Rund 100 Papers machen bereits die Runde, die die wunderlichen Messungen der überlichtschnellen Neutrinos des OPERA-Experiments entweder per se in Zweifel ziehen (so wird mal wieder die Synchronisation der Atomuhren an beiden Enden der Neutrinostrecke in Zweifel gezogen; die OPERA-Autoren giften zurück), oder sie ernst nehmen und in fantasievolle Erweiterungen der Physik einbauen – oder aber andere Messungen heran ziehen, um eine Überlichtgeschwindigkeit von Neutrinos prinzipiell zu verbieten. Eine dieser Arbeiten erregt jetzt besonderes Aufsehen, denn sie stellt bereits einen konkreten experimentellen Test der schon im letzten Neutrino-Update erwähnten Hypothese dar, dass Neutrinos mit v>c durch einen der Cherenkov-Strahlung ähnlichen Effekt rasant Energie verlieren und Elektron-Positron-Paare sowie Gammastrahlung produzieren müssten. Anhand bereits vorhandener Messungen des Neutrino-Experiments ICARUS kann nun – trotz schlechterer Statistik als bei OPERA – klar gezeigt werden, dass all diese Effekte nicht auftreten: Die Neutrinos kommen genau so an, wie sie auf die Reise geschickt wurden.
Um dies als fatale Widerlegung des OPERA-Resultats zu akzeptieren, muss man natürlich zuerst das theoretische Quasi-Cherenkov-Paper ernst nehmen, das sich in der Fachwelt immerhin großer Popularität erfreut. Und der Fehler, den OPERA dann gemacht haben müsste, ist scheint’s immer noch in keiner Weise dingfest gemacht – inzwischen sind sogar schon die Autoren mancher Anti-OPERA-Papers in die Kritik geraten, weil sie ohne nähere Sachkenntnis die Scharen von Experimentalphysikern hinter OPERA als Idioten erscheinen ließen … ICARUS Collob., Preprint 17.10.2011; Physics World, LiveScience, Science Journalism Tracker 19., Science 2.0, Starts with a Bang, Science News 18., Science Journalism Tracker 17., Principles 16., Neues Deutschland 15., ArXiv Blog, Science Journalism Tracker 14., Scientific American 13., Discovery, New Scientist Blog 12.10.2011 – und Berg & Höflich, Preprint 13.10.2011 mit den ersten Übungsaufgaben zu den flitzenden Neutrinos sowie USA Today 9.10.2011 zu Unphysikern, die auch was glauben sagen zu müssen … Auch ASPERA Press Release 18.10.2011 zu Plänen für ein neues europäisches Neutrino-Observatorium, LAGUNA, und University of Arizona Press Release 12.10.2011 zum Quadrupolmoment des Deuterons und Zeitumkehr
Der Large Hadron Collider hat 5 inverse Femtobarn geschafft
bzw. sollte diesen Meilenstein – der 350 Billionen beobachteten Proton-Proton-Kollisionen entspricht – in diesem Tagen gleichzeitig in den beiden Hauptdetektoren ATLAS und CMS erreichen. Damit hat der LHC, der seine Leuchtkraft stetig gesteigert hat, allein zwischen diesem März und Oktober 99.3% all seiner Daten produziert, 2010 hat man quasi nur geübt. Jetzt aber nähert man sich bedenklich einem Datenstand, der klare Aussagen über die Existenz oder Nichtexistenz des Higgs-Teilchens erlauben sollte, und die Nervosität bei ATLAS wie CMS und Lauststärke der Gespräche in der CERN-Cafeteria sollen schon deutlich zugenommen haben. Bis auf wenige Nischen im Parameterraum kann das Higgs bereits ausgeschlossen werden (ein schöner Vergleich: ein Teich, bei dem immer mehr Wasser abgepumpt wird, bis bloss noch ein paar Pfützen bleiben), aber immerhin sind auch solche Energiebereiche dabei, wo es die Theoretiker eh‘ vermuten: Nichts genaues weiß man also nicht … (Quantum Diaries 14., Univ. of TX Release, Tagesschau 13., Der Westen 12., Guardian [NZ Herald], Quantum Diaries 9.10., Welt der Physik 27.9.2011. Auch Quantum Diaries 11.10.2011 zu einem wichtigen Versuch auf dem Weg zu einem Myonen-Collider und Nature News 10.11.2011 zum – umstrittenen – Bau von SuperB für die B-Mesonen-Produktion in Italien)
Kommt ein dritter Detektor von LIGO nach Indien? Nachdem sich Australien finanziell außer Stande sieht, ein drittes Rieseninterferometer für die Detektion von Gravitationswellen zu unterstützen, das die beiden in den USA (und weitere kleinere auf der Welt) ideal ergänzen würde, setzen sich jetzt indische Physiker massiv für das Projekt ein. Dort gibt es bereits ein Konsortium namens IndIGO von 11 Institutionen, die sich der G-Wellen-Forschung verschrieben haben, und man ist zuversichtlich, der Regierung das nötige Geld für den LIGO-Einstieg abhandeln zu können. Die Zeit drängt allerdings: LIGO will eine Entscheidung bis zum 31. März 2012. (Nature Blog 18.10.2011)