Nein, die NASA hat, leider, keine zwei neuen Hubble Space Telescopes von der National Reconnaissance Organization geschenkt bekommen: „nur“ zwei 2.4-Meter-Weltraumteleskope, immerhin weltraumqualifiziert, die seit Jahren in einem Cleanroom in Rochester, New York, sitzen – ohne Satellit dazu, ohne wissenschaftliche Instrumente und ohne Rakete. Und ein Budget, um daraus auch nur ein Orbitalobservatorium zu machen, geschweige denn zwei, hat die NASA leider auch nicht, dafür aber Ideen satt, was man mit dem Geschenk anfangen könnte: das Projekt WFIRST retten und sogar noch zu übertreffen nämlich. Wahrscheinlich handelt es sich bei den beiden Teleskopen um Hinterlassenschaften des Aufklärungssatelliten-Programms FIA („Future Imagery Architecture“), das 2005 abgebrochen worden war, nachdem es Boeing – die den Auftrag überraschenderweise gegen den Platzhirsch LockMart gewonnen hatten – massiv an die Wand gefahren hatte. Mit den Hubble fast baugleichen und besonders geheimnisumwitterten KH-11-Fotosatelliten haben die Optiken (im Gegensatz zu ersten Spekulationen) hingegen offenbar nichts zu tun. Die Fakten, so weit bisher offiziell bekannt:
- Die beiden Optical Telescope Assemblies haben 2.4 m Durchmesser und sind mit einem Öffnungsverhältnis von 1:1.2 viel „schneller“ als Hubbles OTAs, damit auch viel kürzer – und das nutzbare Bildfeld ist schätzungsweise 100-mal größer.
- Die OTAs wurden Ende der 1990-er und Anfang der 2000-er Jahre von der Firma hergestellt, bei der sie jetzt eingelagert sind (das passt zu der FIA-Spekulation). Die Bauweise ist besonders leicht, die Technologie derjenigen der HST-Optik überlegen, aber natürlich auch nicht mehr State-of-the-Art. Einige geheimnisvolle Teile wurden vor der Übergabe an die NASA entfernt, trotzdem dürfen keine Fotos veröffentlicht werden. (Dem Vernehmen nach sehen die in Schutzfolie eingepackten Optiken eh nach nichts aus.)
- Die Aufbewahrung im Cleanroom kostet 75’000 bis 100’000 Dollar im Jahr: Außer dafür – und für moderate Studien, was man mit den OTAs anfangen kann – hat die NASA derzeit keinerlei Budget.
- Die Optiken wären ziemlich gut für das wegen der JWST-Krise de facto auf Eis liegende aber von der US-Astronomie als Priorität geforderte Infrarot-Weltraumteleskop WFIRST (siehe ISAN 117-5) geeignet: Das wird durch seine – viele Felder überdeckenden – wissenschaftlichen Ziele definiert, nicht die derzeit vorgesehene 1.5-m-Optik (die nach neuster Planung auf 1.1 m schrumpfen sollte).
- In der gegenwärtigen Budgetsituation könnte ein WFIRST-artiger Satellit mit einer der NRO-OTAs kaum vor 2024 starten, mit einer großen – und sehr unwahrscheinlichen – Finanzspritze rein technisch gesehen aber schon Ende dieses Jahrzehnts.
- Der Wert der OTAs aus NASA-Sicht liegt bei gut 250 Mio.$, und die – hervorragenden und getesteten – Optiken in der Hand sparen eine Menge Zeit und Entwicklungsrisiko, das bei Weltraumteleskopen v.a. deren optische Systeme betrifft. Der komplette Satellit könnte für 1 Mrd.$ zu machen sein, aber es ist nicht sicher, dass er preiswerter als WFIRST nach jetziger Planung (1.6 Mrd.$) würde. Insbesondere dürfte eine größere Rakete nötig sein, aber da helfen vielleicht die Falcon 9 oder ein Mitflug auf einem SLS bei dessen Testflügen weiter.
- Was schließlich die wissenschaftlichen Instrumente betrifft, so bliebe eine IR-Kamera mit extrem vielen Pixeln zentral, für eine noch nie da gewesene Himmelsdurchmusterung für zahlreiche Communities; dazu kämen noch 1 bis 3 weitere Instrumente mit kleineren Gesichtsfeldern. Und die zweite NRO-OTA? Die bleibt wohl noch viel länger eingelagert …
22. Juni 2012 um 00:03 |
[…] im Universum entscheidend mitgewirkt haben. Ähnlich liegt auch die Aufgabenstellung der NASA-Vision WFIRST, die aber auch über Ia-Supernovae Dunkel-Energie-Vermessung betreiben soll: Das wäre vielleicht […]
31. Januar 2013 um 22:13 |
[…] Februar auf einem NASA-Workshop beraten wird, was mit den 2011 überraschend den Zivil-Astronomen geschenkten zwei 2.4-m-Weltraumteleskopen (auch ISAN 165-3) geschehen soll, darf die Öffentlichkeit per Webcast zuschauen – was aber […]
1. Juni 2013 um 02:14 |
[…] wie es um Keplers Planeten-Kandidaten steht, die bevorstehende NASA-Entscheidung, ob einer der geschenkten NRO-Prä-Satelliten WFIRST werden soll, und der – weiterhin gute – Zustand Hubbles vier Jahre nach dem […]
17. Juni 2013 um 22:26 |
[…] vorgesehenen von 1.1 bis 1.3 m liefert diese Studie, die sich für die Verwendung einer der überraschend geschenkten Optiken für das nächste große US-Weltraumteleskop nach dem JWST stark macht. Die größere Lichtmenge […]
29. März 2014 um 03:10 |
[…] wenn das Projekt erst 2017 beginnen würde: Bereits jetzt laufen Vorarbeitungen, um eins der beiden überraschend aufgetauchten 2.4-m-Weltraumteleskope für die Astronomie zu nutzen. WFIRST-AFTA heißt der Plan derzeit, aber für den Fall, dass er […]
29. März 2014 um 12:05 |
Also ich würde das Ding auch nehmen. F/1.2 kann man immer gebrauchen…
18. Februar 2016 um 20:59 |
[…] dem Beginn der Phase A für das Weitwinkel-Weltraumteleskop auf der Basis geschenkter Optik eines eingestellten Geheimprojekts ist das Projekt realer geworden: weitere Press Releases hier, hier und hier und ein Video. Auch der […]