Posts Tagged ‘Kilogramm’

Nachrichten aus der Fundamentalphysik kompakt

10. August 2011

Auch Antiprotonen in den van-Allen-Gürteln gefangen

Wenn energiereiche Kosmische Strahlung auf die äußere Erdatmosphäre schlägt, entsteht ein wenig Antimaterie, und es war schon lange vermutet worden, dass diese teilweise in der ‚magnetischen Flasche‘ der van-Allen-Strahlungsgürtel der Erde landet, wo man schon länger auf Positronen gestoßen war – und jetzt hat dort das PAMELA-Instrument tatsächlich auch eine Handvoll Antiprotonen nachweisen können, 28 Stück in 850 Messtagen. Hochgerechnet ist dies gleichwohl das größte Antimaterie-Reservoir in Erdnähe, tausendmal dichter als im freien Weltraum vorhanden: Futuristische Raumschiffe mögen dort eines Tages auftanken können. Und wenn sie es erst bis zum Jupiter und Saturn geschafft haben, müssten sie in deren gewaltigen Magnetosphären noch wesentlich mehr Antimaterie vorfinden können. Vor allem beim Saturn sollte besonders viel Antimaterie gespeichert sein, da die ausgedehnten Ringe ein ideales Target für die Kosmische Strahlung darstellen. Vorerst kann man aber einen Erfolg der theoretischen Vorhersage des irdischen Antiprotonen-Gürtels feiern: Die meisten der Antiprotonen dort stammen aus dem Zerfall von Antineutronen, die wiederum die Kosmische Strahlung einige dutzend Kilometer über der Erdoberfläche in der dünnen Atmosphäre erzeugte. Einige Antiprotonen entstehen dabei aber auch direkt, im Paar mit jeweils einem Proton, und schaffen es ohne zu zerstrahlen bis in die Magnetosphäre. (Adriani & al., Preprint 25.7., New Scientist 4., Spiegel 6., BBC, Pharyngula 7., Ars Technica, UPI, Welt der Physik 8., Science Now, Starts with a Bang 9., Centauri Dreams 10.8.2011)

Antiprotonen und Protonen haben sehr genau dieselbe Masse, was die CPT-Symmetrie des Universums unterstützt: Das haben neue Experimente mit Helium-Atomen gezeigt, bei denen das Elektron durch ein Antiproton ersetzt wird. Solche Systeme lassen sich dann per Laser in andere Zustände versetzen, was dank Doppelstrahl nun Unschärfen durch den Doppler-Effekt weitgehend eliminieren konnte. Und bald soll das noch viel besser gehen: Die aktuelle Messgenauigkeit entspricht quasi dem Nachweis der Massenzunahme des Eiffelturms durch eine Spatz, später soll dann selbst eine Feder nachweisbar sein … (Hori & al., Nature 475 [28.7.2011] 484-8, auch Charlton, ibid 459-60; PM des MPIfQ, Physics World Blog 27., CERN Release, Symmetry Breaking, Quantum Diaries, Space.com 28.7., Pressetext 1.8.2011)

Naturkonstanten immer besser bestimmt – neue fundamentale Definition des Kilogramms rückt näher

Alle vier Jahre gibt es neue ‚amtliche‘ Werte für über 300 physikalische Konstanten, obskure wie auch wirklich fundamentale – und gerade bei der Bestimmung der Avogadro-, Planck- und Boltzmann-Konstanten hat es deutliche Fortschritte gegeben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es bis etwa 2015 eine neue Definition des Kilogramms („Eine fundamentale Definition …“) geben wird, die sich allein aus Naturkonstanten errechnet. Der Beschluss, diesen Prozess tatsächlich einzuleiten, dürfte damit wie erhofft diesen Oktober auf der General Conference on Weights and Measures in Paris getroffen werden. Das Kilogramm wäre dann direkt mit dem Planckschen Wirkungsquantum verkoppelt, das die Einheit J s = kg m^2 s^-1 hat: Bedenkenträger würden es gerne noch genauer bestimmt sehen als jetzt – aber das dürfte bis 2015 zu schaffen sein. (Nature News 26.7.2011. Auch Quantum Diaries 28.7.2011 zur Befindlichkeit von Experimental- und theoretischer Physik nach den bisherigen Nullresultaten des LHC in Sachen ’neuer Physik‘ und LBL Release 27., DLF 28.7.2011 zu neuen Neutrino-Experimenten sowie Gaisser & al., Preprint 9.8.2011 zu den bisherigen Erkenntnissen von IceCube)

Neue Runde auf der Jagd nach Gravitationswellen

Die Detektoren GEO600 in Deutschland und VIRGO in Italien haben jetzt einen koordinierten Science Run bis September begonnen, der eine kleine Hoffnung auf den ersten Nachweis kosmischer Gravitationswellen bietet, vor allem aber neue technologische Entwicklungen testet, die die nächste Generation von Laserinterferometern dramatisch empfindlicher machen soll. Gerade beim mit nur 600 Metern Armlänge eher kleinen GEO600 hat man besonders viele Innovationen einführen müssen, um mit den großen Brüdern VIRGO (3 km) und LIGO (4 km) mithalten zu können. Sollte der Kosmos ein Einsehen haben und in der Nähe zwei Neutronensterne verschmelzen lassen, müsste das ein nachweisbares Signal geben, und VIRGO allein hat auch eine vage Chance auf eine ‚Sichtung‘ des Vela-Pulsars bei 20 kHz. Auf jeden Fall ist es der erste koordinierte Science Run für Frequenzen von 1 bis 6 kHz, für die beide Detektoren besonders fit gemacht wurden. Anschließend wird VIRGO bis 2014/15 umgebaut, während GEO600 weiter ‚die Stellung hält‘. (PM des AEI, Hintergrund 5., STFC Release 8.8.2011)

Keine Hinweise auf „andere Universen“ in der Kosmischen Hintergrundstrahlung hat eine Suche nach ringartigen Strukturen im Echo des Urknalls zu Tage gefördert, die immerhin als vielversprechender Ansatz galt, eine Variante der Multiversums-Spekulationen tatsächlich mal zu testen – siehe auch diese Bestandsaufnahme zur Testbarkeit von Paralleluniversen vom letzten Jahr. (National Geographic 9., Not Even Wrong 5., UCL Release 3.8.2011, Cosmic Variance 22.12.2010 – seither ist die Signifikanz der damaligen vagen Indizien wieder verschwunden)

LHC-Lauf 2011/12 praktisch beschlossene Sache

30. Januar 2011

Auf einem Meeting in Frankreich wurde diese Woche die Empfehlung ausgesprochen, den Large Hadron Collider wie allgemein in der Community gewünscht nach dem Wiederanfahren im Februar bis Ende 2012 durch laufen zu lassen – es gilt als sicher, dass das Management dem morgen Nachmittag folgen wird. Zunächst wird es wieder Kollisionen mit 7 TeV geben, aber 2012 könnten es auch 8 TeV werden: Zuvor sind allerdings umfangreiche Sicherheitstests an den supraleitenden Magneten nötig. Bevor – nunmehr 2014 – die Wunschenergie von 14 TeV erlaubt werden kann, sind an diesen auf jeden Fall umfangreiche Verbesserungen nötig. Und warum führt man diese nicht gleich durch und kann dafür schneller zur hohen Energie schreiten? Für die statistische Analyse der Kollisionsergebnisse – auf der alle physikalischen Beobachtungen und deren Signifikanz beruhen – ist die Zahl der Kollisionsereignisse mindestens so wichtig wie die Energie, so dass auch mit 7 oder 8 TeV bereits bis Ende 2012 eine Menge ’neue Physik‘ erreichbar sein sollte. Und außerdem lief der LHC 2010 so reibungslos, dass man erst mal nicht groß an seinen Inneren herum basteln will, bevor nicht noch mehr Daten im Kasten sind. Nature Blog 28.1.2011; auch ein Press Release des Imperial College 26.1.2011 zum womöglich kurz bevorstehenden Nachweis von Supersymmetrie mit dem LHC-Detektor CMS. NACHTRAG: Die Verlängerung bis Ende 2012 ist abgesegnet worden (kein Wort jedoch zur möglichen Energie-Erhöhung von 7 auf 8 TeV). Und alle freuen sich. NACHTRAG 2: Die 8 TeV für 2012 scheinen ohne weitere Tests bereits vom Tisch zu sein, „the risk is too high.“ NACHTRAG 3: wie es nunmehr um die Higgs-Jagd steht.

Eine fundamentale Definition des Kilogramms rückt näher

Die Metrologen der Welt – die sich um eindeutige Maßeinheiten sorgen – würde gerne langfristig alle SI-Einheiten mit Hilfe allein von Naturkonstanten definieren, doch insbesondere die Masseneinheit fällt aus dem Rahmen: Das Kilogramm ist seit 110 Jahren „gleich der Masse des Urkilogramms“ in einem Safe in Paris, Punkt. Seit Jahren bemühen sich Physiker nun schon, das kg auf fundamentale Weise darzustellen, und v.a. zwei Methoden scheinen sich zu bewähren: das Atome-Zählen in Silizium-Kugeln und Effekte elektrischen Stroms in einer Watt-Waage. So soll nun diesen Oktober darüber befunden werden, ob beide Verfahren a) wirklich sauber genug sind und b) auch zusammen passen – wenn ja, dann könnte die Neudefinition des kg ganz offiziell in die Wege geleitet werden. Und dann bräuchten auch nicht mehr Ampere, Kelvin und Mol vom Urkilo abzuhängen, wie sie es derzeit – mehr oder weniger indirekt – noch tun, sondern könnten direkt auf die Planck-, Boltzmann- und Avogadro-Konstante („Ein Wert …“) sowie die Elektronen-Ladung zurück geführt werden. (PTB PM 27., Physics World Blog 26.1.2011, Physics World 1.10.2010) NACHTRAG: ein seeehr langer Review zur Saga des Kilogramms und des SI.

Die Atommassen werden jetzt anders angegeben: Während die Ordnungszahl eines Atomkerns als Zahl der Protonen eine natürliche Zahl ist, die das chemische Element eindeutig identifiziert, ist die relative Atommasse eine reelle Zahl, die gemessen werden muss – denn viele Atome kommen mit unterschiedlicher Neutronenzahl vor. Bislang wurde im Periodensystem der Elemente ein Mittelwert der relativen Atommassen genannt (früher als „Atomgewicht“ bezeichnet), aber jetzt ist die zuständige IUPAC dazu übergegangen, die relativen Atommassen durch Intervalle mit den Extremwerten anzugeben, zunächst für 10 Elemente inkl. Wasser-, Kohlen- und Sauerstoff: Das soll der natürlichen Schwankung besser Rechnung tragen. Die Intervalle sind allerdings sehr klein: Praktisch ändert sich fast nichts. (Univ. of Calgary Press Release 15., Ars Technica, Science Journalism Tracker 16.12.2010)

Nachrichten aus der Physik kompakt

29. Oktober 2010

LHC immer „heller“ – und eine erste echte Entdeckung?

Inzwischen kollidieren im Large Hadron Collider bereits 5-6 Mio. Teilchen pro Sekunde, eine gute Marke auf dem Weg zu den 600 Mio./s, für die der Teilchenbeschleuniger ausgelegt ist, die sogar zwei Wochen vor dem Plan erreicht wurde. Immer offener wird inzwischen der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass der LHC schon 2011 – bevor er länger abgeschaltet wird – etwas wirklich Fundamentales wie Anzeichen für die Supersymmetrie entdecken könnte, und ein erstes Paper mit einer Überraschung gibt es bereits. Bestimmte Korrelationen von Teilchen, die aus den Kollisionen herausfliegen, könnten auf Strukturen im Inneren des Protons hindeuten oder auch ein Quark-Gluon-Plasma, wie es der RHIC vielleicht schon sah (siehe Artikel 689 und A50a) – allerdings bei Kollisiosen von schweren Ionen, nicht simplen Protonen. (CERN News 14.10., 24., 21., CMS, STFC News 21.9.2010; LiveScience, Reuters, Science Journalism Tracker 20., New Scientist 13.10., Science 2.0 26., Welt der Physik 24., Physics World 23., Ars Technica, BBC, Telegraph, Guardian, ScienceBlogs 22., New Scientist, Ars Technica 21., Ars Technica 20.9., Life & Physics 17.8.2010. Und beim RHIC werden bald Uran-Ionen kollidieren)

Eine weitere Empfehlung, das Tevatron noch bis 2014 weiter zu betreiben anstatt den betagten US-Beschleuniger 2011 abzuschalten, ist jetzt vom High Energy Physics Advisory Panel ausgesprochen worden (dem wichtigsten Beratungsgremium für Teilchenphysik der USA) – aber nur, wenn zusätzliche Mittel gefunden werden können, wonach es zur Zeit nicht aussieht. Und selbst wenn, dann würde vor allem die Neutrino-Forschung am Fermilab leiden, die dort viele für zukunftsweisender halten als die bei der Tevatron-Verlängerung möglicherweise gelingende Sichtung des Higgs-Teilchens knapp vor dem LHC. Was passieren soll, wird man vermutlich erst erfahren, wenn im Februar 2011 der Etatentwurf des Energieministeriums publik wird. (Physics World 27., Nature News, BBC 26.10., Physics World 22., 1.9.2010)

Grünes Licht für großen indischen Neutrinodetektor

Er wird aus dem größten Magneten aller Zeiten – 50 Tonnen Eisen – bestehen und tief in einem Berg in Tamil Nadu an der Grenze zu Kerala vergraben, wozu seitlich ein 2-km-Tunnel in die Bodi West Hills getrieben wird: das Indian Neutrino Observatory (INO), das die Regierung am 18.10. genehmigt hat. Dem ursprünglich geplanten Standort in TN hatten – buchstäblich – Elefanten und Tiger im Weg gestanden, für den neuen muss mehr Infrastruktur geschaffen werden. Neutrinos – aus der Atmosphäre wie aus speziellen „Fabriken“ in anderen Ländern – sollen mit dem Eisen kollidieren und geladene Teilchen produzieren, deren Bahnen dann das Magnetfeld ablenkt: Neutrinos und Antineutrinos können unterschieden und ihre Eigenschaften ergründet werden. Mit Gesamtkosten von rund 12 Mrd. Rp. (200 Mio. EUR) und 26 beteiligten Organisationen wird das INO eines der größten Forschungsprojekte Indiens überhaupt: Baubeginn ist 2012. (The Hindu 18., Physics World, Nature Blog 19., BBC 20., New Scientist 22.10.2010)

Britischer Detektor in japanischem Experiment zur Neutrino-Oszillation: In Tokai wird der Strahl aus den flüchtigen Teilchen für das T2K-Experiment erzeugt (indem ein Protonenstrahl in Kohlenstoff-Target beschleunigt wird) und im 300 km entfernten SuperKamiokande-Detektor gemessen – dann wird man sehen, was ihnen unterwegs widerfahren ist. (BBC 23.9.2010. Auch Welt der Physik zum OPERA-Experiment, eine ThyssenKrupp PM zum Neutrinodetektor ICARUS, ein AIP Release zum fast fertigen IceCube [NACHTRAG: ein Paper zum Status] und die BBC über die fortgesetzten Arbeiten am Neutrinoteleskop im Baikalsee – das der Blogger 1997 besuchte. Und der New Scientist über das ANITA-Experiment, das statt Neutrinos überraschend Kosmische Strahlung höchster Energie detektiert)

Eine Ortsabhängigkeit der Feinstrukturkonstanten ist sehr unwahrscheinlich

Zum einen sieht es so aus, als gehe ein vermeintlicher Effekt auf die Verwendung zweier verschiedener Teleskope zurück, zum anderen würde eine Nichtkonstanz dieser fundamentalen Größe der Physik gravierende Auswirkungen quasi quer durch den Kosmos haben: Ausschließen soll man natürlich nichts, aber hier ist die Beweislast derart hoch, dass sie von den Daten bei weitem nicht erreicht wird. (Cosmic Variance 18.10.2010. [NACHTRAG: Nach über einem Jahr(!) ist das Paper tatsächlich erschienen …] Auch zum kompletten Verständnis aller Physik … des Alltags)

Ein Wert der Avogadro-Konstanten mit 9 gültigen Stellen ist beim jahrelangen Bemühen, die Zahl der Atome in einem definierten Volumen Silizium zu zählen, herausgekommen – und der Fehlerbereich ist nur noch doppelt so hoch wie eine Grenze, ab der die Atomzahl als neue fundamentale Definition des Kilogramms („Ein Kilogramm …“) in Frage kommen könnte. (Andreas & al., Preprint 12., arXiv Blog 14. Nature News 19.10.2010)

Relativistische Effekte bereits im ‚alltäglichem‘ Maßstab demonstriert haben Physiker mit zwei per optischen Kabel verbundenen Atomuhren besonders hoher Ganggenauigkeit: Schon Dezimeter Höhenunterschied verändern ihren Lauf und ebenso langsame Bewegung (des für die Zeitnahme zuständigen eingesperrten Atoms). Eine nette Demonstration und vielleicht auch für Präzisionsmessungen am Erdschwerefeld einsetzbar. (Nature News, Science News, Ars Technica 23., Physics World 24.9.2010)

Nachrichten aus der Teilchenphysik kompakt

12. Juni 2010

Die erste Oszillation eines Neutrinos in ein anderes beobachtet

Neutrino-Oszillationen, die Umwandlung eines Typs in einen anderen, sind schon von etlichen Experimenten nachgewiesen worden: indem weniger Neutrinos eines bestimmten Typs gemessen wurden, als man erwarten sollte. Offenbar hatten sich welche in den nicht nachweisbaren Typ verwandelt, was auch die Erklärung des berühmten Sonnenneutrinoproblems ist. Dies sind als „disappearance“-Experimente, aber nun meldet das erste „appearance“-Experiment einen Erfolg: In einem gewaltigen Strom von Muon-Neutrinos, die ein Beschleuniger des CERN in Richtung des 723 km entfernten OPERA-Detektors im Gran-Sasso-Tunnel schickte, war am 22. August 2009 genau ein Tau-Neutrino aufgetaucht. Das hatte sich in OPERA (aus 150’000 Platten Fotoemulsion zwischen Bleiplatten) in ein Tau-Lepton verwandelt, das wiederum in Muonen zerfiel, die nachgewiesen wurden – allerdings beträgt die Wahrscheinlichkeit noch 2%, dass dies ein Irrtum ist. Das Experiment läuft bereits seit 2006 und wird noch mehrere Jahre fortgesetzt – aber mit mehr als 10 Tau-Neutrinos wird auch am Ende nicht gerechnet. Unterdessen hat, ebenfalls im Gran-Sasso-Tunnel, mit ICARUS ein anderes Experiment den Betrieb aufgenommen, das ebenfalls – mit ganz anderer Technik – Neutrinooszillationen aber auch andere exotische Partikel und sogar ggf. den Protonenzerfall nachweisen können soll. (CERN [Video], INFN Releases 31.5., Berkeley Release 3.6.2010; Scientific Blogging 27.5., Nature Blog, Science News, New Scientist, Welt der Physik, DLF 1., Physics World, Tracker 2., Discovery 10.6.2010)

Immer neue Ergebnisse des Large Hadron Colliders aber – natürlich – noch keine neuartigen Entdeckungen des neuen Beschleunigers („Immer höhere Kollisionsraten …“) werden inzwischen berichtet: Innerhalb von 2 Monaten hat der LHC gewissermassen fast die gesamte Teilchenphysik des Standardmodells quasi wiederentdeckt. Im kommenden Jahr könnte dann die ersehnte neue Physik beginnen, wenn der LHC so robust weiter läuft wie bisher – auch wenn immer wieder mal der Strom ausfällt, so ist er doch 90% der Zeit in Betrieb. (BBC 31.5., Symmetry Breaking 8., DLF, Welt der Physik Video 9.6.2010. Und Physics World über Teilchenbeschleuniger als Messgeräte für Erdbewegungen)

IceCube misst Anisotropie der Kosmischen Strahlung – steckt der Vela-Supernova-Rest dahinter?

Teilchen der Kosmischen Strahlung, die die Atmosphäre treffen, lösen dort Muonen-Schauer aus, und die lassen es wiederum im Neutrinoteleskop IceCube („Eis-Teleskop IceCube …“) blitzen: Die Analyse von 4.3 Milliarden solcher Blitze, deren Herkunftsrichtung auf 3° genau angegeben werden kann, hat jetzt eine anisotrope Verteilung am Himmel gezeigt. Eine Erklärung wird nicht mitgeliefert, aber es könnte einen Zusammenhang mit dem Vela-SNR geben: Die ausgedehnten Überreste explodierter Sterne werden schon lange als wichtige Quellen der Kosmischen Strahlung in der Milchstraße vermutet. (Preprint 17., New Scientist 31.5.2010. Und der Wichita Eagle zum Wunsch, ein nördliches Auger-Teleskop in Kansas und Colorado zu bauen) NACHTRAG: ein sehr später Press Release.

Neue CP-Verletzung 1. fraglich und 2. irrelevant: Die vermeintlich bedeutsame Anomalie beim B-Mesonen-Zerfall, die letzten Monat erhebliches Aufsehen erregte, wird erstens von einem anderen Tevatron-Experiment gar nicht bestätigt – und selbst wenn sie wahr wäre, ist es überhaupt nicht ausgemacht, dass sie irgendetwas mit dem leichten Materie-Überschuss nach dem Urknall zu tun hätte … (Carroll, Cosmic Variance 4.6.2010) NACHTRAG: Manche haben von den Zweifeln an der DO-Anomalie noch immer nichts gehört und spekulieren munter über exotische Erklärungen.

Ein Kilogramm – für (quasi) jedermann zum Selberbauen?

Die fundamentale Einheit Kilogramm ist ein Ärgernis für die Metrologie: Bislang gibt es – im Gegensatz etwa zum Meter, das über die Lichtgeschwindigkeit definiert ist – keine Möglichkeit, unabhängig in einem Labor eins herzustellen. Immer noch ist das eine Ur-kg in Frankreich das einzig wahre, kaum einer kommt direkt dran, und man weiß auch nicht wirklich, ob es nicht im Laufe der Zeit an Masse verloren oder dazu gewonnen hat. Vorschläge für eine neue, clevere Definition des Kilogramms werden seit vielen Jahren gemacht – hier ist ein, vielleicht, besonders einfacher: Das kg möge die Masse von 2250× 28148963^3 Kohlenstoff-12-Atomen sein. Ein Kilogramm wäre dann ein 8.11 cm großer Würfel, bei dem eine Seite der Länge von 368’855’762 Atomen entspricht. (Fox & al., Preprint 27., arXiv Blog 31.5., ORF 1.6.2010)