„Jenseits des Horizonts“: neue Ausstellung zu Raum und Wissen in Berlin bietet auch viel für Freunde der Astronomie-Geschichte

„Eine etwas andere Ausstellung“, eine „intellektuelle Schatzreise“, eine „Konzept-Ausstellung“, die „etwas ganz Neues“ schafft und „Narrativen erarbeitet“, dabei spielend Grenzen von Kulturräumen überschreitet und „diachron“ auch Zeiträume: Die beiden Sprecher des Exzellenzclusters Topoi zur „Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“, Michael Meyer (oben) und Gerd Graßhoff (Mitte), und der Direktor des Museums für Islamische Kunst im Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel machten heute morgen auf einer Pressekonferenz im Mschatta-Saal desselben (unten) dem reichlich vertreteten Publikum den Mund wässrig. Wenige Stunden waren es noch bis zur Eröffnung von Jenseits des Horizonts – Raum und Wissen in den Kulturen der Alten Welt, die leider nur drei Monate lang vom 22. Juni bis 30. September im Nordflügel des 1. OG des Pergamonmuseums gezeigt werden kann (der danach umfassend saniert wird), und wie üblich wurde noch kräftig an Beleuchtung und Beschriftungen gewerkelt.

Der große Plan der beiden Kuratorinnen der Ausstellung, Gabriele Pieke und Astrid Dostert (hier mit einem Radio-Mann) und die mehr als 400 Exponate – viele Originale aus Berliner Museen (eine „exorbitante Luxussituation“ für die Ausstellungsmacher, so Meyer), ein paar Leihgaben und auch mache Kopie – erschlossen sich auch da schon. In 16 Sälen, die der Reihe nach durchschritten werden sollen (am besten „laut schwätzend“ mit anderen Besuchern, wie Graßhoff empfahl) werden Teilergebnisse des Exzellenzclusters, dessen 2. Phase gerade bewilligt wurde, nach Themen – und eben nicht nach Kulturräumen oder Epochen – sortiert dargestellt. Mal aufwändig multimedial, mal clever-banal (die Erfindung der Zahl anhand von Pappschafen!), meist visuell aber zuweilen auch akustisch – und an einer Stelle soll der Besucher gar selbst in die Saiten (einer nachgebauten antiken Harfe) greifen. In der Tat eine Fundgrube, von den großen Fragen des Raum-Verstehens bis zur Verfluchung des Nachbarn mit kleinen griechischen Täfelchen. Und zwischendrin immer wieder Astronomie-Geschichte (der sich auch begleitende Vorträge am 5. und 27. Juli widmen), ein paar Beispiele hier – dem Ausstellungskonzept frech zuwider laufend – chronologisch umsortiert:

Demonstration der Peilfunktionen in der jungsteinzeitlichen Kreisgrabenanlage im bayerischen Ippesheim, ca. 4800 v.u.Z.

Standfigur des Tschaitschai, Ägypten, 2323-2319 v.u.Z., aus Grauwacke und Kalkstein – die Instrumententasche am Gürtel mit dem Leopardenkopf weist den Träger als Astronomen aus.

Sternenliste aus Uruk (Irak), 320-150 v.u.Z., aus Ton: Genannt werden jeweils das Sternbild, die Zahl der Sterne und der Abstand von der nächsten Konstellation.

Fragment eines vermutlich römischen Himmelsglobus, 1. Jh. u.Z.: Cas, Cyg, Lyr und ein Stück Her sind erhalten. Die Sternbilder waren farblich eingelegt und möglicherweise auch die Milchstraße im Schwan angedeutet.

Blick in den astronomischsten Saal der Ausstellung, mit dem Globusfragment ganz rechts, einer Rekonstruktion des Globus in der Mitte und einer Kopie des Himmelsglobus von Farnese links.

Gipsabguss des Löwenhoroskops von Nemrud Dagh, Türkei, Mitte 1. Jh. v.u.Z. (die Mond/Planeten-Konstellation verweist auf den 7.7.62 BCE) – damit verwies Antiochos I. von Kommagene auf seinem Grabheiligtum auf seinen göttergleichen Status.

Fragment einer ungewöhnlich großen Sonnenuhr mit Weihinschrift, Milet (Türkei), 2. Jh. u.Z., aus Marmor.

Blick von einer Brüstung in den Kopfsaal der Ausstellung: Während in einer 19 Meter breiten Videoprojektion mit drei Beamern die Erde aus der Perspektive einer Raumstation umkreist wird, breiten sich unten Erdkarten aus unterschiedlichen Epochen aus.

Lateinische Handschrift mit geozentrischer Karte unseres Sonnensystems; 2. Hälfte 14. Jh., Pergament. NACHTRAG: noch ein längerer Bericht erschienen. NACHTRAG 2: und noch ein kürzerer – sonst war bisher im Web nichts weiter an Echos zu finden. NACHTRAG 2: da, ein ultra-kurzer Videoclip! NACHTRAG 3: schon wieder der Tagesspiegel – diesmal auch ein bisschen kritisch.

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3 Antworten to “„Jenseits des Horizonts“: neue Ausstellung zu Raum und Wissen in Berlin bietet auch viel für Freunde der Astronomie-Geschichte”

  1. Ein KBA-ler auf Berlin-Besuch – und ein Tipp für die nächsten drei Monate! « Bonner Sterne Says:

    […] der Wilhelm-Foerster-Sternwarte nach Berlin gereist, konnte dieser Blogger heute morgen noch an der Pressekonferenz zu und Vorbesichtigung einer neuen Ausstellung im Pergamonmuseum teilnehmen, die vom 22. Juni bis 30. September besichtigt werden kann – und […]

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