Mysteriöser militärischer Mini-Shuttle auf merkwürdiger Mission
Heute abend hat – Punkt 22:00 MESZ – der drittletzte Countdown für den Start eines Space Shuttle begonnen: Die Atlantis soll am Freitag (14. Mai) um 20:20 MESZ gen ISS abheben, zu ihrem letzten Flug überhaupt. Aber diesmal ist etwas anders: Es befindet sich schon eine Art Space Shuttle im Orbit, freilich ein kleineres und unbemanntes Exemplar. Und selten gingen die Einschätzungen über den Zweck einer Weltraummission derart auseinander: Handelt es sich bei USA 212 alias Orbital Test Vehicle OTV-1 alias X-37B („Test des Raumgleiters …“) um ein weitgehend sinnloses und nur durch eigene Trägheit am Leben erhaltenes Hobby von ein paar Ingenieuren („recreational engineering“), oder vielmehr um eine nützliche Testplattform für Weltraumtechnologien aller Art, die auch der zivilen Raumfahrt nützen wird – oder gar um den Prototypen eines futuristischen Waffenträgers in der Umlaufbahn, der jederzeit gegen ein Ziel am Boden oder auch einen anderen Satelliten zuschlagen kann?
Die ersten Phasen des Starts am späten 22. April waren immerhin noch live im Web-TV übertragen worden (Abb.), wobei die nur 8.8 m lange und 5 t schwere Raumfähre unter der riesigen – 5.4 m breiten! – Nutzlastverkleidung der Atlas V unsichtbar blieb. (Es gibt allerdings ein paar Außenansichten des OTV vor dem Einpacken.) Bald wurde der Feed aber gekappt, und seither hat man nichts mehr über den Fortgang der Mission hören dürfen. Die Bahnhöhe liegt wohl zwischen 430 und 450 km und die Neigung nahe 33°, während sich die eigentlich viel zu starke Centaur-Oberstufe auf einen heliozentrischen Orbit davon machte – und selbst diese Bahn ist geheim.
Dasselbe gilt auch für den Termin – in Monaten? – und Ort (mutmaßlich Kalifornien) der Rückkehr des OTV-1 aus dem Orbit und erst recht für das, was es da oben eigentlich getrieben haben wird. Große Anwendungen seien diesmal noch nicht dabei, heißt es immerhin, es gehe mehr um den Test des Shuttles an sich, den die US-Militärforscher der DARPA 2004 von der NASA „geerbt“ hatten, und seiner z.T. wohl innovativen Systeme wie der völlig autonomen Rückkehr aus dem Orbit – und darum, ihn nach der Rückkehr möglichst schnell wieder für den nächsten Flug vorzubereiten. (Jonathan’s Space Report #627, SpaceWar 11., Space.com 5.5., AW&ST 25., Defense News 24., BBC, Space News, CSM, Scientific Blogging, Space Today, Frankfurter Rundschau, Raumfahrer, Orion 23., Spaceflight Now, Space.com, Universe Today, Welt, Spiegel 22., Spaceflight Now, Space.com, Space Policy 21., CSM, MSNBC, Space.com 20., 19., 18., ADS News 16., KosmoLogs 13.4.2010) NACHTRAG: noch eine Spekulation über das OTV – Plattform für Spionage-Sensoren? NACHTRAG 2: mehr zu diesem Versuch einer Analyse auch hier und hier.
Weiterer militärischer Gleitertest sofort gescheitert: Das Falcon Hypersonic Technology Vehicle HTV-2 war ebenfalls am 22. April von einer Minotaur-Lite-Rakete ausgesetzt worden und offenbar noch sekundenlang kontrolliert geflogen – doch dann riss der Funkkontakt zu dem Vehikel ab, das mit Mach 20 in 1/2 Stunde 4100 Seemeilen weitdurch die Atmosphäre schießen und dann im Pazifik versinken sollte. Ein zweites Exemplar gibt es noch, ebenfalls für den nur einmaligen Gebrauch, mit dem man es wohl Anfang 2011 erneut versuchen wird. (Jonathan’s Space Report 11.5., AFP, TelePolis 29., Parallel Spirals 28., Space News, Parabolic Arc 26., Spaceflight Now 23., NASA Spaceflight 22., Parabolic Arc 18.4.2010. Und der New Scientist zum für Ende Mai geplanten minutenlangen Flug eines X-51-Scramjets [„Zwei X-Flugzeuge …“] mit bis zu Mach 6)
Nachrichtensatellit auf Abwegen – weder steuer- noch abschaltbar
Vor solch einem Problem stand der Betreiber eines Nachrichtensatelliten in der geostationären Bahn noch nie: Seit dem 5. April reagiert der Satellit Galaxy 15 von Intelsat nicht mehr auf Kommandos (war die Sonne schuld?), und am 3. Mai scheiterte auch der Versuch, durch extrem starke Funksignale wenigstens seine Transponder lahmzulegen. Da der Satellit inzwischen entlang des geostationären Gürtels driftet, gibt es für solche Versuche immer nur kurze Zeitfenster, das nächste um den 7. Juni. Am 23. Mai indes nähert sich Galaxy 15 dem SES-Satelliten AMC-11, den er empfindlich stören könnte, indem seine Transponder unkontrolliert irdische Uplinks zurückplärren – und damit das amerikanische Kabelfernsehen (etwa das Food Network …). Gegen Ende Juli dürfte sich Galaxy 15 immerhin so ungünstig zur Sonne gedreht haben, dass er von selbst aus geht. (MSNBC 11., Kosmologs 7., Space Today 5., Space News, Discovery, Raumfahrer 4.5.2010. Auch Space.com zur Statistik des Orbitalschrotts und Space News zu dessen Überwachung aus europäischer Sicht)
Der Iran will dieses Jahr zwei Satelliten starten, in enger Zusammenarbeit mit Russland: Wozu sie gut sein sollen, klingt in Medienberichten reichlich vage; von „filming applications and data-image transmission sensors“ ist die Rede. (Novosti 5.5.2010)
Erster indischer „Studentensatellit“ begleitet Cartosat-2B
Vermutlich Mitte Juni soll – verspätet wegen Raketenproblemen – das nächste indische PSLV neben dem Kartographiesatelliten Cartosat-2B auch StudSat in den Orbit tragen, den ersten von Studenten gebauten Satelliten des Landes und zugleich den ersten Picosatelliten (was eine Masse zwischen 100 g und 1 kg bedeutet). Die erhoffte Lebensdauer des 10 x 10 x 14 cm großen und 850 g schweren Satelliten auf seiner sonnensynchronen 700-km-Bahn ist 1/2 Jahr: Hauptaufgabe ist das Liefern von Bildern der Erde mit 90 Metern Auflösung; beim Cartosat sind es 80 Zentimeter. Außer den beiden werden auch noch der algerischem 117-kg-Kommunikationssatellit Alsat-2A und zwei Nanosatelliten aus Kanada und der Schweiz auf dem Polar Satellite Launch Vehicle sitzen. (StudSat-Homepage; Thaindian 6.5., Space News, AW&ST 30., ISRO Press Release 29., Times of India 28., Economic Times 26., SpaceYuga 25.4.2010)