

April: Downselection der 3 Kandidaten für die erste ESA-Forschungsmission der großen L-Klasse (und im späten Frühjahr auch der 3 Kandidaten für die nächste Discovery-Mission der NASA).

April: Start von Shenzhou-9 – bemannt – zur Proto-Raumstation Tiangong-1 (Shenzhou-10 dann im November).

15. April: Planet Saturn in Opposition mit +0.8 mag.

28. April: Erster Start einer Cygnus-Kapsel zur ISS auf einer Antares (formerly known as Taurus 2).

5. Mai: 28. ATT in Essen.

20./21. Mai (je nach Kontinent): Ringförmige Sonnenfinsternis in Ostasien und den USA!

5./6. Juni (je nach Weltregion): Venus-Durchgang vor der Sonnenscheibe!

10.-14. Juni: AAS-Tagung in Anchorage, Alaska – immer ein Newsmaker.

26. Juni: Start des 3. H-2 Transfer Vehicle zur ISS.

30. Juni: Nach längerer Zeit wird mal wieder eine Schaltsekunde eingefügt.

Juli Start des privaten Sonnenseglers LightSail-1 auf einem indischen PSLV?

Frühsommer: Erste Flüge des SpaceShipTwo mit eigenem Motor?

15. Juli: Der Mond bedeckt den Jupiter – sichtbar in Europa in der Morgendämmerung!

16. Juli: Start der drei Swarm-Satelliten der ESA zur Vermessung des Erdmagnetfeldes in Plesetsk auf einer Rockot.

27. Juli: Dawn verlässt den Kleinplaneten Vesta Richtung Zwergplanet Ceres.

5./6. August (abhängig von der Zeitzone): Landung des Mars Science Laboratory „Curiosity“ auf dem Mars!

12. August Mittags UTC: Maximum der Perseiden, diesmal nur durch eine abnehmende Mondsichel gestört.

14. August: Saturn, Mars und Spica bilden am Abendhimmel eine Linie.

15. August: Größte westliche Elongation der Venus (46°) in der Morgensichtbarkeit nach dem Transit.

24. August: Planet Neptun in Opposition mit 7.8 mag.

30. August: Start der zwei Radiation Belt Storm Probes (RBSP) für die NASA auf einer Atlas 5.

8. September: 7. AME in Schwenningen.

29. September: Planet Uranus in Opposition mit 5.7 mag. in den Fischen.

3. Oktober: Venus dicht bei Regulus, Abstand nur 0.2°.

27. Oktober: 31. BoHeTa in Bochum.

November: Tagung des ESA-Ministerrats in Italien (nach anderen Quellen erst im Dezember).

13. November: Totale Sonnenfinsternis in Australien und östlich davon!

27. November: Konjunktion Venus / Saturn, Abstand 1/2°.

1. Dezember: Start des Interface Region Imaging Spectrograph (IRIS) der NASA auf einer Pegasus XL, untersucht die Sonnenkorona.

3. Dezember: Planet Jupiter in Opposition mit -2.8 mag.

13./14. Dezember Mitternacht UTC: Maximum der Geminiden – bei Neumond!

21. Dezember: Kein Weltuntergang oder sonst irgendwas Besonderes.

Quellen (mit noch mehr, als in der Tabelle steht): Spaceflight Now Tracking Station, Overview of ESA Activities (auch in Deutsch verfügbar), NASA’s Consolidated Launch Schedule, Europas Visionen im Weltraum, Launches and Orbital Operations, Raumfahrt mit Vorsatz, The New Year in Space: NASA’s Missions and Events, Launch Calendar: The Year’s Space Mission Schedule, Die „Top 10“ des Raumfahrtjahres, Terminkalender Amateurastronomische Veranstaltungen, Das Jahr 2012: Eine astronomische Vorschau, How to See the Best Meteor Showers of the Year, Space Calendar, 12 Must-see Skywatching Events in 2012, Visibility of the planets from New Zealand, IMO Meteor Shower Calendar 2012, Lunar Occultations of Planets, Minor Planets and Bright Stars, Planetenbedeckungen durch den Mond, Occultations of stars by major and minor planets und PH’s Astro-Almanach.

Adler-Nebel mal ganz anders (und 12 Bilder mehr)

21. Januar 2012

Der Adler-Nebel im Infraroten bei 70 bis 250 µm Wellenlänge aufgenommen vom Herschel-Satelliten: Hier strahlt sein extrem kaltes Material (40 bis 10 Kelvin) von selbst – die berühmten ‚Pillars of Creation‘ inklusive.

Der Helix-Nebel im Infraroten, im Y-, J- und K-Band aufgenommen mit dem VISTA-Teleskop: Vor allem Gasfilamente, im Visuellen unsichtbar, treten bei diesen Wellenlängen hervor.

Ein Ausschnitt aus dem Omega-Nebel, gesehen vom VLT und seinem Instrument FORS2: Seeing von nur 0.45″ sorgte für das vielleicht schärfste Bild von Messier 17 aller Zeiten.

Die helle Balkenspiralgalaxie NGC 3259 auf einer Hubble-ACS-Aufnahme: auffällig der helle Kern und Knoten der Sternentstehung in den Spiralarmen.

Galaxien aus der Himmelsdurchmusterung „COMBO-17“ (Classifying Objects by Medium-Band Observations in 17 Filters), bei der mit dem 2.2-m-Teleskop auf La Silla kleine Himmelsfelder durch 17 verschiedene Farbfilter aufgenommen werden: Das liefert ein grobes Spektrum für jede Galaxie, aus dem die Rotverschiebung abgeschätzt werden kann – und mit der Kenntnis der Galaxienentfernung lassen sich wiederum Verzerrungen von Hintergrundgalaxien durch Weak Lensing (siehe ISAN 154-9) in ein dreidimensionales Bild einfügen und Dunkle Materie räumlich kartieren.

Frische Impressionen aus dem inneren Sonnensystem

Bunte ‚Gullies‘ in einem frischen Krater auf dem Mars, 2 km Durchmesser und weniger als 1 Mio. Jahre alt: Die Gullies erscheinen wohl so bunt (Farbsättigung künstlich erhöht), weil sich hier unterschiedliche Mineralien verraten und der Regolith noch nicht homogenisiert ist.

Kuriose Kraterketten auf dem Asteroiden Vesta, aufgenommen am 18. Dezember 2011 von Dawn aus dem Low Altitude Mapping Orbit.

Eine brandneue Insel auf unserem Planeten ist soeben aus dem Roten Meer aufgetaucht (links ein Terra-Bild vom 14. Januar, rechts der Google-Earth-Anblick): mehr zu ihrer Entstehung – und möglicherweise baldigem Untergang – hier, hier, hier, hier und hier!

Phytoplankton-„Blüte“ im Südatlantik, am 2. Dezember 2011 vom ESA-Satelliten Envisat aufgenommen

Blicke aus der – und auf die – Raumstation

Die Milchstraße – samt Komet Lovejoy – über Afrika aus der ISS am 29. Dezember 2011 gefilmt; die Zeitraffersequenz umfasst den Zeitraum 21:55 bis 22:14 MEZ.

Die ISS neben dem Mond, Teil einer ganzen Serie – wie’s genau gemacht wurde, wird hier erklärt (mit sehr kurzer Belichtungszeit).

Mondaufgang über der Erde von der ISS aus am 8. Januar.

Ankunft der jüngsten Soyuz an der ISS, von derselben aus gesehen, am 23. Dezember 2011 – einen Tag später sorgte dann die Oberstufe der Soyuz-Rakete für den ‚Weihnachtsstern‘ u.a. über Deutschland.

Decision on leap second postponed – world time & Earth rotation remain linked (for now)

20. Januar 2012

Viele Links zur gestrigen Nicht-Entscheidung der ITU, zur SN 2012A in NGC 3239, zu aktuellen Jupiter- und Mars-Bildern, zu zahlreichen tiefen Aufnahmen des extrem verblassten Schweifs von Komet Lovejoy und noch einigem mehr im neuen Cosmos 4 U!

Weitere größere Artikel

Erstaunliches Ringsystem eines geheimnisvollen Sternbegleiters, der ein Stern, Brauner Zwerg oder Riesenplanet sein kann.

Völlig leerer Überrest nach Typ-Ia-Supernova erlaubt nur Fusion Weißer Zwerge als Mechanismus.

Kürzere Artikel

Supernova 2012A auf etwa 13,m6 gestiegen, in NGC 3239.

Mehr Sterne als Planeten in der Milchstraße? Kühne Hochrechung aus drei – bekannten – Microlensing-Events.

Drei neue Karten der Dunklen Materie des Kosmos durch Weak Lensing erstellt.

Die Gesamtfarbe der Milchstraße ist … weiß, zeigt die Addition verwandter Galaxien aus der SDSS.

Deutschlands höchstdekorierter Astronom erneut ausgezeichnet – wieder R. Genzel und Sgr A* …

345. Cosmic Mirror abgeschlossen

GRAIL A und B im Mondorbit, jede Menge gute und schlechte Mars-Nachrichten (Curiosity, Fobos-Grunt, Opportunity, …) und tonnenweise Astrophysik im CM #345 vom 30.10.2011 bis 20.1.2012.

Live-Blog zum Wiedereintritt von Fobos-Grunt

13. Januar 2012

Eine ‚typische‘ (unabhängige) Abschätzung des Reentry-Zeitpunkts, von der Aerospace Corporation: 18:52 MEZ ±19 Min. – ein ‚amtliches‘ Schlusswort der internationalen Raumfahrtagenturen gibt es nicht.

Das wird wohl erst mal nix mit dem großen Durchblick

Die ESA hat heute die zunehmend lächerlich gewordene Ankündigung, „shortly“ würden Erkenntnisse zum Verbleib von Fobos-Grunt bekannt gegeben werden, von der Space Situational Awareness-Frontpage verschwinden lassen, und auf Anfrage hieß es lediglich: „We’re still waiting. As soon as I get anything, so will you!“ Also gelegentlich mal auf dieser Seite – wie auch bei SeeSat und dem entsprechenden NSF-Forum – vorbei schauen, ob sich noch was getan hat. Einziges Kuriosum heute war ein überraschender BBC-Radiobeitrag (gleich am Anfang der heutigen Sendung, die auch hier komplett herunter geladen werden kann), in dem ein Mitarbeiter glaubt, den Reentry in Australien selber gesehen zu haben – mehr als unwahrscheinlich, da der letzte Orbit deutlich östlich an Australien vorbei führte. Aber angesichts des Schweigens aller, die etwas wissen könnten, kann man inzwischen ungebremst alles und jedes behaupten … Ansonsten gingen in Russland die Spekulationen über die Ursache des Versagens der Sonde in der Parkbahn munter weiter, wobei der Verdacht zunehmend auf menschliches Versagen gelenkt wird (auch in China aufgegriffen) – zumal es in der russischen Raumfahrt insgesamt an Qualitätskontrolle mangelt. Der Schaden jetzt wird jedenfalls mit 5 Mrd. Rubeln = 123 Mio. Euro beziffert. [23:50 MEZ am 19. Januar – Ende]

Reentry + 3: Das war ein Tag zum Däumchendrehen …

… für alle, die auf neue Entwicklungen in Sachen Fobos-Grunts Verbleib warten. Das 2 1/2 Tage alte Versprechen der ESA, dass ein „update on Phobos-Grunt reentry from ESA’s Space Debris Office, including an analysis on the reentry time and location, will be available shortly“, ist wieder nicht eingelöst worden, denn das „ESA spacedebris team continues waiting for inputs“, welcher Art auch immer die jetzt noch sein mögen. Und das ansonsten in Sachen letzte Worte zu Wiedereintritten maßgebliche USSTRACOM benimmt sich immer sonderbarer und lässt Informationen verschwinden, statt sich um Transparenz zu bemühen. Derweil hat sich das in Russland gestreute Gerücht vom bösen US-Radar, das die arme Sonde in der Parkbahn ruiniert habe, um den Globus verbreitet – fundierte Gegendarstellungen wie z.B. auch hier, hier oder hier zu finden, dagegen leider weniger … [23:10 MEZ am 18. Januar]

Immer noch kein abschließendes Urteil zum Verbleib

von Fobos-Grunt haben die Raumfahrtagenturen der Welt, die am ESOC in Darmstadt um eine gemeinsame Analyse der – spärlichen und/oder widersprüchlichen – letzten Informationen zur Bahn des Satelliten ringen, auch mehr als zwei Tage danach gefunden: Auf dieser Webseite würde es erscheinen. Dass es überhaupt eine Unsicherheit gibt (siehe z.B. auch hier oder hier), ist inzwischen wenigstens ein paar Medien – etwa hier oder hier – aufgegangen. Aber die Fobos-Grunt-Debatte wurde heute eh‘ zunächst von der neuesten Verschwörungstheorie aus Russland dominiert, nach der ein US-Radar auf Kwajalein die Sonde gestört und ihre Fehlfunktion kurz nach Erreichen der Parkbahn ausgelöst habe (auch hier, hier oder hier erwähnt). Russische Experten halten das für Blödsinn, dito amerikanische, und in der Tat war der angeblich damals angepeilte Asteroid 2005 YU55 gar nicht über dem Horizont besagter Antenne, als es passiert sein soll. Vielmehr gibt jetzt Hinweise aus der Untersuchungs-Komission, dass in Wirklichkeit Programmier- und dann Kommando-Fehler zu dem Desaster geführt haben. [23:35 MEZ am 17. Januar]

Warum es immer noch keine klaren Erkenntnisse gibt

Eine seit Stunden angekündigte Erklärung des ESA Space Debris Office zu Absturzzeit und -ort von Fobos-Grunt lässt weiter auf sich warten, und eine Mitteilung von Roskosmos vor ein paar Stunden bleibt auch vage und spricht von einem Intervall von 18:40 bis 19:10 MEZ, in dem immerhin die „Militär“-Zeit von 18:45 MEZ liegen würde. Die Gründe für die Verwirrung – die schön dieser russische TV-Bericht von heute morgen (in Englisch) widerspiegelt – sind zum einen das Fehlen direkter Sensoren in der kritischen Region, was auch schon beim Ende des UARS ein Problem war, und zum anderen merkwürdige Trends der Bahnelemente kurz vor dem Ende: Entweder waren ausgerechnet die letzten schlecht, oder aber der Satellit hat sich gedreht, und der Luftwiderstand änderte sich deutlich. Vermutlich hängt das Zaudern der ESA mit demselben Problem – wie gewichte ich die einzelnen Elementsätze? – zusammen. Über eigene Erkenntnisse verfügt sie jedenfalls nicht, wie in diesem Artikel am Rande erwähnt wird. Ansonsten gab’s noch ein verrücktes Gerücht über einen Fobos-Fall in Australien, an dem aber sicher nichts dran war – und noch vereinzelte Artikel, die die Konfusion um den Absturzort zugeben, hier und hier und immer noch welche, die stur auf der allerersten Spekulation des russischen Militärs beharren, hier, hier und hier … [17:25 MEZ am 16. Januar]

5 Stunden danach: Offenbar rieten alle, die sprachen, nur

in Sachen Zeitpunkt und Ort des Wiedereintritts. Dieses Bild formt sich allmählich aus den Formulierungen, die da aus Russland gekommen: So hatte der Militärsprecher mit den – allzu kritiklos von vielen übernommenen – „18:45 MEZ“ nicht etwa gesagt, man habe den Absturz zu diesem Zeitpunkt beobachtet, vielmehr „sollte sich der Fall nach berechneten Daten [um diese Zeit] ereignet haben“, wie auch immer diese Berechnungen abliefen. Und die zuweilen zitierten „Ballistiker“ mit ihren 18:59 MEZ als bester Zeit hatten auch nichts anderes als mathematische Modelle, aber 1/4 Stunde macht eben schon eine Menge aus, was den Ort eines Reentry betrifft! Und wie man soeben hört, setzt sich die Erkenntnis, dass man gar nichts weiß, jetzt auch in den russischen Medien durch!

Die unschärfer gewordenen Aussagen des US-Militärs in Sachen Fobos-Grunt wiederum waren zumindest keine Überraschung, auch wenn der Grund der Formatsänderung nicht genannt wird; ob es intern wohl genauere Kenntnis über den Verbleib speziell dieses Satelliten gibt, darüber wird in der Szene derzeit angeregt wie faktenfrei diskutiert … Ansonsten noch auf Halde: Artikel zur Rolle von TIRA bei den Radarbeobachtungen, ein Nachruf auf LIFE der Planetary Society, verdient scharfe Kritik am absurden Umgang vieler Medien mit den Reentry-Prognosen (besonders krass an diesem und diesem russischen Beispiel aber auch bei vermeintlichen Fachpublikationen wie Aviation Week oder Space.com zu beobachten) und ein paar weitere Prä-Reentry-Artikel hier, hier oder hier. Und dieses Blog wurde lobend erwähnt sowohl von skeptischer wie nicht so skeptischer Seite … [23:59 MEZ am 15. Januar]

Keine Angaben zu Impaktzeitpunkt und -ort vom US-Militär

gibt es bislang, im Gegensatz zu den UARS-, ROSAT- oder auch Soyuz-Weihnachts-Oberstufen-Fällen: In der jüngsten Nachricht steht lediglich zu lesen, dass es im letzten prognostizierten Fenster passiert sei, das da 17:59 bis 18:47 MEZ gelautet hatte – die vom russischen Militär behauptete Zeit von 18:45 MEZ (bei der es sich laut Russen-Experte Jim Oberg freilich auch nur um „another self-serving ’safe in the Pacific‘ allegation aimed at Western anxieties“ handeln könnte …) läge noch haarscharf darin. Aus der diffusen Datenlage schließen Beobachter jedenfalls bereits, dass es wohl keine direkten Beobachtungen des Reentry welcher Art (und von wem) auch immer gäbe. Die hier näher ausgeführte alternative russische Analyse basiert jedenfalls sicher auch nur auf – womöglich nicht mal den aktuellsten – Bahnelementen. Vielleicht kommt ja noch was Genaueres von USSTRATCOM – oder auch eine offiziell(er)e Stellungnahme aus Russland, wo man eventuell genauere Daten zum Verhalten des eigenen Satelliten hat. Roskosmos hat jedenfalls seit der letzten Nachricht vor dem Reentry (siehe 18:25 MEZ) nichts mehr gesagt und verbreitet sich stattdessen über die ISS. Die ist wenigstens noch oben … [22:15 MEZ]

Wunderbar: Komplette Konfusion in Russland ausgebrochen

Inzwischen hat sich Novosti eine zweite Meinung eingeholt (in Englisch und Deutsch scheint’s nur die alte Fassung zu geben) – und diese „Quelle aus der russischen Industrie“ sieht den Impakt von Fobos-Grund nicht weit der chilenischen sondern vielmehr vor der brasilianischen Küste im Atlantik. Oder womöglich in Brasilien, wie sich aus den Koordinaten ergeben würde? Eine Karte hier (Webseite könnte bald wieder revidiert werden …) gibt jedenfalls einen Punkt mitten auf dem Kontinent an. Und – for what it’s worth – die letzte Berechnung von H. Zimmer aufgrund der Bahnelemente spricht auch für einen späteren Reentry über NO-Brasilien … [20:15 MEZ]

Angeblicher Absturz von Fobos-Grunt um 18:45 MEZ – eine echte Beobachtung nur nur eine (Post-)Prognose?

Die plötzliche Behauptung russischer Militärs, der Satellit sei bereits vor dem Beginn des letzten von Roskosmos berechneten Reentry-Fensters vor der chilenischen Küste in den Pazifik gefallen, die jetzt überall verbreitet wird, beantwortet die entscheidende Frage nicht: Hat man tatsächlich Beobachtungen, die darauf hinweisen – oder handelt es sich vielmehr um eine weitere Prognose aufgrund allerletzter Bahnbeobachtungen (u.U. deutlich) früher? Schon bei den Reentries von UARS und ROSAT wurde offiziell nie verraten, worauf die finale Angabe des Absturzortes basierte – man wird sehen, ob sich just in Russland entsprechende Glasnost einstellen wird … [19:25, ergänzt 19:40 MEZ]

Wir sind in der Mitte des „russischen Fensters“, das Roskmosmos nicht mehr aktualisiert hat: Berichte über einen Reentry über Südamerika gibt es bisher nicht. Kurioserweise lag die letzte Prognose von USSTRATCOM bereits knapp vor dem Russen-Fenster, wonach Fobos-Grunt bereits im Pazifik liegen müsste – und dieser Meinung hat sich Russland in dem letzten Minuten angeblich angeschlossen, aufgrund welcher Einsichten auch immer. Die übliche Konfusion also … [19:08 MEZ]

Zwischen 18:50 & 19:34 MEZ, glaubt Roskosmos, passiert’s

Zu guter Letzt scheint’s die zeitnächsten Infos zum unmittelbar bevorstehenden Ende von Fobos-Grund doch noch vom ‚Verursacher‘ zu geben, in einer Flut russischsprachiger Pressemitteilungen, die dankenswerterweise von der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft per Twitter ausgewertet werden: Hier sind die letzte Mitteilung (samt einer neuen Karte mit wiederum geschrumpfter Zone) und der entsprechende Tweet, während’s bei Anatoly Zak das Ganze auf Englisch zusammengefasst gibt. [18:25 MEZ]

Roskosmos hat sich offenbar auf diese Reentry-Zone ‚festgelegt‘ und erwartet das Ende in den nächsten 2 Stunden, wie dieser gerade publizierten Karte zu entnehmen ist: Südamerika, ein bisschen Südeuropa und viel Asien wären demnach ‚in der Zone‘. [17:55, präzisiert 18:15 MEZ]

Das Ende ist nahe: nur noch 1-2 Stunden bis zum Crash?

Bis auf unter eine Stunde sind die angegebenen Fehlergrenzen der heutigen Prognosen aus diversen Quellen – Tabellen hier und hier – bereits geschrumpft, und sie konzentrieren sich auf den Zeitraum 18:30 MEZ ±1.5 Stunden: Diese Grafik hebt den entsprechenden Groundtrack von Fobos-Grunt hervor. Wo der Satellit gerade ist – berechnet aus den letzten bekannten Bahnelementen, nicht Beobachtungen in Echtzeit – wird hier live dargestellt. Vielleicht Zeit, sich mit diesem Artikel zu beschäftigen: Halten Sie Ihre Haustiere fest … [17:20 MEZ]

Die ‚gemeinsame‘ Prognose hat sich den ganzen Samstag nicht verändert, nur der angegebene Unsicherheitsbereich für den Absturzzeitpunkt – zentriert auf heute 18:15-19:45 MEZ, mit wenigen Ausreißern mit späteren Zentralzeiten – ist auf wenige Stunden geschrumpft: Aktuelle Tabellen gibt es hier und hier. Neben Roskosmos-eigenen Zahlen – die in obiger Grafik umgesetzt sind – ist auch eine Prognose der internationalen AG bei der ESA aufgetaucht, die ebenfalls in den ‚populären‘ Bereich fällt. Aussagen über das Einschlagsgebiet (wie sie leider weiter durch die Medien geistern) sind natürlich weiterhin unseriös: Das wird sich erst heute Nachmittag allmählich ändern! [0:50 MEZ]

Prognosen bleiben durchweg auf Sonntagabend zentriert

Während sich die eigentlich für die Koordination des Reentry zuständige ESA (siehe 13. Januar, 0:01 MEZ) noch gar nicht wieder zu Wort gemeldet hat, gibt es eine neue Prognose von USSTRATCOM, die da 15. Januar, 18:34 MEZ ±9.5 Stunden lautet. (Neuerdings wird das übrigens als Intervall ohne Nennung der Zentralzeit und -koordinaten angegeben, da dies in den Medien grundsätzlich missverstanden zu werden scheint, also 9:04 bis 4:04 am 16.) Dies deckt sich mit den bereits erwähnten zahlreichen unabhängigen Berechnungen im Verlaufe des 13. Januar, die von 17:19 MEZ ±9 Stunden bis 18:52 MEZ ±14 Stunden reichen, letzteres die Analyse von Aerospace. Um unzählige Standardabweichungen vom Feld ab weicht einzig CelesTrack, wo man den Absturz erst am Morgen des 17.(!) Januar erwartet: Diese Webseite wird automatisch generiert, und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Software ein wenig davon gelaufen ist (CelesTrack war zu keiner weiteren Stellungnahme bereit). Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der Reentry also zwischen den Vormittagen des 15. und 16. Januar stattfinden, d.h. auf irgendeinem dieser Tracks. Weitere allgemeine Artikel – ohne weitere konkrete Zahlen – noch hier, hier und hier. [0:10 MEZ am 14. Januar]

Robert Christy, www.zarya.info

Wenn Fobos-Grunt am 15. Januar um 18:30 MEZ ±1.5 Stunden fällt (und die meisten Analysten konzentrieren sich hier ± einige Stunden [Erläuterung], von Außenseitern abgesehen), dann wäre dies der Streifen, in dem es passieren könnte (blau = Bahn in der Nacht; Quelle durch Anklicken). Dies kann man als wahrscheinlich aber keineswegs garantiert betrachten: Leichte Veränderungen der Erdatmosphäre und/oder Fluglage des Satelliten können durchaus noch zu einem früheren oder späteren Crash führen. Auch ein Vor-Nachruf auf das LIFE-Experiment an Bord (mehr), ein BBC-Video, ein alter Space Review-Artikel zur Rechtslage – und The Colbert Report zum Reentry … [20:35 MEZ am 13. Januar]

Bodenlose Inkompetenz in Sachen Satelliten-Reentries

offenbaren kurz vor dem Ende von Fobos-Grunt mal wieder die Medien der Welt (und offenbar auch einige „Experten“ der russischen Weltraumbehörde): nichts gelernt aus den Erfahrungen mit UARS und ROSAT vor wenigen Monaten – oder in über 50 Jahren Raumfahrtgeschichte darüber, wie schnell sich ein Satellit im LEO bewegt. Wenn die Vorraussagen für den Zeitpunkt des Absturzes noch um viele Stunden ungenau sind, dann kann der Ort irgendwo auf dem Planeten sein, entlang zwar eines schmalen Bandes, das sich aber immer noch mehrfach um den Globus wickelt. Die Angabe von Koordinaten oder auch nur konkreten Kontinenten oder Ozeanen zwei Tage vor einem Reentry ist einfach Blödsinn – so wie etwa in diesem völlig verwirrten AFP-Artikel oder dieser kühnen Tagesschau-Story, die konkret Argentinien auf’s Korn nimmt [NACHTRAG: Auch der DLF fiel auf diesen Unfug rein]. Umgekehrt bleibt die britische Weltraumagentur in dieser Mitteilung unnötig vage: Die meisten Bahnanalytiker haben sich heute auf den Nachmittag oder Abend des 15. Januar „geeinigt“ (Erläuterungen), wobei die allerneueste Prognose von Harro Zimmer – in dieser Tabelle schon drin – übrigens 18:05 MEZ ±3 Stunden lautet. Andere aktuelle Artikel – ohne nennenswerte Neuigkeiten, woher auch – hat’s derweil hier, hier, hier, hier, hier und hier. [18:05 MEZ]

Absturz am Sonntag oder Montag (15. oder 16. Januar)

Der Trend der Prognosen für den Zeitpunkt des unvermeidlichen Reentry von Fobos-Grunt – hier ein Radarbild der TIRA-Antenmne bei Bonn – verläuft bereits seit ungefähr Weihnachten fast horizontal und deutet auf Mitte Januar hin; seither sind nur die Fehlerbalken langsam kleiner geworden. Je nach Gefühl oder auch aus politischen Gründen werden diese von verschiedenen Bahnrechnern nach wie vor unterschiedlich groß angegeben. Am weitesten vor wagte sich in den letzten Stunden Harro Zimmer mit dem 15. Januar 13:00 MEZ ±3 Stunden als Termin des Crashs. Ebenfalls wenige Stunden alt sind eine Analyse von CelesTrack, die auf den 15. Januar 23:51 MEZ kommt, ±~20 Stunden, und der neueste „TIP“ von USSTRATCOM mit dem 15. Januar 18:09 MEZ ±14.5 Stunden. Die Bahnverfolger von Fraunhofer (u.a. Betreiber von TIRA) hatten früher am 12. Januar auf den 16. Januar 1:00 MEZ ±15 Stunden und die Experten von Aerospace auf den 15. Januar 18:57 MEZ ±20 Stunden getippt und Ted Molczan einen Tag zuvor auf den 16. Januar 19:00 MEZ ±29 Stunden (während man da in Russland nicht genauer als „14. bis 16. Januar“ werden wollte, konkret 15. Januar 10:18 MEZ ±36 Stunden).

Da bleibt also immer noch eine Menge Spielraum, und der Einschlagsbereich auf der Erde kann in keinster Weise jetzt schon abgeschätzt werden: Die Absurdität dieses Artikels aus Russland erschließt sich von selbst. Interessanterweise hat der Fobos-Grunt-Besitzer Roskosmos die Koordination des Reentry an die ESA übertragen: Beim ESOC in Darmstadt sollen aus der Radarüberwachung der Flugbahn durch das amerikanische und russische Militär sowie durch TIRA und eine französische Radaranlage die letzten Orbits und die Absturzprognose errechnet werden; wie man es schon von den Reentries von UARS und ROSAT kennt, wird es erst wenige Stunden vor dem Ende möglich sein, Entwarnungen bzw. Warnungen für bestimmte Gebiete zu geben. (Vielleicht haben ja Amateurbeobachter Glück, die letzten Orbits visuell zu verfolgen, was die unabhängigen Analysen – die sonst wieder nur von den offiziellen Radar-Bahnelementen abhängen – verbessern könnte.) Man geht inzwischen allgemein davon aus, dass die ~11 Tonnen Hydrazin-Treibstoff bereits in großer Höhe verbrennen werden, nachdem die relativ zerbrechlichen Tanks schnell platzen sollten, und dass danach Fobos-Grunt wegen seiner vergleichsweise geringen Trockenmasse von 2.5 Tonnen keine größere Gefahr mehr darstellt. [0:01 MEZ]