‚Sah‘ ein Satellit eindeutige Vorläufer des Haiti-Erdbebens?
Die konkrete Vorhersage von Erdbeben – über die rein statistische Gefährdung einzelner Regionen hinaus – ist eines der großen ungelöstend Probleme der Geophysik. Jetzt soll in den extrem niederfrequenten elektromagnetischen Wellen (ULF), die der kleine Satellit DEMETER – Detection of Electro-Magnetic Emissions Transmitted from Earthquake Regions – in den 30 Tagen vor dem schweren Erdbeben in Haiti diesen Januar maß, ein signifikanter Energieanstieg aufgespürt worden sein, der mit der ‚Vorbereitung‘ des Bebens in der Tiefe zusammen gehangen haben könnte. Mehr oder weniger plausible Hypothesen für die Erzeugung solcher Strahlung (und anderer angeblich vor Erdbeben aufgetretener EM-Effekte) gibt es durchaus – aber dass sich daraus jemals eine operative konkrete Warnmöglichkeit ergeben könnte, gilt als fraglich. Die Mission des Satelliten ist derweil am 9. Dezember nach über 6 Jahren beendet worden. (Homepage; Athanasiou & al., Preprint 7., arXiv Blog 9.12.2010) NACHTRAG: Auch beim Japan-Beben 2011 könnte was gewesen sein.
Venus-Express-Beobachtungen stellen Geoengineering-Idee in Frage: Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, künstlich Schwefelsäuretröpfchen in die Erdatmosphäre zu bringen, um dem anthropogen Temperaturerwärmung entgegen zu wirken – das legen Modellrechnungen nahe, die die Entstehung einer Schwefeldioxid-Schicht in der oberen Venusatmosphären erklären, auf die der Venus Express gestoßen ist. Das Gas entsteht offenbar durch Verdampfen der Schwefelsäuretröpfchen, wobei die Säuremoleküle von der Sonnenstrahlung zerbrochen werden (und der Schwefelkreislauf der Venus mithin komplizierter als gedacht ist). Genau das würde küntlichen Schwefelsäuretropfen in der Erdatmosphäre wohl auch blühen, deen Einbringung in Analogie zu der temporär global kühlenden Wirkung des Pinatubo-Ausbruchs 1991 öfters mal vorgeschlagen wird – in Gasform geht die kühlende Wirkung indes verloren. (ESA Release 30.11.2010)
IKAROS passierte Venus – mit Gravity Assist
Am 8. Dezember ist auch der zusammen mit Akatsuki gestartete Sonnensegler IKAROS an der Venus vorbei gekommen und sollte sich dem Planeten bis auf 80’800 km Entfernung genähert haben. Dabei wurde die Bahn des Seglers durch die Schwerkraft des Planeten deutlich abgelenkt: das erste Mal, dass ein Gravity Assist einem Sonnensegler widerfuhr! (Eureka 13.12.2010. [NACHTRAG: noch ’ne Notiz dazu.] Und Kyodo zu einem Programmierfehler von Hayabusa, der 2005 das Zünden der Pellet-Kanone verhinderte)
MESSENGER keine 100 Tage mehr vor dem Eintritt in den Merkurorbit am 18. März 2011: Nach 6 Planeten-Vorbeiflügen und 5 Bahnkorrekturen dazwischen steht dem entscheidenden Manöver nun nichts mehr im Wege – das haben dem Projekt jedenfalls auch externe Gutachter bestätigt. (MESSENGER Mission News 7.12.2010. Auch CollectSpace zu einer US-Briefmarke anlässlich der Ankunft)
Elf Wissenschaftsmissionen der ESA werden verlängert
Das hat das Science Programme Committee am 18./19. November entschieden: Die Missionen von Cluster, Integral, Planck, Mars Express, Venus Express und XMM-Newton sowie die ESA-Beteilungungen an Hinode, Cassini, Hubble, SOHO und Proba 2 werden fortgesetzt. Alle zwei Jahre müssen Projekte, die sich dem Ende ihrer regulären Finanzierung nähern, ausgiebig geprüft werden: Kann noch weiterer wissenschaftlicher Gewinn aus den großen Investitionen der Vergangenheit gepresst werden? (ESA Release 22., Physics World, Planetary Society Blog 23.11.2010)
Labortests einer entscheidenden Technologie für die LISA-Satelliten zur Messung von Gravitationswellen haben gezeigt, dass das Rauschen ihrer Laser weit genug unterdrückt werden kann, um per Interferometrie die extrem geringen Verschiebungen der drei Satelliten zueinander beim Durchlaufen einer Welle messen zu können. Konkret sollen die Lichtphasen auf den Satelliten bestimmt werden, während die eigentliche Interferometrie erst mathematisch am Boden erfolgt – und am Ende sind die relativen Positionen der Satelliten auf einen Picometer genau bekannt. (JPL Release 23.11.2010)
SOFIA hat alle drei Wissenschaftsflüge absolviert, und es kehrt bereits eine gewisse Routine ein. (Allerdings nicht in der Öffentlichkeitsarbeit: Von keinem der drei Flüge, auch dem ersten vor 2 Wochen, sind bisher Bilder publik geworden.) Nächstes Jahr geht es mit einem neuen wissenschaftlichen Instrument, GREAT, weiter. (365 Days of Astronomy 12., DLR Blog [mit schönen Impressionen vom 3. Flug], S. Casey Tweet 8., Ithaka College Release 7., Daily Camera 4.12.2010)
New-Millennium-Mission EO-1 schon seit 10 Jahren im Einsatz: Erdbilder auf Bestellung
Das entsprechende NASA-Technologie-Programm gibt es schon lange nicht mehr – aber einer der wenigen Satelliten, die daraus hervorgegangen sind (Artikel 411), arbeitet immer noch: Earth Observing 1 ist jetzt 10 Jahre im Orbit, obwohl eigentlich nur für ein Jahr ausgelegt. Nach ausgiebigen Technologietests dient der Satellit jetzt als Erdbeobachter mit ungewöhnlicher Autonomie, der einfach und schnell kommandiert werden kann, um sich spezielle Dinge von oben anzusehen. Und weil das alles nicht viel kostet, gibt’s die Bilder sogar gratis! (Homepage; NASA Feature 22.11., ASU Press Release 2.12.2010)
CryoSat 2 ist jetzt operativ: Die Inbetriebnahme des Eis-Forschungs-Satelliten ist nun abgeschlossen, und am 19.11. wurde die Kontrolle feierlich an das Operationsteam übergeben. (ESA Release 22.11., UKSA Release 6.12.2010. [NACHTRAG: ein paar erste wissenschaftliche Ergebnisse von CryoSat.] Auch eine Missionsverlängerung für GOCE – und die CubeSats, die Glory begleiten werden)
Die NASA bekommt vermutlich 18.9 Mrd.$ im FY2011
im Rahmen einer modifizierten Continuing Resolution, die das Repräsentantenhaus beschlossen hat, die aber den Senat noch passieren muss: Das würde weitgehend dem entsprechen, was die Authorization Bill vorsieht und die prinzipielle Umsetzung der Weltraumpläne Obamas einleiten. Das Constellation-Programm – bisher durch eine Klausel im FY2010-Haushalt künstlich am Leben erhalten – kann endgültig abgewickelt werden, jedenfalls die Ares-Raketen, während an der Orion-Kapsel weiter gearbeitet und rasch die Konstruktion einer Schwerlastrakete aufgenommen wird (ohne vorher erst nach besseren Technologien zu suchen). Eine explizite Genehmigung für einen zusätzlichen Shuttle-Flug nach den zwei letzten im Manifest ist allerdings nicht enthalten. (Space News 7., Space Politics 8., Space Policy Online 9.12.2010. [NACHTRAG: Der Senat scheint es ähnlich zu sehen.] Auch Wired und Space Policy Online zur unklaren Zukunft des JWST – und Space.com zur Versenkung der ISS)
Deutschland hat eine neue Raumfahrt-Strategie – und ein Rahmenabkommen mit den USA: Stark auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet ist das neue Dokument, das Projekte der wissenschaftlichen Grundlagenforschung nur noch im Rahmen der ESA und in bilateralen Unternehmungen vorsieht. Von rein deutschen Mondflügen, die immer wieder mal gepuscht wurden, kann man sich also endgültig verabschieden, aber ein neues Rahmenabkommen mit den USA, das kurz danach am 8.12. unterzeichnet wurde, sieht zwar keine konkreten neuen Projekte vor, führt aber explizit die Mondforschung beider Seiten näher zusammen. Auch ein gemeinsames Paar Radarsatelliten scheint möglich. (Strategie-Dokument; PMn von BMWi und DLR, Welt, Tagesschau 30.11., Nature Blog 1., Deutsche Welle, Alles was Fliegt 2., SpaceMart 6., DLR PM, NASA PR, Spiegel 8., Space News 9., NASA Ames Release 13.12.2010) NACHTRAG: eine Glosse zur deutschen Erdfahrt-Stragie …
Auch Südafrika bekommt eine eigene Weltraumagentur, auch wenn die South African National Space Agency (SANSA) erst ab April 2012 voll funktionsfähig sein wird. Mehrere Forschungseinrichtungen werden unter dem neuen Dach und im Rahmen eines nationalen Weltraumprogramms zusammen geführt, und auch eingemottete Anlagen aus der Apartheid-Zeit wieder belebt. (Engineering News, Sify 9.12.2010. Und die Irish Times zu Mondplänen in, ääh, Uganda?)
Zuviel Treibstoff in die Oberstufe getankt – Proton kommt nicht hoch genug!
Hat es schon einmal solch einen Grund für einen Fehlstart in der Raumfahrt gegeben? Da sitzt ein neues Modell der DM-Oberstufe (DM-03) auf der Proton-Rakete, das über einen größeren Tank als der Vorgänger verfügt – und die Startmannschaft macht ihn einfach bis zu der Marke voll, wie man das früher auch immer tat. Dumm nur, dass damit nun 1 bis 2 Tonnen Sprit zuviel im Tank sind, die Stufe damit zu schwer – und die 3. Stufe der Proton schaffte es nicht, sie samt drei Satelliten für das Navigationssystem GLONASS in den Orbit zu bringen, die stattdessen im Pazifik landen. Immerhin war die Proton nicht schuld, die vielleicht noch dieses Jahr wieder starten darf. (Space Today 11., Spaceflight Now, Space News, Novosti, UPI, AFP 10., Space News, TASS, Spiegel 6., Spaceflight Now, Novosti [man beachte die Formulierung, dass die Satelliten im Pazifik „may fail to function as normal“ …], BBC, Space Today, Eureka 5.12.2010) NACHTRAG: Laut dem Abschlussbericht wurden 1.5 bis 2 Tonnen zuviel Oxidator in die Tanks gepumpt.
Mysteriöser Schaden beim Start lässt Nachrichtensatellit auf Transferorbit stranden: Es ist nach wie vor unklar, wie bei Eutelsat W3B während des Ariane-5-Starts am 28. Oktober die Leitung vom Oxidator-Tank zum Triebwerk einreissen konnte, während einem anderen Satelliten an Bord nicht das Geringste passierte und es auch keinerlei Anzeichen für Anomalien bei der Ariane gab. Jedenfalls kann sich der Satellit mangels Antriebs weder in den Graveyard oberhalb des geostationären Orbits heben noch kontrolliert zum Absturz gebracht werden: Eutelsat hat ihn wenigstens so ‚inert‘ wie möglich gemacht, damit es bei einer eventuellen Kollision mit einer alten Raketenoberstufe (sonst treibt sich auf dem elliptischen Transferorbit wenig herum) nicht zu einer Explosion kommt. Modellieren lässt sich der natürliche Verfall solch einer Bahn auch kaum: 20 bis 30 Jahre es wohl bis zum Wiedereintritt dauern. (Space News 3.12., Spaceflight Now 8., Space News 5.11.2010. Auch Space News und Raumfahrer zur mühsamen Entfaltung der Riesenantenne von SkyTerra 1 [NACHTRAG: Jetzt ist sie offen])
Was wird aus US-Forschungssatelliten nach dem Ende der Delta 2, die seit 1998 zahlreiche Starts besorgte aber inzwischen nicht mehr hergestellt wird? Die – dieses Jahr zweimal erfolgreiche – Falcon 9 und die Taurus 2 sind als Träger für kleinere wissenschaftliche Satelliten ausgeguckt, aber bis sie für den Einsatz zertifiziert sind, v.a. wenn es um wertvolle Nutzlasten geht, vergehen typischerweise drei Jahre. (Space News 24.11.2010)