10. Januar

Eta Carinaes Kollision der Winde hält Forscher in Atem
Praktisch alle Spezialisten für den berühmten Luminous Blue Variable Eta Carinae gehen von einem Doppelstern mit elliptischem Orbit aus: Was sonst sollte die exakt 5.54-jährige periodische Wiederkehr dramatischer und immer ähnlicher Veränderungen seines Spektrums erklären, während dazwischen kaum etwas passiert? Die naheliegende Erklärung für dieses Phänomen ist die Wechselwirkung zweier unterschiedlicher Sternwinde, die mit jedem Periastron ihre Eigenschaften ändert. Den interagierenden Winden war – anlässlich der jüngsten engen Begegnung der Sterne 2014 – eine ganze PK der AAS-Tagung gewidmet (auch ein NASA Release und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier): z.B. dieser Messreihe der Linienintensität von Helium II bei 469 nm. Mehrere Amateure in Australien und Neuseeland haben übrigens maßgeblich zu der guten Abdeckung beigetragen, wurde mehrfach betont: Das He II hängt v.a. mit dem Wind des Primärsterns zusammen. Was die drei Peaks verursacht, ist weniger klar, wohl aber dass sich der Sternwind seit dem letzten Periastron 2009 nur wenig verändert hat, wenn man die Kurven übereinander legt. Die Röntgenstrahlung von den kollidierenden Winden (ein früherer Press Release) verändert sich dagegen markant von Periastron zu Periastron, auch wenn das generelle Muster bleibt und die großen Veränderungen exakt periodisch einsetzen: Das deutet auf größere Schwankungen der Windeigenschaften hin. Mit Hubbles STIS wurden auch „Fossilien“ früherer Interaktionen der Winde aus dem Homunculus-Nebel gekitzelt – und am 7. Februar 2020 ist das nächste Periastron. [23:55 MEZ – Ende]



Dragon perfekt im Orbit – Bruchlandung der Falcon-Stufe auf der schwimmenden Plattform: Das ist das Fazit der Weltraum-Action heute Morgen. Der SpaceX-Chef spricht von einer „harten Landung“, bei der auf dem Drohenschiff aber nur geringer Schaden entstand: Videomaterial des Crashes gibt es nicht, aber man wird die Trümmer nachhause bringen. Das Wichtigste war aber eh der Transport des Dragon zur ISS gewesen, wo er am 12. um 12:12 MEZ ankommen soll: Updates, erste Artikel hier, hier, hier, hier und hier und weitere Visuals hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [11:55 MEZ] SpaceX und NASA Releases, ein Start-Video, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier – und die plötzliche Absage der üblichen PK nach einem Start wird mit Verwunderung quittiert. [13:05 MEZ] Der Raketenstufe war die Hydraulik-Flüssigkeit ausgegangen – beim nächsten Mal nimmt man mehr mit. Auch Fotos vom Start, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und mehr Links. [23:25 MEZ]

Abermals wartet die Falcon 9 auf ihren ersten Landetest
nach dem Start des nächsten Dragon zur ISS, der weiterhin für heute 10:47 MEZ vorgesehen ist, mit dem verdächtigen Aktuator ersetzt und 80% Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter: Updates und erneute Vorschauen hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Auch die Untersuchung der Orion, der erste Triebwerkstest für das SLS (das RS-25 ist das modifizierte Shuttle-Hauptriebwerk), wozu die Asteroid Redirect Mission vor allem gut sein soll, wieso man auf der ISS kaum twittern kann – und unbeirrtes Weitermachen mit dem SpaceShipTwo 2015; über die Zerstörung des ersten 2014 hat man seit diesem NTSB Release nichts mehr gehört. [2:45 MEZ]
Weitere Papers, auf Pressekonferenzen der AAS gefeiert
Inzwischen sind die Aufzeichnungen aller 8 PKs während der 225. AAS-Tagung hier frei verfügbar: Wie schon in früheren Jahren waren es selten brandheiße Forschungsergebnisse, die vorgestellt wurden, sondern oft Papers, die schon eine Weile online waren – oder wie im Falle der ersten periodischen optischen Variabilität eines Quasars soeben in Nature erschienen. Das Signal mit 4.0±0.2 Jahren Periode wird – auf nicht genau verstandene Weise – von einem sehr nahen zweiten mutmaßlichen supermassiven Schwarzen Loch verursacht, das in weniger als 1 Mio. oder gar 100’000 Jahren mit dem ersten verschmelzen wird. 247’000 Quasar-Lichtkurven der Catalina Real-time Transient Survey waren analysiert worden („Big Data Science“!), 20-mal gab es periodische Signale, und dies war das beste. Weitere vorgestellte Papers:
- Ein Pulsar testet die Allgemeine Relativität – indem sein Signal immer schwächer wird! PSR J1906+0746 befindet sich in einem 4.0-Stunden-Orbit um einen Begleiter, und das Schrumpfen des Orbits, die Gravitations-Rotverschiebung und die Wanderung des Periastrons beschreiben das System extrem genau: Der Pulsar hat 1.29, der Begleiter – ebenfalls ein Neutronenstern oder ein Weißer Zwerg – 1.32 Sonnenmassen. Die ART sagt für solch eine Konstellation eine geodätische Präzession von 2.2°/Jahr voraus, die dazu führt, dass die Pulsarstrahlung die Erde immer weniger trifft: Exakt dieser Effekt wird tatsächlich beobachtet, Akte zu.
- Radioastronomen beobachten Cassini im Saturnorbit mit Very Long Baseline Interferometry zusammen mit fernen Galaxien auf Millibogensekunden genau, so daß die Bahn Saturns im Raum außerordentlich präzise beschrieben werden kann. Der Very Long Baseline Array tut dies nun schon seit Jahren, und nur bei Saturn ist dies dank Cassinis starkem Funkträger zum ersten Mal möglich: Mit Galileo im Jupiterorbit klappte es nicht, weil dessen Hauptantenne nicht aufging und das Signal zu schwach blieb – mit Juno sollte es ab Mitte nächsten Jahres aber gehen. Sinn des Ganzen sind dynamische Untersuchungen am Sonnensystem.
- Der letzte Beitrag der letzten PK war eine typische Exoten-Überlegung aus dem Hause Nemiroff (der mit dem APOD): Was passiert, wenn ein Lichtstrahl schnell durch den Raum schwenkt und Objekte trifft? Die tollsten Sachen, hat er ausgerechnet: Es kann vorkommen, dass gleichzeitig zwei Trefferpunkte in entgegengesetzten Richtungen über das Target rasen, ein „photonic boom“. Das passiert im Gedankenexperiment, könnte im Prinzip am Mond demonstriert werden – und tritt womöglich in der Astronomie hier und da auf.
Inzwischen gibt es auch einen
Tagungsbericht vom vierten Tag sowie einen
Tagungs-Press Release zur Andromeda-Galaxie, der mit
diesem über ein Jahr alten Paper sowie der auf der Tagung vorgestellten
riesigen Durchmusterung von M 31 („7 weitere Press Releases …“) zusammen hängt: Offenbar sind die Sterne in unserer Nachbargalaxie weit mehr in Unordnung als in der Milchstraße und können bis in den Halo gekickt werden. Und auf der Tagung
wurde auch bekannt, das der Kepler-Satellit und die fliegende Sternwarte SOFIA finanziell stabil sind. [1:45 MEZ]
9. Januar

Das war das große Disconnection Event von gestern, hier aufgenommen von Rolando Ligustri um 19:34 UTC: auch eine 7-Stunden-Serie ab 19:00 UTC von Tony Angel, eine Animation von Nick Howes, Artikel hier, hier und hier, Bilder von heute 21:03 (negativ), 18:23, 11:00 (dito), 3:20, 2:18 (und Animation bis 3:18), 2:17 und 2:15 UTC und von gestern um 21:40 (Falschfarben), 21:01, 20:20, 19:37, 18:39, 18:36, 14:16, 13:30, 12:50, 12:00, 11:59, 10:47, 10:30 und 3:36 UTC. Sowie Detailbilder von vorgestern (mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), Bilder mit kleineren Optiken von heute (mehr), gestern (mehr, mehr, mehr und mehr) und vorgestern, eine größere Sammlung, ältere imposante Bilder hier, hier, hier und hier, ein verwegen bearbeitetes und weitere Artikel hier, hier, hier, hier und hier. Auch hier und hier mehr zum rumänischen Boliden, ein möglicher frischer Krater in der Antarktis (Diskussion), Venus & Merkur gestern, eine preiswerte Exoplaneten-Suche, eine Schaltsekunde im Juni – und ein wichtiges Update zum Crowdfunding von interstellarum. [23:45 MEZ]
ASAS-SN findet jede 2. helle Supernova – und noch mehr
In der Entdeckungs-Statistik heller = naher Supernovae nimmt die Gemeinschaft aller Amateurastronomen einen ehrenvollen zweiten Platz ein – aber weit an der Spitze, mit der Hälfte aller Entdeckungen, sitzt die All-Sky Automated Survey for Supernovae, die mit derzeit vier 6″-Teleskopen auf Hawaii und 2 in Chile permanent den Himmel abscannt; am Ende sollen es sogar 16 Teleskope an 4 Standorten werden. Bereits mindestens 94 Supernovae sind ASAS-SN ins Netz gegangen aber auch – da der ganze Himmel abgesucht wird und nicht nur einzelne Galaxien – über 250 Kataklysmische Veränderliche (CV) sowie allerlei exotische Sternprozesse. Die CV-Jagd ist gerade automatisiert worden – und das Ziel der ASAS ist es, so wurde auf der 7. AAS-PK gestern Abend verkündet – sämtliche Entdeckungen automatisch und quasi in Echtzeit frei zu verbreiten, auf dass Follow-Up-Beobachtungen anderswo beginnen mögen. [5:25 MEZ] Die Effizienz von ASAS-SN schlägt sich auch in dieser Statistik nieder. [21:10 MEZ]

Die erste Himmelskarte der „Diffuse Interstellar Bands“ – jener geheimnisvollen Absorption durch unidentifizierte Riesenmoleküle im interstellaren Medium – gehörte auch zu den ungewöhnlichen Themen der letzten PK (s.u.), und auch sie basiert auf der Datenflut der SDSS: Es ist nämlich gelungen, die DIB-Signatur in zahlreichen Stern- und Galaxien-Spektren dieser Durchmusterung nachzuweisen. Und so kann nun die DIB-Dichte über den von der SDSS abgedeckten Teil des Himmels geplottet werden (darunter liegt Staub, detektiert von der 2MASS-Durchmusterung): Da sollte die DIBologie nach einem Jahrhundert Rätselratens – die ersten wurden 1922 entdeckt – voranbringen. Von der Tagung auch die Folien der NASA Townhall (mehr zur Decadal Survey 2020 und ein Artikel) und ein Artikel zur Rolle des Merkur im Kontext von Kepler-Erkenntnissen zu Planetensystemen – und der Verkauf von Okular-Zeit zur Finanzierung alter US-Sternwarten. [4:30 MEZ]
Maschinen-Intelligenz macht aus Lichtkurven Sternspektren
Auf der 8. und letzten AAS-PK ging es heute Nacht quasi um Extrem-Astronomie, mit der man nicht gerechnet hätte – darunter dieses Training eines Computers, der mit 9000 Lichtkurven von Sternen in 5 Farben (aus der unten erwähnten SDSS) gefüttert wurde, daraus jeweils 66 Eigenschaften ableitete und sie mit den Spektren der entsprechenden Sterne aus einer anderen Durchmusterung mit dem MMT verglich. Subtile statistische Zusammenhänge der Größen wurden automatisch erkannt, und schließlich konnte das System anhand nur der Lichtkurven mit hoher Treffsicherheit die Temperatur, Metallizität etc. der Sterne ableiten: auch nicht schlechter als aus typischen direkt aufgenommenen Spektren niedriger Auflösung – deren Gewinnung aber erheblich mühsamer ist als das simple Messen von Sternhelligkeiten. Wenn ab etwa 2020 das LSST permanent 20 Milliarden Quellen am Himmel überwachen wird, sollten darunter etwa 50 Mio. Veränderliche sein: Denen kann die Maschinen-Intelligenz dann quasi Spektren zuweisen und so das LSST in einen „Pseudo-Spektrographen“ verwandeln. Und as Ergebnis wären detaillierte Karten der Milchstraße, in denen von jedem Stern seine fundamentalen Parameter bekannt sind – ein tolles Werkzeug zum Verständnis der Evolution der Galaxis. [4:05 MEZ]
8. Januar

Nur einer der beiden Galaxien-Kerne im Merger Arp 299 ist aktiv, zeigen Beobachtungen mit dem Röntgensatelliten NuSTAR bis 45 keV Energie (links; rechts auf ein optisches HST-Bild gelegt), die auf der AAS-Tagung diskutiert wurden: Arp 299-B rechts emittiert kräftig, der Kern der anderen Galaxie nicht. Wird ja im Laufe der Verschmelzung vielleicht noch. Auch Berichte von der Tagung vom ersten, zweiten und dritten Tag, leider keine gemeinsame Analyse von BICEP2 & Planck, dafür aber parallele Universen, ein Überblick wo er Hubble-Etat bleibt – und schon zehn Videos von Mini-Talkshows am Rande des Meetings. [22:55 MEZ]
Alle Daten der 3. Sloan Digital Sky Survey sind nun frei
Der Data Release 12 der energischen Himmelsdurchmusterung wurde auf der AAS-Tagung vorletzte Nacht ausgiebig vorgestellt (weitere Releases hier und hier und Artikel hier und hier): Er ist der letzte der Sloan Digital Sky Survey III, die eigentlich aus vier Himmelsdurchmusterungen mit dem 2.5-m-Teleskop in New Mexico gleichzeitig von 2008 bis Sommer 2014 bestand, und der größte, mit 5 Millonen Spektren, Bildern von 470 Mio. Galaxien und Sternen und 117 Terabyte Umfang. Entscheidend war neue Technik, um besonders viele tiefe Spektren gleichzeitig aufnehmen zu können. Das Kosmologie-Programm BOSS deckte dabei 1/4 des Himmels ab, gewann Spektren von 1.4 Mio. Galaxien mit z2. Die Auswertung im Hinblick auf Baryonen-akustische Oszillationen zeigt keine Abweichungen der Dunklen Energie von einer Kosmologischen Konstanten, und zusammen mit Daten von Planck erweist sich die Geometrie des Kosmos als flach: Irgendwie scheint der Kosmos doch simpel gestrickt zu sein. Das MARVELS-Programm nahm immer wieder Spektren von 5500 Sternen der Milchstraße auf, 98’000 insgesamt: die homogenste Radialgeschwindigkeits-Durchmusterung bisher. Gefunden wurden u.a. 285 neue Doppelsterne, 38 Kandidaten für Braune Zwerge und 51 für Riesenplaneten; da stecken aber noch mehr in den Daten. Und das Programm APOGEE wandte sich – als erstes überhaupt in der SDSS-Geschichte – der Milchstraße als solcher zu: mit Nah-IR-Spektren von Sternen aller Populationen und solcher, die sich hinter Staub verstecken. Unterschiedliche Entwicklungsgeschichten in verschiedenen Regionen der Milchstraße werden bereits deutlich; jetzt setzt man die Beobachtungen in Chile fort, um den Himmel zu komplettieren: im Rahmen der bereits laufenden SDSS IV. [22:40 MEZ]

Komet Lovejoy hat heute wohl einen Schweifabriss erlitten: Das sollen Aufnahmen von heute Abend zeigen, und auch dieses Bild von M. Mobberley von 11:44 MEZ deutet etwas in Koma-Nähe an, was diese etwas spätere Aufnahme (eine farbige Version) zu bestätigen scheint. Weitere Bilder von heute hier, hier und hier, von gestern hier, hier, hier, hier und hier und von vorgestern, Artikel hier, hier, hier, hier, hier und hier (mit falschen Angaben zum Mond) sowie ein Gag. Außerdem der überraschende Rücktritt des MPC-Chefs wegen zu wenig Rückhalt oder so, mal wieder eine Widerlegung der Meteorit-killte-Mammuts-Spekulation, eine Feuerkugel über Bukarest (mehr), Merkur & Venus 6.1., Amateur-Beobachtungen eines Satelliten-Burns, eine Astro-Outreach-Konferenz in Kolumbien – und ein neuer Besucherrekord im Planetarium Bochum 2014. [22:15 MEZ]
Die Falcon – mit Landeversuch – soll’s nun am 10. probieren
Am Samstag um 10:47 MEZ soll nun der nächste Startversuch der Falcon 9 mit dem Dragon und landebereiter 1. Stufe erfolgen: mehr auch hier, hier und hier. Derweil wird der Reentry des letzten ATV vorbereitet, es wird kein dritter Bewerber für den kommerziellen NASA-Crew-Transport zur ISS zugelassen (dessen Reaktion und Artikel hier und hier) – und Indien experimentiert im März mit einem wiederverwendbaren Raumfahrzeug. [4:35 MEZ]