Posts Tagged ‘Hauptgürtel-Kometen’

Hubble beobachtet Hauptgürtel-Komet im Zerfall

6. März 2014

r3a

Bereits bei der Entdeckung des unscheinbaren Kometen C/2013 R3 (CATALINA-PANSTARRS) war aufgefallen, dass dieser Bewohner des Asteroiden-Hauptgürtels nicht gesund und sein Kern im Zerfall begriffen war: Diesem Prozess hat danach das Hubble Space Telescope mehrfach zugeschaut, und jetzt gibt es eine Analyse des Prozesses. Danach handelte es sich um einen felsigen Körper, der sich selbst zerstörte (mehr, mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), vielleicht weil er durch den YORP-Effekt in zu schnelle Rotation geriet. Aus der Raumfahrt zu den kleinen Körper noch der Status von Rosetta (die Raumsonde ist durchgecheckt, jetzt kommt die Nutzlast dran) und Dawn (zwar Probleme mit Drallrädern, aber keine Gefahr für den Ceres-Besuch) – und weitere Erkenntnisse über Bennu, den Ziel-Asteroiden von OSIRIS-REx.

r3b

LRO sieht alles: Das ist die Spur von Yutu auf dem Mond!

Eine neue Aufnahme der Landestelle von Chang’e-3 (blauer Pfeil) vom 17. Februar durch den Lunar Reconnaissance Orbiter der NASA zeigt die Position, wo die Reise des ausgesetzten Rovers Yutu zu ihrem mutmaßlichen Ende gekommen ist (gelber Pfeil), denn auch im Januar stand er schon da; der weiße Pfeil zeigt, wo der LRO den Rover im Dezember vorgefunden hatte. Was man aus den Bildern lernen kann, ein China-eigener Update (mehr, mehr, mehr, mehr und mehr Links) sowie Pläne für Chang’e-5. Und der Abschluss der Primärmission von LADEE, ein israelischer Kandidat für den Google Lunar X-Prize, eine neue Mars-Karte aus Viking(!)-Daten, warum der Mars Express Angst vor Siding Spring hat, der Status von Opportunity, Curiosity und MOM, die Vorbereitungen von ExoMars und anhaltende Mars-Hoffnungen Chinas – und der 100. Titan-Vorbeiflug Cassinis heute (mehr und mehr).

r3c

Eine Spiralgalaxie erleidet Ram Pressure Stripping auf dieser Hubble-Aufnahme von ESO 137-001: Die Reise durch das Zentrum des Galaxienhaufens Abell 3627 bekommt ihr nicht gut. Auch Press Releases hier und hier zum 5. Jahrestag des Starts von Kepler (und dessen erhoffte Wiedergeburt), wie Astronomen erfolgreich die Drehmanöver Gaias beobachtet haben (eine mutmaßliche aktuelle Sichtung, die bereits verifiziert ist [NACHTRAG: und hier animiert]) – und die Erwartung, dass Indiens Sonnenforschungs-Satellit Aditya vor 2020 startet.

A quasar located about 6 billion light years from Earth.

Chandra und XMM messen QSOs SMBH-Rotation bei z=0.66

Röntgenstrahlung aus nur 3 Schwarzschild-Radien Abstand vom mutmaßlichen supermassiven Schwarzen Loch im fernen Quasar RX J1131-1231 deutet auf dessen extreme Rotationsrate hin (mehr, mehr, mehr und mehr sowie das Prinzip), denn sonst könnte sich die Akkretionsscheibe so nah daran gar nicht halten. Die Messungen durch die Satelliten Chandra und XMM waren überhaupt nur möglich, weil eine freundlicherweise genau in der Sichtlinie stehende massereiche elliptische Galaxie die Strahlung des fernen Quasars – Lichtlaufzeit 6 Mrd. Jahre – verstärkt. Dabei wird er gleichzeitig zu einem hübschen Einstein-Ring: Das Bild ist ein Komposit aus einer optischen Aufnahme Hubbles und der Chandra-Daten in Rosa.

r3d

Interessante Wind-Effekte auf der Meeresoberfläche südlich der Kanarischen Inseln zeigt eine Aufnahme des MODIS-Instruments auf dem Satelliten Terra. Auch THEMIS-Messungen eines Magnetosphären-Effekts, der die Erde gegen Weltraumwetter schützen kann, NASA-Experimente zur robotischen Betankung, die mühsame Suche nach dem SkyCube nach dem Aussetzen aus der ISS, der kommende Massenstart der Sprite-Satelliten, zwei unheimliche Orbital-Begegnungen des ZACUBE-1 (mehr und mehr), die amerikanisch-russischen Beziehungen jetzt (mehr und mehr Links), warum eine SLS-Orion-Reise zum Mars 2021 nicht passieren wird – und ein Interview mit Chinas Ober-Weltraumforscher über gemeinsame Pläne mit der ESA und anderen.

PANSTARRS über Deutschland – in einer Tabelle

24. Februar 2013

panstarrs-tabelle

Sie gilt für 50° Nord und grob überall zwischen mindestens 45° und 55° Nord, also im gesamten deutschen Sprachraum und Mitteleuropa und gibt an, wie lang – gerundet auf 5 Minuten – der Komet C/2011 L4 in der nautischen Dämmerung (Sonne 6 bis 12° tief) und ggf. astronomischen Dämmerung (Sonne 12 bis 18° tief) noch höher als 1° über dem Horizont steht; die Gradzahlen geben die Höhe beim Übergang zwischen den Dämmerungsphasen an. Da die Elongation von der Sonne in dem betrachteten „besten“ Zeitraum 9.-19. März (vorher steht PANSTARRS nicht mal in der nautischen Dämmerung, danach stört der Mond zunehmend, und die Helligkeit dürfte schon deutlich abnehmen) zwischen 15 und 19 Grad liegt, kann man den Kometen nirgendwo auf der Erde nennenswert hoch an völlig dunklem Himmel sehen, und zumindest geometrisch steht Mitteleuropa gut da. Was bleibt, ist natürlich das Wetterrisiko, das just die eine ‚gute Woche‘ ruinieren könnte: Sicherheit bietet da nur der Beobachtungs-Flug ab/bis Köln am 16. März …

Großes Palavaver über Herkunft und Zukunft von Komet ISON ist derweil in der Kometenszene ausgebrochen, seit sich abzeichnet, dass tatsächlich keine Verwandschaft mit dem Super-Kometen von 1680 besteht, wie mal spekuliert worden war, und ISON frisch aus der Oort-Wolke zu kommen scheint – was bedeuten könnte, dass er keine große Leuchte würde, wie einst gejubelt wurde – das Bild ist allerdings verwirrend. Aber klar ist wenigstens, wie ISON durch’s Gesichtsfeld von SOHO und seinen LASCO-Koronographen ziehen wird. Und vielleicht ist er ja doch am Taghimmel zu beobachten, wie 1927 Skjellerup – s.a. dieses und dieses zeitgenössische Paper.

Hauptgürtelkomet P/2012 F5 (Gibbs) war nur Stunden aktiv

Das Objekt P/2012 F5 im Hauptgürtel der Asteroiden verdankt seine Einordnung als Komet einer nur wenige Stunden – jedenfalls unter einem Tag – währenden Staubfreisetzung am 1. Juli 2011 ±10 Tage, hat die Analyse von Aufnahmen mit dem GTC ergeben: Der Staub ist genau entlang einer Synchrone orientiert. Unklar bleibt allerdings der Mechanismus der Staubfreisetzung: War es eine Kollision wie letztens bei Scheila, oder hat sich der Asteroid zu schnell gedreht?

Der aktuelle Wissensstand über das Impaktrisiko von (99942) Apophis steht in der neuen Fassung dieses Papers sowie dieser Tabelle: Für 2036 ist es mit 1:141 Mio. auf de facto Null gesunken, aber dafür gibt’s nun 2068 ein neues minimales Risiko von 1:435’000. Die Radarbeobachtungen 2013 sind noch nicht berücksichtigt. (2012 DA14 ist übrigens ganz von der Liste verschwunden, am Tag seiner Erdnähe.) Ein weiteres Paper beschreibt derweil die „Precovery of near-Earth asteroids by a citizen-science project of the Spanish Virtual Observatory“ – vermutlich das erste Crowdsourcing bei der Analyse von NEA-Daten.

Analyse des Russen-Airbursts sagt große Meteoriten voraus

Aus sieben Videos des Ereignisses vom 15. Februar – ausgiebig erwähnt in Einträgen hier, hier und hier – sind tschechische Astronomen zur einer detaillierten Bahnanalyse gelangt, die sie im IAU CBET #3423 von gestern zum Besten geben: Danach begann der Meteor in 92 km Höhe zu leuchten, erlebte 11 und v.a. 12 Sekunden später seine größten Explosionen in 32 und 26 km Höhe und erlosch 16 Sekunden nach dem ersten Aufleuchten und 254 km sehr flachen Fluges (16.5° gegen die Horizontale geneigt) weiter in 15 km Höhe. Die Geschwindigkeit lag zunächst konstant bei 17.5 km/s, ganz am Ende gab es aber eine starke Abbremsung auf 4 km/s. Der Himmelskörper war ziemlich fragil und brach unterhalb von 32 km Höhe völlig auseinander: Nach der Analyse müsste aber ein 200 bis 500 kg großes Stück den Boden erreicht haben (hatte das Loch im Chebarkul-See doch etwas damit zu tun?), desweiteren mehrere Meteoriten der kg-Klasse und zahllose kleinere. Die zerstörerische Druckwelle entstand in 25-30 km Höhe, und auch die prä-atmosphärische Bahn lässt sich angeben: a=1.55±0.07 au, e=0.50±0.02, q=0.77±0.01 au, Q=2.3±0.2 au und i=3.6±0.7°. Auch Fortschritte bei den Aufräumarbeiten, neue Zusammenfassungen in Englisch und Spanisch, dazu historische Fälle aus den USA – und die Zielwahl für die vorgeschlagene AIDA-Mission zum Asteroiden-Kicken.

Nachrichten aus der Astronomie kompakt

1. Mai 2011

Flut von Papers zu einer Dauer-Explosion ganz neuen Typs in einer fernen Galaxie

GRB 110328A heißt er oder besser Sw 1644+57, denn ein Gamma-ray Burst ist es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, was sich da seit dem 28. März im Draco abspielt und von zahlreichen Teleskopen im Weltraum und auf der Erde verfolgt wird (siehe ISAN 134-11): Nach dem ersten Hochenergie-Strahlungsausbruch, der durchaus bestimmten GRBs ähnelte, flammte die Röntgenquelle noch tagelang immer wieder auf und triggerte dabei mehrfach das Burst Alert Telescope des Swift-Satelliten. Und auch drei Wochen später war das Objekt, das im gesamten Spektralbereich bis hin zum Radio erstrahlte, im Röntgenlicht immer noch erkennbar. Einen entscheidenden Hinweis lieferten Beobachtungen im Sichtbaren, wo Sw 1644+57 zwar keine große Leuchte ist, dafür aber klar wird, dass sie genau im (Helligkeits-)Zentrum einer Galaxie mit z=0.353 sitzt. Da heutzutage im Zentrum praktisch jeder Galaxie ein Schwarzes Loch mit Millionen Sonnenmassen vermutet wird, ist daher die Hypothese am populärsten, dass hier ein Stern einem zu nahe gekommen und von Gezeitenkräften zerrissen worden ist: Zwei besonders hohe Strahlungsausbrüche zu Anfang des Ereignisses lassen sich dann als Perinigricons-Durchgänge des Sterns deuten, von dem jeweils in SL-Nähe besonders viel Masse hinein stürzt, das Flackern an den späteren Tagen könnte dann von den Resten des Sterns stammen, die im SL verschwinden.

Insgesamt 10^53 erg Energie sind in den ersten zwei Wochen frei geworden, wenn man eine isotrope Abstrahlung annimmt – es gibt aber auch Hinweise auf eine stark gebündelte Emission Richtung Erde. Alternative Szenarien wie eine exotische Abart eines langen GRB – dem Sw 1644+57 in den ersten Stunden in vieler Beziehung ähnelte – oder ein frisch entstandener Millisekundenpulsar passen kaum. (Aus Russland kommt allerdings ein völlig anderer Vorschlag, nach dem hier im Zentrum der Galaxie ein Haufen aus stellaren Schwarzen Löchern und Neutronensternen zu einem großen SL kollabiert ist …) Auf jeden Fall ist so etwas trotz intensiver Überwachung des Hochenergie-Himmels seit Jahrzehnten noch nie beobachtet worden – und auch Sw 1644+57 wäre ohne die heftigen Ausschläge am Anfang wohl übersehen worden: Vielleicht ist dieser ’neue‘ Typ kosmischer Ausbrüche verbreiteter als man denkt. (Bloom & al., Preprint 16., Levan & al., Preprint, Dokuchaev & Eroshenko, Preprint 17., Shao & al., Preprint 25., Almeida & Angelis, Preprint 28.4.2011) NACHTRAG: In gewohnter Kompetenz wird die Story nach dem Erscheinen zweier der Papers allerorten als tolle Neuigkeit verkauft, sei es in der New York Times, BdW, dem DLF oder dem Spiegel … NACHTRAG 2: Die NASA verweist immerhin auf eine zeitgenössische PM.

Die stärksten Supernova-Explosionen gibt es in Zwerggalaxien, zeigt eine Statistik von GALEX-Beobachtungen: Offenbar sorgt die geringere Metallizität dort für geringere Windverluste, so daß massereiche Sterne eher dicker als großen Galaxien ihren Kernkollaps erleben. (Neill & al., Preprint 19.11.2010, JPL Release 21.4.2011. Und Hjorth & Bloom, Preprint 12.4.2011 über die GRB/Supernova-Connection)

Steht die Sonne vor einem neuen Dalton-Minimum?

Dieser Phase verringerter Sonnenaktivität von 1790 bis 1830 – nicht mit dem weit dramatischeren Maunder-Minimum zu vergleichen – war ein bestimmtes Muster gänzlicher sonnenfleckenfreier Tage vorausgegangen, das sich im Vorfeld des nun laufenden 24. Sonnenzyklus wiederholt hat: Konkret handelt es sich um die Geschwindigkeit, mit der sich die fleckenfreien Tage ansammeln. Auch aus dieser – angeblich völlig neuen – Methode folgt kraft Parallele mit dem 5. ein schlapper 24. Zyklus, wie er heute auch von meisten anderen Vorhersagetechniken erwartet wird. Und wenn die Vergangenheit generell eine Richtschnur für die Sonnenaktivität ist, dann wird das 25. Maximum sogar noch kleiner. (Nielsen & Kjeldsen, Preprint 26.4.2011. Und Nandy & al., Nature 471 [3.3.2011] 80-2 [auch NASA Briefing Materials, Science@NASA], zu Dynamo-Simulationen, die das lange Minimum nach dem 23. Maximum erklären könnten, aber – S&T, Scientific American, Discovery – nicht recht zu tatsächlichen Beobachtungen passen …)

Rekonstruktion der Sonnenleuchtkraft bleibt schwierig

Wie kann man der Sonne die „Kleine Eiszeit“ während des Maunder-Minimums in die Schuhe schieben, wo die die Leuchtkraft der Sonne zwischen den heutigen Maxima und Minima nur um Promille schwankt und ein entsprechend winziges Signal im Klima hinterlässt? Da fehlt ein Faktor von 3 bis 5 – vielleicht ändert sich ja bei der Sonne etwas, wenn sie in einen anhaltend inaktiven Zustand fällt? Während des tiefen Minimum 2007-9 z.B. hat sich offenbar die Struktur der Sonnenfackeln auf subtile Weise geändert, so dass ihr Anteil an der Gesamtstrahlung stärker abnahm als in einfachen Modellen. (Foukal & al., Preprint 27.4.2011. Eine andere Analyse – AGU Journal Highlights 13.4.2011 – kommt dagegen zu dem Schluss, dass die Sonne auch im Maunderminimum kaum schwächer strahlte und etwas anderes die Kleine Eiszeit ausgelöst haben muss. Während Shapiro & al., Preprint 23.2.2011 bei einer weiteren Rekonstruktion der Sonnenstrahlung wiederum eine deutliche Abnahme zu dieser Zeit finden und so zumindest die Bandbreite der Möglichkeiten aufzeigen …)

Eine neue Art von magneto-thermischer Konvektion in der Sonnenatmosphäre

legen simultane EUV- und optische Beobachtungen mit dem Hinode-Satelliten an einer ruhenden Protuberanz am 22.6.2010 nahe: Sie war von einer Coronal Cavity mit 25- bis 120-mal höherer Plasmatemperatur umgeben. Das dürfte für den nötigen Auftrieb sorgen, um solcherlei Cavities ‚abheben‘ zu lassen. (Berger & al., Nature 472 [14.4.2011] 197-200) Der SDO-Satellit hat derweil – zusammen mit Hinode – einen ständigen Massentransport in die Sonnenkorona aufgespürt, bestehend aus chromosphärischen Spikulen mit heißem Plasma von teilweise 1 Mio. K: Das könnte bei der mysteriösen Heizung der Korona zumindest eine Rolle spielen. (De Pontieu & al., Science 331 [7.1.2011] 55-8) Und wiederum vom SDO stammt auch ein „instant paper“ zum ersten Flare der X-Klasse des neuen Zyklus, das ein von ihm ausgelöstes „Sonnenbeben“ dokumentiert (Kosovichev, Preprint 19.2.2011), und eine Untersuchung zu seinem Trigger durch gleich fünf Sonnenflecken. (R.A.S. Press Release 20.4.2011)

Hauptgürtel-Kometen sind exotische Asteroiden

und nicht etwa normale Kometen, die aus dem Außenbereich des Sonnensystems irgendwie in den Asteroidengürtel verfrachtet wurden („„Hauptgürtel-Kometen“ alles Verwandte …“): Das zeigen Spektren von 133P/Elst-Pizarro und 176P/LINEAR, die diese viel eher als Verwandte der Asteroiden der Themis-Familie („Auch organische …“) denn von gewöhnlichen Kometen ausweisen. Und ein paar ‚aktive‘ Near Earth Asteroids, namentlich der Geminiden-Produzent Phaethon (siehe ISAN 120-9), der allerdings zur Pallas-Familie gehört, scheinen aus dem Hauptgürtel entlaufende Vertreter dieser Klasse von Asteroiden mit Vorräten an flüchtigen Substanzen zu sein. Von denen der Asteroidengürtel mithin mehr enthält als man einst dachte (Licandro & al., Preprint 5.4.2011. Und Durech & al., Preprint 21.4.2011 zur Gestaltbestimmung von Asteroiden mit Lichtkurven und Sternbedeckungen)

Gleich zwei unabhängige Entdeckungen von Kohlenmonoxid in der Atmosphäre des Pluto sind in 6 Tagen Abstand publiziert worden – und passen trotzdem nicht recht zusammen: Nach der einen Entdeckung durch Emission im Radiobereich hat das Gas nur 50 K Temperatur befindet sich das CO in einer bisher unbekannten Hochatmosphäre, nach deren anderen – Absorption im Nah-IR – hat es 90 K und ist mit dem in der Atmosphäre dominanten Stickstoff vermischt. Jedenfalls dürfte New Horizons rund um den Zwergplaneten auch 2015 noch einiges erwarten – nach der 1. Analyse hat die CO-Konzentration in den letzten Jahren trotz wachsenden Sonnenabstands des Zwergs erheblich zugenommen. (Greaves & al., Preprint 15., R.A.S. Press Release 19., Lellouch & al., Preprint 21.4.2011)

Die 1994-er Impaktflecken auf dem Jupiter bestanden zu 99.9% aus … Jupiter

und enthielten so gut wie gar nichts von dem Material der Trümmer des Kometen Shoemaker-Levy 9: Das zeigen die neuesten Modellrechnungen zu den Impakten. Danach schoss nach jedem Einschlag eine Art Projektil wieder nach oben aus der Atmosphäre hinaus, mit der doppelten Masse des verantwortlichen Kometenstücks aber ohne dessen Material, das quasi im Planeten stecken blieb. Die dunklen Flecken erzählen uns mithin nichts vom Wesen der Kometen sondern sind – natürlich im Gefolge der Impakte chemisch veränderte Jupiter-Luft. (Palotai & al., Preprint 15.2.2011)

Jede Menge Ammoniak in primitiven Asteroiden legen Untersuchungen am Meteoriten GRA 95229 der Renazzo-Familie nahe, der bei Erhitzung massig davon abgab: Impakte solcherlei angereicherter Asteroiden auf der jungen Erde könnten entscheidende Vorstufen der Biochemie beigesteuert haben. (Pizzarello & al., PNAS 1014961108 28.2., ASU Press Release, Physics World 2.3.2011. Und Simon & al., Science 331 [4.3.2011] 1175-8, Berkeley, LLNL Releases 3.3.2011 zur komplexen Geschichte der CAIs in einem alten Meteoriten)

Die Erde ist im Sonnensystem farblich gesehen einzigartig … sagt eine Raumsonde

Den sie ist – nach Messungen des alten Deep Impact-Mutterschiffs während der EPOXI-Missionsverlängerung – der einzige größere Körper hier mit einer wolkigen, rayleigh-streuenden Atmosphäre, was sie in einem Farb-Farb-Diagramm in einen isolierten Quadranten stellt. Dass dies die Kamera Deep Impacts bereits mit ihren vergleichsweise primitiven Filtern so klar bestimmen konnte, gilt als interessanter Test für die dereinst mögliche & nötige Charakterisierung von erdähnlichen Exoplaneten: Man braucht womöglich keinen aufwändigen Spektrographen, um fundamentale Aussagen machen zu können. (Crow & al., Astrophys. J. 729 [10.3.2011] 130ff)

„Kondensstreifen-Zirren“ könnten der zentrale Klima-Effekt der Luftfahrt sein, legt eine Modellrechung nahe: Danach ist der Effekt (Forcing) der von Contrails ausgelösten Zirren neunmal größer als die direkte Wirkung der Kondensstreifen. Und die künstlichen Zirren führen ihrerseits zu einer Abnahme der natürlichen Bewölkung, in dem sie der Atmosphäre Wasserdampf entziehen: jede Menge Rückkopplungen, die in künftige Klimamodelle eingebaut werden sollten. (Burkhardt & Kärcher, Nature Climate Change 1 [April 2011] 54-7; DLR Feature, Welt der Physik 1.4.2011)

Weltraumforschung kompakt

22. November 2009

Das „Virtual Observatory“ produziert mehr und mehr Wissenschaft

Unter dem Begriff VO wird seit sieben Jahren an einem Standard gearbeitet, der den gemeinsamen Zugriff auf astronomische Datenarchive ganz unterschiedlicher Art erleichtert, auf dass die Zusammenführung neue Erkenntnisse liefern möge. Das geschieht offensichtlich: Die Zahl wissenschaftlicher Publikationen, die auf dem VO basiert, steigt steil an. Dabei werden ebenso exotische Himmelsobjekte aufgespürt wie gewaltige Meta-Kataloge bestimmter Objektklassen generiert – und auch kleine Projekte können zum großen Ganzen beitragen, wenn sie VO-gerecht publiziert werden. (Hatziminaoglou, Preprint 10.11.2009. Auch Borne, Preprint 3.11.2009 zum Data Mining in der Astronomie)

Eigenbewegungskatalog mit der „Carte du Ciel“ erstellt: Die große fotografische Himmelsdurchmusterung ab 1887 gilt zwar weithin als Schuß in den Ofen – aber beim Ausmessen einiger der alten Platten von 1080 Quadratgrad ist zusammen mit Sternpositionen von heute ein Katalog mit 560’000 Eigenbewegungen herausgekommen, der den Hipparcos-Katalog zumindest in diesem Aspekt bis zur Grenzgröße 15 mag. erweitert. (Vicente & al., Preprint 16.11.2009)

„Hauptgürtel-Kometen“ alles Verwandte des Asteroiden (24) Themis?

Die Bahndynamik der drei zuweilen Komet spielenden Eisasteroiden 7968 Elst-Pizzaro, 118401 und P/2005 U1 weist sie als mutmaßliche Bruchstücke des ebenfalls eisbedeckten Asteroiden (24) Themis aus – jedenfalls kann ausgeschlossen werden, dass sie ursprünglich aus der Kometenzone weit draußen im Sonnensystem stammen. In der Nähe der Themis-Familie könnte es mithin noch mehr Main Belt Comets (MBCs) geben. (Haghighipour, Preprints 29.10., 21.11. 2009) NACHTRAG: ein Artikel zum 2. Paper.

Ständige Zunahme der Astronomischen Einheit bleibt mysteriös: Die beobachtete Zunahme des mittleren Abstands der Erde von der Sonne von 15 Metern pro Jahrhundert kann im Gegensatz zu früheren Vermutungen wohl nicht auf einen Gezeiteneffekt zwischen Sonne und Planetensystem zurückgeführt werden. (Itoh, Preprint 4.11.2009)

Irreguläre (Jupiter-)Monde aus Binär-Asteroiden herausgerissen?

Wie die Gasplaneten zu ihren Monden auf „falschen“ Umlaufbahnen gelangt sind, ist eines der Mysterien der aktuellen Planetenforschung: Ein Szenario, bei dem ein Doppelasteroid beim Vorbeiflug am Jupiter durch Gezeitenkräfte zerrissen wird, scheint besser als viele Alternativen zu funktionieren. (Philpott & al., Preprint 6.11.2009)

Eine spezielle Klasse von Objekten im Saturnsystem scheinen Aegaeon, Anthe und Methone zu sein, die mit Mimas sowie Strukturen im G-Ring in Verbindung stehen. (Hedman & al., Preprint 1.11.2009. Auch ein Preprint 12.11.2009 zur Architektur der Cassini-Teilung)

Das Verständnis der großen Ausbrüche von Eta Carinae

im 19. Jahrhundert kommt auf verschiedenen Wegen weiter voran: Radioastronomen haben Variabilität der Sub-mm-Emission gefunden, die auf kalten Staub und damit (noch nicht so lange) vergangene gewaltige Massenauswürfe hindeutet – und hydrodynamische Simulationen bekommen langsam den großen und kleinen „Homunculus“ in den Griff, Nebel, die bei den Ausbrüchen entstanden. (Gomez & al., Preprint 1., González & al., Preprint 10.11.2009) NACHTRAG: noch ein aktueller Review zum Verhalten Eta Cars. NACHTRAG 2: und einer zum Treiben des Sterns jetzt. NACHTRAG 3: und noch ein Paper zum möglichen Mechanismus der Ausbrüche.

Ein Stern aus der Andromeda-Galaxie rast mit 780 km/s in unsere Richtung, was B030D die höchste gemessene negative Sterngeschwindigkeit verleiht – wahrscheinlich ist seine Mitgliedschaft im Andromeda Giant Stream die Ursache. (Caldwell & al., Preprint 16.11.2009)

155-Tages-Periodizität der Sonne in Aurora-Daten aus dem 18. Jahrhundert

Vor 25 Jahren stießen Rieger & al. auf eine 154-Tages-Periode beim Auftreten harter Sonnenflares – jetzt ist vermutlich dieselbe Periode in zwei neu entdeckten Polarlichtsammlungen aus dem späten 18. Jahrhundert aus dem UK und Spanien wiedergefunden worden, v.a. aus dem Sonnenzyklus Nr. 3. (Vaquero & al. Preprint 13.11.2009) NACHTRAG: ein weiteres Paper zum Rieger-Phänomen.

VLBA verfolgt tausende SiO-Maser in „Source I“ im Orionnebel: Die 3-D-Bewegungen dieser Quellen verraten direkt rotierende Akkretionsscheiben und Ausflüsse in diesem Sternentstehungsgebiet – und stützen die Vermutung, dass Magnetfelder ihre Hand im Spiel haben. (CfA Press Release 16.11.2009)

„Wandernde Sterne“ rund um Galaxien könnten bei der Wechselwirkung mit kleinen Satellitengalaxien produziert werden: Sie würden auf weit ausholende Bahnen gelangen aber an die Galaxie gebunden bleiben. Nur durch Nova- oder Supernova-Explosionen würden sie wohl auf sich aufmerksam machen. (Teyssier & al., Preprint 4.11.2009)

Nicht alle Ia-Supernovae sind absolut gleich hell

Das weiß man schon länger, und es werden auch immer neue Zusammenhänge zwischen Sternpopulationen und Sternexplosionen dieses Typs darin erkannt: So treten die schwächsten (und schnellsten) Ia-SNe offenbar nur in Galaxien mit mehr als 10^10 Sonnenmassen auf und mithin in Sternpopulationen, die älter und metallreicher sind. Vielleicht kann man das Alter einer Galaxien benutzen, um die Helligkeit einer Ia-SN darin noch besser zu ‚korrigieren‘, zur Steigerung ihres Nutzens für die Kosmologie? (Neil & al., Preprint 3.11.2009)

RRATs und Pulsare sind enge Verwandte, hat eine Suche in Pulsararchiven ergeben: Ein Neutronenstern kann demnach zwischen den Zuständen Pulsar mit regelmäßigen Pulsen und „rotating radio transient“ (siehe hier, „Schüler entdeckte …“) mit isolierten Pulsen, die aber sehr ähnlich aussehen, hin und her wechseln. (Burke-Spolaor & Bailes, Preprint 9.11.2009)

Neue Entfernungsbestimmungen zu Andromeda und Centaurus A

Während die 744±33 kpc (2.4±0.1 Mio. Lichtjahre) bei der Andromeda-Galaxie speziell auf Bedeckungsveränderlichen basieren (aber mit vielen anderen Methoden d’accord gehen), sind die 3.8±0.1 Mpc (12.3±0.3 Mio. LJ) von NGC 5128 alias Cen A die Synthese aus etlichen Verfahren. (Vilardell & al., Preprint 17., Harris & al., Preprint 16.11.2009)

Der fernste kurze Gamma-Ray Burst ist derzeit GRB 090426 mit z=2.6: Die Dauer war zwar typisch für diese GRB-Klasse, spektrale und Energie-Eigenschaften sprechen würden aber eher zu den langen GRBs passen. (Antonelli & al., Preprint 31.10.2009)

Weak Lensing bestätigt – mal wieder – die Standard-Kosmologie

Diesmal ist es eine tiefschürfende Analyse des HST-Beitrags zur COSMOS Survey, die aus den geringfügigigen Deformierungen der Bilder ferner Galaxien durch das Schwerefeld von näher stehenden das Lambda-CDM-Bild unterstützt und dabei ganz unabhängig die beschleunigte Expansion des Universums bestätigt. Was zugleich zeigt, dass eine auf Weak Lensing abzielende Raumfahrtmission zur Messung der Dunklen Energie wünschenswert wäre, z.B. die angedachte Fusion von JDEM und Euclid. (Schrabback & al., Preprint 2.11.2009)

Kosmologische Daten liefern Obergrenze für die Neutrino-Masse: Höchstens 0.2 eV kann sie nach den neuesten Messungen der Parameter des o.g. Lambda-CDM-Modells betragen – und künftige Daten sollten bald eine noch viel schärfere Grenze liefern. (Sekiguchi & al., Preprint 5.11.2009)