Posts Tagged ‘Neptun’

Drei unzusammenhängende Gedanken zum Tage

28. Dezember 2012

Heute vor 400 Jahren „entdeckte“ Galilei den Neptun

Dass der Teleskop-Pionier Galileo Galilei am 28. Dezember 1612 den Planeten Neptun sichtete und auch 1613 wieder, gilt als sicher – und bis 2009 auch, dass er ihn für einen Fixstern hielt und wieder vergaß. Dann allerdings kam der Verdacht auf, Galilei habe doch eine Bewegung bei dem für seine Instrumente punktförmigen Himmelskörper festgestellt, was seinerzeit für allerlei aufgeregte Schlagzeilen sorgte. Oder ist das alles voller Fehler und nichts als eine „spekulative Blase“?

Gestern starb Jesco von Puttkamer überraschend mit 79

Wie heute bekannt wurde, ist gestern völlig überraschend der dienstälteste NASA-Mitarbeiter Jesco von Puttkamer gestorben – in seiner deutschen Heimat, die er oft besuchte, war er vor allem als charismatischer Verfechter der bemannten Raumfahrt in den Medien und bei öffentlichen Vorträgen bekannt, aber was hat er eigentlich in seinen 50(!) Jahren bei der NASA selbst getan? War er „gleichzeitig Legende und Visionär“ der NASA, dabei ein oder gar der „Vater des US Space Shuttles“ und „maßgeblich“ an der Planung der ISS beteiligt, kurz ein „Raumfahrt-Pionier“ und „einer der führenden Köpfe“ der NASA? Der offizielle Nachruf der NASA bleibt verblüffend detailarm, nennt auch auf US-Seite eher publizierende Leistungen wie die Tagesberichte von der ISS – sein letzter, vom 23.12.2012 – in der Funktion als „a technical manager“ des Programms oder auch die Förderung der Übersetzung der Chertok-Memoiren. Die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bzw. Russland scheint er auch wiederholt unterstützt zu haben. In eher raren US-Nachrufen wird von Puttkamer v.a. als langjähriger Weggefährte Wernher von Brauns gewürdigt (im Videointerview oben erzählt er die Anfänge), vom Überschwang der deutschen keine Spur. NACHTRÄGE: Dem sich auch Thomas Reiter angeschlossen hat – während NASAs Human Exploration and Operations Public Outreach Manager von Puttkamer als „the Forest Gump of space“ beschreibt: „always right on the fringes of every historical space moment.“ Die Diskussion wird interessanter – und noch ein Fundstück von 1976

Wird Komet ISON in einem Jahr „heller als der Vollmond“?

Anlässlich des nahenden Jahres 2013 und wohl ausgelöst durch diesen Independent-Artikel [NACHTRAG: der bald gelöscht wurde aber hier noch zu finden ist] ist der in einem knappen Jahr als sehr hell erwartete Komet ISON plötzlich in aller medialen Munde, so auch hier und hier [NACHTRAG: und hier]: „Heller als der Vollmond“ oder gar „der hellste Komet aller Zeiten“ sind die Kernaussagen. Hoffentlich gelingt es in den kommenden Monaten, dieses zentrale Missverständnis aus zu räumen: Wie man bei den Kometen McNaught Anfang 2007 und erst recht Lovejoy vor einem Jahr eindrücklich lernen konnte, ist die Koma-Helligkeit oft irrelevant, wenn es um den visuellen Impakt eines Großen Kometen geht. Lovejoy hatte ja nicht mal mehr einen Kern oder nennenswerten Kopf, als er mit seinem langen Post-Perihel-Schweif begeisterte. Vielleicht wird ISON in Perihel tatsächlich eine extrem negative Helligkeit von -15 mag. oder so erreichen (und technisch gesehen wirklich ‚heller als der Vollmond‘) – aber dann steht er auch extrem dicht neben der Sonne am Taghimmel, und die Maximalhelligkeit hält auch nur ein paar Stunden an. Viel spannender ist, was danach passiert, wenn der Komet – mit heißem Kern – wieder am Nachthimmel steht. Und da sind just beim sonst an so ziemlich allen neu entdeckten Kometen zweifelnden Kometen-Veteranen John Bortle die Erwartungen hoch (letzter Absatz), dass es einen „tail of amazing length and surface brightness“ an einer unbedeutenden Koma hängend zu sehen geben wird. Derzeit kann man das dem Kometen – Bilder vom 18. (mehr) und 17. Dezember – natürlich noch nicht ansehen.

Nachrichten aus der Planetenforschung kompakt

12. Juli 2011

Neptun am 25./26. Juni über 11 1/4 Stunden hinweg etwa alle vier Stunden von Hubble im I-, R- und B-Bereich mit der WFC3 aufgenommen [NACHTRAG: eine animierte Version] – aus Anlass der Vollendung des ersten Sonnenumlaufs des fernen Gasplaneten seit seiner Entdeckung 1846 gestern oder heute. Es gibt jetzt mehr Wolken als noch vor ein paar Jahren, wohl ein jahreszeitlicher Effekt. (HST Release 12.7.2011. Und NASA Release, Science@NASA 9., JHU APL, JPL Releases, Nature News 15., Physics World 22.6.2011 zu Erkenntnissen von Voyager 1 nahe am Rand des Sonnensystems)

Akatsukis Versagen verstanden, Lösungen denkbar

Die Aufklärung des missglückten Einschusses in den Venus-Orbit der japanischen Raumsonde Akatsuki ist nach Laborexperimenten weiter voran gekommen: Der Oxidator ist während des Hinflugs offenbar langsam und unvorhergesehen durch ein Ventil gesickert und mit dem Treibstoff in Berührung gekommen. Dabei bildeten sich durch eine chemische Reaktion Kristalle, die das Ventil verstopften und schließlich in entscheidenden Moment den Treibstoffzufluss in die Brennkammer stark behinderten – das wiederum führte vermutlich zu abnormer Verbrennung mit zu hoher Temperatur, was wiederum die Düse beschädigt haben dürfte. Diesen September soll noch einmal versucht werden, den Raketenmotor testweise zu starten: Klappt das, wird bei der nächsten Annäherung an die Venus noch einmal ein regulärer Orbiteinschuss versucht. Bleibt das Triebwerk aber unbrauchbar, dann entsteht bereits ein Plan B: Aller Oxidator wird abgelassen, um die Masse Akatsukis zu verringen. Und dann wird nur mit den kleinen Düsen des Reaction Control Systems ein Orbiteinschuss versucht. Die Missionsdauer im Venusumlauf wäre dann zwar reduziert – aber besser als nichts. (NKH 30.6., Planetary Society Blog 2., Parabolic Arc 6.7.2011)

Die Kometensonde Rosetta schläft jetzt, 136 Wochen lang

vom 8. Juni 2011 bis 20. Januar 2014, da die Solarzellen in maximalem Sonnenabstand – bis 790 Mio. km, über 5 AU – eh‘ nicht genug Strom für sinnvolle Tätigkeit liefern würden. Nur kritische Heizelemente, ein Empfänger und ein Zeitgeber bleiben in Betrieb, während Rosetta durch Rotation stabil gehalten wird statt der üblichen 3-Achs-Stabilisierung: So wird kein Treibstoff verbraucht. Die wissenschaftlichen Instrumente waren bereits im ersten Jahresdrittel abgeschaltet worden; kurz zuvor war es der Kamera OSIRIS aber im März noch gelungen, mit 13 Stunden Gesamtbelichtungszeit ein extrem schwaches Bild des Zielkometen Churyumov-Gerasimenko zu schießen. Der wird schon kurz nach dem Aufwecken aus dem „Winterschlaf“ im Mai 2014 erreicht, und voraussichtlich im November soll der Lander Philae abgesetzt werden. Bis es so weit ist, kann die ESA noch ausgiebig über Probleme mit dem Drucksystem des Treibstofftanks und zwei der vier Reaktionsräder nachdenken, die jetzt ohnehin ruhen. ( ESA PM 31.5., ESA Release, MPS, DLR PMn 8., Space News 15.6.2011)

Start in 3 Wochen: Die Jupitersonde Juno ist jetzt betankt

mit Hydrazin und Oxidationsmittel, und die Tanks stehen unter Druck – das Antriebssystem ist damit bereit für den Start; das Fenster öffnet sich am 5. August. Nach dem Tankmanöver ist Juno zu 99% startbereit: Es fehlen nur noch die letzten Thermal Blankets und ein Wet-Spin-Test, dann kann es vom Hangar der Firma Astrotech in Titusville in Florida zur nahen Cape Canaveral AF Station mit einer Atlas 551 gehen. Den eigenen Treibstoff wird Juno für vier große Manöver seines Haupttriebwerks benötigen, das letzte ist der Orbiteinschuss 2016. (Juno Update 7., JPL Release 5.7., Juno Update 24.6.2011. Und ein JPL Release 15.6.2011 zur Störung des Plasma-Spektrometers auf dem Saturnorbiter Cassini, von dem seither nichts mehr zu hören war)

Dem Discovery-Programm der NASA gegen die Leute aus

Genauer gesagt jene qualifizierten Planetenforscher mit wissenschaftlicher und Management-Erfahrung, denen man die alleinige Leitung einer dieser (relativ) preiswerten & innovativen Planetenmissionen als Principal Investigator (PI) anvertrauen kann: Einer demografischen Analyse zufolge wird schon bei der nächsten Discovery-Runde – Ausschreibung 2013, Auswahl 2015 – nur noch jeder zweite Missionsvorschlag von einem erfahrenen Wissenschaftler begleitet werden. Das grundsätzliche Problem bei der Planetenforschung ist, dass Erfahrung praktisch nur im Rahmen früherer Weltraummissionen gesammelt werden kann – in anderen Bereichen der Weltraumforschung kann sich der künftige PI z.B. auch bei der Durchführung von Ballon-Flügen oder Starts von Höhenforschungsraketen bewähren. Bisher hat die NASA 16 kleine Missionen nach dem PI-Prinzip durchgeführt, die meisten im Rahmen von Discovery, und es waren überwiegend große Erfolge. Allerdings ist die quasi alleinige Verantwortung für eine ganze Planetenmission derart anstregend, dass von sämtlichen PIs und Projektwissenschaftlern der NASA-Missionen seit 1977 und auch ihren Stellvertretern kein einziger PI einer weiteren Planetensonde wurde … (Nature News 5.7.2011)

Schon wieder legaler Ärger um Apollo-Mondgestein …

Mit den Apollo-Proben – egal ob großer Stein oder Staubkorn – verstehen die USA keinen Spaß und verbieten jeglichen Privatbesitz an diesem Staatsschatz („Auch Dreck …“): Welchen Erfolg mag da wohl ein Fischer haben, der eine von ihm ‚geborgene‘ Mondprobe offiziell als sein Eigentum anerkannt bzw. viel Geld dafür haben will? Die Probe ist wohl echt, ein Geschenk der NASA an den Staat Alaska, die Umstände ihres Verlustes dagegen werden unterschiedlich dargesellt. Unstrittig ist nur, dass sie sich 1973 in einer Ausstellung in Anchorage befand, die niederbrannte: Deren Kuratoren behaupten, die entsprechende Vitrine zunächst noch recht gut erhalten gesehen zu haben, aber dann sei sie plötzlich weg gewesen – der Finder-Fischer stellt es so dar, dass er sie aus dem abtransportierten Schutt gezogen habe, den offensichtlich keiner mehr habe haben wollen. So oder so hielt er Jahrzehnte Stillschweigen über seine Fundsache – bis im Rahmen einer großen Fahndung nach derlei verschollenen Apollo-Geschenken (mehr als die Hälfte der 370 Exemplare sind abhanden gekommen!) ein Aufruf in einer Zeitung erschien. Per Anwalt ließ der freche Fischer dann mitteilen, entweder ernenne ihn der Staat Alaska zum legalen Besitzer der Apollo-Steinchen – die sich derzeit vermutlich in Asien befinden – oder sie entlohne ihn für deren Rettung, Reinigung und Aufbewahrung … (Anchorage Daily News 2., New York Times 9., Seattle Times 11.7.2011. Und CBS News 10.7.2011 mit einem langen Interview mit einem Apollo-Fan, der gleich einen ganzen Tresor hatte mitgehen lassen … [NACHTRAG: ein Verriss des Buches dazu])

Auf der Jagd am Rande des Sonnensystems: Pan-STARRS-Erfolge, LSST-Hoffnungen – und die Sache mit der Vorhersage des Neptun …

12. Januar 2011

Es hat lang genug gedauert, bis das ungewöhnliche Teleskop Pan-STARRS seinen Routinebetrieb aufgenommen hat (siehe ISAN 113-7), aber nun beginnt auch die „Outer Solar System Pipeline“ zu sprudeln, wie auf einer PK auf der 217. AAS-Tagung gerade zu hören war: 10 unbekannte Objekte im Kuiper-Gürtel hat Pan-STARRS-1 bisher entdeckt, dazu einen Centaur (mit 21. bis 23. Größe im w-Band alle 300 bis 500 km groß), und mehrere verschollene KBOs wurden wieder gefunden – all das in nur einem kleinen Subset der Daten. Die erste Himmelsdurchmusterung ist weitgehend komplett: Alle 45 Sekunden macht die Gigapixel-Kamera ein neues Bild, bis zu 800 pro Nacht, gibt jeweils 2.2 Terabyte. Am Ende der Himmelsabtastung wird das äußere Sonnensystem bis zu w=23 nördlich von 30° Süd komplett durchforstet worden sein – insbesondere wird sich dann dort kein weiterer Zwergplanet mehr verstecken können.

Das LSST wird noch viel mehr abgrasen können, wenn das Teleskop (siehe ISAN 67-5) denn tatsächlich gebaut werden kann: Falls die Finanzierung gelingt, sollte es seine Himmelsdurchmusterung um 2020 aufnehmen können und dann 10 Jahre lang alle paar Tage 20’000 Quadratgrad abtasten. Die Datenflut soll frei verfügbar sein und für zahllose Projekte parallel genutzt werden: Normal-Astronomen (denen ein statischer Himmel genügt) können sich auf 20 Billionen Messungen an 20 Milliarden Sternen wie Galaxien freuen, Veränderlichenfreunde und Sonnensystemforscher auf die häufige Wiederholrate. Nach Hochrechnungen wird das LSST die Zahl der NEOs von jetzt <8000 auf 100'000 steigern, die der Hauptgürtelasteroiden von 500'000 auf 6 Mio. und die die Transneptune von <1000 auf 300'000, wobei auf allen Distanzen Neuland betreten wird. Z.B. wird nun versprochen, dass nach nur 12 Jahren 90% aller Potentially Hazardous Objects gefunden sein sollten.

Die Entdeckung des Neptun – vor genau 1 Neptun-Jahr – war weitgehend Zufall und nicht so sehr den Rechenkünsten von LeVerrier und Adams zuzuschreiben: Galle fand den vorausgesagten Planeten nur deswegen nahe LeVerriers Position, weil der Bahnstörer in der Nähe des Uranus war. Die von beiden berechneten Neptun-Orbits waren jedoch ziemlich daneben, weil sie fest an ein exaktes Abstandsgesetz glaubten. Ihren Ruhm als erste „Vorhersager“ eines Planeten allein aus Bahnstörungen eines anderen mag man ihnen – angesichts der ansonsten korrekten und schwierigen Rechnungen – ja lassen, sagt der US-Astronom Greg Laughlin. Aber heute sollten bei der Planeten-„Prognose“ (nunmehr in der Exoplaneten-Welt) deutlich härtere Kriterien angelegt werden. NACHTRAG: ein Vortrag zum 175. Jahrestag der Entdeckung Neptuns, der diesen Aspekt ab Minute 33 zumindest anspricht aber anders bewertet, umfangreiche Rechnungen zum Thema im verlinkten freien eBook – und ein Artikel über die Diskussion um Neptuns wahre Bahn (plus im Zusammenhang hier und hier Notizen in den Astronomischen Nachrichten von 1848).

Weitere größere Artikel

1. April 2010

Langes Minimum der Sonnenaktivität erklärt? Drei aktuelle Papers zeigen zumindest, dass diesmal etwas „anders“ ist.

Mit Gravitationslinsen zu einer besseren Hubble-Konstanten Insbesondere mit einer, B1608+656: 71 kommt raus.

Schwache Linsen als Werkzeug der Kosmologie liefern einen unabhängigen Belegt für die Dunkle Energie: eine Analyse des COSMOS-Feldes.

Kürzere Artikel

Wieder eine viel zu schwere und helle Supernova des Typs Ia, SN 2007if mit -20.4 Mv absoluter Maximalhelligkeit.

CoRoT-9b: der astronomenfreundlichste Exoplanet, da gleichzeitig mit Transits aber fern seiner Sonne.

Wolke am Südpol des Neptun teilte sich für kurze Zeit: Keck-IR-Bilder vom 26.7.2007.

Solar Storm Watch: die neueste »Bürger-Wissenschaft« hat begonnen.