Posts Tagged ‘MESSENGER’

Ist der Merkur heute noch ein bisschen … aktiv?

10. Oktober 2011

Die ersten erstaunlichen Erkenntnisse des MESSENGER aus dem Merkurorbit wurden schon im Juni ausgiebig präsentiert – jetzt haben 7 wissenschaftliche Papers (Science 333 [30.9.2011] 1847-68), zwei Pressekonferenzen und Vorträge und Poster auf einer großen Planetentagung einiges davon vertieft und noch mehr Einsichten hinzu gefügt:

  • Es gibt verbreitet auf der ganzen Oberfläche eine bisher im Sonnensystem unbekannte Geländeform, die „Hollows“ getauft wurde – Dutzende Meter bis ein paar Kilometer große Vertiefungen, die innen wie auch drum herum meist ausnehmend hell sind (Bild oben vom Rand des Raditladi-Impaktbeckens; hier markiert: gelb = hollows auf dem Randgebirge, weiß = auf dem Beckenboden). Die beste Erklärung sind aufgeplatzte Hohlräume, in denen sich flüchtige Elemente knapp unter der Merkuroberfläche gehalten haben, bis sie von einem internen oder externen Prozess befreit wurden (wie bei so mancher MESSENGER-Entdeckung gibt es derzeit noch jeweils einen ganzen Katalog von Hypothesen). Und das geschah offenbar auch noch in jüngster Vergangenheit und passiert womöglich auch heute noch.

  • Ein weiteres Indiz für den unerwarteten Reichtum Merkurs an flüchtigen Substanzen also, wovon auch der schon berichtete große Schwefelanteil des Gesteins und ein Kalium/Thorium-Verhältnis sprechen, das zu den anderen terrestrischen Planeten aber nicht dem Erdmond passt. Der beste kosmochemische Verwandte Merkurs wäre nach den MESSENGER-Erkenntnissen ein teilweise geschmolzener Enstatit-Chondrit – aber wo kommt dann der gewaltige Eisenkern her, den die Masse des Planeten erfordert, und warum ist Merkur so klein? Praktisch alle populären Entstehungsmodelle des Planeten – schwerer Impaktschaden, massiv Oberfläche von der Sonne weggebrannt etc. – sind vermutlich hinfällig, obwohl nicht im Detail klar ist, wie gründlich bei solch heißen Prozessen dabei eigentlich flüchtige Substanzen ausgetrieben werden.

  • Die nördlichen hohen Breiten Merkurs werden von einem riesigen Feld Flutbasalt bedeckt, der 6% der Planetenoberfläche ausmacht und lokal bis zu 2 km dick ist: Diese Natur der schon von Mariner 10 entdeckten „smooth plains“ haben die detailreichen Aufnahmen MESSENGERs nun anhand vieler geologischer Details bestätigt und auch einige der möglichen Öffnungen gefunden, aus denen die Lava vor 3.5 bis 4 Mrd. Jahren heraus geschossen sein dürfte. Eine derartig gewaltige Überflutung weiter Landstriche durch Lava – es hätte für 60% der Fläche der USA gereicht – gibt es auf der heutigen Erde bei weitem nicht, aber es war offenbar ein wichtiger Prozess im jungen Sonnensystem.

Seit der Ankunft MESSENGERs ist übrigens gerade ein Merkurtag (der länger als ein Merkurjahr dauert) vorüber: Die Kameras der Sonde haben damit die gesamte Oberfläche einmal unter identischer Beleuchtung gesehen und in Schwarzweiß mit 250 m und in 8 Farben mit 1 km Auflösung im Kasten. Das Mosaik ist zu 99% komplett: Nur wenige Lücken müssen im weiteren Verlauf der Mission geschlossen werden, deren Entdeckungs-Serie sicher noch nicht zuende ist. Johns Hopkins, Brown, Carnegie Releases, Nature News 29.9., S&T 3., EPSC Release, Planetary Society Blog 5.10.2011

Verblüffende Merkur-Erkenntnisse aus dem Orbit: der Planet ist voller flüchtiger Elemente – und sein Magnetfeld um 1/5 nach Norden verrutscht

16. Juni 2011

Außer einem Pretty Picture pro Tag mit karger Unterschrift waren seit dem Orbit-Einschuss von MESSENGER am 18. März keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Merkur in die Welt gelangt – aber das hat sich heute Nachmittag mit einer Pressekonferenz gründlich geändert: Chemie wie Physik des innersten Planeten sind ganz anders als gedacht, er wird dem Mond, dem er nur sehr oberflächlich zu gleichen scheint, immer unähnlicher, und in seiner Komplexität ist er den anderen drei terrestrischen Planeten des Sonnensystems ebenbürtig. All dies Erkenntnisse der sieben Instrumente an Bord des NASA-Orbiters, der jetzt 1/4 seiner 1-Erd-jährigen Mission hinter sich hat und bereits ein Merkur-Jahr, ein Perihel und eine Sonnenkonjunktion (von der Erde aus gesehen) überstanden und gerade seine erste Bahnkorrektur absolviert hat, die die Apoapsis wieder auf 200 km absenkte. Alle Instrumente trotzen den extremen Bedingungen in der Merkur-Umlaufbahn, und die Fülle der neuen Erkenntnisse umfasst insbesondere dies:

  • Der Merkur enthält erstaunlich viel flüchtige Elemente, die ihm bei einer vielfach vermuteten heißen Entstehungsgeschichte eigentlich gründlich ausgetrieben worden sein müssten. So ist sein Verhältnis des flüchtigen Kaliums zum nichtflüchtigen Thorium größer als bei den anderen terrestrischen Planeten (Grafik oben) und erst recht beim per Impakt entstandenen Erdmond. Ebenso enthält der Merkur mindestens 10-mal mehr Schwefel als Erde und Mond, was ebenso (wie auch die berühmte Natrium-Atmosphäre des Planeten, siehe ISAN 54-5) für eine Welt spricht, die keine heiße Vergangenheit hatte. Auch in seiner Chemie insgesamt liegt der Merkur isoliert im inneren Sonnensystem (Grafik Mitte): Entstand er aus anderen Bausteinen? Ging es im inneren solaren Urnebel anders zu? Hat seine Evolution seither (z.B. exotischer Vulkanismus, der besonders viel Schwefel förderte) die Chemie seiner Oberfläche markant verändert?

  • Das Magnetfeld Merkurs ist um 1/5 nach Norden verrutscht, d.h. der magnetische Äquator des Planeten liegt 480 km nördlich des geografischen: Der Dynamo im Inneren muss ganz anders gestrickt sein als bei der Erde. Kurioserweise ist auch das Feld des Gasplaneten Saturn in ähnlicher Weise (aber nicht so stark) versetzt, was nun immerhin kein Alleinstellungsmerkmal im Sonnensystem mehr ist. Das verrutschte Merkurfeld führt dazu, dass eine viel größere Fläche um den Süd- als um den Nordpol dem Sonnenwind direkt ausgesetzt ist und „Weltraumverwitterung“ erleben sollte: Das werden entsprechende MESSENGER-Instrumente noch überprüfen. In der Folge der Magnetfeldstruktur treten auch nur in mittleren Nordbreiten große Ausbrüche energiereicher Elektronen auf (Grafik unten), die bei den drei äquatornahen Vorbeiflügen MESSENGERs mithin nicht registriert werden konnten. Dafür aber einst von Mariner 10 – und nun regelmäßig „wie ein Uhrwerk“, und das von einem Instrument, das dafür gar nicht gedacht war: Wenn die Elektronen die Hülle des Orbiters treffen, erzeugen sie charakteristische Röntgenstrahlung.

  • Finstere Merkurkrater könnten Riesenmengen Wassereis enthalten, sogar mehr als in stets schattigen polaren Kratern auf dem Erdmond geparkt ist: Noch ist dies eine kühne Extrapolation, aber nicht mehr lange. Vor 20 Jahren waren per irdischem Radar stark reflektierende Zonen an den Merkurpolen entdeckt worden, die zu Kratern passten – und in einem Fall hat der Laserhöhenmesser MESSENGERs bereits zeigen können, dass dieser 25-m-Krater tatsächlich tief genug ist, dass auf seinen Boden nie die Sonne scheint. Der erste Test der Eis-Hypothese wurde also „mit wehenden Fahnen“ passiert, aber viele werden noch folgen: nicht nur bei anderen Kratern sondern auch mit MESSENGER-Instrumenten, die das Eis direkt(er) nachweisen können sollten, namentlich durch erhöhten Wasserstoffgehalt. Derweil hat der Höhenmesser schon über 2 Mio. Messungen geliefert (die Höhenunterschiede auf dem Merkur übersteigen 9 km; besonders tief liegt der Norden), während die Kamera mehr als 20’000 Bilder machte und die Merkurkarte gerade an den Polen dank direkter Überflüge schon stark verbessert hat.

Der Merkur hat sich in den ersten Monaten von MESSENGER (siehe Artikel 938b) im Orbit – mehr noch als nach dem ersten, zweiten und dritten Flyby auf dem langen Hinweg – als ein „Planet mit eigener Persönlichkeit“ entpuppt: Das „hat uns etwas zu sagen“ über die Zustände bei der Bildung des inneren Sonnensystems. Und sogar noch mehr: In vielen Exoplaneten-Systemen ist man auf (zuweilen nur wenige Erden große) Planeten gestoßen, die ähnlich nahe um ihre Sonnen kreisen wie der Merkur um unsere. Die Vielfalt der vier inneren Planeten des Sonnensystems, die sich durch die Merkur-Erkenntnisse erneut vergrößert hat, läßt da einiges an Möglichkeiten erwarten.

Zwei – sehr verschiedene – Cassini-Videoclips

3. Juni 2011

aus den Unmengen von Rohbildern der schon fast sieben Jahre im Orbit befindlichen Sonde sind von Fans der Mission produziert worden: Der obere, das gerade einiges Aufsehen erregt, montiert Rohbilder – inklusive aller Artefakte – aneinander, das untere basiert ebenfalls ausschließlich auf Originalbildern der Sonde, die aber mit großem Aufwand bereinigt und in fließende Bewegung versetzt wurden. Hat beides was …

Nachruf auf Spirit – und Opportunity hat 30 km geschafft! Am 8. Juni wird zum allerletzten Mal nach einem Signal des Marsrovers Spirit gelauscht, der schon keine Kommandos mehr erhält – seinem Andenken dient auch obiges JPL-Video. Derweil hat Opportunity am 1. Juni die 30-km-Marke seiner Mars-Rundfahrt passiert, nach 88 Monaten auf dem Planeten: Dabei kam er im Mai auch an einem kleinen, jungen (<100'000 Jahre) 9-m-Krater vorbei (unten) der "Skylab" getauft wurde.

Drei MESSENGER-Bilder aus dem Merkur-Orbit, die schräge Kraterlandschaften, ein Stück Oberfläche in Falschfarben (Bilder mit 1000, 750 und 430 nm wurden RGB zugewiesen) und den 100-km-Krater Atget zeigen.

Wolken-Effekte von zwei Inseln vor Chile auf einem Bild des Aqua-Satelliten – Verwandte der von-Kármán-Wirbel.

Die Sonne im „Golden Tor der Ekliptik zwischen Hy- und Plejaden auf einem SOHO-Bild vom 28. Mai. Jede Menge mehr aktuelle Pretty Pictures aus dem Sonnensystem gibt’s übrigens im Großformat in The Atlantic zu bestaunen.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

15. Mai 2011

Globaler Magma-Ozean von Io in Galileo-Magnetfeld-Daten

Erst jetzt sind Modellrechnungen ausgefeilt genug geworden, um in 11 Jahre alten Daten des Magnetometers auf dem Jupiter-Orbiter Galileo nach Effekten durch das Innenleben des Mondes Io zu fahnden: Dabei ist – unabhängig von mehreren früheren Argumenten – bestätigt worden, dass es unter seiner Kruste eine globale Schicht zumindet zähflüssigen Magmas gibt. ultramafisches Gestein wird nämlich in geschmolzenem Zustand ein guter elektrischer Leiter und beeinflusst das Jupiter-Magnetfeld in ähnlicher Weise wie der salzige Ozean von Europa- Allerdings sind die Aussagen über Ios 50 bis 200 km dickem Magma-„Ozean“ (aus mindestens zu 20% geschmolzenem Lherzolith?) nur vage, basiert doch die Analyse auf nur zwei nahen Vorbeiflügen Galileos an Io 1999 und 2000: Ja, wenn man einen eigenen Io-Orbiter hätte … (JPL Release, Ars Technica, Bild der Wissenschaft 12., Gish Bar Times, Space Today 13.5.2011)

Titans Atmosphäre könnte durch Kometeneinschläge entstanden sein, während des Late Heavy Bombardements vor 3.9 Mrd. Jahren: Das legen Laborversuche nahe, bei denen Projektile auf eine Mischung aus Ammoniak und Wassereis geschossen wurden, die der Kruste des Saturnmonds entspricht. Dabei wurde etwas Ammoniak in Stickstoffgas umgewandelt: Man kann hochrechnen, dass die gesamte dichte Stickstoffatmosphäre Titans auf diese Weise gebildet worden sein könnte. (New Scientist 8.5.2011. Und Ars Technica 9.5.2011 zu weiteren Indizen für einen unterirdischen Titan-Ozean)

MESSENGER schon mehr als 100-mal um den Merkur gesaust

Am 6. Mai war dieser Meilenstein erreicht: Der erste Merkur-Orbiter hatte bis dahin fast 2 Mio. Kommandos ausgeführt, über 70 Mio. Magnetfeldmessungen gemacht, 300’000 Spektren von Gamma bis IR und 16’000 Bilder aufgenommen. Zur Zeit geht es besonders „heiß her“, da MESSENGER die Tagseite Merkurs beim höchsten Sonnenstand überfliegt – dafür geht es umgekehrt immer wieder in den Schatten des Planeten: Der Orbiter hat damit aber – dank umfassender Vorbereitung – keine Probleme. (Mission News 6.5.2011)

Genesis-Analyse fördert Isotopen-Differenz Sonne(nwind) / innere Planeten zu Tage: Mühsam ist die Auswertung der Sonnenwindteilchen, die die Genesis-Mission einsammelte und die dann unsanft in der Wüste landeten (siehe Artikel 946) – aber es geht. Gelegentlich erscheinen Papers zur Mission, jetzt mit überraschenden Sauerstoff-Isotopenverhältnissen. (Los Angeles Times 9.5.2011)

Japan gibt Satellit ALOS auf: symbolisches „letztes Kommando“

Gehört hat der ausgefallene Advanced Land Observing Satellite („Japanischer Erdbeobachter …“) das finale Kommando am 12. Mai – Sender & Batterien aus! – wohl nicht mehr: Die Elektrik war schon drei Wochen vorher zusammen gebrochen, jeder Versuch der Kontaktaufnahme fehlgeschlagen. Nach der Ursache wird weiter gesucht, aber immerhin hatte ALOS alis Daichi seine nominelle Lebensdauer von 3 Jahren klar überschritten und die gewünschten 5 Jahre gerade eben erreicht. Vor allem Bilder von frischen Naturkatastrophen wie den Erdbeben in Sichuan 2008 und Japan selbst diesen März hat ALOS geliefert: Rund 100-mal pro Jahr gab es Anfragen. (JAXA Release, Spaceflight Now, Space.com 12.5.2011)

Investment-Firma will argentinischen Satelliten als Geisel nehmen: Die auf den Cayman-Inseln ansässige NML Capital Ltd. fordert vom argentinischen Staat mehrere Milliarden Dollar – und hat versucht, den kurz vor dem Start stehenden argentinisch-amerikanischen Forschungssatelliten SAC-D/Aquarius („Ozeansatellit …“) beschlagnahmen zu lassen. Daraus wird aber wohl nichts, und die Vorbereitungen für den Start am 9. Juni gehen planmäßig weiter. (Space News 12.5.2011)

Chinesische Raumstations-Pläne öffentlich diskutiert

Die langfristige Finanzierung für eine zweite Raumstation im Erdorbit scheint jetzt zu stehen, da China wohl noch lange nicht bei der ISS mitspielen darf: Geplant ist der Start von drei Teststatiönchen, gefolgt vom Aufbau einer größeren. Zuerst kommt Tiangong-1 („In rund einem …“) dieses Jahr: Daran wird zunächst die unbemannte Shenzhou-8-Kapsel das Andocken üben, bevor 2012 zweimal Besatzungen jeweils kurz einziehen. Die in den folgenden drei Jahren geplanten Stationen Tiangong-2 und -3 können dann bereits 20 bzw. 40 Tage lang bewohnt werden – und dann beginnt der Aufbau der eigentlichen chinesischen Raumstation mit einem Kernmodul (18.1 m lang) und zwei Forschungsmodulen (à 14.4 m): immer noch kleiner als einst die russische Mir. (Nature News 4., Spaceflight Now 12.5.2011)

Panspermie-Experimente während des vorletzten Shuttle-Flugs STS-134, der jetzt für morgen angesetzt ist (mit weiterhin 70% Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter) hat die Planetary Society vorbereitet: Im Rahmen von Shuttle LIFE gehen Bärtierchen sowie je zwei Bakterien- und Archäen-Arten auf die Reise – als Testlauf für eine MFG auf der russischen Fobos-Grunt-Mission zum Mars. Auch die Exobiologen des DLR in Köln sind beteiligt! (Planetary Society Press Release 13.5.2011)

NASA bucht Flüge auf zwei – noch nicht fertigen – Suborbital-Systemen

Die meisten der 16 Mikrogravitations-Experimente, für die die NASA jetzt Träger gebucht hat, werden auf Parabelflügen beim kommerziellen Anbieter Zero G im Juli durchgeführt – aber ein paar sollen mit dem Xaero von Masten Space Systems und dem Super Mod von Armadillo Aerospace fliegen, im Rahmen von Tests noch dieses Jahr. Mit diesem Vertrauen in diese beiden noch unerprobten Vertical-Takeoff-Vertical-Landing-Vehikel will die NASA auch die kommerzielle wiederverwendbare Suborbital-Träger-Industrie des Landes fördern. (NASA Release 13.5.2011)

NASA steigt aus LISA, IXO aus – ESA allein gelassen

7. April 2011

Noch sind die Quellen allein Blog-Stories, die auf einem internen Rundschreiben und einzelnen Interviews basieren, aber das Bild ist eindeutig: Die NASA hat alle Arbeit an den großen Weltraumastronomie-Projekten LISA (Gravitationswellen-Nachweis durch mehrere Satelliten) und IXO (großes Röntgenobservatorium) abgebrochen. Beide gehören auch zu den 3 Finalisten für das erste Großprojekt der Cosmic Vision der ESA („Erste Riesenforschungsmission …“); der dritte wäre eine Mission zum Jupiter ebenfalls mit der NASA zusammen. Angesichts der Unwägbarkeiten der NASA-Politik war die ESA-Auswahl bereits verschoben worden („NASA zu verwirrt …“): Da nunmehr allen drei Kandidaten der NASA-Beitrag abhanden gekommen ist, wird diesseits des Atlantuik ein gewaltiges Umdenken nötig, die bisherigen Missionskonzepte sind allesamt Geschichte und müssen deutlich vereinfacht werden. Und jenseits des Teichs? Dort werden die Karten erst recht neu gemischt werden müssen (womöglich mit gleich einer neuen Decadal Review für die Astrophysik) – und schon munkeln manche, das viel zu teuer geratene JWST könnte doch noch dran glauben müssen … Cat Dynamics, Cosmic Variance 6., BBC Blog, Living LIGO, Nature Blog [NACHTRAG: mit einem Update vom 11.4.] 7.4.2011. NACHTRAG: ein offizielles Wort zu LISA. NACHTRAG 2: ein Statement des AEI Hannover zum Weiterleben von LISA … NACHTRAG 3: … und ein Statement der NASA (in einem Update vom 13.4.)

Nur ein gemeinsamer Marsrover von ESA & NASA 2018

Auch das gemeinsame Marsprogramm von ESA und NASA („Grünes Licht …“) wird abspecken müssen: Eigentlich sollten 2018 gemeinsam ein ESA- und ein NASA-Rover starten, der erste zu intensiven astrobiologischen Forschungen, der andere zum Probensammeln für einen Transport irgendwann zur Erde, aber beide (ExoMars bzw. MAX-C) werden nun zu einem Fahrzeug vereinigt, größer als die beiden gewesen wären. Viele Details müssen noch ausgehandelt werden, aber der Rover wird vermutlich in Europa gebaut und mit europäischen und amerikanischen Instrumenten bestückt, und die USA sorgen auch für Verpackung und Start – und die Landung, mit genau derselben Skycrane-Technik, die erstmals beim MSL (s.u.) zum Einsatz kommt: Deren exakte Wiederverwendung soll entscheidend zum Geldsparen beitragen. (BBC 7.4.2011) NACHTRAG: Die ESA soll sich Ende Mai entscheiden, ob das was wird.

Erste Spektren des deutschen GREAT-Instruments auf der fliegenden Sternwarte SOFIA, aus der Sternentstehungsregion M17SW im Terahertz-Bereich, die beim ersten Wissenschaftsflug in der Nacht 5./6. April aufgenommen wurden, auch die Galaxie IC342 war beobachtet worden. Auf dem Jungfern-Flug wurden mit GREAT die stärksten Emissionslinien beobachtet, über die eine Kühlung des interstellaren Mediums erfolgt: Pressemitteilungen von MPG, MPIfR und DLR und den Universitäten Stuttgart und Köln und NASA und USRA Press Releases 7.4.2011.

Soyuz TMA-21 im Anflug auf die ISS heute morgen, knapp 49 Stunden nach dem Start und 10 Minuten zu früh: Man sah die Chance, schneller zum Ziel zu kommen und dabei etwas Sprit zu sparen und nutzte sie. Und nun? Die ‚Abschaltung‘ der US-Regierung ist immer noch nicht abgewendet und hätte z.B. gravierende Folgen am KSC für die Vorbereitung von STS-134, z.Z. für den 29.4. geplant. Und noch schlimmer: Es gäbe dann kein NASA-Fernsehen mehr …

So „sieht“ das Laseraltimeter LOLA auf dem LRO den Mond: von links ein Höhen-, ein Neigungs- und ein Rauigkeitsbild, das aus den Höhenmessungen aus dem Orbit abgeleitet wurde, alle auf den jungen Krater Tycho zentriert – alle 192 Terabyte Daten der ersten Missionsphase (die einer längst nicht mehr existierenden bemannten Mission zuarbeiten sollte) sind inzwischen öffentlich, darunter auch eine 1.1 GB große Höhenkarte mit 100 m Netzweite. Der LRO betätigt sich weiterhin, nun rein wissenschaftlich; derweil hat der zweite chinesische Orbiter Chang’e 2 seine Primärmission abgeschlossen und wendet sich weiteren Aufgaben zu – während es bereits Pläne bis Chang’e 5 gibt.

So weit ist der nächste Marsrover schon gediehen: das Mars Science Laboratory der NASA alias „Curiosity“ (allmählich wird der, äh, kuriose Name etwas populärer). Gestartet werden soll zwischen dem 25.11. und 18.12., und wo gelandet werden soll, wird auch bald entschieden. Das Bild des 3-m-Rovers enstand am 4. April im Rahmen einer Pressevorführung, von der Fotografen reichlich Gebrauch machten.

Eine Merkuraufnahme vom ersten Wissenschaftsorbit MESSENGERs von 80°S: Wie angekündigt, gibt es seither genau einen Bild-Happen pro Tag in der Galerie, während der Planet systematisch fotografiert wird: Die morphologische Basiskarte soll 90% der Oberfläche mit 250 Metern pro Pixel Auflösung zeigen, überwiegend mit schrägem Sonnenstand.

Weitere größere Artikel – MESSENGER inklusive!

1. April 2011

Der erste Orbiter kreist um Merkur – MESSENGER am Ziel! (Oben eine Auswahl erster Bilder aus dem Orbit: der Rand in Farbe, der Krater Boccaccio und nordpolares Terrain in schrägem Licht.)

Hubble-Konstante auf drei Prozent genau bestimmt: neuer Meilenstein von SH0ES.

Braune Zwerge so warm wie Kaffee, frisch gebrühter jedenfalls – und die ersten Y-Objekte?

Kürzere Artikel

Epsilon Aurigae wird bereits wieder heller: Die große Finsternis scheint vorbei.

Meteore vom Příbram/Neuschwanstein-Mutterkörper? Könnte in den ersten April-Wochen passieren.

Deutsches Instrument bereit für SOFIA: GREAT darf abheben!

Hat jeder Sonnenzyklus zwei separate Maxima? Manchmal fallen sie halt zusammen …

Ein Asteroid, zwei Kometen: Stardust im Ruhestand nach gut 12 Jahren im All.

Das erste Bild von einer Raumsonde im Orbit um den Planeten Merkur

29. März 2011

hat MESSENGER heute – 11 Tage nach dem Eintritt in die Umlaufbahnaufgenommen, gefolgt von 363 weiteren, denen in den nächsten drei Tagen im Rahmen der Inbetriebnahme der Instrumente 1185 weitere folgen sollen – und gut 75’000 im Rahmen der Primärmission ab dem 4. April. Morgen werden weitere Schnappschüsse präsentiert.

Opportunitys Blick zurück auf dem Marskrater Santa Maria, den der Rover nach eingehender Untersuchung wieder verlassen hat, um die Reise zum Großkrater Endeavour fortzusetzen – der noch dieses Jahr erreicht werden könnte. Während Spirit seit einem Jahr schweigt und eine Kontaktaufnahmen nun nicht mehr lange versucht werden wird.

Ein Hubble-Bild des großen Sturms auf dem Saturn vom 12. März: Die Bilddaten sind – eine Rarität! – sogleich allgemein verfügbar geworden und bereits Gegenstand von allerlei Weiterverarbeitung durch Planetenfans.

Einschuss perfekt gelungen: Wir haben einen Orbiter um den Planeten Merkur!!!

18. März 2011

Vor 1 1/2 Stunden ist der Einschuss der Raumsonde MESSENGER in eine Umlaufbahn um den Merkur („MESSENGER …“) allen Indizien nach mit absoluter Perfektion geglückt – begleitet von einem lebhaften gut zweistündigen Webcast aus dem zuständigen Applied Physics Lab der Johns Hopkins University und begeisterter Anteilnahme auf Twitter. Kurioserweise feierte man dort die Meilensteine der Orbit Insertion in Spacecraft Event Time, d.h. die Triebwerkszündung von 1:45-2:00 MEZ, während man am APL – wie in der interplanetaren Raumfahrt üblich – die 9 Minuten Signallaufzeit addierte und Ereignisse erst in Earth Received Time zur Kenntnis nahm. Was ja auch Sinn macht: Als der Dopplereffekt auf das Funkträgersignal (Plot ganz oben) jene Marke passierte, ab der ein gebundener Orbit erreicht sein musste, wurde zum ersten Mal heftig applaudiert (2. Bild: die „zwei Mikes“ mit dem Kommentar), und als der Burn korrekt geendet hatte, wurde auch in der Mission Control gefeiert (Mitte). Der Kontrollraum leerte sich danach verblüffend schnell (4. Bild), aber nochmal richtig applaudiert werden konnte keine Stunde nach dem Einschuss (unten), als MESSENGER wieder mit hoher Datenrate funkte – aus einer offenbar perfekten Umlaufbahn und ohne jede Störung während des Burns oder danach. (Da hat dann auch der Chef gratuliert.) Die Sonne, der Merkur, die Venus, die Erde, ihr Mond und mehrere Lagrangepunkte, der Mars, mehrere Asteroiden, der Jupiter und der Saturn haben oder hatten damit künstliche Satelliten: eigentlich nicht schlecht für ein halbes Jahrhundert Raumfahrt …

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

15. März 2011

Zwei geheimnisvolle Starts (Delta 4, Atlas 5) gelungen – Glory auf Taurus XL verloren

Ohne Probleme gelangten am 12. März ein geheimer Satellit des National Reconnaissance Office – NROL-27 alias Gryphon – auf einer Delta 4 (oben) und am 5. März das zweite Exemplar des mysteriösen Minishuttles X-37B auf einer Atlas 5 (Mitte) in den Orbit, doch der Glory der NASA („Start des Klimasatelliten …“) ging beim erneuten Fehlstart einer Taurus XL am 4. März (unten) verloren. Bereits der letzte Start dieser Rakete vor 2 Jahren hatte einen NASA-Klimaforscher vernichtet (Kurzmeldung unten), als sich – genau wie jetzt wieder – die Nutzlastverkleidung nicht löste und Rakete samt Satellit in antarktische Gewässer stürzten. Der Mechanismus des Verkleidungsabwurfs war daraufhin durch den seither dreimal bewährten der Minotaur-4-Rakete ersetzt worden; dass sich das Versagen nun wiederholte, war ein totaler Schock für die Firma Orbital Sciences, die der NASA sowohl die Rakete wie den Satelliten geliefert hatte: NASA Release 9., Nature 7. Space Today 4.3.2011; viele weitere Links im Cosmic Mirror #341.

Auch diesmal kann wieder nur spekuliert werden, was an Bord des 2. X-37B ist, der ca. 270 Tage im Orbit bleiben soll: Verraten hat die USAF lediglich, dass man diesmal gezielt bei stärkerem Wind landen will, um diese Technik weiter zu testen. Beobachter tippen, dass an Bord Sensor-Technologie für künftige Aufklärungssatelliten getestet werden soll (für Aggressiveres wäre der Shuttle weder groß noch wendig genug); der Verdacht, dass ein Programm ein weitgehend zweckfreier Selbstläufer sei steht aber weiter im Raum. Wann der 1. Shuttle zum 2. Mal starten soll – was erst seine Wiederverwendbarkeit beweisen wird – scheint noch nicht fest zu stehen: Boeing, USAF Releases, Start-Bilder (mehr), Spaceflight Now, Space.com (später), TIME, LA Times, Universe Today, Space Today (früher), Tagesschau, Welt. Zum Start des Gryphon – spektakulär bei Sonnenuntergang; Amateurbilder hier, hier, hier, hier und hier und Videos hier und hier – gab es offiziell nur heiße Luft, man mutmaßt aber, dass es sich um einen leistungsfähigen Kommunikationssatelliten für Aufklärungsdaten handelt: Universe Today, Space Today, Eureka.

Europäischer GPS-Overlay fertig: EGNOS für Flughäfen

Das European Geostationary Navigation Overlay System ist nach 15 Jahren Entwicklung seit dem 2. März zertifiziert und damit reif für die Anwendung im Luftverkehr, der kritischsten aller möglichen Nutzungen von Satellitennavigation: Gut 40 über Europa verteilte ortsfeste Empfänger bekommen ständig ihre vermeintliche Position durch das amerikanische GPS-System geliefert, ermitteln die Fehler und verteilen diese Information über drei geostationäre Satelliten. Wer also gleichzeitig GPS nutzt und diesen Zusatzservice empfängt, dessen jährlicher Betrieb rund 110 Mio. Euro kostet (Finanzierung nach 2013 noch unklar!), kann seine Position im 3D-Raum mit absoluter Genauigkeit angeben. (Space News 3.3.2011)

Zumindest die erste Phase der GPS-Konkurrenz Galileo ist nun sicher finanziert: Damit können die ersten 18 („Galileo-NavSats …“) – bereits im Bau befindlichen – Satelliten gestartet werden, und es bleiben noch Reserven für Unvorhergesehenes. Die Komplettierung des Systems auf 30 Satelliten dürfte indes vor 2014 kaum anzugehen sein. (Space News 3.3.2011)

Die erste Buchung wissenschaftlicher Flüge auf bemannten Suborbitalraumschiffen

hat das Southwest Research Institute vorgenommen: Mit dem SpaceShipTwo („Zoff …“) von Virgin Galactic soll es bis in mindestens 100 km Höhe gehen und mit dem Lynx Mark 1 von XCOR immerhin noch 60 km hoch (was zwar kein Weltraum aber immer noch ziemlich hoch ist). Materialwissenschaft unter µg – zum Verhalten von Asteroiden-Regolith – und medizinische Selbstversuche sind ebenso geplant wie der Wiederflug des astronomischen UV-Teleskops SWUIS (Southwest Ultraviolet Imaging System), das 1997 auf dem Space Shuttle Discovery im Orbit war. In der US-Wissenschaft besteht generell ein großes Interesse an der Nutzung („Suborbital-Raumschiffe …“) der kommerziellen Suborbitalschiffe: Sie stellen eine Nische zwischen Parabelflügen und der ISS dar, auf die nur sehr schwer zu kommen ist. Noch unklar ist, wie viel Training die Wissenschaftler, die die Experimente in den 5 Minuten µg betreuen, benötigen werden – und ob sie sich auch in der Schwerelosigkeit amüsieren dürfen oder fest angeschnallt werden … (Virgin Galactic Press Release 28.2., Space Today 1., The Space Review 14.3.2011)

China verfolgt offenbar Pläne für eine große Raumstation: Der dieses Jahr startenden Ministation Tiangong-1 („In rund einem Jahr …“), die erst unbemannt Shenzhou 8 und dann zwei Besatzungen aufsuchen werden, sollen 2013 eine größere und 2015 eine noch größere Station folgen – und im Zeitraum 2020-22 wird dann eine 60-Tonnen-Station aufgebaut, die 10 Jahre halten soll. Und etwas Sinnvolles damit anfangen wollen die Chinesen angeblich auch. (Space.com 7.3.2011)

Neue Chance für DSCOVR als Weltraumwetterwächter?

Im NASA-Budget-Entwurf für 2011 steht es jedenfalls drin: Der einst von Al Gore („Der „GoreSat“ …“) als kurioser Erdbeobachter, der immer auf die Tagseite schaut, initiierte Satellit, der politischen Ränkespielen zum Opfer fiel und seit 7 Jahren eingelagert ist, wird demnach mit Detektoren für solare Teilchen erweitert und soll im Lagrangepunkt 1 den uralten Advanced Composition Explorer ablösen, der seine Nennlebensdauer schon um 12(!) Jahre überschritten hat. Mit einem Start Ende 2013 käme er gerade recht zum Sonnenmaximum. (Spaceflight Now 21.2.2011) NACHTRAG: ein langer Artikel zur Odyssee des Satelliten. NACHTRAG 2: weitere Entwicklungen.

Die dritte Generation der Meteosats ist gesichert, nachdem die Statthalter-Regierung Belgiens als letzte die Mittel für Meteosat Third Generation („Meteosats der 3. …“) freigegeben hat – damit wird es Euro-Wettersatelliten auch die nächsten 30 Jahre geben. Und zwar sechs MTG-Satelliten, die ab 2018 starten sollen, Kostenpunkt rund 3.4 Mrd. Euro. (Eumetsat Release, BBC 25.2.2011. Und Chosun Ilbo 10.3.2011 über den Beinahe-Zusammenstoß u.a. eines koreanischen Wettersatelliten mit einem im GEO herumirrenden russischen Satelliten)

Die ersten kalibrierten Messungen der UV-Strahlung der Sonne durch den Satelliten PROBA-2

und sein LYRA-Instrument liegen nun vor: Es misst mindestens 20-mal pro Sekunde die Irradianz in vier Wellenlängen und ist damit ein ideales Frühstwarnsystem für Flares und Ähnliches. Die Kamera SWAP auf demselben ESA-Satelliten („Proba-2 …“) – der auch noch diverse Technologie- und weitere wissenschaftliche Experimente trägt – kann dann nachschauen, wo auf der Sonnenscheibe die zusätzliche UV-Strahlung her kommt. (ESA Release 10.3.2011. Und eine DLR PM 15.3.2011 zur zeitweiligen Übernahme der Kontrolle des PRISMA-Satellitenpärchens durch das DLR [NACHTRAG: DLR Blog dazu] – ab Sommer sind wieder die Schweden dran)

GOCE hat das beste Geoid aller Zeiten bestimmt und am 2. März das erste Jahr seiner Vermessung des Schwerefelds der Erde abgeschlossen – die Verlängerung der Mission bis Ende 2012 ist bereits beschlossen, um die Daten noch weiter zu verbessern. (ESA Release 4.3.2011)

Vier Finalisten für die dritte Mittelklasse-Mission der Cosmic Vision

der ESA (M3) sind aus 47 eingegangenen Vorschlägen ausgewählt worden: ein Exoplaneten-Spektrograph, ein großflächiger Röntgensatellit, eine Sample Return von einem Asteroiden und ein Satellit für fundamentalphysikalische Experimente. Der Gewinner darf auf einen Start im Zeitraum 2020-22 hoffen, nach M1 und M2 in den Jahren 2017-18: Noch dieses Jahr werden die beiden Glücklichen aus den drei Kandidaten („Drei Finalisten …“) Euclid, PLATO und Solar Orbiter ausgewählt. (ESA Release 25., BBC 26.2.2011. Und Space News 25.2., New Scientist 2., Space News 11.3.2011 zu neuem – diesmal technischem – Ärger mit dem JWST, dessen Detektoren aus unerfindlichen Gründen rapide vergammeln und u.U. für 30 Mio.$ ersetzt werden müssen)

Der nächste große US-Astrosatellit WFIRST kann frühestens 2025 starten, weil die enormen Kosten- und Terminüberschreitungen beim JWST den Astro-Etat massiv belasten. Am liebsten würden die Amerikaner doch noch bei Euclid einsteigen, aber der Zug scheint abgefahren. Ein Szenario steht aber noch im Raum: Fällt Euclid bei der M2/M3-Wahl durch, dann könnte die Mission eines Dunkelenergie-Forschers vielleicht separat als 50:50-Partnerschaft mit der NASA gerettet werden – die sonst in der Weltraumastronomie ähnlich ins Hintertreffen zu geraten droht wie es die US-Teilchenphysiker gegenüber dem CERN bereits sind … (Science 4.3.2011 S. 1121)

Voyager 1 dreht sich auf Kommando im Raum

Inzwischen im Heliosheath am Rande des Sonnensystems angekommen, hat sich die 33 Jahre alte Raumsonde am 7. März planmäßig gedreht, um den Anströmwinkel eines Messgeräts für den Sonnenwind zu ändern – es misst seit einer Weile die Geschwindigkeit Null (siehe ISAN 126-10), und das bedeutet vermutlich, dass der solare Teilchenstrom hier aufgehalten wird und zur Seite abknickt. Die Analyse der Daten wird dauern, und auch weitere Pirouetten Voyagers sind geplant – ein Manöver, das (bis auf einen Vortest) seit 21 Jahren nicht mehr durchgeführt wurde, damals zur Aufnahme des Portraits des Sonnensystems. (JPL Release, Universe Today 8.3.2011)

Der Saturnmond Enceladus hat eine noch viel stärkere innere Wärmequelle als bisher gedacht, 15.8 GW, haben IR-Messungen Cassinis am Südpol (wo die ‚Tigerstreifen‘ einen Blick ins Innere erlauben) gezeigt – und eine offensichtliche Ursache gibt es nicht! Vielleicht verändern sich die orbitalen Verhältnisse von Enceladus und Dione in einer Weise, dass die Gezeitenheizung zeitweise stark erhöht ist, und wir haben gerade Glück („Enceladus nur …“)? Jedenfalls ist nun noch wahrscheinlicher, dass es im Enceladus-Inneren flüssiges Wasser gibt, was den kleinen Mond astrobiologisch noch interessanter macht. (JPL Release 7.3.2011)

MESSENGER vor dem Eintritt in den Merkur-Orbit!

In der Nacht vom 17. zum 18. März wird die NASA-Sonde MESSENGER, die bereits dreimal am Merkur vorbei flog, von 1:45 bis 2:00 MEZ ihr Triebwerk zünden, 31% des Treibstoffvorrats verbrennen und die Geschwindigkeit um 862 m/s verringern: Schon während des Manövers sollte dessen genereller Erfolg zu bemerken sein, und gegen 3:00 MEZ wird feststehen, ob der Zielorbit („MESSENGER keine 100 Tage …“) erreicht wurde. Nur sehr vorsichtig werden dann in der neuen permanent heißen Umgebung die wissenschaftlichen Instrumente wieder in Betrieb genommen, mit dem Beginn regulärer Beobachtungen am 4. April: Bilder aus dem Orbit wird es z.B. noch zwei Wochen lang keine geben. Und auch danach wird nur ein ausgewähltes Bild pro Tag gezeigt: Im Gegensatz zu etwa Cassini wird das Projekt den ständigen Fluss der Rohbilder unter Verschluss halten, so dass der Rest der Welt sie erst nach Monaten über das zentrale Archiv zu Gesicht bekommen wird. (JHU APL Release, Visuals, U. Colorado PR, Science@NASA, Planetary Society Blog, New Scientist 15., UA News 11.3.2011)

Dawn nähert sich dem Asteroiden Vesta mit nur noch 700 m/s, und die Geschwindigkeit sinkt jeden Tag, den das Ionentriebwerk eingeschaltet („Asteroidensonde …“) ist, um 7 m/s: Im Juli wird die erste Umlaufbahn in 2400 km Höhe erreicht, später geht es auf 660 und schließlich sogar 200 km hinunter, bevor die Reise im Juli 2012 in Richtung Zwergplanet Ceres fortgesetzt wird. Schon jetzt ist Vesta übrigens am Dawn’schen Himmel das nach der Sonne hellste Objekt. Um dessen systematische Kartierung zu trainieren (80% der Oberfläche liegen im Licht), ist schon mal das bestmögliche 3D-Modell aus Hubble- und erdgebundenen Bildern (siehe ISAN 121-9) erstellt worden. (Dawn Journal 27.2., JPL Release, DLR PM 10.3.2011. Und das Planetary Society Blog 7.2.2011 über den Vesta-Körper mit seinem großen Krater)

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

13. Dezember 2010

‚Sah‘ ein Satellit eindeutige Vorläufer des Haiti-Erdbebens?

Die konkrete Vorhersage von Erdbeben – über die rein statistische Gefährdung einzelner Regionen hinaus – ist eines der großen ungelöstend Probleme der Geophysik. Jetzt soll in den extrem niederfrequenten elektromagnetischen Wellen (ULF), die der kleine Satellit DEMETER – Detection of Electro-Magnetic Emissions Transmitted from Earthquake Regions – in den 30 Tagen vor dem schweren Erdbeben in Haiti diesen Januar maß, ein signifikanter Energieanstieg aufgespürt worden sein, der mit der ‚Vorbereitung‘ des Bebens in der Tiefe zusammen gehangen haben könnte. Mehr oder weniger plausible Hypothesen für die Erzeugung solcher Strahlung (und anderer angeblich vor Erdbeben aufgetretener EM-Effekte) gibt es durchaus – aber dass sich daraus jemals eine operative konkrete Warnmöglichkeit ergeben könnte, gilt als fraglich. Die Mission des Satelliten ist derweil am 9. Dezember nach über 6 Jahren beendet worden. (Homepage; Athanasiou & al., Preprint 7., arXiv Blog 9.12.2010) NACHTRAG: Auch beim Japan-Beben 2011 könnte was gewesen sein.

Venus-Express-Beobachtungen stellen Geoengineering-Idee in Frage: Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, künstlich Schwefelsäuretröpfchen in die Erdatmosphäre zu bringen, um dem anthropogen Temperaturerwärmung entgegen zu wirken – das legen Modellrechnungen nahe, die die Entstehung einer Schwefeldioxid-Schicht in der oberen Venusatmosphären erklären, auf die der Venus Express gestoßen ist. Das Gas entsteht offenbar durch Verdampfen der Schwefelsäuretröpfchen, wobei die Säuremoleküle von der Sonnenstrahlung zerbrochen werden (und der Schwefelkreislauf der Venus mithin komplizierter als gedacht ist). Genau das würde küntlichen Schwefelsäuretropfen in der Erdatmosphäre wohl auch blühen, deen Einbringung in Analogie zu der temporär global kühlenden Wirkung des Pinatubo-Ausbruchs 1991 öfters mal vorgeschlagen wird – in Gasform geht die kühlende Wirkung indes verloren. (ESA Release 30.11.2010)

IKAROS passierte Venus – mit Gravity Assist

Am 8. Dezember ist auch der zusammen mit Akatsuki gestartete Sonnensegler IKAROS an der Venus vorbei gekommen und sollte sich dem Planeten bis auf 80’800 km Entfernung genähert haben. Dabei wurde die Bahn des Seglers durch die Schwerkraft des Planeten deutlich abgelenkt: das erste Mal, dass ein Gravity Assist einem Sonnensegler widerfuhr! (Eureka 13.12.2010. [NACHTRAG: noch ’ne Notiz dazu.] Und Kyodo zu einem Programmierfehler von Hayabusa, der 2005 das Zünden der Pellet-Kanone verhinderte)

MESSENGER keine 100 Tage mehr vor dem Eintritt in den Merkurorbit am 18. März 2011: Nach 6 Planeten-Vorbeiflügen und 5 Bahnkorrekturen dazwischen steht dem entscheidenden Manöver nun nichts mehr im Wege – das haben dem Projekt jedenfalls auch externe Gutachter bestätigt. (MESSENGER Mission News 7.12.2010. Auch CollectSpace zu einer US-Briefmarke anlässlich der Ankunft)

Elf Wissenschaftsmissionen der ESA werden verlängert

Das hat das Science Programme Committee am 18./19. November entschieden: Die Missionen von Cluster, Integral, Planck, Mars Express, Venus Express und XMM-Newton sowie die ESA-Beteilungungen an Hinode, Cassini, Hubble, SOHO und Proba 2 werden fortgesetzt. Alle zwei Jahre müssen Projekte, die sich dem Ende ihrer regulären Finanzierung nähern, ausgiebig geprüft werden: Kann noch weiterer wissenschaftlicher Gewinn aus den großen Investitionen der Vergangenheit gepresst werden? (ESA Release 22., Physics World, Planetary Society Blog 23.11.2010)

Labortests einer entscheidenden Technologie für die LISA-Satelliten zur Messung von Gravitationswellen haben gezeigt, dass das Rauschen ihrer Laser weit genug unterdrückt werden kann, um per Interferometrie die extrem geringen Verschiebungen der drei Satelliten zueinander beim Durchlaufen einer Welle messen zu können. Konkret sollen die Lichtphasen auf den Satelliten bestimmt werden, während die eigentliche Interferometrie erst mathematisch am Boden erfolgt – und am Ende sind die relativen Positionen der Satelliten auf einen Picometer genau bekannt. (JPL Release 23.11.2010)

SOFIA hat alle drei Wissenschaftsflüge absolviert, und es kehrt bereits eine gewisse Routine ein. (Allerdings nicht in der Öffentlichkeitsarbeit: Von keinem der drei Flüge, auch dem ersten vor 2 Wochen, sind bisher Bilder publik geworden.) Nächstes Jahr geht es mit einem neuen wissenschaftlichen Instrument, GREAT, weiter. (365 Days of Astronomy 12., DLR Blog [mit schönen Impressionen vom 3. Flug], S. Casey Tweet 8., Ithaka College Release 7., Daily Camera 4.12.2010)

New-Millennium-Mission EO-1 schon seit 10 Jahren im Einsatz: Erdbilder auf Bestellung

Das entsprechende NASA-Technologie-Programm gibt es schon lange nicht mehr – aber einer der wenigen Satelliten, die daraus hervorgegangen sind (Artikel 411), arbeitet immer noch: Earth Observing 1 ist jetzt 10 Jahre im Orbit, obwohl eigentlich nur für ein Jahr ausgelegt. Nach ausgiebigen Technologietests dient der Satellit jetzt als Erdbeobachter mit ungewöhnlicher Autonomie, der einfach und schnell kommandiert werden kann, um sich spezielle Dinge von oben anzusehen. Und weil das alles nicht viel kostet, gibt’s die Bilder sogar gratis! (Homepage; NASA Feature 22.11., ASU Press Release 2.12.2010)

CryoSat 2 ist jetzt operativ: Die Inbetriebnahme des Eis-Forschungs-Satelliten ist nun abgeschlossen, und am 19.11. wurde die Kontrolle feierlich an das Operationsteam übergeben. (ESA Release 22.11., UKSA Release 6.12.2010. [NACHTRAG: ein paar erste wissenschaftliche Ergebnisse von CryoSat.] Auch eine Missionsverlängerung für GOCE – und die CubeSats, die Glory begleiten werden)

Die NASA bekommt vermutlich 18.9 Mrd.$ im FY2011

im Rahmen einer modifizierten Continuing Resolution, die das Repräsentantenhaus beschlossen hat, die aber den Senat noch passieren muss: Das würde weitgehend dem entsprechen, was die Authorization Bill vorsieht und die prinzipielle Umsetzung der Weltraumpläne Obamas einleiten. Das Constellation-Programm – bisher durch eine Klausel im FY2010-Haushalt künstlich am Leben erhalten – kann endgültig abgewickelt werden, jedenfalls die Ares-Raketen, während an der Orion-Kapsel weiter gearbeitet und rasch die Konstruktion einer Schwerlastrakete aufgenommen wird (ohne vorher erst nach besseren Technologien zu suchen). Eine explizite Genehmigung für einen zusätzlichen Shuttle-Flug nach den zwei letzten im Manifest ist allerdings nicht enthalten. (Space News 7., Space Politics 8., Space Policy Online 9.12.2010. [NACHTRAG: Der Senat scheint es ähnlich zu sehen.] Auch Wired und Space Policy Online zur unklaren Zukunft des JWST – und Space.com zur Versenkung der ISS)

Deutschland hat eine neue Raumfahrt-Strategie – und ein Rahmenabkommen mit den USA: Stark auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet ist das neue Dokument, das Projekte der wissenschaftlichen Grundlagenforschung nur noch im Rahmen der ESA und in bilateralen Unternehmungen vorsieht. Von rein deutschen Mondflügen, die immer wieder mal gepuscht wurden, kann man sich also endgültig verabschieden, aber ein neues Rahmenabkommen mit den USA, das kurz danach am 8.12. unterzeichnet wurde, sieht zwar keine konkreten neuen Projekte vor, führt aber explizit die Mondforschung beider Seiten näher zusammen. Auch ein gemeinsames Paar Radarsatelliten scheint möglich. (Strategie-Dokument; PMn von BMWi und DLR, Welt, Tagesschau 30.11., Nature Blog 1., Deutsche Welle, Alles was Fliegt 2., SpaceMart 6., DLR PM, NASA PR, Spiegel 8., Space News 9., NASA Ames Release 13.12.2010) NACHTRAG: eine Glosse zur deutschen Erdfahrt-Stragie …

Auch Südafrika bekommt eine eigene Weltraumagentur, auch wenn die South African National Space Agency (SANSA) erst ab April 2012 voll funktionsfähig sein wird. Mehrere Forschungseinrichtungen werden unter dem neuen Dach und im Rahmen eines nationalen Weltraumprogramms zusammen geführt, und auch eingemottete Anlagen aus der Apartheid-Zeit wieder belebt. (Engineering News, Sify 9.12.2010. Und die Irish Times zu Mondplänen in, ääh, Uganda?)

Zuviel Treibstoff in die Oberstufe getankt – Proton kommt nicht hoch genug!

Hat es schon einmal solch einen Grund für einen Fehlstart in der Raumfahrt gegeben? Da sitzt ein neues Modell der DM-Oberstufe (DM-03) auf der Proton-Rakete, das über einen größeren Tank als der Vorgänger verfügt – und die Startmannschaft macht ihn einfach bis zu der Marke voll, wie man das früher auch immer tat. Dumm nur, dass damit nun 1 bis 2 Tonnen Sprit zuviel im Tank sind, die Stufe damit zu schwer – und die 3. Stufe der Proton schaffte es nicht, sie samt drei Satelliten für das Navigationssystem GLONASS in den Orbit zu bringen, die stattdessen im Pazifik landen. Immerhin war die Proton nicht schuld, die vielleicht noch dieses Jahr wieder starten darf. (Space Today 11., Spaceflight Now, Space News, Novosti, UPI, AFP 10., Space News, TASS, Spiegel 6., Spaceflight Now, Novosti [man beachte die Formulierung, dass die Satelliten im Pazifik „may fail to function as normal“ …], BBC, Space Today, Eureka 5.12.2010) NACHTRAG: Laut dem Abschlussbericht wurden 1.5 bis 2 Tonnen zuviel Oxidator in die Tanks gepumpt.

Mysteriöser Schaden beim Start lässt Nachrichtensatellit auf Transferorbit stranden: Es ist nach wie vor unklar, wie bei Eutelsat W3B während des Ariane-5-Starts am 28. Oktober die Leitung vom Oxidator-Tank zum Triebwerk einreissen konnte, während einem anderen Satelliten an Bord nicht das Geringste passierte und es auch keinerlei Anzeichen für Anomalien bei der Ariane gab. Jedenfalls kann sich der Satellit mangels Antriebs weder in den Graveyard oberhalb des geostationären Orbits heben noch kontrolliert zum Absturz gebracht werden: Eutelsat hat ihn wenigstens so ‚inert‘ wie möglich gemacht, damit es bei einer eventuellen Kollision mit einer alten Raketenoberstufe (sonst treibt sich auf dem elliptischen Transferorbit wenig herum) nicht zu einer Explosion kommt. Modellieren lässt sich der natürliche Verfall solch einer Bahn auch kaum: 20 bis 30 Jahre es wohl bis zum Wiedereintritt dauern. (Space News 3.12., Spaceflight Now 8., Space News 5.11.2010. Auch Space News und Raumfahrer zur mühsamen Entfaltung der Riesenantenne von SkyTerra 1 [NACHTRAG: Jetzt ist sie offen])

Was wird aus US-Forschungssatelliten nach dem Ende der Delta 2, die seit 1998 zahlreiche Starts besorgte aber inzwischen nicht mehr hergestellt wird? Die – dieses Jahr zweimal erfolgreiche – Falcon 9 und die Taurus 2 sind als Träger für kleinere wissenschaftliche Satelliten ausgeguckt, aber bis sie für den Einsatz zertifiziert sind, v.a. wenn es um wertvolle Nutzlasten geht, vergehen typischerweise drei Jahre. (Space News 24.11.2010)