Posts Tagged ‘ALOS’

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

15. Mai 2011

Globaler Magma-Ozean von Io in Galileo-Magnetfeld-Daten

Erst jetzt sind Modellrechnungen ausgefeilt genug geworden, um in 11 Jahre alten Daten des Magnetometers auf dem Jupiter-Orbiter Galileo nach Effekten durch das Innenleben des Mondes Io zu fahnden: Dabei ist – unabhängig von mehreren früheren Argumenten – bestätigt worden, dass es unter seiner Kruste eine globale Schicht zumindet zähflüssigen Magmas gibt. ultramafisches Gestein wird nämlich in geschmolzenem Zustand ein guter elektrischer Leiter und beeinflusst das Jupiter-Magnetfeld in ähnlicher Weise wie der salzige Ozean von Europa- Allerdings sind die Aussagen über Ios 50 bis 200 km dickem Magma-„Ozean“ (aus mindestens zu 20% geschmolzenem Lherzolith?) nur vage, basiert doch die Analyse auf nur zwei nahen Vorbeiflügen Galileos an Io 1999 und 2000: Ja, wenn man einen eigenen Io-Orbiter hätte … (JPL Release, Ars Technica, Bild der Wissenschaft 12., Gish Bar Times, Space Today 13.5.2011)

Titans Atmosphäre könnte durch Kometeneinschläge entstanden sein, während des Late Heavy Bombardements vor 3.9 Mrd. Jahren: Das legen Laborversuche nahe, bei denen Projektile auf eine Mischung aus Ammoniak und Wassereis geschossen wurden, die der Kruste des Saturnmonds entspricht. Dabei wurde etwas Ammoniak in Stickstoffgas umgewandelt: Man kann hochrechnen, dass die gesamte dichte Stickstoffatmosphäre Titans auf diese Weise gebildet worden sein könnte. (New Scientist 8.5.2011. Und Ars Technica 9.5.2011 zu weiteren Indizen für einen unterirdischen Titan-Ozean)

MESSENGER schon mehr als 100-mal um den Merkur gesaust

Am 6. Mai war dieser Meilenstein erreicht: Der erste Merkur-Orbiter hatte bis dahin fast 2 Mio. Kommandos ausgeführt, über 70 Mio. Magnetfeldmessungen gemacht, 300’000 Spektren von Gamma bis IR und 16’000 Bilder aufgenommen. Zur Zeit geht es besonders „heiß her“, da MESSENGER die Tagseite Merkurs beim höchsten Sonnenstand überfliegt – dafür geht es umgekehrt immer wieder in den Schatten des Planeten: Der Orbiter hat damit aber – dank umfassender Vorbereitung – keine Probleme. (Mission News 6.5.2011)

Genesis-Analyse fördert Isotopen-Differenz Sonne(nwind) / innere Planeten zu Tage: Mühsam ist die Auswertung der Sonnenwindteilchen, die die Genesis-Mission einsammelte und die dann unsanft in der Wüste landeten (siehe Artikel 946) – aber es geht. Gelegentlich erscheinen Papers zur Mission, jetzt mit überraschenden Sauerstoff-Isotopenverhältnissen. (Los Angeles Times 9.5.2011)

Japan gibt Satellit ALOS auf: symbolisches „letztes Kommando“

Gehört hat der ausgefallene Advanced Land Observing Satellite („Japanischer Erdbeobachter …“) das finale Kommando am 12. Mai – Sender & Batterien aus! – wohl nicht mehr: Die Elektrik war schon drei Wochen vorher zusammen gebrochen, jeder Versuch der Kontaktaufnahme fehlgeschlagen. Nach der Ursache wird weiter gesucht, aber immerhin hatte ALOS alis Daichi seine nominelle Lebensdauer von 3 Jahren klar überschritten und die gewünschten 5 Jahre gerade eben erreicht. Vor allem Bilder von frischen Naturkatastrophen wie den Erdbeben in Sichuan 2008 und Japan selbst diesen März hat ALOS geliefert: Rund 100-mal pro Jahr gab es Anfragen. (JAXA Release, Spaceflight Now, Space.com 12.5.2011)

Investment-Firma will argentinischen Satelliten als Geisel nehmen: Die auf den Cayman-Inseln ansässige NML Capital Ltd. fordert vom argentinischen Staat mehrere Milliarden Dollar – und hat versucht, den kurz vor dem Start stehenden argentinisch-amerikanischen Forschungssatelliten SAC-D/Aquarius („Ozeansatellit …“) beschlagnahmen zu lassen. Daraus wird aber wohl nichts, und die Vorbereitungen für den Start am 9. Juni gehen planmäßig weiter. (Space News 12.5.2011)

Chinesische Raumstations-Pläne öffentlich diskutiert

Die langfristige Finanzierung für eine zweite Raumstation im Erdorbit scheint jetzt zu stehen, da China wohl noch lange nicht bei der ISS mitspielen darf: Geplant ist der Start von drei Teststatiönchen, gefolgt vom Aufbau einer größeren. Zuerst kommt Tiangong-1 („In rund einem …“) dieses Jahr: Daran wird zunächst die unbemannte Shenzhou-8-Kapsel das Andocken üben, bevor 2012 zweimal Besatzungen jeweils kurz einziehen. Die in den folgenden drei Jahren geplanten Stationen Tiangong-2 und -3 können dann bereits 20 bzw. 40 Tage lang bewohnt werden – und dann beginnt der Aufbau der eigentlichen chinesischen Raumstation mit einem Kernmodul (18.1 m lang) und zwei Forschungsmodulen (à 14.4 m): immer noch kleiner als einst die russische Mir. (Nature News 4., Spaceflight Now 12.5.2011)

Panspermie-Experimente während des vorletzten Shuttle-Flugs STS-134, der jetzt für morgen angesetzt ist (mit weiterhin 70% Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter) hat die Planetary Society vorbereitet: Im Rahmen von Shuttle LIFE gehen Bärtierchen sowie je zwei Bakterien- und Archäen-Arten auf die Reise – als Testlauf für eine MFG auf der russischen Fobos-Grunt-Mission zum Mars. Auch die Exobiologen des DLR in Köln sind beteiligt! (Planetary Society Press Release 13.5.2011)

NASA bucht Flüge auf zwei – noch nicht fertigen – Suborbital-Systemen

Die meisten der 16 Mikrogravitations-Experimente, für die die NASA jetzt Träger gebucht hat, werden auf Parabelflügen beim kommerziellen Anbieter Zero G im Juli durchgeführt – aber ein paar sollen mit dem Xaero von Masten Space Systems und dem Super Mod von Armadillo Aerospace fliegen, im Rahmen von Tests noch dieses Jahr. Mit diesem Vertrauen in diese beiden noch unerprobten Vertical-Takeoff-Vertical-Landing-Vehikel will die NASA auch die kommerzielle wiederverwendbare Suborbital-Träger-Industrie des Landes fördern. (NASA Release 13.5.2011)

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

3. Mai 2011

Heute war Neumond – und eine partielle Sonnenfinsternis: natürlich nur für das Solar Dynamics Observatory, das hier den Mondrand (Berge inklusive; Standbild anklicken für eine große Version)vor dem solaren Plasma in kurzwelligem Licht zeigt. Noch ein anderes Standbild – und eine Amateuraufnahme der H-Alpha-Sonne heute mit 1.5 Mio. Pixeln!

Neufundland im Gegenlicht aus der ISS gesehen – hier ein weiteres Bild.

Liegt da ein geheimes Satelliten-Foto auf dem Tisch des Situation Room des Weißen Hauses während des Angriffs in Pakistan? Das Weiße Haus ließ das „Geheimdokument“ – so die BU – auf diesem berühmten Foto [NACHTRAG: tiefe Gedanken dazu …] verpixeln, aber ein Vergleich (wenn man es unschärfer oder viel kleiner betrachtet) mit Satellitenbildern des Komplexes in Abbottabad legt nahe (so sehen es auch viele Kommentatoren hier [NACHTRAG: und auch dieser Artikel]), dass es sich um eine etwas schräge Ansicht des Hauptgebäudes handelt. Entstanden entweder aus der Luft oder von einem Foto-Aufklärungssatelliten – jedenfalls soll die Welt wohl nicht erfahren, wie scharf es ist.

Dawns Anflug auf Vesta hat „offiziell“ begonnen

in 1.2 Mio. km Abstand von dem großen Asteroiden: Ab jetzt an Hand von Aufnahmen („Letzte Testaufnahmen…“) Vestas vor dem Sternenhintergrund navigiert (anstatt von Radionavigation und anderen Techniken, bei denen der Asteroid selbst nicht mitspielt), während sich die Sonde die nächsten drei Monate mit ihrem Ionenantrieb heran pirscht – der erste Teil der insgesamt 15 Monate währenden Vesta-Phase der komplizierten Mission. Am 16. Juli wird Dawn dann in 15’500 km Abstand in den erste, weiten Orbit eingefangen. Die Anflugphase wird für Test- und Baseline-Messungen der diversen wissenschaftlichen Instrumente genutzt – und für eine fotografische Suche nach Vesta-Monden; von der Erde aus wurden bisher keine entdeckt. (JPL Release, Dawn Journal, Planetary Society Blog 3.5.2011)

Die Jagd nach New-Horizons-Zielen jenseits von Pluto hat begonnen: Mit einigen der größten erdgebundenen Teleskope wird jetzt 2 bis 3 Jahre lang systematisch eine bestimmte Himmelsregion – leider nahe des Sternengewimmels um das Galaktische Zentrum – nach unbekannten Bewohnern des Kuiper-Gürtels abgesucht, von denen die Raumsonde nach ihrem Pluto-Flyby 2015 noch mindestens einen aufsuchen könnte. Mindestens 50 km groß sein sollte er schon. (New Horizons Release 20.4.2011)

Das NanoSail D bleibt 6 bis 12 Monate im Orbit

und nicht nur 70 bis 120 Tage, wie man zunächst gedacht hatte: Der experimentelle Sonnensegler ist nämlich eine flache Fluglage parallel zum Orbit gegangen („flat spin attitude“), wo er nur geringen Luftwiderstand erfährt. So ist die Bahnhöhe von den ursprünglichen 640 km erst um 45 km geschrumpft. Die exotische Orientierung des Segelchens im Raum führt zu sehr unterschiedlicher Sichtbarkeit vom Erdboden aus: Mal hell, zuweilen sogar mit negativer Größe, dann wieder schlicht unsichtbar, wenn der Blick auf die Segel-Kante fällt. Dem niederländischen Satellitenspezialisten Ralf Vandebergh ist am 24. März das wohl erste klar aufgelöste Foto des NanoSail D gelungen, und auch er dokumentierte die extremen Schwankungen der Sichtbarkeit (hier weitere Verarbeitung der Bilder). Derzeit gibt es für Deutschland jede Nacht zwischen 2 und 4 im Prinzip sichtbare Überflüge, von flach bis hoch – was aber kein Vorteil ist. (NASA Release 26., AstroBob 29.4.2011)

Drei Prototypen für „Chip-Satelliten“ kommen auf die ISS, wenn die Endeavour endlich fliegen kann (was nun frühestens am 10. Mai möglich ist): Sie bringt unter dem Projektnamen „Sprite“ drei jeweils ein Quadratzoll große elektronische Gebilde zur Raumstation, die dort im Experiment MISSE-8 mehrere Jahre lang Weltraumbedingungen ausgesetzt werden sollen. Sie sollen einfache Messungen machen und zur Erde funken – und ganze Schwärme derartigen „Satelliten-Staubs“ könnten einst in den Raum entlassen werden, wo sie der Strahlungsdruck der Sonne wie auch der Sonnenwind zu anderen Planeten treiben könnten. (Cornell Chronicle 27., Centauri Dreams 28.4.2011)

Japanischer Erdbeobachter ALOS ausgefallen: kein Strom mehr

Dem Advanced Land Observing Satellite, auch Daichi genannt, ging am 22. April unerwartet und rapide der Strom aus, und der Satellit – der bei der Beobachtung der Tsunami-Folgen nach dem 11. März eine wichtige Rolle spielte – ist wohl verloren. 2006 gestartet und für 3 Jahre ausgelegt, war er allerdings schon in der Verlängerung gewesen. Der Stromausfall erinnert an das unrühmliche Ende des Satelliten ADEOS 2 (siehe Cosmic Mirror #263 Kurzmeldungen) im Herbst 2003. (JAXA Release, Space News, Spaceflight Now 22., SatTrackCam 23., Planetary Society Blog 25.4.2011 – und die neuesten ALOS-PALSAR-Daten aus dem Erdbebengebiet. Auch Xinhua 22.4.2011 zur gelungen Kontaktaufnahme mit dem verschollenen russischen [„Russischer Kartografie-Satellit …“] Geo-IK-2)

Indiens ResourceSat-2 hat die ersten Bilder geschickt, die allerdings noch nicht veröffentlicht wurden – und inzwischen gibt es auch ganz offiziell Bahnelemente des Satelliten („Eine Rakete …“), was gegen eine primäre Nutzung als Aufklärungssatellit spricht; die beste Kamera an Bord, LISS-IV, hat eh‘ nur 6 m Auflösung. (ISRO Press Releases 28., 25.4.2011; The Hindu 26., Indrus 27.4.2011. Auch Parabolic Arc 29.4.2011 zu einem möglichen Einstieg Indiens bei einer US-Mond-Sample-Return-Mission und IANS 25.4.2011 zur vermutlichen Aufklärung des letzten GSLV-Disasters [„Weiter Rätseln …“]: Die russische Nutzlastverkleidung sei Schuld gewesen)

Die Erklärung für die vier Gewinner der CCDev-2-NASA-Dollars

ist publik: Die Weltraumbehörde wollte bei dieser Ausschüttung von 270 Mio.$ („270 NASA-Millionen …“) für die Förderung kommerziellen Transports zur ISS die Entwicklung von Raumkapseln etc. stärker bedenken als die reiner Raketen, weil es davon schon einige in den USA gibt – deswegen hatten weder ULA noch ATK eine Chance. Am stärksten überzeugten Boeing und SpaceX mit ihren geplanten relativ klassischen Raumkapseln CST-100 bzw. Dragon, und um der Vielfalt willen gab es auch noch was für Sierra Nevada mit einem Mini-Shuttle und Blue Origins mit einer Kapsel, die aber auf Düsenstrahl und Füßen landet. Excalibur Almaz fiel dagegen (wegen eines konfusen Business-Plans) ebenso durch wie Orbital Sciences mit einer bemannten Cygnus-Kapsel, die dem Dream Chaser von Sierra Nevada in mehreren Punkten unterlegen schien. (Spaceflight Now 24., The Space Review 25.4., Houston Chronicle 1.5.2011. Auch ein Interview, in dem SpaceX-Chef ab 13:04 von Dragon-Flügen zum Mars fabuliert [auch von AFP berichtet] und ein NASA Release zum ESA-Bekenntnis zur ISS)

Die Taurus 2 bekommt einen Testflug spendiert, bevor sie das erste Mal einen Cygnus-Transporter zur ISS bringen darf: Nachdem die NASA endlich einen Haushalt für das laufende Finanzjahr hat, konnte sie Orbital die Mittel – rund 100 Mio.$ – für den Test freigeben; die beiden Raketen starten vermutlich im Oktober und Dezember. Wenn beide und das Andocken der Cygnus an die ISS funktionieren, könnte sie bereits im 1. Quartal 2012 mit der Versorgung der Raumstation beginnen. Derweil soll sich die Orbital-interne Untersuchung des Versagens einer Taurus XL im März dem Ende nähern, ebenso die Untersuchung seitens der NASA. (Spaceflight Now, Space News 21.4.2011)