Posts Tagged ‘Pluto’

Comets make news: Garradd’s weird tails, more amateur discoveries – and Lovejoy heads north

17. Februar 2012

Jede Menge Links zu Bildern von Garradd mit seinen weit aufgespannten Schweifen vom Februar und viel Aktuelles mehr quer durch’s Sonnensystem – aus auch dem Kuiper-Gürtel (hier ein 5-Minuten-Vortrag über Plutos wahre Rolle im Sonnensystem vom San Diego SpaceUp), von USA-Boliden (ein TV-Bericht über ein Event vom 13. Februar) und Polarlichtern (ein britisches TV-Feature über einen Aurora-Jäger) – im neuen Cosmos 4 U!

Weitere größere Artikel

Komet Garradd jetzt zirkumpolar und mit verrückten Schweifen.

Wenn eine Zwerggalaxie eine andere verspeist: der Fall NGC 4449.

Kürzere Artikel

Zwei neue Amateurentdeckungen von Kometen, MOSS und Bruenjes.

Prioritätsstreit um potenziell bewohnbaren Exoplaneten Gliese 667Cc.

Schluckt das Zentrum der Milchstraße Kleinplaneten? Das könnte die fast täglichen Flarechen erklären.

Die wilde Lichtkurve des Asteroiden 2011 MD

28. Juni 2011

Vom nahen Vorbeiflug von 2011 MD haben zahlreiche (überwiegend Amateur-)Astronomen Gebrauch gemacht: meist in der Nacht vor der ungünstig gelegenen größten Annäherung, als der NEA schon ganz schön schnell über den Himmel jagte. Oben ein Video mit dem 60-cm-Teleskop der Sternwarte Črni Vrh in Slowenien (4 h 40 m auf 43 Sekunden verkürzt), unten ein kanadisches aus etwa 1000 2-Sek.-Aufnahmen mit einem 14-Zöller, aus dem auch diese Lichtkurve gewonnen wurde (hier eine andere). In der Mitte der Lichtwechsel von 2011 MD aus Messungen am Lowell Obs. am 26. Juni phasengerecht mit einer Periode von 11.6 Minuten aufaddiert: Die scharfen Einbrüche der Helligkeit – der Asteroid is offenbar länglich und richtet dann die lange Achse Richtung Erde – sind auch in beiden Videos deutlich. Und wie der Asteroid am Himmel immer schneller wurde, ist diesem Video aus Australien gut zu entnehmen. Geplant waren auch Radarbeobachtungen mit Goldstone; dem Vernehmen nach wurden Echos empfangen.

Auch die zweite Sternbedeckung durch Pluto beobachtet

Sie war der ersten u.a. von SOFIA verfolgten, die auch mehrere Stationen auf der Erde („Pluto update 6/24“) beobachten konnten, nach wenigen Tagen gefolgt. Eine Menge Daten über Plutos Atmosphäre, Charon und vielleicht auch Nix sind bei der aufwändigen Kampagne zusammen gekommen, die auch von den Planern der New Horizons-Mission mit Interesse verfolgt wurde.

Chinesischer Ex-Mondorbiter als „Asteroid“ entdeckt: Chang’e 2 hat am 9. Juni die Mondumlaufbahn Richtung des Lagrangepunkts L2 des Erde-Sonne-Systems verlassen, den er nach knapp 3 Monaten erreichen soll – und als 18 mag. helles Objekt wird er wohl noch so manchem Astronomen vor die Kamera laufen …

SOFIA hat seine erste Sternbedeckung gesehen!

23. Juni 2011

Und zwar durch den Zwergplaneten Pluto, vor wenigen Stunden: Bisher gibt es nur eine knappe aber eindeutige Erfolgsmeldung von R. Fienberg, der an Bord – vor der Westküste der USA – dabei war. Zwei Sternbedeckungen durch Pluto in rascher Folge sind der Gegenstand einer intensiven Beobachtungskampagne, die auch viele Stationen am Boden einschließt. Für SOFIA aber war es die erste Demonstration einer Art von Beobachtung, die sein Vorgänger KAO häufig durchführte und dabei u.a. die Uranus-Ringe entdeckte: Eine fliegende Sternwarte kann – im Prinzip – überall auf der Welt zur rechten Zeit am rechten Ort sein. NACHTRAG: eine offizielle Bestätigung des Erfolgs ohne weitere Einsichten. NACHTRAG 2: nach einem Tag ein USRA Press Release mit ein paar Details vom Flug, insbesondere einer Routenänderung in letzter Minute. NACHTRAG 3: Na ja, „lots of ink“ hat das nicht gerade hinterlassen.

Curiosity ist am Cape – und hat offenbar auch ein Ziel auf dem Mars bekommen, den Krater Gale

Vergangene Nacht ist der neue NASA-Marsrover Mars Science Laboratory alias Curiosity (Video oben: das Einpacken am JPL im Zeitraffer [NACHTRAG: eine geschnittene & kommentierte Version]) per Lastflugzeug am Kennedy Space Center angekommen (Bild), wo er nun für den Start im November vorbereitet wird – und fast zeitgleich machte die inoffizielle Nachricht die Runde, dass als Ziel auf dem Mars der Krater Gale ausgewählt wurde: Das Video unten zeigt einen simulierten Rundflug darüber. NACHTRAG: zwei neue Animationen von EDL & Betrieb. NACHTRAG 2: Es hat doch noch keine Entscheidung über das Ziel gegeben. NACHTRAG 3: Aber es gibt zwei Finalisten! NACHTRAG 4: Und es ist doch Gale geworden. NACHTRAG 5: Ein neues Video zeigt, wo es lang gehen soll – und ein Video in 3D liefert die detaillierte Begründung dazu!

Auch das zweite ATV ist verglüht: „Johannes Kepler“ (Bild: kurz nach dem Abdocken; hier und hier andere Perspektiven) ist vorgestern in die Atmosphäre eingetreten. Diesmal gab es keine Beobachtungs-Kampagne aus der Luft, aber es war ein Datenrecorder an Bord; über dessen Schicksal wurde noch nichts bekannt. NACHTRAG: Das System hat komplett versagt, im Gegensatz zum ersten REBR („‚Flugschreiber‘ …“) auf dem HTV-2!

Nachrichten aus der Astronomie kompakt

1. Mai 2011

Flut von Papers zu einer Dauer-Explosion ganz neuen Typs in einer fernen Galaxie

GRB 110328A heißt er oder besser Sw 1644+57, denn ein Gamma-ray Burst ist es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, was sich da seit dem 28. März im Draco abspielt und von zahlreichen Teleskopen im Weltraum und auf der Erde verfolgt wird (siehe ISAN 134-11): Nach dem ersten Hochenergie-Strahlungsausbruch, der durchaus bestimmten GRBs ähnelte, flammte die Röntgenquelle noch tagelang immer wieder auf und triggerte dabei mehrfach das Burst Alert Telescope des Swift-Satelliten. Und auch drei Wochen später war das Objekt, das im gesamten Spektralbereich bis hin zum Radio erstrahlte, im Röntgenlicht immer noch erkennbar. Einen entscheidenden Hinweis lieferten Beobachtungen im Sichtbaren, wo Sw 1644+57 zwar keine große Leuchte ist, dafür aber klar wird, dass sie genau im (Helligkeits-)Zentrum einer Galaxie mit z=0.353 sitzt. Da heutzutage im Zentrum praktisch jeder Galaxie ein Schwarzes Loch mit Millionen Sonnenmassen vermutet wird, ist daher die Hypothese am populärsten, dass hier ein Stern einem zu nahe gekommen und von Gezeitenkräften zerrissen worden ist: Zwei besonders hohe Strahlungsausbrüche zu Anfang des Ereignisses lassen sich dann als Perinigricons-Durchgänge des Sterns deuten, von dem jeweils in SL-Nähe besonders viel Masse hinein stürzt, das Flackern an den späteren Tagen könnte dann von den Resten des Sterns stammen, die im SL verschwinden.

Insgesamt 10^53 erg Energie sind in den ersten zwei Wochen frei geworden, wenn man eine isotrope Abstrahlung annimmt – es gibt aber auch Hinweise auf eine stark gebündelte Emission Richtung Erde. Alternative Szenarien wie eine exotische Abart eines langen GRB – dem Sw 1644+57 in den ersten Stunden in vieler Beziehung ähnelte – oder ein frisch entstandener Millisekundenpulsar passen kaum. (Aus Russland kommt allerdings ein völlig anderer Vorschlag, nach dem hier im Zentrum der Galaxie ein Haufen aus stellaren Schwarzen Löchern und Neutronensternen zu einem großen SL kollabiert ist …) Auf jeden Fall ist so etwas trotz intensiver Überwachung des Hochenergie-Himmels seit Jahrzehnten noch nie beobachtet worden – und auch Sw 1644+57 wäre ohne die heftigen Ausschläge am Anfang wohl übersehen worden: Vielleicht ist dieser ’neue‘ Typ kosmischer Ausbrüche verbreiteter als man denkt. (Bloom & al., Preprint 16., Levan & al., Preprint, Dokuchaev & Eroshenko, Preprint 17., Shao & al., Preprint 25., Almeida & Angelis, Preprint 28.4.2011) NACHTRAG: In gewohnter Kompetenz wird die Story nach dem Erscheinen zweier der Papers allerorten als tolle Neuigkeit verkauft, sei es in der New York Times, BdW, dem DLF oder dem Spiegel … NACHTRAG 2: Die NASA verweist immerhin auf eine zeitgenössische PM.

Die stärksten Supernova-Explosionen gibt es in Zwerggalaxien, zeigt eine Statistik von GALEX-Beobachtungen: Offenbar sorgt die geringere Metallizität dort für geringere Windverluste, so daß massereiche Sterne eher dicker als großen Galaxien ihren Kernkollaps erleben. (Neill & al., Preprint 19.11.2010, JPL Release 21.4.2011. Und Hjorth & Bloom, Preprint 12.4.2011 über die GRB/Supernova-Connection)

Steht die Sonne vor einem neuen Dalton-Minimum?

Dieser Phase verringerter Sonnenaktivität von 1790 bis 1830 – nicht mit dem weit dramatischeren Maunder-Minimum zu vergleichen – war ein bestimmtes Muster gänzlicher sonnenfleckenfreier Tage vorausgegangen, das sich im Vorfeld des nun laufenden 24. Sonnenzyklus wiederholt hat: Konkret handelt es sich um die Geschwindigkeit, mit der sich die fleckenfreien Tage ansammeln. Auch aus dieser – angeblich völlig neuen – Methode folgt kraft Parallele mit dem 5. ein schlapper 24. Zyklus, wie er heute auch von meisten anderen Vorhersagetechniken erwartet wird. Und wenn die Vergangenheit generell eine Richtschnur für die Sonnenaktivität ist, dann wird das 25. Maximum sogar noch kleiner. (Nielsen & Kjeldsen, Preprint 26.4.2011. Und Nandy & al., Nature 471 [3.3.2011] 80-2 [auch NASA Briefing Materials, Science@NASA], zu Dynamo-Simulationen, die das lange Minimum nach dem 23. Maximum erklären könnten, aber – S&T, Scientific American, Discovery – nicht recht zu tatsächlichen Beobachtungen passen …)

Rekonstruktion der Sonnenleuchtkraft bleibt schwierig

Wie kann man der Sonne die „Kleine Eiszeit“ während des Maunder-Minimums in die Schuhe schieben, wo die die Leuchtkraft der Sonne zwischen den heutigen Maxima und Minima nur um Promille schwankt und ein entsprechend winziges Signal im Klima hinterlässt? Da fehlt ein Faktor von 3 bis 5 – vielleicht ändert sich ja bei der Sonne etwas, wenn sie in einen anhaltend inaktiven Zustand fällt? Während des tiefen Minimum 2007-9 z.B. hat sich offenbar die Struktur der Sonnenfackeln auf subtile Weise geändert, so dass ihr Anteil an der Gesamtstrahlung stärker abnahm als in einfachen Modellen. (Foukal & al., Preprint 27.4.2011. Eine andere Analyse – AGU Journal Highlights 13.4.2011 – kommt dagegen zu dem Schluss, dass die Sonne auch im Maunderminimum kaum schwächer strahlte und etwas anderes die Kleine Eiszeit ausgelöst haben muss. Während Shapiro & al., Preprint 23.2.2011 bei einer weiteren Rekonstruktion der Sonnenstrahlung wiederum eine deutliche Abnahme zu dieser Zeit finden und so zumindest die Bandbreite der Möglichkeiten aufzeigen …)

Eine neue Art von magneto-thermischer Konvektion in der Sonnenatmosphäre

legen simultane EUV- und optische Beobachtungen mit dem Hinode-Satelliten an einer ruhenden Protuberanz am 22.6.2010 nahe: Sie war von einer Coronal Cavity mit 25- bis 120-mal höherer Plasmatemperatur umgeben. Das dürfte für den nötigen Auftrieb sorgen, um solcherlei Cavities ‚abheben‘ zu lassen. (Berger & al., Nature 472 [14.4.2011] 197-200) Der SDO-Satellit hat derweil – zusammen mit Hinode – einen ständigen Massentransport in die Sonnenkorona aufgespürt, bestehend aus chromosphärischen Spikulen mit heißem Plasma von teilweise 1 Mio. K: Das könnte bei der mysteriösen Heizung der Korona zumindest eine Rolle spielen. (De Pontieu & al., Science 331 [7.1.2011] 55-8) Und wiederum vom SDO stammt auch ein „instant paper“ zum ersten Flare der X-Klasse des neuen Zyklus, das ein von ihm ausgelöstes „Sonnenbeben“ dokumentiert (Kosovichev, Preprint 19.2.2011), und eine Untersuchung zu seinem Trigger durch gleich fünf Sonnenflecken. (R.A.S. Press Release 20.4.2011)

Hauptgürtel-Kometen sind exotische Asteroiden

und nicht etwa normale Kometen, die aus dem Außenbereich des Sonnensystems irgendwie in den Asteroidengürtel verfrachtet wurden („„Hauptgürtel-Kometen“ alles Verwandte …“): Das zeigen Spektren von 133P/Elst-Pizarro und 176P/LINEAR, die diese viel eher als Verwandte der Asteroiden der Themis-Familie („Auch organische …“) denn von gewöhnlichen Kometen ausweisen. Und ein paar ‚aktive‘ Near Earth Asteroids, namentlich der Geminiden-Produzent Phaethon (siehe ISAN 120-9), der allerdings zur Pallas-Familie gehört, scheinen aus dem Hauptgürtel entlaufende Vertreter dieser Klasse von Asteroiden mit Vorräten an flüchtigen Substanzen zu sein. Von denen der Asteroidengürtel mithin mehr enthält als man einst dachte (Licandro & al., Preprint 5.4.2011. Und Durech & al., Preprint 21.4.2011 zur Gestaltbestimmung von Asteroiden mit Lichtkurven und Sternbedeckungen)

Gleich zwei unabhängige Entdeckungen von Kohlenmonoxid in der Atmosphäre des Pluto sind in 6 Tagen Abstand publiziert worden – und passen trotzdem nicht recht zusammen: Nach der einen Entdeckung durch Emission im Radiobereich hat das Gas nur 50 K Temperatur befindet sich das CO in einer bisher unbekannten Hochatmosphäre, nach deren anderen – Absorption im Nah-IR – hat es 90 K und ist mit dem in der Atmosphäre dominanten Stickstoff vermischt. Jedenfalls dürfte New Horizons rund um den Zwergplaneten auch 2015 noch einiges erwarten – nach der 1. Analyse hat die CO-Konzentration in den letzten Jahren trotz wachsenden Sonnenabstands des Zwergs erheblich zugenommen. (Greaves & al., Preprint 15., R.A.S. Press Release 19., Lellouch & al., Preprint 21.4.2011)

Die 1994-er Impaktflecken auf dem Jupiter bestanden zu 99.9% aus … Jupiter

und enthielten so gut wie gar nichts von dem Material der Trümmer des Kometen Shoemaker-Levy 9: Das zeigen die neuesten Modellrechnungen zu den Impakten. Danach schoss nach jedem Einschlag eine Art Projektil wieder nach oben aus der Atmosphäre hinaus, mit der doppelten Masse des verantwortlichen Kometenstücks aber ohne dessen Material, das quasi im Planeten stecken blieb. Die dunklen Flecken erzählen uns mithin nichts vom Wesen der Kometen sondern sind – natürlich im Gefolge der Impakte chemisch veränderte Jupiter-Luft. (Palotai & al., Preprint 15.2.2011)

Jede Menge Ammoniak in primitiven Asteroiden legen Untersuchungen am Meteoriten GRA 95229 der Renazzo-Familie nahe, der bei Erhitzung massig davon abgab: Impakte solcherlei angereicherter Asteroiden auf der jungen Erde könnten entscheidende Vorstufen der Biochemie beigesteuert haben. (Pizzarello & al., PNAS 1014961108 28.2., ASU Press Release, Physics World 2.3.2011. Und Simon & al., Science 331 [4.3.2011] 1175-8, Berkeley, LLNL Releases 3.3.2011 zur komplexen Geschichte der CAIs in einem alten Meteoriten)

Die Erde ist im Sonnensystem farblich gesehen einzigartig … sagt eine Raumsonde

Den sie ist – nach Messungen des alten Deep Impact-Mutterschiffs während der EPOXI-Missionsverlängerung – der einzige größere Körper hier mit einer wolkigen, rayleigh-streuenden Atmosphäre, was sie in einem Farb-Farb-Diagramm in einen isolierten Quadranten stellt. Dass dies die Kamera Deep Impacts bereits mit ihren vergleichsweise primitiven Filtern so klar bestimmen konnte, gilt als interessanter Test für die dereinst mögliche & nötige Charakterisierung von erdähnlichen Exoplaneten: Man braucht womöglich keinen aufwändigen Spektrographen, um fundamentale Aussagen machen zu können. (Crow & al., Astrophys. J. 729 [10.3.2011] 130ff)

„Kondensstreifen-Zirren“ könnten der zentrale Klima-Effekt der Luftfahrt sein, legt eine Modellrechung nahe: Danach ist der Effekt (Forcing) der von Contrails ausgelösten Zirren neunmal größer als die direkte Wirkung der Kondensstreifen. Und die künstlichen Zirren führen ihrerseits zu einer Abnahme der natürlichen Bewölkung, in dem sie der Atmosphäre Wasserdampf entziehen: jede Menge Rückkopplungen, die in künftige Klimamodelle eingebaut werden sollten. (Burkhardt & Kärcher, Nature Climate Change 1 [April 2011] 54-7; DLR Feature, Welt der Physik 1.4.2011)

Zwergplanet Pluto die Welt des Sonnensystems mit den rasantesten Veränderungen?

4. Februar 2010

Sieht man von Kometenkernen und kollidierenden Kleinplaneten einmal ab, dann ist der Zwergplanet Pluto – dessen Entdecker übrigens heute 104 geworden wäre – derjenige Körper im Sonnensystem, dessen Oberfläche sich am rasantesten verändert: Das zeigen insbesondere Hubble-Aufnahmen aus dem Zeitraum 1994 bis 2003, die erst jetzt allesamt ausgewertet sind und gemeinsam betrachtet werden können. Oben fünf Gesamtkarten von Pluto (Norden links) aus – von links – Photometrie aus den Jahren 1954-1990 und insbesondere den gegenseitigen Bedeckungen von Pluto und Charon, von 1994 von der Faint Object Camera auf dem Hubble Space Telescope im UV und Blauen und von 2002/3 mit dem High Resolution Channel der Advanced Camera for Surveys ebenfalls auf Hubble, im Blauen und Grünen.

Die Auswertung der ACS-Bilder hat sich hingezogen, denn der Planet ist auf jeder Aufnahme nur wenige Pixel groß (drei Bilder rechts), was bei der schon lange wieder ausgebauten FOC (links) mit ihrer extrem hohen Vergrößerung noch anders war. Die Zahlen geben jeweils den Zentralmeridian an; die Rotationsperiode Plutos ist zum Glück bekannt: So konnten die ganze ACS-Serie schließlich – Stichwort: Dithern – mit enormem Rechenaufwand zu einer Gesamtkarte mit doch beachtlicher Auflösung vereinigt werden, die mit derjenigen nach den FOC-Bildern wie auch der alten Karte aus den Mutual Events vergleichbar ist. Und daraus ließen sich wieder künstliche Plutos erzeugen:

Plutoansichten 2002/3 mit Zentralmeridian 90°, 180° und 270° und ungefähr echter Farbe: Die braune Grundfärbung kommt wohl durch Methan zustande, das vom UV-Licht der fernen Sonne zu komplexen, C-reichen Molekülen verarbeitet wird, der helle Fleck auf dem mittleren Bild ist CO2-Frost, den sich die Sonde New Horizons 2015 aus der Nähe ansehen wird. Wer weiß, wie sich der Zwergplanet bis dahin noch verändert haben wird. Von 1994 bis 2002 ist beispielsweise der Norden deutlich heller und der gesamte Planet röter geworden.

Bilder dieser Qualität wird es vor der Ankunft der Sonde nicht mehr geben: Zwar waren 2008 neue ACS-Aufnahmen geplant, aber kurz bevor es so weit war, fiel die Kamera aus – und der nötige Kanal HRC war nicht reparabel. Es gibt nur – nicht veröffentlichte – Bilder geringerer Schärfe der WFPC2, und ab diesem April werden mit der neuen WFC3 fünf Monate lang neue Aufnahmen gemacht: Auch sie werden nicht die Auflösung von ACS-HRC oder gar FOC erreichen, aber wenigstens weitere Farbveränderungen würden sich nachweisen lassen, hieß es gerade auf einer NASA-Telecon.

NASA und HST Press Releases, Pluto-Infos von Marc Buie, der die HST-Daten auswertete, und frühe Artikel von Discovery und Space.com. NACHTRAG: Artikel von Planetary Society, Universe Today, Bad Astronomy und Cosmic Log. NACHTRAG 2: Ein detailliertes Paper ist tags darauf erschienen, als freies PDF und – nur für AJ-Abonnenten – in HTML, Software inklusive! (Ein weiteres Paper – hier als freies PDF – befasst sich mit HST-Messungen von Plutos Lichtkurve.) NACHTRAG 3: was die Albedo-Strukturen bedeuten könnten.

Weltraumforschung kompakt

19. November 2009

Ein riesiges VLBI-Projekt zur Verbesserung des kosmischen Koordinatensystems

International Celestial Reference Frame (ICRF2; s.a. hier die GPS-Notiz) findet im Augenblick statt: Am 18. und 19. November beobachten 35 Radioteleskope rund um den Globus 243 Quasare. Das ICRF2 wurde auf der IAU GA diesen Sommer als das fundamentale Referenzsystem der Astronomie festgelegt und ist an 295 himmlischen Radioquellen ohne Eigenbewegung aufgehängt; leider gibt es zu wenig Radioteleskope auf der Südhemisphäre, um sie alle gleichzeitig einzubeziehen. (NRAO Release, Malkin, Preprint 16., Mittelbayerische Zeitung 17., Nature Blog 19.11.2009; auch eine Outreach-Seite dazu)

Starburst-Galaxien „neue“ Quelle von Gamma-Strahlung

Sowohl Gammastrahlen-Teleskope auf dem Boden wie VERITAS als auch der Fermi-Satellit haben diffuse Gammastrahlung aus – relativ nahen – Galaxien mit hoher Sternbildungsrate entdeckt, so NGC 253 und M 82, und auch die 30-Doradus-Region in der LMC ist eine Gammaquelle. Hinter der harten Strahlung steckt jeweils Kosmische Strahlung – und die wiederum wird vermutlich in Supernovaresten beschleunigt, die ein Abfallprodukt der Bildung massereicher (und damit kurzlebiger) Sterne sind. (CfA, NASA Press Releases 2.11.2009)

NACHTRAG: Acero & al. (Science 326 [20.11.2009] 1080-2) haben Gammastrahlung von NGC 253 auch mit H.E.S.S. nachgewiesen, wo 5-mal so viel Energie der Kosmischen Strahlung in diesen Kanal geht als in der Milchstraße. NACHTRAG 2: Der Nachweis von M 82 mit VERITAS wird von dessen Kollaboration in Nature 462 [10.12.2009] 770-2 diskutiert – dies Dichte der Kosmischen Strahlung in der Starburst-Zone der Galaxie ist 500-mal so hoch wie in der Milchstraße. NACHTRAG 3: noch ein Paper zu VERITAS & M 82. NACHTRAG 4: Guten Morgen! Sky & Tel. hat’s auch mitbekommen …

22 ganz junge Galaxien sind mit der neuen WFC3 des HST aufgespürt worden und lassen neue Rückschlüsse über den Verlauf der kosmischen Reionisation zu – und bei einer der z=7-Galaxien (siehe auch hier) gelang sogar die direkte spektroskopische Messung der Rotverschiebung. (Ouchi & al. Preprint 14.10., Carnegie Release 6.11.2009)

Komplizierte Gravitationslinse bei z=1.0 hilft bei Eichung der Massenbestimmung von Galaxienhaufen

Ein Galaxienhaufen WARPS J1415+36 bei z=1.03 ist einer der am weitesten entfernten, der das Bild einer weit dahinterstehenden (z=3.9) Galaxie dramatisch verzerrt: An ihm lassen sich gut verschiedene Verfahren der Massenbestimmung von Galaxienhaufen testen und zeigen, dass sie auch bei z~1 noch ganz gut gelten. (Huang & al., Preprint 4.11.2009)

Eine „gewaltige kosmische Struktur“ bei z=0.55 von mindestens 60 Mio. LJ Ausdehnung gilt als bis dato prominenteste Einzelstruktur des kosmischen ‚Skeletts‘. (ESO Release 3.11.2009)

Der Neutronenstern im SNR Cassiopeia A hat eine Kohlenstoffatmosphäre

Jedenfalls kann man nur so ein Emissionsverhalten der zentralen Röntgenquelle des jungen Supernovarestes modellieren, das seine ganze Oberfläche involviert und nicht nur einen Hotspot – denn dann würde der ~330 Jahre alte Neutronenstern pulsieren, was es aber nicht tut. (Ho & Heinke, Nature 462 [5.11.2009] 71-3, Chandra Release 4.11.2009)

Ist NGC 5408 X-1 ein „Mittelklasse“-Schwarzloch? Diese Ultraluminous X-ray Source (ULX) zeigt 100-mal langsamere quasiperiodische Oszillationen der Helligkeit als SL-Kandidaten stellarer Masse und ist gleichzeitig 100-mal heller als diese: Das könnte zu einem SL mit 1000 bis 9000 Sonnenmassen passen. (NASA Feature 10.11.2009)

Untersuchung an Sternhaufen: Lange Sonnen-Minima „normal“?

Das – spektroskopisch bestimmbare – Aktivitätsniveau von 60 ziemlich sonnenähnlichen Sternen im offenen Sternhaufen Messier 67 mag Rückschlüsse auf den „typischen“ Zustand der Sonne zulassen: Danach waren Sterne mit sonnengleicher Rotation eher geringer aktiv als die Sonne, während die aktiveren zugleich schneller rotierten. Bedeutet das, dass die Sonne einen „signifikanten Teil ihrer Zeit“ in einem Maunder-Minimums-artigen Zustand verbringt? (Reiners & Giampapa, Preprint 2., Physics World 12.11.2009)

Die Temperatur der Sonnenkorona fiel von 2006 bis 2008: Das ergibt sich aus der Vergleich von Emissionslinien, die während der Sonnenfinsternisse der beiden Jahre beobachtet wurden – insbesondere war die [Fe XIV]-Linie 2008 wesentlich schwächer geworden. (Voulgaris & al., Preprint 30.10.2009)

Jede Menge Details über Lage und Wanderung der Sternflecken auf CoRoT-2a

haben sich aus 142 Tagen ununterbrochener Photometrie durch den Satelliten herausfinden lassen: So gab es zu Beginn der Beobachtungen zwei einander gegenüber liegende Aktivitätszentren, die sich aber aufeinander zu bewegten. (Lanza & al., Preprint 4.11.2008)

Kapteyn’s Stern aus Omega Centauri entlaufen? Der 25.-nächste Stern (13 Lichtjahre Entfernung von der Sonne) ist wohl nur zufällig hier – er scheint aus derselben Zwerggalaxie zu stammen, die die Milchstraße einst verschluckte und deren Kern nun als „Kugelsternhaufen“ Omega Cen bekannt ist. (New Scientist 11.11.2009)

Sonnenähnliche Sterne mit Planeten haben weniger Lithium

auf ihren Oberflächen – dieser Effekt ist nach den Daten der HARPS-Durchmusterung sehr signifikant. Offenbar wird die Sternkonvektion in einer Phase der Planetenentstehung markant beeinflusst; was da allerdings genau passiert, ist noch ziemlich offen. Aber den Effekt – der wohl auch für das Lithium-Defizit unserer Sonne verantwortlich ist – könnte man zur Vorauswahl von Sternen nutzen, bei denen man Planeten suchen will. (Israelian & al., Nature 462 [12.11.2009] 189-91, auch Pinsonneault, ibid. 168-9, Tracker 13., Welt der Physik 12., ESO Release 11.11.2009) NACHTRÄGE: das Paper als Preprint – und tiefschürfende(re) Gedanken.

Staubscheibe von HR 8799 nachgewiesen, dem Stern mit den drei abgebildeten (mutmaßlichen) Planeten (siehe z.B. hier): Der Staub, den das Spitzer Space Telescope glühen sieht, ist bei Kollisionen von kleinen Körpern untereinander entstanden – die drei Planeten haben wohl noch nicht ihre endgültigen Bahnen gefunden. (Spitzer Feature 4.11.2009)

Ultra-primitive Staubteilchen von Komet Grigg-Skjellerup eingefangen

Im April 2003 zog die Erde durch den Staubschweif des Kometen G-S, und in der Stratosphäre wurde gezielt Jagd auf diese Teilchen gemacht – mit Erfolg: Es handelt sich um deutlich ursprünglichere Partikel als was die Stardust-Sonde aus der Koma des Kometen Wild 2 holte (siehe Artikel C00), und diese IDPs sind sogar älter als die Sonne. (Carnegie PR 2.11.2009) NACHTRAG: ein reichlich später Press Release aus Manchester.

Die „beste“ Sternbedeckung durch Pluto für Europa in mindestens einem Jahrzehnt scheint am 14. Februar 2010 bevorzustehen, wenn ein Stern 11. Größe getroffen wird – schon mit einem Sechszöller müsste man die schwindende Atmosphäre des Zwergplaneten nachweisen können. (PlanOccult 8.11.2009; Sonderseite der IOTA-ES)

Der 50. Jupitermond hat einen Namen erhalten

S/2003 J17, der diesen August wiederentdeckt worden war, ist nun amtlich und darf sich „Herse“ nennen; 12 weitere Jupitermonde warten noch auf ihre Bestätigung. Und der Mond des Kuiper-Gürtel-Objekts (50’000) Quaoar heißt nun ganz offiziell Weywot. (IAUC #9094 11., Planetary Society Blog 12.11.2009)

Saturnmond dank seines Schattenwurfs entdeckt: Als S/2009 S1 wird jetzt ein nur etwa 300 m großer Saturnmond ínmitten des B-Rings geführt, der sich im Juli mit der Sonne fast in der Ringebene durch einen 36 km langen Schatten bemerkbar machte. (IAUC #9091 2.11.2009)