Posts Tagged ‘Entdeckung’

Kunterbunter Kosmos kompakt

14. Februar 2010

Große Entdeckungen der Astronomie sind meist das Resultat neuartiger Teleskope

Die aber dann nicht das entdecken, wofür sie eigentlich gebaut wurden, sondern zufälligerweise auf etwas völlig anderes stoßen, was dann der Erbauer des Teleskops aber auch als bedeutend realisieren muss: Das ist die Quintessenz zweier Essays über „die Erforschung des Unbekannten“ bzw. „serendipitäre Astronomie“. In der Regel ging es bei dem Bau besagter Instrumente nicht darum, eine bestimmte Hypothese zu bestätigen, sondern eher um kreatives Herumstochern im (noch lange nicht ausgeschöpften) Phasenraum des Kosmos: Auch „Schmetterlingssammeln“ ohne konkretes Ziel sollte fürderhin erlaubt bleiben – und man darf erwarten, dass die größten Entdeckungen mit der nächsten Generation von Teleskopen nicht diejenigen sein werden, die heute in deren wissenschaftlichen Begründungen stehen … (Kellermann & al., Preprint 22.12.2009, Lang, Science 327 [1.1.2010] 39-40, Space.com 1.1.2010)

Ist „Wolfram Alpha“ ein nützliches Werkzeug für die Astronomie? Als die neuartige Mischung aus Such- und Rechenmaschine letzten Mai eingeführt wurde, ließen ihre astronomischen Qualitäten noch zu wünschen übrig, z.B. bei der Vorhersage von Sonnenfinsternissen. Aber das System wird ständig verbessert, und zumindest wenn es um einfache Berechnungen geht, kann man’s schon mal versuchen: Anfragen wie „distance alpha centauri in nautical miles“ werden tatsächlich korrekt verstanden. Da das „Wissen“ von WA ständig erweitert wird, hilft nur: mal ausprobieren. (WA Blog 21.10., 21., Universe Today 29.12.2009. Und der New Scientist 9.12.2009 über den Erfinder des Ganzen …)

Kam das Auger-Teilchen mit der höchsten Energie … von einem fernen Quasar?

Mit 148 EeV hatte das Teilchen mehr Energie als alle anderen, die dem Auger-Observatorium bisher ins Netz gegangen sind, aber in der Richtung, aus der es gekommen war, fand sich keine nahe kosmische Quelle. Doch ein ferner Quasar würde passen, mit ähnlichen Eigenschaften wie einer anderer, aus dessen Richtung das Teilchen mit der höchsten Energie des Fly’s-Eye-Detektors kam. Nicht gerade berauschende Statistik, aber man kann ja mal spekulieren, welche exotischen Partikel das sein könnten. (Albuquerque & Chou, Preprint 6.1.2010. Auch: ein Review der bisherigen Auger-Resultate)

Victor Hess ist nicht der alleinige Entdecker der Kosmischen Strahlung: Praktisch zeitgleich mit seinen Experimenten in einem Ballon machte der Italiener Domenico Pacini ähnliche Untersuchungen unter Wasser – und kam zum selben Ergebnis, dass die harte Strahlung aus dem Weltraum kommen musste. Beide wussten voneinander, aber nur einer wird heute als Entdecker der Kosmischen Strahlung betrachtet – wofür er auch (nach Pacinis Tod) den Nobelpreis bekam. Pacinis Paper ist nun erstmals ins Englische übersetzt worden. (Physics arXiv Blog 12.2.2010) NACHTRAG: De Angelis & al., Preprint 15.2.2010 mit der ganzen Pacini-Story.

LHC erst 2013 mit voller Kraft, nach mehr Umbauten

Bald wird der Large Hadron Collider nach seiner Winterpause („LHC macht kurze Pause …“) wieder eingeschaltet – doch die Energie pro Strahl wird dann nicht auf 5 TeV hochgefahren, wie zunächst geplant war: 18 bis 24 Monate lang werden Kollisionen mit 3.5 TeV/Strahl ‚gesammelt‘, dann rund 18 Monate lang viele weitere Bauteile gegen sicherere ausgetauscht und erst danach, im Jahr 2013, gleich mit voller Kraft und 7 TeV/Strahl bzw. 14 TeV Kollisionsenergie weitergemacht. Wenn das Higgs-Teilchen eine Masse in einem bestimmten kleinen Bereich hat, dann könnte es das Tevatron in den USA dem CERN doch noch wegschappen, aber als wahrscheinlich gilt das nicht. Derweil ist auch das erste Paper des CMS-Detektors über die Kollisionen von Ende 2009 eingereicht worden. (Cosmic Variance 29.1., Nature Blog, Science Blogs 1., ScienceInsider, New Scientist Blog 2., Collider Blog, Physics World, Reuters, Science Journalism Tracker 4., MIT Release 5., Welt der Physik 11.2.2010. Plus ein Essay der New York Times zur ‚Era of the Big Collider‘) NACHTRAG: ein STFC Release zum CMS-Paper.

Exotische Antriebe für Reisen zu anderen Sternen regen immer wieder zu Spekulationen an – und ein Nebenergebnis davon ist, dass der Weg noch sehr lang sein wird, um Hawking-Strahlung oder Dunkle Energie etc. anzuzapfen. Vielleicht ist das die Erklärung, warum uns noch keiner besuchen kam …? (Gizmodo 10.5., New Scientist 25.11., 21.12.2009. Und ein SETI Inst. Feature 3.12.2009 zum Stand von SETI)

Verschenktes Mondgestein – geklaut, verkauft, verlegt?

Hunderte winzige Proben Mondgestein von der ersten und letzten Apollo-Landung hat die US-Regierung an die 50 Bundesstaaten sowie zahlreiche Nationen verschenkt und sich danach nicht weiter darum gekümmert – mehrere Privatinitiativen holen das jetzt nach. Mit dem ernüchternden Ergebnis, dass ein Großteil der Mondgeschenke unauffindbar ist. Das muss aber nicht immer heißen, dass sie in dunklen Kanälen verschwanden: Derartiges hatte man bereits bei einer Hawaii geschenkten Probe vermutet – aber die ist wieder aufgetaucht, sie war nur falsch ‚abgelegt‘ worden … (Universe Today 14.1.2010. Und Space Policy Online 30., Spiegel 31.1.2010 zu Bemühungen, die Apollo-Hinterlassenschaften auf dem Mond zu Welterbe erklären zu lassen)

Russische Chirurgin rettete ESA-Satelliten: Weil es zu lange gedauert hätte, ein spezielles Endoskop zur Überprüfung eines Fremdkörpers tief im Satelliten CryoSat 2 aus Europa einzufliegen, wandte man sich an das Hospital in Baikonur. Dort gab es die erforderlichen Optiken, aber man bestand darauf, dass eine eigene Ärztin sie bediente – und so kam es, dass eine echte Chirurgin den Fremdkörper aus dem Satelliten entfernte … (CryoSat 2 Launch Campaign Blog 27.1.2010) NACHTRAG: Einladung zur Launch Party am 25.2. NACHTRAG 2: ein ESA Special mit zahlreichen Artikeln zum Satelliten.

Gezeiten der festen Erde lösen schwache Erdbeben aus

Es gibt eine „robuste Korrelation“ von extrem kleinem Scherungsstress parallal zur San-Andreas-Verwerfung, der durch Gezeiten der festen Erde ausgelöst wird, und nicht-vulkanischer Tremor-Aktivität, also schwacher Bebenaktivität an einer kalifornischen Messstation: Zum ersten Mal wurde solch ein Zusammenhang fern von Orten gefunden, wo Gezeiten der Ozeane fast eine Zehnerpotenz stärkeren Stress im Boden auslösen. Regionale Erdbeben korrelieren dagegen nicht mit den Gezeiten des Festkörpers Erde. (Thomas & al., Nature 462 [24.12.2009] 1048-51, Berkely Release, Reuters 23., Spiegel 29.12.2009)

Zweifel am Bild der „Ursuppe“ als Quell des Lebens auf der Erde – ein Szenario, das seit 1929 verbreitet ist – sät eine neue Studie: Besser passe demnach die chemische Energie des Erdinneren, freigesetzt durch heiße Quellen auf dem Meeresboden und nutzbar durch chemische Gradienten. (Wiley Press Release 2.2.2010)