Posts Tagged ‘Koronograph’

Nachrichten aus der Raumforschung kompakt

2. Mai 2010

Das Hubble Space Telescope feierte seinen 20. „Geburtstag“ (also Jahrestag des Shuttle-Starts am 24.4.1990) u.a. mit diesem reichlich heftig bearbeiteten Ausschnitt aus dem Carina-Nebel (sind HST-Aufnahmen etwa romantischer Malerei vergleichbar …?), der Möglichkeit, hunderttausende Hubble-Bilder von Galaxien zu klassifizieren, einem Wettbewerb zu Hubble in der Pop-Kultur – und dem Aufruf an seine Fans, Gedanken über Hubble zu formulieren, die dann zusammen mit den echten Daten im HST-Archiv landen sollen …

Das JWST hat seine Mission Critical Design Review passiert

Das gilt als der „signifikanteste Meilenstein der Mission“ des voraussichtlich im Juni 2014 startenden nächsten großen Weltraumteleskops der NASA: Weil es nie komplett am Boden getestet werden kann, sind eine redundanter Modellierungs- und Analyse-Tools erforderlich, um das Funktionieren im Orbit zu gewährleisten. Sieben Jahre wird bereits am James Webb Space Telescope gearbeitet, 2011 soll das Design des Satelliten endgültig abgesegnet werden, und 2012 beginnt dann der Zusammenbau der drei Hauptelemente Instrumentenmodul, Teleskopoptik und Satellitenstruktur. (NASA Release, Feature, AW&ST 28.4.2010. Und Space.com zu anderen Ideen für große Weltraumteleskope)

Umbau des Alpha Magnetic Spectrometer verzögert Ende des Shuttle-Programms

Eigentlich sollte das AMS diesen Juli endlich zur ISS gebracht werden – doch angesichts der möglicherweise bis mindestens 2020 verlängerten Lebensdauer der ISS und eventuell auch technischer Bedenken (da sind sich die Quellen uneins) hat man sich kurzfristig entschlossen, den komplexen supraleitenden Magneten des schweren Detektors gegen den schwächeren Permanentmagneten auszutauschen, der 1998 schon einmal bei einem AMS-Test im Shuttle mitflog. Nicht nur gibt es nun Diskussionen, ob das eine gute Idee ist: Der Umbau verspätet auch die Auslieferung des AMS an die NASA so weit, dass der Startkalender für die letzten drei Missionen umgestrickt werden musste. Danach soll das AMS nun Mitte November – eigentlich sollten die Shuttles zum 30. September, dem Ende des Finanzjahres 2010, eingemottet sein – auf der allerletzten Mission dabei sein. Und es könnte passieren, dass der Start sogar in das Kalenderjahr 2011 rutscht. (Nature News 28., Space Today 27., CollectSpace 26.4.2010)

Astronomie-Ballon bei Fehlstart in Australien zerstört

Ein Auto umgeworfen, zwei Zuschauer nur knapp unbeschadet davon gekommen, die Nutzlast in Scherben: Das ist die Bilanz des Fehlstarts eines Forschungsballons in Australien, der das Nuclear Compton Telescope bis in 37 km Höhe tragen sollte. Die langwierige Befüllung des Ballons mit Helium hatte am Morgen des 29. April verspätet begonnen, und der Wind war stärker geworden – was dann genau passierte, ist noch rätselhaft. Und ein Blog über das Experiment ist plötzlich nicht mehr zugänglich … (StratoCat-Webseite über Stratosphärenballons mit detaillierten Spekulationen, NASA Statement, ABC, NT News, Space.com, Discovery, Telegraph, Nature Blog, Science Blogs, Spiegel 29.4., New Scientist 1.5.2010)

Zwei-Satelliten-Koronograph funktioniert … im Labor

Als Vorarbeit für den Koronographen auf der ESA-Mission Proba 3 hat seit dem 15.9.2009 eines jener StarTiger-Teams („Neuartiges Satellitenkonzept“) in einem Labor in Marseille ein maßstabsgerechtes Modell eines Satellitenpaares aufgebaut, bei dem einer millimetergenau in die Sichtlinie des anderen manövriert wird, auf dass dessen Teleskop eine permanente Sonnenfinsternis erlebt. Und da sich der Occulter außerhalb der Optik befindet, gibt es viel weniger Streulicht als in einem traditionellen Koronographen, so dass auch die innere Korona zugänglich wird – wenn ein derartiges Satellitenpaar in 150 m Abstand von einander ‚installiert‘ wird. Die betont bürokratiearme StarTiger-Methode hat sich nun bereits mehrfach bewährt und soll ab jetzt regelmäßig bei der ESA angewendet werden. (ESA Release 27.4.2010) NACHTRAG: später Artikel dazu. NACHTRAG 2: Der Formationsflug wird schon mal simuliert – aber erst 2014/15 soll Proba 3 starten.

ESA-Erdsatellit ERS-2 schon 15 Jahre im Einsatz

Eigentlich war er nur für drei Jahre ausgelegt, aber der am 21.4.1995 gestartete 2. „European Remote-Sensing“-Satellit ist – dank gelegentlicher Fernwartung seiner Instrumente – auch heute noch voll aktiv. Auch der Vorgänger ERS-1 war langlebiger als erwartet gewesen, so dass die beiden gemeinsam mit SAR-Interferometrie experimentieren konnten: eine Technik zur hochgenauen Vermessung der Erdoberfläche, die ERS-2 auch in mehreren Kampagnen zusammen mit seinem Nachfolger Envisat betrieben hat (und es dieses Jahr wieder tun wird). Seinen 77’777. Erdorbit hat ERS-2 kürzlich absolviert, und noch bis mindestens 2011 soll er betrieben werden. (ESA Press Release 21.4.2010. Auch zum Startvertrag für den 4. Earth Explorer „Swarm“ und einen weiteren Satelliten)

Der deutsche Satellit TanDEM-X hat alle Tests bestanden

und wird am 11. Mai auf die Reise nach Baikonur geschickt, wo er am 21. Juni auf einer Dnepr starten soll: Danach wird der Radarsatellit ein Team mit TerraSAR-X (siehe Artikel 458) bilden und gemeinsam per SAR-Interferometrie (wie sie ERS-2 und Co. einst erprobten) die gesamte Erdoberfläche in 3D kartieren, mit einem Gitternetz von 12 Metern und einer Höhenpräzision von besser als 2 Metern. Wie TerraSAR wird auch TanDEM – was für „TerraSAR-X add-on for Digital Elevation Measurement“ steht – als Public-Private Partnership betrieben: Das DLR und Astrium teilten sich die Kosten (59 bzw. 26 Mio. Euro), dafür werden die Daten dann vermarktet – z.B. an Kartographen in aller Welt. (DLR PM, Alles was fliegt 29.4.2010, DLR-Blog zur Mission)

Astronomie über der Erde kompakt

21. Dezember 2009

SOFIA erstmals mit offener Klappe geflogen!

Erst wurde das riesige Tor vor dem Teleskop der fliegenden Sternwarte SOFIA bei einem Testflug am 14. Dezember nur 1/10 geöffnet, am 18. Dezember aber komplett: Wie man sieht, war der Teleskopspiegel selbst dabei eingepackt, und die Klappe blieb auch nur 2 Minuten lang offen – aber das reichte als Bestätigung, dass der betagte Jumbojet mit der ungewöhnlichen Situation klar und es zu keinen bedenklichen Luftturbulenzen kommt. Das Teleskop hatte übrigens vor 5 Jahren schon mal in den Himmel schauen dürfen (siehe Artikel 941 Kurzm. 2) – aber vom Boden aus. (NASA Release 18., Status 14., Aviation Week 11.12.2009) NACHTRAG: noch ein sehr spätes Science@NASA. NACHTRAG 2: ein Paper über die hochkomplizierte Planung der Flugroute während Beobachtungen.

Meilensteine für das James Webb Space Telescope im Jahre 2009 umfassten Tests am ersten der 18 Segmente des Hauptspiegels und die Critical Design des Review der Teleskopoptik; der Start ist weiter für 2014 geplant. (Northrop Grumman Release 16.12.2009)

Neuartiges Satellitenkonzept für Korona-Beobachtung wird im Labor getestet

Bei der ESA-Misison PROBA-3 soll zum ersten Mal ein Koronograph im Weltraum entstehen, bei dem die Abdeckung der Sonne durch einen 2. Satelliten bewerkstelligt wird: Dieses Konzept wird nun im Rahmen der StarTiger („Space Technology Advancements by Resourceful, Targeted and Innovative Groups of Experts and Researchers“) innerhalb von 6 Monaten am Boden getestet werden. Ziel ist ein funktionierender „giant external coronagraph“ in einem Cleanroom, der die geplanete Weltraumversion – mit 150 m Abstand der Satelliten voneinander – maßstabsgerecht verkleinert. (ESA Release 11.12.2009)

Sonnensatellit Koronas-Foton verloren? Der vor knapp einem Jahr gestartete russische Forschungssatellit (siehe ISAN 81-10) war schon bald in technische Schwierigkeiten geraten, die im Dezember eskaliert sind – inzwischen ist der Funkkontakt abgerissen, und heute schlug ein Versuch fehl, mit Koronas-Foton zu kommunizieren. (Russian Space Web; Raumfahrer.net 14.12.2009) NACHTRAG: Da kommt ein Paper über indische Nutzlasten auf dem Satelliten wohl etwas spät …

„Silicon Pore Optics“ als Zukunft der Röntgenastronomie

Für die nächste Generation großer Röntgensatelliten – z.B. das für etwa 2020 erhoffte International X-ray Observatory (IXO) von ESA, NASA und JAXA – wird schon jetzt an einer neuartigen fokussierenden Optik geforscht: Bei solchen „Silicon Pore Optics“ dringen die Röntgenquanten durch winzige Öffnungen in zahlreiche Siliziumlagen ein, die wie in der Halbleitertechnik gefertigt werden. Die 20-fache Sammelfläche und die dreifache Auflösung gegenüber dem XMM-Satelliten werden könnten so erreicht werden. (ESA Release 21.12.2009) NACHTRAG: eine IXO-Tagung.

Seit 10 Jahren ist XMM Newton schon im Weltraum: Der ESA-Röntgensatellit startete am 10.12.1999 und hat quasi im Tandem mit dem kurz vorher gestarteten Chandra X-ray Observatory der NASA das Feld massiv vorangebracht. (ESA Releases 10., 9., Univ. of Leicester Release 8.12.2009) NACHTRAG: Das muss gefeiert werden!

Optische Astronomie extrem: drei interessante Artikel …

2. Oktober 2009

… zu Astronomie im Sichtbaren oder nahen IR vom Erdboden aus mit exotischen Techniken im neuen ESO Messenger.

  • Die ersten 2D-Bilder mit dem VLT-Interferometer sind kürzlich publiziert worden: Noch geht es nur bei hellen, einfachen Objekten, aber dafür mit wenigen Millibogensekunden Auflösung. Aber ab Mitte des nächsten Jahrzehnts sollte die optische Interferometrie mit neuen VLTI-Instrumenten in der Lage sein, echte Bilder auch komplexerer Quellen quasi in Echtzeit zu erzeugen.

  • Lucky Imaging (vgl. ISAN 4-2) mit dem New Technology Telescope und der AstraLux-Kamera hat bei ersten Tests unter schlechten Bedingungen noch nicht so gute Bilder geliefert wie die besten am 2.2-m-Teleskop auf dem Calar Alto (siehe ISAN 24-5), aber der Schärfegewinn ist trotzdem enorm. Und in Kombination mit Adaptiver Optik (vgl. ISAN 45-3) empfiehlt sich ein derartiges System auch für’s VLT.

  • Die direkte Abbildung von Exoplaneten (des Jupiter-Formats) und Braunen Zwergen mit einem Koronographen bei 4 µm scheint nach einer Mischung aus echten Testbeobachtungen und Simulationen vielversprechend: Bei dieser Wellenlänge ist der Helligkeitsunterschied zum Stern besonders klein, der Himmel für irdische Beobachter allerdings ziemlich hell.
Mögen Teleskope im Weltraum auch oft die Schlagzeilen dominieren: Die Instrumentenentwicklung für die Astronomie am Boden hält in manchen Bereichen mit oder kann (etwa bei der extremen Winkelauflösung durch Interferometrie) sogar mehr. NACHTRAG: Laut einer Studie für die Decadal Survey werden Weltraumteleskope noch lange nicht durch clevere Technik am Boden ersetzt – v.a. wenn es es um lichtschwache Exoplaneten geht.

Zwei ESA-Satellitchen sollen den ultimativen Koronographen bilden

8. Juli 2009

druckMiloslav Druckmüller, Martin Dietzel, Peter Aniol and Vojtech Rušin

Keine Kamera im Weltraum – geschweigedenn auf der Erde – hat es jemals geschafft, die Sonnenkorona so perfekt und vor allem so vollständig abzubilden, wie es bei einer totalen Sonnenfinsternis schon mit einem simplen Amateurteleskop gelingt: Ohne Mond davor ist die Photosphäre der Sonne derart grell, dass auch die besten Koronographen sie mit einer erheblich größeren Scheibe abdecken müssen. Die innere Korona (im Bild bei der SoFi vom 1.8.2009; stark verarbeitet) bleibt damit verborgen, dummerweise also genau jener Bereich, wo die Temperatur des Plasmas gewaltig ansteigt und der entscheidende – und immer noch kontroverse – Transportprozess der Energie von der Sonne in ihre Atmosphäre stattfindet.

Ein Paar experimenteller ESA-Satelliten, PROBA 3, soll nun Abhilfe schaffen: Primär geht es darum, den präzisen Formationsflug zum Wohle künftiger Projekte zu üben, aber es ist Platz für eine kreative Nutzlast, die von zwei Raumflugkörpern in 150 Metern Abstand voneinander profitieren kann. An 7. Juli wurde nun das Announcement of Opportunity (AO) für den Mitflug eines Koronographen veröffentlicht, bei dem einer der Satelliten Optik und Instrumente, der andere aber die Scheibe zum Abdecken der Sonne trägt, die den Beobachter-Satelliten beschattet. Von 1.04 bis 3 Sonnenradien Abstand vom Sonnenzentrum soll die Kombination die Korona abbilden können: Sowohl Bilder als auch Spektren werden aufgenommen. Im AO nicht, wohl aber in anderen ESA-Dokumenten ist von einem Start „im Zeitrahmen 2012“ die Rede, und das Projekt scheint seit 2008 grünes Licht zu haben.

Das AO für den Koronographen, die PROBA-Satelliten (die Nr. 2 soll übrigens im November starten), die Hauptaufgabe von PROBA 3 und Abstracts von 2008 und 2007 zum PROBA-3-Koronographen-Vorschlag ASPIICS. Außerdem ein aktueller langer und ein noch viel längerer Review von Jay Pasachoff über den anhaltenden Wert von Sonnenfinsternissen für die Wissenschaft – und viele Links zur nächsten ToSoFi in genau zwei Wochen.