Archive for Juli 2012

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

30. Juli 2012

Die Apollo-Flaggen sind noch da – und der LRO sieht sie aus dem Orbit, wie jetzt veröffentlichte Bilder der Landestellen von Apollo 12 (Video mit Tagesgang des Lichts), Apollo 16 und Apollo 17 (dank idealer Beleuchtung das kontrastreichste Bild bisher) zeigen: Bis auf die von Apollo 11, die beim Rückstart umgeblasen wurde, stehen sie auch noch alle aufrecht. (Artikel auch hier, hier und hier.)


Житель космодрома „Байконур“ (ein Bewohner des Kosmodroms Baikonur): ein Kult-Video aus dem kasachischen Weltraumbahnhof, von dem es auch die Langfassung Суслик на старте (Ziesel beim Start) gibt … Ebenfalls ungewöhnliche Baikonur-Ansichten bieten auch dieses und dieses 360°-Panorama zum drin Herumschwenken. Und in Sachen Raumfahrt wäre noch anzumerken, dass je ein HTV & ein Progress andockten, letzteres nach einigen Schwierigkeiten, dass das AMS bereits 20 Mrd. Partikel der Kosmischen Strahlung gemessen hat (aber weiter nicht verraten wird, ob da was Relevantes dabei war) – und dass das SLS seine Design Review passiert hat und weiterhin 2017 zum 1. Mal starten soll.

Ein Kepler-Resultat mal ganz anders präsentiert: die Bahnen der Planeten von Kepler-11 (Items 4 & 6) sonifiziert. Unterdessen ist der von der NASA ausgemusterte UV-Satellit GALEX ans Caltech „ausgeliehen“ worden (mehr, mehr), hat der Kosmologiesatellit WMAP einen Zitat-Rekord aufgestellt und NuSTAR seine Post-Launch Assessment Review passiert, so dass im August die eigentliche Wissenschaftsphase des neuen Röntgensatelliten beginnen kann.

Ein Werbefilm für das Wissenschaftsdirektorat der NASA in Superbreitwand-Format produziert für speziellen Einsatz auf Messen etc. Unterdessen naht die Entscheidung über die nächste Discovery-Mission der NASA unter den drei Finalisten – wie mutig wird man wohl diesmal sein: Geht es zu einem Kometen, gar zum Titan – oder mal wieder zum Mars? Die nächste Discovery-Auswahl wird es erst in fünf Jahren geben.

Ecuadors erster Satellit soll auch nach Asteroiden suchen

Fragt sich nur mit wieviel Erfolgsaussichten: NEE-01 PEGASUS hat gerade einmal eine Masse von 1.2 kg und eine Länge von 75 cm – und da soll ihn eine zusätzlich an Bord des Technologie-Testers gebrachte Videokamera zu „the first online, real time orbital video sentry for the planet“ machen? Immerhin werden die HDTV-Daten live ins Internet eingespielt: „This video observations, which are much better suited for this task than the still pictures, coupled with advanced software and orbital determination techniques will give researchers around the world an unprecedent view from orbit of dangerous objects that can threaten human spaceflight and populated areas on the ground.“ Gestartet werden soll auf einer Dnepr in Yasni in zwei Monaten. (EXA Release 25., AMSAT 29.4.2012)

Fernreparatur des Startrackers rettet Proba-1: Der 2001 gestartete kleine ESA-Satellit (siehe Artikel 356 Item 2) ist wieder fit, nachdem ein Software-Patch seinen strahlungsgeschädigten Startracker voller Hot Pixels auf den CCDs wieder in Gang setzen konnte – der ist immerhin schon 5-mal so lange im Orbit wie geplant. (ESA Release 14.5.2012)

Deutsches Breitband-Seismometer für den japanischen Mondlander SELENE-2 im Test

„Vor der Mitte der 2010-er Jahre“ soll der Nachfolger der japanischen Mondmission Kaguya alias SELENE auf die Reise gehen: SELENE-2 wird ein Lander – und ein deutsches Seismometer wird mit dabei sein: Diesen Sommer wurde es im „Black Forest Observatorium“ Schiltach getestet. Das extrem breitbandige Seismometer soll das ganze Signalspektrum von sehr häufigen lokalen Mondbeben bis hin zu den Gravitationsbeschleunigungen von Erde und Mond abdecken. Ergänzend kommen drei kurzperiodische Seismometer der JAXA hinzu, mit denen hochfrequente Erschütterungen in alle drei Raumrichtungen gemessen werden sollen. Das deutsche Seismometer wäre auch bei der Insight-Mission der NASA zum Mars dabei: einem der drei Finalisten für die o.g. Discovery-Mission. (PMn von Uni Stuttgart, KIT 11.7.2012)

Raumsonde Geotail seit 20 Jahren im Einsatz: Der gemeinsame Satellit von NASA und JAXA startete am 24. Juli 1992 und liefert seither Messdaten aus der Magnetosphäre der Erde – insbesondere aus ihrem ausgedehnten „Magnetschweif“, in den die Sonde auf ihrer ungewöhnlichen elliptischen Bahn tief eindringt – mit einer Instrumenten-Suite, die es dort vorher nie gegeben hatte. U.a. bei der Entstehung der Polarlichter spielt der Magnetschweif eine wesentliche Rolle. (NASA Release 27.7.2012. Und DLF 17.7.2012 zu den Cluster-Satelliten der ESA sowie JPL Release, DLF 16., PM des GFZ 17.3.2012 zu 10 Jahren GRACE)

Die ESA beginnt eine neue Serie von extrakleinen Missionen für ihre Weltraumforschung

als sogenannte „S-Klasse“: Der erste derartige Satellit soll 2017 starten. Mit diesen neuen Typ von Missionen sollen junge Wissenschaftler und Teams aus kleinen Mitgliedsländern bei Laune gehalten werden, die bei den großen und seltenen Forschungsmissionen der ESA nur selten zum Zuge kommen. Einsendeschluss für Vorschläge war schon, und im November sollen die ersten Projekte ausgewählt werden – ausser dass sie irgendwie in das Langzeitprogramm „Cosmic Vision“ passen, hatte es kaum Vorgaben gegeben. Pro Raumsonde spendet die ESA 50 Mio. Euro, während nationale Raumfahrtbehörden in gewohnter Weise für die Instrumente an Bord aufkommen müssen. Für ein kleines Weltraumteleskop könnte das durchaus reichen: Ein Satellit wie Proba-2 („Proba-2 mit vielen Technologietests …“) mit der Sonnenkamera SWAP würde in den Rahmen passen. (BBC 12.3.2012. Und Space News 28.5.2012 zu den Zielen der deutschen Bundesregierung bei der nächsten ESA-Ministerrats-Tagung im November in Italien)

Russland hat sich ein 20-jähriges Raumfahrtprogramm verpasst, mit dem Bau des neuen Weltraumbahnhofs Vostochny an der Stelle des früheren Startgeländes von Svobodny im fernen Osten Russlands als wichtigstem Großprojekt, das einmal Plesetsk (nicht für bemannte Flüge geeignet) und Baikonur (im falschen Land) ersetzen soll. (Novosti 12.4.2012) In Plesetsk hat derweil am 28. Juli eine Rockot-Rakete vier Satelliten gestartet: drei Store&Forward-Satelliten und einen Technologie-Tester. Es war der erste Start einer Rockot seit einem misslungenen im Februar 2011. (Orion 28., Space Today 29.7.2012)

Die Astronomie der Aborigines wird erforscht

28. Juli 2012

Die Kultur der australischen Ureinwohner – genauer: der rund 400 mehr oder weniger isolierten Aborigines-Gruppen – gilt mit rund 40’000 Jahren als die längste kontinuierliche auf dem ganzen Planeten, aber ihre astronomischen Vorstellungen waren lange kaum erforscht. Viele Überlieferungs-Ketten sind durch die brutale Kolonialgeschichte jäh unterbrochen worden, und nur wenig wurde von professionellen Ethnographen dokumentiert, bevor es zu spät war. Erst in den letzten paar Jahren haben sich vor allem zwei Astronomen, Ray Norris (der die Webseite „Australian Aboriginal Astronomy“ pflegt und Gegenstand eines Wikipedia-Artikels ist) und Duane Hamacher (der das Blog „Australian Aboriginal Astronomy“ betreibt), um die systematische Erforschung der Aborigines-Astronomie bemüht, was sich u.a. in neun frei verfügbaren Papers niedergeschlagen hat: über Finsternisse, Kometen, Meteoriten, Impakte, Eta Carinae, Felszeichnungen und allgemein hier, hier und hier.

Gestern gab Norris (Bild) auch einen Abriss des Forschungsstandes in einem öffentlichen Vortrag an der Uni Bochum: Da die Aufzeichnungen der Kolonisten über vermeintliches Aborigines-Wissen nur mit größter Vorsicht zu genießen sind, konzentiert er sich zum einen auf die Yolngu im Arnhem Land, deren originale Kultur noch gut erhalten zu sein scheint, und zum anderen auf Felszeichnungen und Steinsetzungen allerdings längst verschwundener Kulturen. Mit Aborigines-Astronomie meint Norris nicht die tollen Mythen (in denen z.B. der abnehmende Mond dadurch zustande kommt, dass Frau Sonne ihren fetten Mann über den Himmel jagt und mit der Axt immer mehr abhackt), sondern Versuche, himmlische Beobachtungen auch zu verstehen. Nicht alles, was die Aborigines wissen oder denken, verraten sie auch den „whitefellas“ (und Norris verriet diesem Blogger, dass er immerhin ein bisschen Geheimwissen erhalten hat aber nicht weiter erzählen darf), aber ein paar Facetten haben Norris et al. doch ans Tageslicht gebracht.

So ist den Yolngu z.B. klar, dass sich die Venus nur bis zu einem bestimmten Winkel von der Sonne entfernen kann, was sie durch eine Art Seil zwischen den beiden Himmelskörper erklären (identisch mit dem Zodiakallicht?): für Norris immerhin „frühe Wissenschaft“. Die Venus als Morgenstern spielt eine wichtige Rolle bei Ritualen: Wann es wieder so weit ist, wissen die Yolngu vorher, weil sie die Tage zählen und von der regelmäßigen Wiederkehr der Venus-Sichtbarkeiten wissen. Andere Aborigines-Einsichten die tatsächliche Zusammenhänge im Sonnensystem, die Norris für original (und nicht von den Kolonisten aufgeschnappt) hält: Die Gezeiten werden dem Mond zu geschrieben (wenn auch auf irrige Weise: indem er sich am Horizont mit Wasser fülle), eine fundamentale Einsicht, zu der nicht einmal Galilei gelangte. Und Mondfinsternisse als Unterbrechung der Sonnenstrahlung auf ihn verstanden – ein großer intellektueller Sprung, der auch das Prädikat „Wissenschaft“ verdient.

Die Analyse von Felszeichnungen und Steinsetzungen (Paradebeispiel: Wurdi Youang [NACHTRÄGE: ein neues Paper dazu und Jahre später ein Artikel]) ist erheblich schwieriger, da man niemand mehr fragen kann, aber statistisch gesehen sind die über den ganzen Kontinent verteilten Steinketten vorwiegend im Azimut 0° und 90° ausgerichtet, auf wenige Grad genau: Das erforderte im Vorfeld jeweils – mangels Polarstern – systematische Himmelsbeobachtungen, namentlich von Sonnenauf- und -untergängen und ihren Wanderungen im Jahreslauf. Norris‘ Fazit: Die Aborigines-Kultur ist mehr als Didgeridoo und Malerei – man interessierte sich für den Himmel, nutzte die Sterne für Navigation und Zeitmessungen, maß Sonnenauf- und untergangspunkte am Horizont und durchschaute bis zu einem gewissen Grad das Wesen von Finsternissen. Von denen Australien im November mal wieder eine totale bevorsteht: Norris wird sie mit seinen Yolngu-Freunden verbringen, die sich in diesem Zusammenhang schon als abgeklärter als manch andere Aborigines-Gruppe erwiesen haben.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

26. Juli 2012

Curiosity’s erste Bilder nach Minuten – oder Stunden

Von zahlreichen Faktoren – eine gelungene Landung vorausgesetzt natürlich – hängt es ab, wann die ersten Aufnahmen des Mars Science Laboratory „Curiosity“ von der Marsoberfläche die Erde erreichen: Im glücklichsten Fall fängt der alte Orbiter Mars Odyssey schon Minuten nach der Landung (7:31 MESZ Earth Received Time am 6. August) ein 128 Pixel breites Thumbnail einer der Hazcams – die den entsprechenden Kameras auf den Mars Exploration Rovern entsprechen – ein, die mit ihrer Fischaugenoptik immerhin einen gewissen Überblick verspricht. Die nächste Möglichkeit wäre eine 1024 Pixel breite Version des Bildes gegen 10:00 MESZ, mit mehr dann gegen Abend MESZ. Vielleicht gibt’s schon eine Bilderflut wie nach den Landungen von Spirit und Opportunity (siehe Artikel 813 und 830), vielleicht dauert’s wesentlich länger: Versprochen wird gar nichts. Immerhin hat der letztens angeschlagene Odyssey eine wichtige Bahnkorrektur geschafft, so dass zumindest der Überflug über die Landestelle während der Endphase von Entry, Descent & Landung (im Detail hier, hier und hier diskutiert) gesichert zu sein scheint – eine Zeitlang sah es so aus, als könnte sich selbst die Nachricht über die glückliche Ankunft am Boden um Minuten bis Stunden verzögern. (JPL Release 24., Planetary Society Blog 23., Space Today 17., JPL Release, Science@NASA 16., LA Times 14., Odyssey Status 13.7.2012)

New-Horizons-Planer besorgt über mondreiche Pluto-Umgebung: Die anhaltenden Entdeckungen neuer kleiner Brocken rund um den Zwergplaneten (siehe ISAN 167-5) sprechen für einen großen Impakt, der ihn mit zahlreichen Einzeltrümmern – die meisten unter der Nachweisgrenze selbst Hubbles – und womöglich sogar einem Ringsystem versorgt hat. Die große Frage ist nun: In welchem Abstand soll am Zwergplaneten vorbei geschossen werden, um gleichzeitig das Risiko zu mini- und die wissenschaftliche Ausbeute zu maximieren. Da die wissenschaftlichen Daten des Flyby erst danach langsam zur Erde geschickt werden können, ist eine Kamikaze-Lösung definitiv zu vermeiden … (Planetary Society Blog 16.7.2012) Diese lange Reise wird übrigens neuerdings auch für Messungen im interplanetaren Raum während der langen ‚Winterschlafs‘-Intervalle genutzt: SDC, SWAP und PEPSSI dürfen mitmachen. (New Horizons Headline 9.7.2012. Und ESA Release 28.2., DLF 3.7.2012 zur Startverschiebung der Merkurmission BepiColombo auf 2015)

Kepler weniger redundant: ein Drallrad ausgefallen

Noch leidet die Wissenschaft des Exoplaneten-Jägers nicht, aber mit dem Ausfall eines seiner vier Reaction Wheels am 14. Juli hat der NASA-Satellit Kepler an Redundanz eingebüsst: Mit weniger als drei Rädern geht es nicht. Daher bemüht man sich, das Drallrad #2 wieder fit zu bekommen: Anderenfalls steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kepler seine Messreihen nicht ordentlich zuende bringen kann und der Entdeckung erdähnlicher Planeten auf erdähnlichen Bahnen um sonnenähnliche Sterne verlustig geht. Die Ausbeute insgesamt kann sich immerhin schon sehen lassen: Weitere 500 Planeten-Kandidaten zusätzlich zu den 2300 schon publizierten sollen diese Woche bekannt gegeben werden. (Mission Manager Update, New Scientist 24.7.2012)

Radioastron ist jetzt operationell: Ein Jahr nach dem Start des Satelliten für Radio-Interferometrie („Die ersten Fringes …“) sind Interferenzstreifen in allen vier Spektralbändern (P, L, C und K) gemessen worden, und die astronomischen Beobachtungen sind angelaufen. Die Daten von Spektr-R im Weltraum und den irdischen Teleskopen werden meistens im Astro Space Center in Moskau zusammengeführt aber auch am MPIfR in Bonn mit dem Software-Korrelator DiFX. (NRAO eNews 20., MPIfR, MPG PMn 3.7., ASTRON Release21.3.2012. Und ESA Release 2.7.2012 zu Antennentests bei Gaia)

Indiens erster Astronomiesatellit soll nun 2013 starten – und der AstroSat („Ein britisches Instrument …“) wird als erstes Multi-Wellenlängen-Observatorium angepriesen: Dieselben Quellen sollen gleichzeitig im Optischen, UV und Röntgenbereich betrachtet werden. Eine fünfjährige Verzögerung des Starts hat die Kosten des Projekts allerdings auf 40 Mio. Euro getrieben, Rakete allerdings inklusive. Die Lebensdauer des AstroSat soll 5 Jahre betragen. (NewsTrack India 16.7.2012. Und Guardian 5.7.2012 zur „Small Mission“-Ideen bei der ESA)

Kann der „GoreSat“ DSCOVR womöglich 2014 starten?

Der unglückliche kleine Erdsatellit, der in die Mühlen der Politik geriet und immer wieder nicht starten durfte, hat angeblich genügend Rückhalt im US-Kongress gewinnen können, dass das ‚Deep Space Climate Observatory‘ nun doch startklar gemacht werden könnte: 85 Mio.$ würde das kosten, zzgl. einer Rakete. Die Rolle des Satelliten wäre jetzt primär nicht als Erdbeobachter permanent über der Tagseite sondern als Weltraum-Wetter-Wächter („Neue Chance …“), der die Aufgaben des alternden Advanced Composition Explorer übernehmen könnte: Auf dem ruhen jedes Mal alle Augen, wenn wieder eine CME von der Sonne anrollt. Aber die einst von Al Gore erträumte Kamera, die ständig die ‚blaue Murmel‘ zeigt, wäre auch an Bord; im Prinzip könnte 2014 gestartet werden. (Orlando Sentinel 9.7.2012. Auch NASA Release 6.7.2012 zu High Rate Data von NPP Suomi und JAXA Releases 4., 2.7.2012 zu Orbit und ersten Daten des Shizuku-Satelliten alias GCOM-W1)

Wettersatellit MSG-3 an EUMETSAT übergeben: Der am 5. Juli gestartete 3. europäische Wettersatellit der 2. Generation war 11 Tage später so weit – die komplette Inbetriebnahme dauert allerdings noch 1/2 Jahr. Dafür hat sich der Start des 2. polaren europäischen Satelliten MetOp-B auf inzwischen September verschoben. (ESA Release 16.7., Space Today 29., ESA Release, AW&ST 27.4.2012. Und ESA Release 3.7.2012 zu weniger Interferenz für SMOS)

Fünf kleinere Satelliten auf einer Soyuz FG-Rakete

sind am 22. Juli in Baikonur gestartet: Auf sonnensynchronen Bahnen abgesetzt wurden die russischen Fernerkundungssatelliten MKA-PN1 und Canopus-B, der weißrussische Erdbeobacher BKA, der deutsche Technologiedemonstrator TET-1, der der erste deutsche Kleinsatellit des OOV-Programms (On-Orbit-Verification) des DLR, und exactView-1, ein Satellit des Automatic Identification System (AIS) für die kanadische Firma exactEarth, die Schiffe auf den Ozeanen verfolgt. Die fünf Satelliten landeten auf unterschiedlichen Bahnen in einer Höhe von etwa 510 krn und einer Bahnneigung von 97°: Um diesen Soyuz-Start hatte es lange Gerangel mit Kasachstan gegeben, weil wegen der ungewöhnlichen Flugbahn Raketenstufen in andere Landesteile fallen würden. (PM des DLR, SSTL Press Release, Space Today, Der Orion, Spiegel 22.7.2012)

Renaissance für die Delta II mit gleich 3 Startaufträgen der NASA: Die schon fast abgeschriebene Rakete soll von 2014 bis 2016 die Satelliten Soil Moisture Active Passive (SMAP), Orbiting Carbon Observatory-2 (OCO-2) und Joint Polar Satellite System-1 (JPSS-1) starten. Die Delta II ist 151-mal gestartet (davon 50-mal für die NASA) und hat nur ein einziges Mal versagt – und die letzten 96-mal nicht mehr. Den Ozeanografiesatelliten Jason 3 vertraut die NASA allerdings einer Falcon 9 an. (JPL Release, Spaceflight Now 16., Reuters, Space Today 19.7.2012)

Geheime Fracht einer Atlas V offenbar enttarnt

Was da am 20. Juni in den Weltraum („Und mal wieder ein fetziges Startvideo …“) gebracht worden war, haben Amateur-Satellitenbeobachter als Daten-Relais-Satelliten für die eigentlichen Aufklärungs-Satelliten der NRO identifiziert. Denn der relativ helle Satellit wurde geostationär über dem Atlantik geortet: Damit dürfte er zum Satellite Data System der Behörde gehören. (Spaceflight Now 17.7.2012)

„New European Launch Service“ soll Europa konkurrenzfähig halten, für Regierungs- wie private Starts gleichermaßen: Derzeit läuft’s mit Ariane, Soyuz und Vega ganz gut, aber das Marktumfeld entwickelt sich weiter – vor allem vor SpaceX und deren billigen Falcon-Raketen hat die ESA mächtig Respekt. (AW&ST 27.3., ESA Release 25., Space News 13.7.2012) Mit einer „Clean Space“-Initiative läßt die ESA Methoden zur Reinhaltung des erdnahen Weltraums zu entwickeln – und der Umwelt-Impakt der europäischen Weltraumaktivitäten soll generell verringert werden. (ESA Release 10.7.2012)

Weltraumstarts aus der Luft mit Virgin ab 2016

verspricht die Firma unter dem Label „LauncherOne“, nachdem man bereits seit 2009 mit der Idee gespielt hat: Das Trägerflugzeug WhiteKnightTwo soll dazu eine Zwei-Stufen-Rakete ausklinken. Bis zu 225 kg in den Orbit für 10 Mio.$ werden versprochen, und eine Anzahl Kunden sollen schon reserviert haben, die Asteroiden-Bergleute inklusive, die gleich reihenweise Arkyd-100-Satelliten zum NEAs-Suchen starten wollen. Für das suborbitale SpaceShipTwo sollen derweil schon 529 zahlende Passagiere angeheuert haben – und man spricht jetzt von 2013 für den Beginn der Flüge. Bisher hat das SS2 allerdings noch nicht einmal das Triebwerk gezündet und nur einen Gleittest nach dem anderen absolviert. (Virgin Release 10., Virgin Blog, Parabolic Arc, BBC, Hollywood Reporter, New Space Journal, Spaceflight Now, Space Today 11., New Space Journal, MarketWatch 12., New Scientist 13.7.2012)

Großbritannien würde seinen Luftraum für Weltraumflugzeuge öffnen, um Projekte wie „Skylon“ („Grünes Licht für die nächste Phase …“) zu ermöglichen – solcherlei Vehikel, die als Flugzeug starten und als Rakete weiter fliegen würden, kommen in den heutigen Regularien nicht vor. Das entscheidende SABRE-Triebwerk macht angeblich bedeutende Fortschritte … (BBC, SEN, Science Journalism Tracker 11.7.2012)

Und noch kurz gemeldet

Das Ende des Shuttle-Programms ist jetzt markiert: Eine Gedenkplatte am KSC wurde an genau der Stelle angebracht, wo die Atlantis nach STS-135 vor einem Jahr zum Stehen kam. (CollectSpace 5.7.2012) Das Space Launch System hat eine kombinierte System Requirements Review und System Definition Review passiert und kann damit in die preliminary design phase eintreten: Der erste Testflug bleibt für 2017 geplant. (NASA Release 25.7.2012)

Der Galileo-Testsatellit GIOVE-B wird still gelegt und in einen Graveyard-Orbit verfrachtet: Das Galileo In-Orbit Validation Experiment war wichtig für die Demonstration der Technologien für die europäischen Navigationssatelliten. Da die ersten beiden operationellen Galileos, die letztes Jahr starteten („Der erste Start …“) bestens funktionieren, werden die GIOVEs – der erste wurde schon 2009 in den Ruhestand geschickt und jetzt von der ESA aufgegeben – nicht mehr benötigt. (ESA Release 24., SSTL Release 5., ESA Release 3.7.2012)

Ist die „Pioneer Anomaly“ jetzt bitte endgültig tot …? Nachdem der winzige Bahneffekt der Raumsonden schon unzählige Male begraben („Pioneer-”Anomalie” noch besser ad acta gelegt“) wurde, hat sich abermals bestätigt, dass es die anisotrope Wärmeabstrahlung und nichts weiter ist, das hinter dem ein Jahrzehnt lang künstlich am Leben erhaltenen ‚Mysterium‘ steckt. (Turyshev & al., Preprint 11., Physics World 16., Planetary Society Blog 19.4., NASA, JPL Releases, Science Blogs 17., Universe Today, LA Times, Centauri Dreams, KosmoLogs, Spiegel 18., Focus 20., New York Times, Discovery 23.7.2012)

Wenn Komet PanSTARRS durchhält: wohin die Reise – in 7 bis 8 Monaten – gehen müsste

24. Juli 2012

Gut 13 Monate ist es her, dass der möglicherweise ziemlich helle Komet C/2011 L4 (PanSTARRS) entdeckt wurde: Die ersten Überlegungen zur Sichtbarkeit sind allerdings nicht mehr gültig, da die Bahn doch etwas anders im Raum liegt. Aber der Komet – Bilder vom Juli, Juni und Mai 2012 – entwickelt sich offenbar planmäßig, wie einer Analyse vom Mai und Einschätzungen vom 7. Juli, 28. Mai und 30. März 2012 zu entnehmen ist: Anlass für eine neue detaillierte Betrachtung der Sichtbedingungen für Komet PanSTARRS. Danach

  • kann man den Kometen zur Zeit seiner mutmaßlich größten Helligkeit, die genau mit dem Periheldurchgang am 10. März 2013 zusammen fällt, nirgendwo auf dem Planeten an ganz dunklem Himmel sehen – einfach weil die Elongation von der Sonne dann nur 15° beträgt und er sich aus der Dämmerung gar nicht befreien kann.

  • Es gibt aber in der Woche vor und der Woche nach diesem Datum die Möglichkeit, PanSTARRS rund 10° hoch am Abendhimmel zu sehen, wenn die Dämmerung gerade von der bürgerlichen in die nautische übergeht (Sonnendepression 6°) – und knapp über dem Horizont beim Übergang in die astronomische (Depression 12°). Sollte er wirklich etwas heller als nullte Größe werden, wie es derzeit aussieht, dann sollten er und hoffentlich sein Staubschweif sich durchsetzen können.

  • Da sich der Komet auf seiner fast senkkrecht auf der Ekliptik stehenden Bahn rapide von Süden nach Norden bewegt, wandert die Zone mit den – relativ gesehen – besten Sichtbedingungen ebenfalls rasant über den Planeten, von zunächst rund 60° Süd auf 60-70° Nord, wobei ein zu allem entschlossener Beobachter den 120°-Sprung just am Tag des Perihels machen müsste.
Wer hingegen eine Reise von Deutschland nach Feuerland über Nordskandinavien zurück für etwas übertrieben hält, könnte als Kompromiss etwas nördlich des Äquators Platz nehmen: Auf den Kanaren oder in Nordafrika sollte sich PanSTARRS bereits Anfang März aus der hellen Abenddämmerung quälen und dann rund um die größte Helligkeit sichtbar bleiben. Hält diese allerdings nach dem heißen 0.3-AU-Perihel am 10. März länger an, empfiehlt sich ungefähr am 20. März doch noch ein Umzug auf 60° bis 70° Nord: Hier stünde der Komet dann sogar ein paar Grad hoch an ganz dunklem Himmel.

Aufblasbarer Hitzeschild suborbital gut getestet

23. Juli 2012

Das Inflatable Reentry Vehicle Experiment (IRVE-3) der NASA hat heute morgen auf einer Black-Brant-Höhenforschungsrakete von der Insel Wallops aus einen erfolgreichen Test hingelegt: In 450 km Höhe wurde der pilzförmige Schild auf 3 m Durchmesser aufgeblasen – und der Überschallsturz durch die Atmosphäre verlief nach Plan. 20 Minuten nach dem Start fiel IRVE-3 in den Atlantik und kann vielleicht sogar geborgen werden. Eine mögliche Anwendung der Technologie: künftige Marslandungen u.ä.

Und auch noch ein paar Szenen von der Shefex-Kampagne auf Andøya vor einem Monat: Die Montage von Rakete und Reentry-Experiment ist gut zu sehen, die Probleme mit Datenempfang und Bergung fehlen.

Heute vor 40 Jahren startete der erste Satellit der Landsat-Serie, von dem hier ein NASA-Film von 1973 schwärmt: Landsat ist heute das längste kontinuierliche Erdbeobachtungs-Programm, das 2013 mit dem nächsten Satelliten fortgesetzt werden soll – allerlei Bildbeispiele hier, hier, hier und hier. Kurioserweise wurde übrigens just heute die Fusion von DigitalGlobe & GeoEye bekanntgegeben, der beiden kommerziellen Betreiber amerikaner Erdbeobachter (mehr und mehr).

Heute vor 50 Jahren ermöglichte Telstar die erste TV-Übertragung über den Atlantik, bei der die Welt zuschauen konnte – das Vergnügen am ersten TV-Satelliten (hier ein Wochenschau-Beitrag kurz nach dem Start am 10. Juli 1962) währte indes nicht lang, dank der damals noch üblichen Nukleartests in der Atmosphäre …

Und noch ein Zeitraffervideo aus der ISS, diesmal nur mit – ziemlich hektisch aneinander gereihten – Nachtsequenzen, in denen natürlich Polarlichter nicht zu kurz kommen.

XENON100 hat immer noch keine WIMPs gefunden

22. Juli 2012

Der Dunkel-Materie-Detektor im Gran Sasso, der immer wieder mit dem Nicht-Nachweis irgendeines Signals („Direkte Detektionsversuche der Dunklen Materie …“) für Unmut sorgt, hat schon wieder eine Negativ-Meldung heraus gegeben: 225 Tage Messungen in der neuesten Konfiguration zeigen wieder nichts. Zwar wurden zwei ‚Ereignisse‘ registriert, aber die sind statitisch konsistent mit dem einen Ereignis, das der Strahlungshintergrund in dem italienischen Tunnel liefern sollte. Gegenüber einem Paper von 2011, das auf 100 Tagen Messungen basierte, ist die Empfindlichkeit des Detektors abermals um einen Faktor 3.5 gesteigert worden, und der noch erlaubte Parameter-Bereich für Weakly Interacting Massive Particles ist weiter geschrumpft. Die XENON-Forscher sind aber weiter guten Mutes und halten WIMPs immer noch gleichzeitig für die beste Erklärung der Dunklen Materie aus der Kosmologie (an deren Realität sie nicht zweifeln) und naheliegendste Erweiterung des Standardmodells der Teilchenphysik. Der einfachsten Supersymmetrie – die auch schon unter Nullresultaten des LHC leidet – geht es nun allerdings immer schlechter. Mit einem noch viel größeren Detektor, XENON1T mit Baubeginn dieses Jahr, soll die Jagd nun fortgesetzt werden: Er wird gleich eine ganze Tonne flüssiges Xenon – statt der 62 kg von XENON100 – verwenden. Und der große amerikanische Xenon-Detektor LUX soll ebenfalls dieses Jahr mit Messungen beginnen. Aprile & a., Preprint 14., INFN Press Release, PM des MPI für Kernphysik 18., New Scientist Blog 19., Cosmic Variance, Symmetry Breaking 20.7.2012. NACHTRAG: neuer Preprint mit der Auswertung der 225 Tage

Ein kurioses Konzept für einen biotechnologischen Dunkel-Materie-Detektor sorgt für Aufsehen oder wenigstens Amüsement: In dem würden unzählige quasi nummerierte DNS-Stränge an Goldplättchen aufgehängt, die von DM-Teilchen losgeschlagene Goldatome durchtrennen sollen. Anschließend würden die abgehackten DNS-Segmente mit etablierten Genanalyse-Techniken (Stichwort PMC) herausgefiltert, und die genaue Flugbahn der Atome wäre zu rekonstruieren. Und zwar in zwei Dimensionen Mikro- und in der dritten (entlang der DNS-Stränge) sogar Nanometer-genau. Zu wissen, aus welcher Richtung ein DM-Teilchen angeflogen kam, wäre eine wesentliche Erkenntnis, zumal die Methode schon eine niedrige Energieschwelle hätte. Sie würde bereits bei Zimmertemperatur funktionieren und die Appartur auch nur ein kleines Zimmer füllen – nur die konkrete Umsetzung ist noch mit einigen Hürden verbunden. (Drukier & al., Preprint 28.6., ArXiv Blog 2., astrobites 19.7.2012. Und Weniger, Preprint 12., Resonaances 17., Scientific American Blog 23., Physics World 24.4., Su & Finkbeiner, Preprint 14., astrobites 19.6.2012 zu möglichem Dunkel-Materie-Nachweis mit dem Fermi-Satelliten)

„Post-Higgs-Kater“: Physik vor ungewisser Zukunft

Between the infamous magnet quench of 2008 to the sobering exclusion plots of the last couple of years, an entire generation of graduate students and young postdocs is internalizing the idea that finding new physics will not be as simple as turning on the LHC as some of us had believed as undergrads. Despite our youthful naivete, the LHC is also still in its infancy with a 14 TeV run coming after its year-long shutdown. The above results are sobering, but they just mean that there wasn’t any low-hanging fruit for us to gobble up right away.“ (Flip Tanedo, Quantum Diaries 19.7.2012)

Bloss den LHC einschalten, und schon fällt einem spektakuläre „Neue Physik“ in den Schoss: Das mag in den letzten Jahren mancher Physiker gehofft haben, aber so ist es eben nicht gekommen. Der Super-Beschleuniger hat bisher letztlich nur bestätigt, was eh die meisten glaubten, und nach der Feierlaune Anfang des Monats bricht sich nun wieder die Besorgnis Bahn, dass nach dem Fang mutmaßlichen Higgs-Teilchens nicht mehr viel heraus kommen könnte. Supersymmetrie? Schwer eingeschränkt (auch durch Versuche des direkten Nachweises; s.o.). Hinweise auf zusätzliche Raumdimensionen? Keine Spur. Schwarze Minilöcher? Spricht schon keiner mehr drüber. Natürlich sind noch nicht einmal die bisherigen Kollisionsdaten komplett ausgewertet, bis Jahresende geht der 8-TeV-Run noch weiter, und dann kommt ja noch die 14-TeV-Ära: Die schiere Datenmenge der nahen Zukunft wird sicher der Physik einen viel klareren Weg als bisher weisen und z.B. die Eigenschaften des Higgs-Feldes – des einzigen fundamentalen Skalarfeldes in der heutigen Natur – genauer beschreiben. Aber eine Menge clevere Hypothesen über das Standardmodell hinaus, auch das ist nun unausweichlich, werden in den kommenden Jahren auf der Strecke bleiben – und in welcher Richtung die großen Antworten liegen, ist nun weniger klar als viele glaubten. (Science News, Quantum Diaries 20., Economist 19., NPR, Strassler, Nature, Telegraph 18., Strassler, Woit 16., Boston Globe 15., USA Today 14.7.2012)

Even though it wasn’t discovered until 2012, the Higgs boson was proposed back in 1964. It is very much a child of the 20th century. In particle physics and cosmology, the 21st century promises discoveries that will help illuminate the dark universe around us. That’s the great thing about history being made: you know things are different now, but you can’t be sure where you’re going to go next.“ (Sean Carroll, CNN 20.7.2012 [NACHTRAG: hier kommentiert])

Open Access? Astronomen proben den Aufstand

22. Juli 2012

„This so obviously flawed plan stinks to high heaven“: harsche Worte eines britischen Astronomen über den scheinbar tollen Plan der Regierung, wissenschaftliche Arbeiten aus dem eigenen Land künftig grundsätzlich ‚open access‘ veröffentlichen zu lassen, d.h. sofort kostenlos für die ganze Welt zu lesen – wobei aber die alte Struktur mit profitorientierten Wissenschaftsverlagen beibehalten wird, die nunmehr die Autoren (statt die Bibliotheken von deren Instituten) kräftig zur Kasse bitten dürfen. Wobei dieses Geld – womöglich tausende Pfund pro Paper – dann offenbar aus dem normalen Forschungshaushalt abgezweigt werden soll. Nicht nur die radikale Umstellung des Finanzierungssystems 2013 – die wenige Jahre später auch EU-weit kommen könnte (mehr, mehr) – wird teuer: Binnen Stunden spießten britische Science-Blogger zahllose Probleme mit dem neuen Verfahren auf, das viel böses Blut unter Kollegen verursachen und manch jungen Forschers Karriere ruinieren werde.

Und schon liegt der Vorschlag aus der Astronomie auf dem Tisch, den Plan der Regierung mit einem eigenen Konzept zu kontern: Zu gründen ist ein Verlags-unabhängiges Open-Access-Journal, das dank Peer Review gewohnter Qualität dieselbe Reputation wie die führenden kommerziellen Fachzeitschriften erlangt. Das Ganze sollte natürlich auf dem berühmten Preprint-Server ArXiv basieren, in dem heute ohnehin schon ein Großteil der astronomischen Papers der Welt landet – allerdings erst einmal ohne Qualitätskontrolle. „The idea is to set up a system whereby authors who submit papers to the arXiv can have their papers refereed“, lautet nun der Vorschlag: „I’m thinking of a website on which authors would simply have to post their arXiv ID and a request for peer review. Once accepted, the author would be allowed to mark the arXiv posting as ‚refereed‘ and an electronic version would be made available for free on the website.“ Würden genügend renommierte Astronomen, so die Hoffnung, liefe die Sache. Natürlch gibt es auch gegen dieses Konzept schon wieder Einwände: Wie verhindert man z.B., dass Spinner B das spinnerte Paper von Spinner A positiv bewertet? Im traditionellen System würden das in der Regel Fachleute im entsprechenden Verlag zu verhindern wissen.

„The missing ingredient is some respected authority who maintains a list of acceptable referees and only these referees are allowed to referee papers for the website“, lautet daher ein ergänzender Vorschlag – aber das artet schon wieder in Arbeit aus. Und was, wenn sich einfach keiner für ein Paper interessiert und es referieren will? Ohne eine Redaktion, die alles überwacht und ggf. steuert, geht es wohl nicht, meinen viele. Jedenfalls solle man jetzt nichts überstürzen und sich dann blamieren, wird auch gewarnt – aber da könnte nun etwas in Bewegung gekommen sein. Dieser Blogger hat übrigens eine praktisch identische Idee schon vor rund 15 Jahren am Rande einer Astronomentagung in Deutschland gehört: „Open Astronomy“ sollte die Zeitschrift damals heißen – über die allerdings nur Nachts im Weinkeller eines bekannten Tagungszentrums diskutiert worden war. Konkrete Schritte unternommen hat damals scheint’s keiner. Und dass der Anfang wohl das Schwerste sein wird, zeichnet sich auch jetzt wieder ab: Die vielen Kommentare zu dem „modest proposal“ – eine Anspielung auf eine Satire aus dem 18. Jh. – zeigen die Knackpunkte messerscharf auf … NACHTRAG: „The first steps towards a modern system of scientific publication“ passen zur Debatte.

Satellit NuSTAR: Riesenerfolg, doch unsichtbar

22. Juli 2012

Seit Ende Juni haben NASA wie Caltech nichts mehr über ihren neuesten Röntgensatelliten NuSTAR – Nuclear Spectroscopic Telescope Array – verlauten lassen: Man erfuhr, dass die Wolterteleskope die erhoffte Abbildungsschärfe erzielen, aber Bilder mit mehr als einer Röntgenquelle drauf gibt es nicht. „Wir sind eine ziemlich kleine Mission, ungefähr so klein wie in der NASA-Astrophysik überhaupt möglich,“ entschuldigt das der Mission Scientist Daniel Stern am Wochenende gegenüber diesem Blog: „Unsere Manpower konzentriert sich gegenwärtig ganz stark darauf, unser Instrument zu kalibrieren und zu verstehen.“ Das Projekt ist so klein, dass für den Outreach nur ein kleiner Bruchteil der Arbeitszeit einer einzigen JPL-Mitarbeiterin zur Verfügung steht, und auch die ist jetzt noch weitgehend für die Curiosity-Landung abgezogen worden. Was zu bedauern ist, denn „wir haben eine phänomenale Mission“, so Stern: „NuSTAR entspricht den Erwartungen – und das ist ungeheuer aufregend, denn es bedeutet, dass wir über 100-mal empfindlicher sind als alles, was in der Vergangenheit bei diesen Energien geflogen ist!“ Bereits die ersten Kalibrationsdaten „schreien danach, dass wir wissenschaftliche Papers darüber schreiben“, freut sich Stern: „Kein Röntgenastronom hat je Hochenergie-Röntgendaten dieser Qualität gesehen!“ Das gibt es also auch: einen großen NASA-Erfolg, über den die sonst ständig krähende Behörde kein Wort verliert, und sie hat auch das Projekt die nächsten 6 Monate nicht verpflichtet, weitere Bilder zu veröffentlichen, während der Satellit noch optimiert wird. Lediglich ein kleines Blog der Missionswissenschaftlerin lässt in groben Zügen verfolgen, wie es voran geht: Nach Cyg X-1 wurde der Quasar 3C 273 angepeilt, und jetzt kommt gerade Sgr A* im Zentrum der Milchstraße dran. NACHTRAG: Auch ein Jubel-Press Release zu 100 Tagen im Orbit zeigt keine Bilder.

Ein kleiner Schritt für einen alten Sack …

21. Juli 2012

In dieser Stunde vor 43 Jahren betrat zum ersten Mal ein Mensch die Mondoberfläche – aber etwas war ihm voraus geeilt: Das allererste Foto, das Neil Armstrong bei der EVA schoss (oben ein Ausschnitt), zeigt neben Teilen der Landefähre sehr dominant einen weißen Müllsack, der zuvor über Bord geworfen worden war! Von solchen „Jettison Bags“ trennten sich die Apollo-Astronauten öfters: Sie wurden jeweils unter die Landefähre gekickt. Irgendwie doch typisch: Noch bevor der Mensch einen fremden Himmelskörper ‚erobert‘, läd er dort schon seinen Müll ab …

Drittes HTV Japans auf dem Weg zur ISS

21. Juli 2012

Trotz schlechten Wetters ist die H-II mit dem 3. HTV namens Kounotori („Weißer Storch“) heute Morgen um 4:06 MESZ pünktlich weg gekommen (Videomitschnitt oben): Nach nur ca. 6 Sekunden verschwand die Rakete bereits in den tief hängenden Wolken, aber gelegentlich gab es Bilder live von Bord, so vom Abwurf der Booster (Mitte) und der Abtrennung von Kounotori-3 15 Minuten nach dem Start. Angedockt werden soll in einer Woche.