Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

Curiosity’s erste Bilder nach Minuten – oder Stunden

Von zahlreichen Faktoren – eine gelungene Landung vorausgesetzt natürlich – hängt es ab, wann die ersten Aufnahmen des Mars Science Laboratory „Curiosity“ von der Marsoberfläche die Erde erreichen: Im glücklichsten Fall fängt der alte Orbiter Mars Odyssey schon Minuten nach der Landung (7:31 MESZ Earth Received Time am 6. August) ein 128 Pixel breites Thumbnail einer der Hazcams – die den entsprechenden Kameras auf den Mars Exploration Rovern entsprechen – ein, die mit ihrer Fischaugenoptik immerhin einen gewissen Überblick verspricht. Die nächste Möglichkeit wäre eine 1024 Pixel breite Version des Bildes gegen 10:00 MESZ, mit mehr dann gegen Abend MESZ. Vielleicht gibt’s schon eine Bilderflut wie nach den Landungen von Spirit und Opportunity (siehe Artikel 813 und 830), vielleicht dauert’s wesentlich länger: Versprochen wird gar nichts. Immerhin hat der letztens angeschlagene Odyssey eine wichtige Bahnkorrektur geschafft, so dass zumindest der Überflug über die Landestelle während der Endphase von Entry, Descent & Landung (im Detail hier, hier und hier diskutiert) gesichert zu sein scheint – eine Zeitlang sah es so aus, als könnte sich selbst die Nachricht über die glückliche Ankunft am Boden um Minuten bis Stunden verzögern. (JPL Release 24., Planetary Society Blog 23., Space Today 17., JPL Release, Science@NASA 16., LA Times 14., Odyssey Status 13.7.2012)

New-Horizons-Planer besorgt über mondreiche Pluto-Umgebung: Die anhaltenden Entdeckungen neuer kleiner Brocken rund um den Zwergplaneten (siehe ISAN 167-5) sprechen für einen großen Impakt, der ihn mit zahlreichen Einzeltrümmern – die meisten unter der Nachweisgrenze selbst Hubbles – und womöglich sogar einem Ringsystem versorgt hat. Die große Frage ist nun: In welchem Abstand soll am Zwergplaneten vorbei geschossen werden, um gleichzeitig das Risiko zu mini- und die wissenschaftliche Ausbeute zu maximieren. Da die wissenschaftlichen Daten des Flyby erst danach langsam zur Erde geschickt werden können, ist eine Kamikaze-Lösung definitiv zu vermeiden … (Planetary Society Blog 16.7.2012) Diese lange Reise wird übrigens neuerdings auch für Messungen im interplanetaren Raum während der langen ‚Winterschlafs‘-Intervalle genutzt: SDC, SWAP und PEPSSI dürfen mitmachen. (New Horizons Headline 9.7.2012. Und ESA Release 28.2., DLF 3.7.2012 zur Startverschiebung der Merkurmission BepiColombo auf 2015)

Kepler weniger redundant: ein Drallrad ausgefallen

Noch leidet die Wissenschaft des Exoplaneten-Jägers nicht, aber mit dem Ausfall eines seiner vier Reaction Wheels am 14. Juli hat der NASA-Satellit Kepler an Redundanz eingebüsst: Mit weniger als drei Rädern geht es nicht. Daher bemüht man sich, das Drallrad #2 wieder fit zu bekommen: Anderenfalls steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Kepler seine Messreihen nicht ordentlich zuende bringen kann und der Entdeckung erdähnlicher Planeten auf erdähnlichen Bahnen um sonnenähnliche Sterne verlustig geht. Die Ausbeute insgesamt kann sich immerhin schon sehen lassen: Weitere 500 Planeten-Kandidaten zusätzlich zu den 2300 schon publizierten sollen diese Woche bekannt gegeben werden. (Mission Manager Update, New Scientist 24.7.2012)

Radioastron ist jetzt operationell: Ein Jahr nach dem Start des Satelliten für Radio-Interferometrie („Die ersten Fringes …“) sind Interferenzstreifen in allen vier Spektralbändern (P, L, C und K) gemessen worden, und die astronomischen Beobachtungen sind angelaufen. Die Daten von Spektr-R im Weltraum und den irdischen Teleskopen werden meistens im Astro Space Center in Moskau zusammengeführt aber auch am MPIfR in Bonn mit dem Software-Korrelator DiFX. (NRAO eNews 20., MPIfR, MPG PMn 3.7., ASTRON Release21.3.2012. Und ESA Release 2.7.2012 zu Antennentests bei Gaia)

Indiens erster Astronomiesatellit soll nun 2013 starten – und der AstroSat („Ein britisches Instrument …“) wird als erstes Multi-Wellenlängen-Observatorium angepriesen: Dieselben Quellen sollen gleichzeitig im Optischen, UV und Röntgenbereich betrachtet werden. Eine fünfjährige Verzögerung des Starts hat die Kosten des Projekts allerdings auf 40 Mio. Euro getrieben, Rakete allerdings inklusive. Die Lebensdauer des AstroSat soll 5 Jahre betragen. (NewsTrack India 16.7.2012. Und Guardian 5.7.2012 zur „Small Mission“-Ideen bei der ESA)

Kann der „GoreSat“ DSCOVR womöglich 2014 starten?

Der unglückliche kleine Erdsatellit, der in die Mühlen der Politik geriet und immer wieder nicht starten durfte, hat angeblich genügend Rückhalt im US-Kongress gewinnen können, dass das ‚Deep Space Climate Observatory‘ nun doch startklar gemacht werden könnte: 85 Mio.$ würde das kosten, zzgl. einer Rakete. Die Rolle des Satelliten wäre jetzt primär nicht als Erdbeobachter permanent über der Tagseite sondern als Weltraum-Wetter-Wächter („Neue Chance …“), der die Aufgaben des alternden Advanced Composition Explorer übernehmen könnte: Auf dem ruhen jedes Mal alle Augen, wenn wieder eine CME von der Sonne anrollt. Aber die einst von Al Gore erträumte Kamera, die ständig die ‚blaue Murmel‘ zeigt, wäre auch an Bord; im Prinzip könnte 2014 gestartet werden. (Orlando Sentinel 9.7.2012. Auch NASA Release 6.7.2012 zu High Rate Data von NPP Suomi und JAXA Releases 4., 2.7.2012 zu Orbit und ersten Daten des Shizuku-Satelliten alias GCOM-W1)

Wettersatellit MSG-3 an EUMETSAT übergeben: Der am 5. Juli gestartete 3. europäische Wettersatellit der 2. Generation war 11 Tage später so weit – die komplette Inbetriebnahme dauert allerdings noch 1/2 Jahr. Dafür hat sich der Start des 2. polaren europäischen Satelliten MetOp-B auf inzwischen September verschoben. (ESA Release 16.7., Space Today 29., ESA Release, AW&ST 27.4.2012. Und ESA Release 3.7.2012 zu weniger Interferenz für SMOS)

Fünf kleinere Satelliten auf einer Soyuz FG-Rakete

sind am 22. Juli in Baikonur gestartet: Auf sonnensynchronen Bahnen abgesetzt wurden die russischen Fernerkundungssatelliten MKA-PN1 und Canopus-B, der weißrussische Erdbeobacher BKA, der deutsche Technologiedemonstrator TET-1, der der erste deutsche Kleinsatellit des OOV-Programms (On-Orbit-Verification) des DLR, und exactView-1, ein Satellit des Automatic Identification System (AIS) für die kanadische Firma exactEarth, die Schiffe auf den Ozeanen verfolgt. Die fünf Satelliten landeten auf unterschiedlichen Bahnen in einer Höhe von etwa 510 krn und einer Bahnneigung von 97°: Um diesen Soyuz-Start hatte es lange Gerangel mit Kasachstan gegeben, weil wegen der ungewöhnlichen Flugbahn Raketenstufen in andere Landesteile fallen würden. (PM des DLR, SSTL Press Release, Space Today, Der Orion, Spiegel 22.7.2012)

Renaissance für die Delta II mit gleich 3 Startaufträgen der NASA: Die schon fast abgeschriebene Rakete soll von 2014 bis 2016 die Satelliten Soil Moisture Active Passive (SMAP), Orbiting Carbon Observatory-2 (OCO-2) und Joint Polar Satellite System-1 (JPSS-1) starten. Die Delta II ist 151-mal gestartet (davon 50-mal für die NASA) und hat nur ein einziges Mal versagt – und die letzten 96-mal nicht mehr. Den Ozeanografiesatelliten Jason 3 vertraut die NASA allerdings einer Falcon 9 an. (JPL Release, Spaceflight Now 16., Reuters, Space Today 19.7.2012)

Geheime Fracht einer Atlas V offenbar enttarnt

Was da am 20. Juni in den Weltraum („Und mal wieder ein fetziges Startvideo …“) gebracht worden war, haben Amateur-Satellitenbeobachter als Daten-Relais-Satelliten für die eigentlichen Aufklärungs-Satelliten der NRO identifiziert. Denn der relativ helle Satellit wurde geostationär über dem Atlantik geortet: Damit dürfte er zum Satellite Data System der Behörde gehören. (Spaceflight Now 17.7.2012)

„New European Launch Service“ soll Europa konkurrenzfähig halten, für Regierungs- wie private Starts gleichermaßen: Derzeit läuft’s mit Ariane, Soyuz und Vega ganz gut, aber das Marktumfeld entwickelt sich weiter – vor allem vor SpaceX und deren billigen Falcon-Raketen hat die ESA mächtig Respekt. (AW&ST 27.3., ESA Release 25., Space News 13.7.2012) Mit einer „Clean Space“-Initiative läßt die ESA Methoden zur Reinhaltung des erdnahen Weltraums zu entwickeln – und der Umwelt-Impakt der europäischen Weltraumaktivitäten soll generell verringert werden. (ESA Release 10.7.2012)

Weltraumstarts aus der Luft mit Virgin ab 2016

verspricht die Firma unter dem Label „LauncherOne“, nachdem man bereits seit 2009 mit der Idee gespielt hat: Das Trägerflugzeug WhiteKnightTwo soll dazu eine Zwei-Stufen-Rakete ausklinken. Bis zu 225 kg in den Orbit für 10 Mio.$ werden versprochen, und eine Anzahl Kunden sollen schon reserviert haben, die Asteroiden-Bergleute inklusive, die gleich reihenweise Arkyd-100-Satelliten zum NEAs-Suchen starten wollen. Für das suborbitale SpaceShipTwo sollen derweil schon 529 zahlende Passagiere angeheuert haben – und man spricht jetzt von 2013 für den Beginn der Flüge. Bisher hat das SS2 allerdings noch nicht einmal das Triebwerk gezündet und nur einen Gleittest nach dem anderen absolviert. (Virgin Release 10., Virgin Blog, Parabolic Arc, BBC, Hollywood Reporter, New Space Journal, Spaceflight Now, Space Today 11., New Space Journal, MarketWatch 12., New Scientist 13.7.2012)

Großbritannien würde seinen Luftraum für Weltraumflugzeuge öffnen, um Projekte wie „Skylon“ („Grünes Licht für die nächste Phase …“) zu ermöglichen – solcherlei Vehikel, die als Flugzeug starten und als Rakete weiter fliegen würden, kommen in den heutigen Regularien nicht vor. Das entscheidende SABRE-Triebwerk macht angeblich bedeutende Fortschritte … (BBC, SEN, Science Journalism Tracker 11.7.2012)

Und noch kurz gemeldet

Das Ende des Shuttle-Programms ist jetzt markiert: Eine Gedenkplatte am KSC wurde an genau der Stelle angebracht, wo die Atlantis nach STS-135 vor einem Jahr zum Stehen kam. (CollectSpace 5.7.2012) Das Space Launch System hat eine kombinierte System Requirements Review und System Definition Review passiert und kann damit in die preliminary design phase eintreten: Der erste Testflug bleibt für 2017 geplant. (NASA Release 25.7.2012)

Der Galileo-Testsatellit GIOVE-B wird still gelegt und in einen Graveyard-Orbit verfrachtet: Das Galileo In-Orbit Validation Experiment war wichtig für die Demonstration der Technologien für die europäischen Navigationssatelliten. Da die ersten beiden operationellen Galileos, die letztes Jahr starteten („Der erste Start …“) bestens funktionieren, werden die GIOVEs – der erste wurde schon 2009 in den Ruhestand geschickt und jetzt von der ESA aufgegeben – nicht mehr benötigt. (ESA Release 24., SSTL Release 5., ESA Release 3.7.2012)

Ist die „Pioneer Anomaly“ jetzt bitte endgültig tot …? Nachdem der winzige Bahneffekt der Raumsonden schon unzählige Male begraben („Pioneer-”Anomalie” noch besser ad acta gelegt“) wurde, hat sich abermals bestätigt, dass es die anisotrope Wärmeabstrahlung und nichts weiter ist, das hinter dem ein Jahrzehnt lang künstlich am Leben erhaltenen ‚Mysterium‘ steckt. (Turyshev & al., Preprint 11., Physics World 16., Planetary Society Blog 19.4., NASA, JPL Releases, Science Blogs 17., Universe Today, LA Times, Centauri Dreams, KosmoLogs, Spiegel 18., Focus 20., New York Times, Discovery 23.7.2012)

6 Antworten to “Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

  1. Noch rund 100 Stunden: “Curiosity” vor dem Ziel « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] zu einer entscheidenden kleinen Bahnkorrektur von Mars Odyssey am 24. Juli war nicht sicher gewesen, ob die Flugkontrolleure und die von der NASA reichlich […]

  2. Marco Says:

    Mich würde mal interessieren, warum das Kepler-Team so mit Exoplanet-Kandidaten um sich wirft. Prioritätsgründe können es ja nicht sein, denn die wäre erst mit drei gesicherten Transits im Kasten. PR? Einladung an andere zu Nachbeobachtungen? Außerdem ist die erste Kandidatenliste doch schon etwas älter, da müßte doch längst der eine oder andere Dritttransit zu beobachten gewesen sein. Ich frage mich nur, warum da immer nocht nichts gekommen ist.

  3. skyweek Says:

    Wie man inzwischen demonstrieren konnte, sind im Schnitt über 95% der Kepler-„Kandidaten“ tatsächlich Exoplaneten und nicht durch Doppelsterne im Hintergrund o,ä, vorgetäuscht: Alles zu veröffentlichen, was die entsprechende Signifikanzgrenze überschritten hat, bringt also die Astronomie klar voran, da man anhand der Kandidaten-Tabellen eine Menge Statistik betreiben kann. Und den Mechanismen der Planetenentstehung (und ihrer Vielfalt) so eher auf die Schliche kommen mag als durch einige wenige im Detail beobachtete Einzelfälle – von denen Kepler natürlich auch schon eine Anzahl interessanter Exemplare geliefert hat.

  4. Marco Says:

    Danke. Dann hoffen wir mal, daß die übrig gebliebenen Drallräder möglichst lange halten.

  5. Live-Blog zur 44. Tagung der DPS der AAS in Reno « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] man sich inzwischen ausgedacht, um den befürchteten Staubwolken um den Zwergplaneten (“New-Horizons-Planer besorgt …”) ggf. entgehen zu können, hat der Sonden-Chef […]

  6. Allgemeines Live-Blog ab dem 18. Januar « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] ist schon länger ausgefallen (“Kepler weniger redundant …”) – und nun ist auch ein zweites der vier […]

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