Koronographie zu zweit: Satelliten für Proba-3 sind fertig!
Hier wurde zum ersten Mal vor fast 14 Jahren darüber berichtet, als der Start noch für etwa 2012 vorgesehen war, dann wurde das Projekt wieder und wieder verschoben – aber nun sind beide Satelliten vollständig integriert, die die ESA-Mission Proba-3 bilden und kommendes Jahr auf einem indischen PSLV starten sollen. Der obere hat dabei lediglich die Aufgabe, mit einer 140-cm-Scheibe die Photosphäre abzudecken, wodurch der untere in 144 Metern Abstand einen ungestörten Blick auf die Sonnenkorona bekommt. Auf einer hochelliptischen Bahn bis 60’000 km Erdabstand mit 19.5 Stunden Periode sollen die Satelliten jeweils 6 Stunden lang rund ums Apogäum die perfekte Ausrichtung zueinander einhalten, die restliche Zeit wird Sprit gespart. Die Komponenten von Proba-3 kommen zwar aus ganz Europa, aber das Projekt ist vor allem belgisch; getestet werden die Satelliten nun bei der IABG in Deutschland.
Noch diese ganze Woche ist in der Salvatorkirche in Duisburg das „Museum of the Moon“ zu sehen, ein britischer 7-Meter-Leuchtmond mit detailreicher Oberfläche vom LRO, bis Samstag täglich von 10-17 und Donnerstag bis Sonntag von 19-22 Uhr: eine kommentierte Bilderstrecke und 69 Fotos in groß hier oder hier. Derweil wurde das Copernicus-Museum in Rom wieder eröffnet und wird Ende April ein Exemplar seines ‚De Revolutionibus‘ versteigert, das mindestens 2.5 Mio.$ bringen soll. Und noch die Venus vor drei Tagen – während verbreitetes Gefasel im Internet über eine auffällige Planeten-Ansammlung am Abendhimmel jetzt kompletter Blödsinn ist: Jupiter und Merkur stehen bereits bzw. noch extrem sonnennah, und der Uranus hat nur 6 mag., so dass nur Mars und Venus in weitem Abstand voneinander tatsächlich zu sehen sind … [21:55 MESZ]
Die letzten 36 OneWeb- und weitere 56 Starlink-Satelliten
Der 35. Start einer Electron-Rakete am 24. März (der Webcast, ein Video, ein Ticker und Artikel hier und hier), eine Selfie eines Nachrichten-Satelliten im GEO (Hotbird 13F, andere Bilder zeigen auch die ferne Erde) und ein Sentinel-2-Bick auf den Vulkan Nishinoshima, wo Untersee-Aktivität das Wasser verfärbt (auch animierte Lithium-Verdunstungs-Felder vom selben Satelliten) – ferner eine Erklärung für den Fehlstart eines New Shepard ohne Passagiere (Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier) und der Reentry einer chinesischen Rakete über Florida (Beobachtungen hier, hier und hier) und einer anderen über Spanien. Und in Sachen ISS der Zeitplan für die Rückkehr von Soyuz MS-22 morgen (Abdocken 11:57, Landung 13:45 MESZ), die weiteren Pläne (mehr) und die Verspätungen von Starliner (mehr) und Dream Chaser. [20:30 MESZ]
Drei Länder – zwei Raketen-Starts – und eine tolle Webcam
Die Nacht 23./24. März brachte nicht nur beachtliches natürliches Polarlicht nach Europa und anderswo (s.u.) – in Skandinavien gab es gleich zwei künstliche Zugaben … und eine live streamende Kamera in Sodankylä in Finnland bekam alles mit. Zuerst ab 19:24 MEZ das BROR-Experiment aus Kiruna in Schweden mit der Erzeugung leuchtender Wolken, das am letzten möglichen Tag doch noch gelungen ist. Hier Screenshots von 19:25:54, 26:30 und 27:34 MEZ, andere hier oder hier, die Entwicklung in Echtzeit und im Zeitraffer, zahlreiche Fotos aus Finnland hier, hier und hier – und die Aufzeichnung einer Live-Übertragung des Experiments aus Kiruna: Start bei 1:05:49, Wolken ab 1:07:12, Verblassen gegen 1:22.
Wolken am frühen Morgen über dem Mars, aufgenommen von Perseverance am 18. März oder Sol 738 der Mission: auch andere Verarbeitungen hier, hier, hier, hier und hier und eine Animation mehrerer Bilder hier und hier sowie ein Sonnenuntergang von Ingenuity aus gesehen, der 48. Flug des Helikopters gerade (mehr und mehr) – und ein simulierter Flug über Perseverances Landeort Krater Jezero, aus Bildern der HRSC auf dem Mars Express.
Dritter Versuch: Das nächste Start-Fenster für die Terran 1
und ihren ersten Start hat begonnen, der Webcast ebenfalls, und t-zero ist momentan 3:38 MEZ – Höhenwinde hatten prompt wieder eine Verschiebung erzwungen. [3:10 MEZ] Und der Countdown ist bei t-25 Minuten angehalten … weil ein Boot in der Verbotszone ist. [3:15 MEZ] Neues t-0 ist 4:05 MEZ. [3:35 MEZ] Der Countdown läuft wieder. [3:40 MEZ] Und ein Hold bei t-10 Minuten – jetzt sind’s wieder die Höhenwinde. Neues t-0 wohl 4:25 MEZ. [3:55 MEZ] Und läuft wieder – alles ist go. Auch ein ferner Blick auf die Rampe. [4:10 MEZ]
Die Terran 1 ist gestartet (unten), überstand MaxQ (Mitte; das war bereits das definierte Minimal-Kriterium für einen Erfolg), es gab einige Live-Bilder von Bord, auch MECO und Staging klappten und die Zündung des Triebwerks der zweiten Stufe (oben) – doch Sekunden später ging es wieder aus, und dabei blieb’s. Damit war zwar der Weltraum aber kein Orbit erreicht, aber eine Nutzlast war eh keine an Bord – und die Terran 1 hat schon mal demonstriert, dass eine weitgehend aus einem 3D-Drucker stammenden Rakete die größten mechanischen Belastungen beim Start übersteht! Der Webcast endete dann schnell. [4:40 MEZ] Eine Abschätzung der erreichten Bahn, Fotos hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein fernes Video – und die Aufzeichnung eines anderen Webcasts. [4:55 MEZ]
Eine Strichspur-Aufnahme des Flugs, dazu ein Statement von Relativity: „Today’s launch proved Relativity’s 3D-printed rocket technologies that will enable our next vehicle, Terran R. We successfully made it through Max-Q, the highest stress state on our printed structures. This is the biggest proof point for our novel additive manufacturing approach. Today is a huge win, with many historic firsts. We also progressed through Main Engine Cutoff and Stage Separation. We will assess flight data and provide public updates over the coming days.“ [5:10 MEZ] Weitere Strichspuren hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und Artikel hier, hier und hier. [5:25 MEZ]
Die Nukleinbase Uracil und Nicotinsäure auf Asteroid Ryugu
Die Proben, die die japanische Sonde Hayabusa 2 vom Asteroiden (162173) Ryugu geholt hat, sind voll spannender und gar präbiotischer Biochemie: Wie nun in dem Paper „Uracil in the carbonaceous asteroid (162173) Ryugu“ – auch ein Press Release, Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und ein Newsclip – zu lesen ist, wurde darin mit Uracil eine der vier Nukleinbasen der RNS und mit Nicotinsäure oder Niacin ein Vitamin des Eiweiß-, Fett- und Kohlenhydratstoffwechsels entdeckt, das früher Vitamin B3 hieß. „The present study strongly suggests that such molecules of prebiotic interest commonly formed in carbonaceous asteroids including Ryugu“, schließt das Paper, „and were delivered to the early Earth.“ Ebenfalls von fundamentalem Interesse sind die Papers „Satellite Confirms the Principle of Falling“ und „Result of the MICROSCOPE Weak Equivalence Principle test“, jetzt Gegenstand eines Interviews zum Äquivalenz-Prinzip und wie es der Satellit verifiziert hat.
Zwei Falcon-9-Starts in nur 4 Stunden & 12 Minuten Abstand
hat es gerade gegeben: erst gestern um 20:26 MEZ mit 52 Starlink-Satelliten an der West-, dann heute um 0:38 MEZ mit zwei SES-Nachrichtensatelliten an der Ostküste – hier ein paar Screenshots aus dem zweiten Webcast (daraus der Start und die Landung), denn da war das Wetter besser und das Licht ideal für spezielle Lichteffekte. Angefangen mit dem Start in der Dämmerung, dem erneuten Sonnenaufgang während des Brennens der ersten Stufe, einem ungewöhnlich kontrastreichen Blick auf die beiden Stufen (die erste bei der Rückkehr unten) und die Hälften der Nutzlastverkleidung (rechts), und dann war auch noch der Kondensstreifen lange hinter der Düse der zweiten Stufe am Horizont zu sehen. Der erste der beiden Satelliten ist bereits ausgesetzt … [1:10 MEZ]
Magellans Radar sah Hinweise auf Venus-Vulkanismus heute
Oder besser gesagt vor 32 Jahren, denn so lange hat es gedauert, bis die Veränderung einer erst 2.2 und dann 4.0 Quadratkilometer großen vulkanischen Öffnung („Expanded Vent“) innerhalb von 8 Monaten im Jahr 1991 jemand auffiel und gestern im Paper „Surface changes observed on a Venusian volcano during the Magellan mission“ und auf der Konferenz LPSC 2023 kundgetan wurde. Leider schaute das Radar an den beiden Terminen in sehr unterschiedlichem Winkel auf die Oberfläche, so dass sich die Echo-Bilder auch deswegen stark unterscheiden; die Realität eines vulkanischen Ausflusses („New Flows“) ist daher unklar. Und aus der einen klaren Veränderung, die gefunden wurde, lässt sich der Zustand des Venus-Vulkanismus insgesamt kaum abschätzen: auch Press Releases hier, hier und hier, die Aufzeichnung einer Pressekonferenz und Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [0:00 MEZ] Und hier, hier, hier, hier und hier.
Was sich die NASA für’s Finanzjahr 2024 wünscht – im Detail
Soeben sind die kompletten Dokumente zum NASA Budget Request für das Fiscal Year 2024 auf den NASA-Seiten verfügbar geworden: die komplette Wunschliste (929 Seiten), eine Präsentation (43 Slides wie dieses), Fact Sheets (21 Seiten) und eine Kurzfassung (3 Seiten). „With this budget, NASA will support 148 total missions“, heißt es auf dem letzten Slide: „20 crewed, 49 Moon-to-Mars, 66 Science, 32 Protecting Our Planet, 13 ISS Crew Rotation, 30 ISS Resupply, & 19 Technology Missions, Launches, Demonstrations, Instruments or Flights among other operations over the next 6 years“.
In Sachen Artemis fällt auf, dass man auf die erste Mondlandung mit Crew noch Ende 2025 hofft, die nächsten Starts aber erst ab Herbst 2028 folgen sollen, dann im Jahrestakt. In das SLS sollen 2024 jedenfalls weitere 2.5 Mrd.$, in den Lander 1.9 Mrd.$, die Orion 1.2 Mrd.$, das Gateway 900 Mio.$ und in die Boden-Infrastruktur 800 Mio.$ gesteckt werden, dazu noch einige 100 Mio.$ mehr in die Entwicklung künftiger Systeme. Dazu kommen parallel aber noch rund 3.5 Mrd.$ in den Weiterbetrieb der ISS (immer noch bis 2030 erhofft)
Und hier die NASA-Wissenschaft: was es im FY 2023 gab („enacted), was für’s FY 2024 gewünscht wird und was für’s FY 2025 gefordert werden soll. In den 3.4 Mrd.$ für die Planetenforschung stecken 950 Mio.$ für die Mars Sample Return Mission und 700 Mio.$ für andere Missionen hoher Priorität wie den Europa Clipper und den Titan-Helikopter Dragonfly, in den 1.6 Mrd.$ für die Astrophysik 400 Mio.$ für das Nancy Grace Roman Space Telescope und 350 Mio.$ für den Betrieb der Großen Observatorien (JWST, Chandra, Hubble) aber auch 40 Mio.$ für eine geordnete Abwicklung von SOFIA. Und außerhalb des Wissenschaftsprogramms sollen 1.4 Mrd.$ in weitere Technologie-Entwicklungen gesteckt werden. Um 18:00 MEZ streamt hier eine Telecon zu dem Budget Request. [16:15 MEZ. NACHTRÄGE: Mini-Threads davon hier und hier, ein kurioses Bild erklärt, ein Statement der KSC-Direktorin, mehr Gedanken zur Artemis-Timeline und Wissenschaft im Budget Request und Artikel hier, hier, hier und hier]
12. März
Die Crew 5 ist bereits auf dem Rückweg von der ISS zur Erde
und soll um 2:11 MEZ heute den Wiedereintritt einleiten und um 3:02 MEZ vor Florida wassern: die Übertragung des Abdockens des Crew Dragons Endurance (die kritischen Minuten hier oder hier plus Screenshots; auch oben), NASA-Updates von 8:42 und 6:39 MEZ gestern, Visualisierungen der Eintritts-Bahn über der Karibik hier und hier, ein Ticker und Artikel hier und hier. [0:15 MEZ] Eine Live-Übertragung der Rückkehr beginnt. [2:00 MEZ]
Der 11-minütige Deorbit-Burn läuft: ein Blick über die Schultern der Crew, die die Arbeit der Düsen auf ihren Displays verfolgt – das geht alles vollautomatisch, aber über einige wenige Buttons könnte sie bei Notfällen eingreifen. [2:20 MEZ] Der Burn ist erfolgreich beendet, und der Nasen-Deckel hat sich geschlossen. [2:25 MEZ]
Grandiose Live-Video-Bilder während der Rückkehr des Dragon: seine Leuchtspur zwischen den Sternen und dann die Kapsel am Fallschirm, verfolgt von Suchscheinwerfern bis zur Wasserung – acht Zeitschritte als Original-Screenshots in diesem Thread! [3:25 MEZ]
Keine Stunde nach der Wasserung waren alle Besatzungsmitglieder aus der Kapsel geholt worden, die Kosmonautin zuletzt. Auch aus Florida Videos hier, hier, hier und hier und weitere Fotos hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier vom Reentry. [4:05 MEZ] Und hier.
Die ersten Bilder aus dem Foto-Album vom Schiff, NASA-Updates von 3:15, 2:27 und 2:14 MEZ – und eine Telecon zur Wasserung beginnt. [4:30 MEZ] Ein NASA Release zur Wasserung; im Album gibt’s nun auch Bilder der Crew-Extraktion. [5:00 MEZ] Etwa diese hier.
Und eins vom Hereinholen der Kapsel – auch noch ein besonders gutes Reentry-Video (aus Yucatan) und ein weiteres sowie noch mehr Fotos hier, hier und hier. [5:45 MEZ] Eine andere Version des o.g. Yucatan-Videos …
… und noch drei Bilder von der Bergungs-Operation in inverser Chronologie und inklusive des traditionellen Taucher-Absprungs; das NASA-Album wurde aus unerfindlichen Gründen zu dieser URL verschoben, die Links hinter den ersten Bilder sind entsprechend geändert. Auch weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier und hier.
Das Profil des Unglücksflugs der H3 – in km Höhe gegen Entfernung – aus dem dahinter liegenden 8-seitigen PDF auf Japanisch; weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Auch eine ukrainische Beschwerde üher den Vega-C-Bericht (Artikel hier, hier und hier), der lange Artikel „The small launch industry is brutal — yes, even more than you thought“ über das harte Geschäft mit kleinen Raketen – und Indiens Entsorgung eines alten Satelliten, des 2011 gestarteten Megha-Tropiques-1 (MT-1): Artikel hier, hier, hier und hier.
Die erste Terran-Rakete aus einem 3D-Drucker gestern Abend auf der Rampe, die heute starten soll; der Webcast beginnt um 18:00 MEZ – auch eine Infografik und Artikel hier, hier, hier, hier und hier. [15:00 MEZ] Und hier. [17:25 MEZ] Der Start der Rakete ist jetzt für 19:20 MEZ geplant, der Webcast läuft. [18:25 MEZ] Nun soll die größtenteils 3D-gedruckte Rakete um 20:00 MEZ starten, weil das Betanken nicht so schnell geht wie gedacht. [19:00 MEZ] Was jetzt auch zu einem Hold bei t-24 min. geführt hat. [19:40 MEZ] Neues t0 ist 20:40 MEZ. [20:00 MEZ] Noch 5 Minuten – und der Countdown läuft immer noch … [20:35 MEZ] … und ein Hold bei t-70 Sekunden. [20:40 MEZ] Der Grund war die Sauerstoff-Temperatur der 2. Stufe: Der Countdown wurde recycelt, und das neue t0 ist 21:45 MEZ. [21:05 MEZ] Und bei t-22m59s ist der Start für heute abgesagt worden. [21:30 MEZ]
Als Trostpreis hier ein neuer Trailer für den ersten teilweise auf der ISS gedrehten Spielfilm Вызов, was inetwa „Uisiff“ ausgesprochen wird und „Die Herausforderung“ bedeutet – auch ein Abschieds-Event der Crew 5 heute, ein Ausweichmanöver der ISS, erneut kommerzielle Cargo-Verträge, der VAE-Astronaut in Aktion (mehr und mehr) und Erinnerungen von Samantha an Wasser-Experimente. Sowie eine Telecon (Threads hier und hier) und ein Press Release zu den Erfahrungen mit Artemis I (Artemis II Ende 2024 scheint weiterhin möglich): auch Artikel hier, hier, hier, hier und hier. [21:35 MEZ]
Noch bis zum 19. März ist im Kölner Museum Schnütgen die Ausstellung „Magie Bergkristall“ zu sehen, die diese Varietät reinen Quarzes und seine Bearbeitung und Verwendung durch die Kulturgeschichte mit prächtigen Exponaten zeigt – vor allem aus dem europäischen Mittelalter, als auch die bemerkenswerten optischen Eigenschaften geschliffenen Bergkristalls vielfältig ausgenutzt wurden. Und so nebenbei auch Grundlagen der modernen Optik schufen.
Von der größten Bedeutung dafür sind wohl die beiden Visby-Linsen in der Ausstellung, aus einem Wikinger-Schatz, der um 1050 niedergelegt wurde, womit sie aus der 1. Hälfte des 11. Jh. stammen dürften. „Bei der ungefassten Linse handelt es sich um eins der größten Exemplare aus Visby“, heißt es im Ausstellungstext: „Sie ist asphärisch geschliffen, also nicht wie die Oberfläche einer Kugel gekrümmt, und verfügt über hervorragende Abbildungseigenschaften. Legt man sie direkt auf ein Objekt, wirkt sie als perfekte Lupe, ohne dass die Randbereiche unscharf werden.“ Den Strahlengang zeigt eine Abbildung aus dem Katalog, das Paper „Die Visby-Linsen“ beschreibt Messungen an mehreren Linsen. Ob die große Linse jemals als Lupe verwendet wurde, ist nicht klar und wird im Katalogtext bezweifelt – eher sollte sie wohl sie wie die kleinere als Schmuckstück gefasst, vom hinten verspiegelt und in einer Kette getragen werden. (Der Katalog erinnert auch an die „Nimrud-Linse“ ebenfalls aus Bergkristall und aus dem 8. Jh. BCE, deren Nutzung genau so unklar ist.)
Mehrere wertvolle Bücher sind in der Ausstellung zu sehen, etwa „Das Buch der Natur“ von Konrad von Megenberg in einer Auflage von 1482 (es entstand aber um 1350): daraus diese Abbildung eines Edelstein-Schleifers in der Werkstatt mit einem Kunden oder Experten.
Zu den prachtvollsten Kölner Exponaten gehören religiöse Gegenstände, insbesondere Reliquiare, bei denen Bergkristall mit Bedacht eingesetzt wurde: „Durchsichtige Kristallplatten ermöglichen einen klaren Blick ins Innere, während Linsen die Reliquien zwar sichtbar machen und vergrößern, häufig aber auch verzerren. Das Heilige scheint greifbar und bleibt doch entrückt“. Zum Beispiel hier in diesem Vierpassreliquiar aus Limoges aus der 2. Hälfte des 13. Jh.: „Fünf große gleichartige Linsen […] vergrößern und verzerren die darunter verborgenen Reliquien und korrespondieren mit dem gravierten Bildprogramm auf der Rückseite“.
Oder hier: Auf zwei Seiten des Reliquiars der hl. Barbara aus Köln um 1300 „stehen sich zwei große Kristallcabochons gegenüber, während an den Seiten ein noch größerer, stark gewölbter Kristall mit einer rechteckigen Platte korrespondiert. Die runden Kristalle sind zwar transparent, ermöglichen aber wegen der Wölbung keinen klaren Blick auf die Reliquien sondern verzerren diesen sogar. […] Nur die Platte gewährte eine etwas klarere Sicht auf den Reliquieninhalt. Offenbar ging es beim Einsatz von Bergkristall hier weniger um die größtmögliche Sichtbarkeit der Reliquien, als um einen ‚Visionseffekt'“.
Beim Großen Bernwardskreuz aus Hildesheim um 1150 war dagegen maximaler Durchblick angesagt, mit einem großen klaren Bergkristall in der Kreuzmitte als Symbol für Christus: „Die Transparenz des Bergkristalls machte die darunter geborgenen Kreuzpartikel sichtbar, die Kaiser Otto III. seinem Freund und Lehrer Bernward von Hildesheim geschenkt hatte. Sie waren die Hauptreliquien des von ihm neu gegründeten Michaelsklosters.“ Unter dem Bergkristall am oberen Kreuzende sitzt ein kleines Goldkruzifix.
Ein westfälisches Reliquienkreuz um 1050, mit Teilen bis ins 9. Jh. zurück: „Der im oberen Kreuzarm eingesetzte Cabochon ist tadellos poliert“, sagt der Text, „und fing das Licht während der rituellen Abläufe der Liturgie ein: Er wird zum Sinnbild der vollendeten Herrlichkeit des Auferstandenen.“
Es ging auch ohne Reliquien: ein Detail aus dem Scheibenkreuz mit gerippten Ranken wiederum aus dem Hildesheimer Domschatz von etwa 1140, mit Bergkristallcabochons verziert. „Von den kreuzförmig angeordneten Kristallen verweist der größte in der Mitte unmissverständlich auf Jesus Christus“, heißt es im Ausstellungstext: „Als Hinweis auf dessen unendliche, alle Räume und Zeiten umfassende Herrschaft könnte das Kreissymbol gelesen werden.“
Und zum Schluss noch zwei karolingische Gemmen aus Bergkristall, zum einen dieses Intaglio der Taufe Christie, um 855/69: „Die Taufszene zeichnet sich durch große Plastizität aus, das Spiel mit Licht und Schatten ist grandios.“
Und ein Standkreuz mit einem Intaglio der Kreuzigung aus etwa dem Jahr 900 (das Kreuz ist aus dem 15. oder 16. Jh.): „Personifikationen von Sonne und Mond erinnern an die Finsternis beim Tod Jesu“.
China genehmigt Mission zu – u.a. – Hauptgürtel-Komet 311P
Die letztes Jahr in diesem Artikel beschriebene Mission erst zwecks Sample Return zum Quasisatelliten der Erde (469219) Kamoʻoalewa (vormals 2016 HO3) und nach der Rückkehr zur Erde gleich weiter zum Kometen 311P/PANSTARRS (vormals P/2013 P5) im Asteroiden-Hauptgürtel ist gestern von China beschlossen worden: Es ist derzeit die einzige genehmige Mission zu einem Kometen überhaupt und die erste zu solch einem Exoten im Sonnensystem. Der Start von Tianwen-2 wird für 2025 angepeilt, der Eintritt in eine Bahn um PANSTARRS für 2034. Dessen beachtliche Kometen-Aktivität (oben Hubble-Bilder von 2013) wird wohl von erheblichen Wassereis-Vorräten angetrieben: Das macht derartige aktive Asteroiden zu potenziellen Lieferanten des Wassers auf der Erde und wissenschaftlich ganz besonders interessant. [3:05 MEZ]
Wird uns im Frühherbst 2024 ein Komet mit zweiter bis nullter Größe beglücken – der dann zwischen Sonne und Erde hindurch zieht … und durch Vorwärtsstreuung des Sonnenlichts am Kometenstaub bis zu minus fünf erreicht, wenige Grad neben der Sonne? Für einige Aufregung sorgt jetzt der neue Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS), vormals Objekt A10SVYR, der am 28. September 2024 ein Perihel in 0.39 a.u. erreichen soll – und schon jetzt in 7 a.u. Sonnen- und Erdabstand 17. Größe hat. Daraus ergeben sich kühn extrapoliert +2 bis +0 mag. am Morgenhimmel bei einer Elongation um 22°, wobei Tsuchinshan-ATLAS in Südafrika oder -amerika deutlich besser aus der Dämmerung auftaucht als in Europa. Im Oktober zieht der Komet dann zwischen Erde und Sonne hindurch und könnte – die rosa Extra-Spitze im aus einer Grafik von dieser Webseite extrahierten Modell – bis auf -5 mag. anschwellen, freilich nur wenige Grad von der Sonne entfernt. Auch ein interaktiver 3D-Bahn-Viewer, frühere Gedanken hier, hier und hier, eine Wikipedia-Seite und aktuelle Bilder hier, hier und hier. [6:30 MEZ] Eine andere Experten-Sicht: von „the most promising in many years“ bis „a sub-kilometer nucleus that disintegrates leaving us nothing to see“ ist noch alles drin. [7:00 MEZ] „Very promising and likely naked-eye“ nennt der Macher der obigen Lichtkurve den Kometen: „It’s likely large enough to survive“ das Perihel. [8:15 MEZ] Ein CBET mit u.a. der Entdeckungs, simulierte Himmelsanblicke und noch ein Foto. [17:45 MEZ] Und noch eins.