Posts Tagged ‘Cartosat’

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

5. September 2010

ESA-Satellit GOCE sendet – nach schwerer Störung – wieder Daten!

Schon Anfang des Jahres war der primäre, am 18. Juli auch der Ersatzcomputer an Bord des Erdvermessers („Das erste globale Modell …“) ausgefallen, der für die Übertragung von Daten sorgt, aber wenigstens blieb die Verbindung zur Erde erhalten. Durch trickreiche Softwareänderungen ist es nun schon Anfang September gelungen, den wissenschaftlichen Betrieb wieder aufzunehmen: Man hatte erwartet, dass dies mindestens bis Monatsende dauern würde. (Nature Blog 3.9., Spaceflight Now 29., Spiegel 24., Nature Blog 23., BBC 21.8.2010) NACHTRAG: Später hat auch die ESA was zu sagen. NACHTRAG 2: Dem Satelliten war wohl zu kalt geworden, und das schon am 8., nicht 18., Juli.

Envisat wird noch ein großes Problem – als Weltraummüll: Der 8 Tonnen schwere ESA-Umweltsatellit von 1992 (siehe Artikel 425) wird sich nach Missionsende noch etwa 150 Jahre im Orbit halten – und dort wegen seiner Größe und Ausleger (26 x 10 x 5 Meter!) ein „ideales“ Ziel für kleine Teilchen Raumschrott abgeben. Wobei jeder Treffer wieder eine Wolke neuer gefährlicher Partikel produziert. Einmal musste der Satellit schon einem bekannten Stück Raumschrott ausweichen, sonst wäre er wahrscheinlich getroffen worden. Eine gezielte Entsorgung des Envisat hat die ESA bedauerlicherweise einzuplanen vergessen, so dass womöglich eine eigene Spezialmission dazu erforderlich werden könnte. (Space News 26.7.2010)

Indischer 850-Gramm-Satellit, von Studenten gebaut, sorgt für Schlagzeilen

Der StudSat war der kleinste von 5 Satelliten, die am 12. Juli ein indisches PSLV in den Orbit beförderte – und doch hat er im Lande für ein größeres Medienecho gesorgt als die größte und dramatisch teurere Nutzlast, der Erdbeobachter Cartosat 2B: Indiens winzigster Satellit ist nämlich das Werk von Studenten („Erster indischer „Studentensatellit“ …“) von vier Colleges, die auch noch vor 3 Jahren spontan auf diese Idee gekommen waren, nachdem sie einem Raumfahrtvortrag gelauscht hatten. Funkkontakt mit dem StudSat – weitere ähnliche Projekte laufen an diversen indischen Unis, und allerorten will man es nun auch versuchen – konnte rasch hergestellt werden; ob der Picosatellit schon Erdbilder geliefert hat, wurde bisher nicht bekannt. Die sollten 90-93 Meter Auflösung haben, während Cartosat 2B 80 Zentimeter schafft; erste Proben hat er schon geliefert. (ISRO Releases 12., 21.7.2010; Trak 28., Hindu 27.8., Hindu 22., Economic Times 18., Hindu, PTI [more] 14., Deccan Herald, Eureka 13., Hindu, Space News, Space Today 12., Hindustan Times, Sify 2.7.2010)

Die indische Turbopumpe war Schuld am GSLV-Disaster im April, als die erste selbstentwickelte kryogene Oberstufe nach Sekunden versagte („Weiter Konfusion …“): Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass die Wasserstoffpumpe zwar sofort die vollen 34’800 U/m erreicht hatte – aber eine Sekunde später einfach stehen blieb. Damit war es um die Stufe und den ganzen Start geschehen. Um der genauen Ursache auf die Spur zu kommen, werden nun Bodentests durchgeführt; die nächsten beiden GSLVs benutzen derweil wieder russische Oberstufen. (ISRO Release, Spaceflight Now 9., Hindu, Space Today 10., Space.com 12.7.2010)

FASTSAT in Alaska angekommen – Start im November?

Der kuriose Satellit mit 6 Technologie- und Atmosphären-Experimenten („Das nächste Sonnensegel …“) ist am 10. August im Kodiak Launch Complex angekommen, wo er als eine von etlichen sekundären Nutzlasten einer Minotaur IV im Herbst starten soll – das hat sich immer wieder verschoben, weil ein minimales Softwareproblem bei der Rakete entdeckt worden war. Auch der Start einer anderen Minotaur IV mit dem ersten Satelliten des Space-Based Surveillance System (SBSS) in Vandenberg ist deswegen auf nunmehr den 24. September gerutscht. (NASA Release 11.8., Spaceflight Now 8.7., Discovery 14.6.2010) NACHTRAG: Ein anderer Passagier in Kodiak ist RAX.

Die Prisma-Satelliten haben sich getrennt, Picard sieht die Sonne, Proba 2 verfolgt CMEs: Die drei im Juni gestarteten europäischen Satelliten („Sonnensatellit …“) und der bereits seit November im All und seit Februar im Routinebetrieb befindliche gehen ihren Aufgaben nach. Während sich bei Prisma der kleinere Tango von Mango getrennt hat und ihm nun als Rendezvous-Ziel dient, hat Picard mit Aufnahmen der Sonne mit seinem 11-cm-Teleskop in rascher Kadenz begonnen, u.a. um etwaige Durchmesserschwankungen zu erkennen – und Proba 2 („So sieht der …“), der schon rund 100’000 Sonnenbilder im Kasten hat, verfolgt koronale Massenauswürfe weiträumiger als das Solar Dynamics Observatory. (Spaceflight Now 11.8., CNES Release 28.7., ESA Release 30.6.2010)

„Geheimshuttle“ X-37B änderte Bahn – aber Amateure fanden ihn bald wieder

Das mysteriöse wiederverwendbare Vehikel hielt bis zum 9. August seine 403 x 420 km hohe Bahn durch fortwährendes Ausgleichen des Luftwiderstands ein – aber dann wurde die Bahnhöhe plötzlich um 27.5 km angehoben, und die Amateurastronomen rund um den Globus, die den Shuttle verfolgen („Amateurastronomen fanden …“), verloren ihn zunächst. Bis ihn am 19. August ein Beobachter in Kapstadt wieder fand. Mit einer bevorstehenden Rückkehr hatte das Manöver vermutlich nichts zu tun, und über den Zweck des ganzen Unternehmens haben die Amateurbeobachtungen leider keine Erhellung bringen können … (Space.com, Raumfahrer 23., News.com.au 25.8.2010)

Prozess gegen mutmaßlichen Weltraumforscher-Möchtegern-Spion verzögert sich: Weil seine Anwälte erst entsprechende Sicherheitsstufen erlangen mussten, um überhaupt die relevanten Dokumente lesen zu dürfen, hat sich der Prozessbeginn gegen Stu Nozette um weitere Monate verschoben. Immerhin weiß man inzwischen, dass man ihm vorwerfen wird, er habe Geheimnisse über US-Satelliten, Frühwarn- und Abwehrsysteme verhökern wollen, die er – neben seiner bekanntere Tätigkeit als Mondforscher – gekannt haben soll. (CNN 11.8.2010)

Raketenstarts in Japan jetzt das ganze Jahr möglich: Bisher darf aufgrund von Abkommen mit den örtlichen Fischern nur 190 Tage im Jahr vom Weltraumbahnhof Tanegashima aus gestartet werden, aber das hat man nun neu verhandelt. Die zeitliche Beschränkung wird demnach ab April 2011 aufgehoben, aber es sind weiter nur 14 Starts pro Jahr erlaubt. (JAXA Release 29.7.2010)

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

11. Mai 2010

Mysteriöser militärischer Mini-Shuttle auf merkwürdiger Mission

Heute abend hat – Punkt 22:00 MESZ – der drittletzte Countdown für den Start eines Space Shuttle begonnen: Die Atlantis soll am Freitag (14. Mai) um 20:20 MESZ gen ISS abheben, zu ihrem letzten Flug überhaupt. Aber diesmal ist etwas anders: Es befindet sich schon eine Art Space Shuttle im Orbit, freilich ein kleineres und unbemanntes Exemplar. Und selten gingen die Einschätzungen über den Zweck einer Weltraummission derart auseinander: Handelt es sich bei USA 212 alias Orbital Test Vehicle OTV-1 alias X-37B („Test des Raumgleiters …“) um ein weitgehend sinnloses und nur durch eigene Trägheit am Leben erhaltenes Hobby von ein paar Ingenieuren („recreational engineering“), oder vielmehr um eine nützliche Testplattform für Weltraumtechnologien aller Art, die auch der zivilen Raumfahrt nützen wird – oder gar um den Prototypen eines futuristischen Waffenträgers in der Umlaufbahn, der jederzeit gegen ein Ziel am Boden oder auch einen anderen Satelliten zuschlagen kann?

Die ersten Phasen des Starts am späten 22. April waren immerhin noch live im Web-TV übertragen worden (Abb.), wobei die nur 8.8 m lange und 5 t schwere Raumfähre unter der riesigen – 5.4 m breiten! – Nutzlastverkleidung der Atlas V unsichtbar blieb. (Es gibt allerdings ein paar Außenansichten des OTV vor dem Einpacken.) Bald wurde der Feed aber gekappt, und seither hat man nichts mehr über den Fortgang der Mission hören dürfen. Die Bahnhöhe liegt wohl zwischen 430 und 450 km und die Neigung nahe 33°, während sich die eigentlich viel zu starke Centaur-Oberstufe auf einen heliozentrischen Orbit davon machte – und selbst diese Bahn ist geheim.

Dasselbe gilt auch für den Termin – in Monaten? – und Ort (mutmaßlich Kalifornien) der Rückkehr des OTV-1 aus dem Orbit und erst recht für das, was es da oben eigentlich getrieben haben wird. Große Anwendungen seien diesmal noch nicht dabei, heißt es immerhin, es gehe mehr um den Test des Shuttles an sich, den die US-Militärforscher der DARPA 2004 von der NASA „geerbt“ hatten, und seiner z.T. wohl innovativen Systeme wie der völlig autonomen Rückkehr aus dem Orbit – und darum, ihn nach der Rückkehr möglichst schnell wieder für den nächsten Flug vorzubereiten. (Jonathan’s Space Report #627, SpaceWar 11., Space.com 5.5., AW&ST 25., Defense News 24., BBC, Space News, CSM, Scientific Blogging, Space Today, Frankfurter Rundschau, Raumfahrer, Orion 23., Spaceflight Now, Space.com, Universe Today, Welt, Spiegel 22., Spaceflight Now, Space.com, Space Policy 21., CSM, MSNBC, Space.com 20., 19., 18., ADS News 16., KosmoLogs 13.4.2010) NACHTRAG: noch eine Spekulation über das OTV – Plattform für Spionage-Sensoren? NACHTRAG 2: mehr zu diesem Versuch einer Analyse auch hier und hier.

Weiterer militärischer Gleitertest sofort gescheitert: Das Falcon Hypersonic Technology Vehicle HTV-2 war ebenfalls am 22. April von einer Minotaur-Lite-Rakete ausgesetzt worden und offenbar noch sekundenlang kontrolliert geflogen – doch dann riss der Funkkontakt zu dem Vehikel ab, das mit Mach 20 in 1/2 Stunde 4100 Seemeilen weitdurch die Atmosphäre schießen und dann im Pazifik versinken sollte. Ein zweites Exemplar gibt es noch, ebenfalls für den nur einmaligen Gebrauch, mit dem man es wohl Anfang 2011 erneut versuchen wird. (Jonathan’s Space Report 11.5., AFP, TelePolis 29., Parallel Spirals 28., Space News, Parabolic Arc 26., Spaceflight Now 23., NASA Spaceflight 22., Parabolic Arc 18.4.2010. Und der New Scientist zum für Ende Mai geplanten minutenlangen Flug eines X-51-Scramjets [„Zwei X-Flugzeuge …“] mit bis zu Mach 6)

Nachrichtensatellit auf Abwegen – weder steuer- noch abschaltbar

Vor solch einem Problem stand der Betreiber eines Nachrichtensatelliten in der geostationären Bahn noch nie: Seit dem 5. April reagiert der Satellit Galaxy 15 von Intelsat nicht mehr auf Kommandos (war die Sonne schuld?), und am 3. Mai scheiterte auch der Versuch, durch extrem starke Funksignale wenigstens seine Transponder lahmzulegen. Da der Satellit inzwischen entlang des geostationären Gürtels driftet, gibt es für solche Versuche immer nur kurze Zeitfenster, das nächste um den 7. Juni. Am 23. Mai indes nähert sich Galaxy 15 dem SES-Satelliten AMC-11, den er empfindlich stören könnte, indem seine Transponder unkontrolliert irdische Uplinks zurückplärren – und damit das amerikanische Kabelfernsehen (etwa das Food Network …). Gegen Ende Juli dürfte sich Galaxy 15 immerhin so ungünstig zur Sonne gedreht haben, dass er von selbst aus geht. (MSNBC 11., Kosmologs 7., Space Today 5., Space News, Discovery, Raumfahrer 4.5.2010. Auch Space.com zur Statistik des Orbitalschrotts und Space News zu dessen Überwachung aus europäischer Sicht)

Der Iran will dieses Jahr zwei Satelliten starten, in enger Zusammenarbeit mit Russland: Wozu sie gut sein sollen, klingt in Medienberichten reichlich vage; von „filming applications and data-image transmission sensors“ ist die Rede. (Novosti 5.5.2010)

Erster indischer „Studentensatellit“ begleitet Cartosat-2B

Vermutlich Mitte Juni soll – verspätet wegen Raketenproblemen – das nächste indische PSLV neben dem Kartographiesatelliten Cartosat-2B auch StudSat in den Orbit tragen, den ersten von Studenten gebauten Satelliten des Landes und zugleich den ersten Picosatelliten (was eine Masse zwischen 100 g und 1 kg bedeutet). Die erhoffte Lebensdauer des 10 x 10 x 14 cm großen und 850 g schweren Satelliten auf seiner sonnensynchronen 700-km-Bahn ist 1/2 Jahr: Hauptaufgabe ist das Liefern von Bildern der Erde mit 90 Metern Auflösung; beim Cartosat sind es 80 Zentimeter. Außer den beiden werden auch noch der algerischem 117-kg-Kommunikationssatellit Alsat-2A und zwei Nanosatelliten aus Kanada und der Schweiz auf dem Polar Satellite Launch Vehicle sitzen. (StudSat-Homepage; Thaindian 6.5., Space News, AW&ST 30., ISRO Press Release 29., Times of India 28., Economic Times 26., SpaceYuga 25.4.2010)