Keine alltägliche Flugroute hat in der Nacht vom 1. zum 2. März der Flug AB 1000 zurückgelegt, knapp 5000 km in 6 1/4 Stunden von Köln zu den Shetlands und Färöer und wieder zurück, mit mehreren Strecken entlang des Breitengrads und wieder zurück bei den beiden Inselgruppen: Das war der erste Polarlicht-Beobachtungsflug aus Deutschland, organisiert von Polarlicht-Reisen mit Air Partner und Air Berlin – und es gab einiges zu sehen. Oben ein Video von Wilfried Bongartz, auf der linken Seite, Aurora ab 1:35, Fotos auch hier und hier, und unten ein Video von Peter Oden auf der rechten Seite, Aurora ab 7:07, Fotos auch hier und hier; es gibt auch ein großes Bilder-Album des Autors, eine Diskussion des Fluges und ein Album von Bongartz und Oden mit weiteren Einzelbildern.
Beim Check-In und am Gate; Stefan Krause brieft die Passagiere der komplett ausgebuchten Boeing 737-800 – noch sieht die geomagnetische Datenlage nicht besonders vielversprechend aus, aber immerhin hat das interplanetare Magnetfeld (obere Kurve) gerade nach Süden gedreht: Das steigert die Reaktionsfreude des Erdmagnetfelds schon für kleinste interplanetare Trigger …
22:59 MEZ
Auf der Reise zu einem „fiktiven Punkt“ … Oden mit der Fernsteuerung der auf einem Stativ hinter dem Fenster und einem schwarzen Tuch montierten Weitwinkel-Kamera und einem Notebook mit dem Live-Bild; inzwischen ist die Kabinenbeleuchtung weitestmöglich gedimmt. Und auf seiner rechten Seite ist auf dem Flug nach NO bereits das Polarlichtoval knapp über dem Horizont erschienen: Das ist schon mal beruhigend – und führt zu der spontanen Entscheidung, den eigentlich gleich bis zu den Färöer geplanten Flug bei den Shetlands zu unterbrechen und nordwestlich von ihnen je einmal west- und ostwärts zu fliegen.
23:09 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 1600
23:10 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 1600
23:11 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 1600
Just beim Drehen von der Ost-West- zu der die West-Ost-Strecke flammt das Polarlicht plötzlich hell auf, und die linke Flugzeugseite, wo auch der Autor sitzt, kommt gerade noch in den Genuss des abklingenden Substurms mit besonders hellen Stellen (im ersten Bild überbelichtet!) und Beamern senkrecht nach oben. Die hellsten Sterne sind immer Deneb und ganz rechts Vega.
23:18 MEZ, 10 Sekunden bei ISO 1600
Alle Aufnahmen hier sind mit der seit 2011 und zuletzt Ende Januar in Norwegen eingesetzten Bridge-Kamera mit maximalem Weitwinkelzoom, das 25 mm Kleinbild entspricht, und offener Blende 2.8 entstanden, wobei das Bildfeld aber meist etwas beschnitten ist, um Reflexe in der Scheibe weg zu lassen.
0:08 MEZ, 15 Sekunden bei ISO 1600
0:33 MEZ, 20 Sekunden bei ISO 1600
0:59 MEZ
Nach dem überraschenden Einstieg ging die Reise zu den Färöer, eigentlich Føroyar, weiter, auf 62°N 7°W: Etliche Male wurde jetzt west- und ostwärts geflogen, während leider das Polarlicht arg die Kraft verlassen hatte: Mehr und mehr Passagiere knubbelten sich schließlich um Odens Live-Display, das deutlich mehr Strukturen im Aurora-Band offenbarte als der Blick aus dem Fenster.
1:05 MEZ, 20 Sekunden bei ISO 1600
1:09 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 1600
1:12 MEZ, 15 Sekunden bei ISO 1600
Auf dem Weg zurück nach Köln – zwar war die Boeing randvoll getankt, aber irgendwann muss halt Schluss sein – wird ein Bogen nach Südosten geschlagen, so dass der Blick von der linken Seite auf das östliche Ende des Aurorabogens fällt: die gleiche geometrische Situation wie auf den Bildern 1, 3, 4, 7 und 8 von Sommarøy, nur 8° weiter südlich, weil das Auroraoval im Nordwesten Europas deutlich weiter nach Süden kommt als im Nordosten. Und siehe da: Die Aurora nimmt noch einmal mächtig Fahrt auf!
1:15 MEZ, 15 Sekunden bei ISO 1600
1:19 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 1600
1:20 MEZ, 13 Sekunden bei ISO 800
Zu erkennen insbesonders an der extrem hellen Stelle im mittleren Bild und den reduzierten Belichtungen. Alle Aufnahmen entstanden übrigens freihändig mit dem Objektiv an die Scheibe gepresst – leider manchmal zu energisch, was die unscharfen Sterne erklärt. Sollte man mit den Objektiven von Bridgekameras eben nicht machen: wieder was gelernt …
1:31 MEZ, 10 Sekunden bei ISO 1600
Danach verblasst das Polarlicht erneut, aber es bleibt als diffuser Schimmer sichtbar, mit helleren Strukturen dicht über dem Horizont, die schließlich dahinter verschwinden. Diesmal stimmt auch der Fokus – und man beachte den Schatten des Winglets auf der Tragfläche im Licht der Aurora!
1:44 MEZ, 15 Sekunden bei ISO 1600
Sekunden von dem Wiedereinschalten der Kabinenbeleuchtung und 1 1/2 Stunden vor der Landung in Köln das letzte Bild: immer noch Aurora am Himmel. Gut drei Stunden war sie permanent zu sehen gewesen, in zig verschiedenen – mitunter auch sehr subtilen und nur fotografisch klar zu erkennenden – Spielarten. Und dank der Flughöhe und perfekten Transparenz unter ungewöhnlicher Geometrie bis in rund 1000 km Entfernung.
Der Stackplot nordeuropäischer Magnetometer – von 9:00 MEZ am 1. bis 9:00 MEZ am 2. März – zeigt, dass pünktlich zum Flug doch einiges in Unordnung geraten war, etwa ab 23:30 MEZ: Auch die weniger aktive Phase nach Mitternacht und die erneute Zunahme nach 1:00 MEZ sind zu erkennen. Insgesamt ist die Erfahrung Aurora aus dem Flugzeug mit dem Erlebnis in der Wildnis oder auch an Deck eines Schiffes nicht zu vergleichen: Es fehlt der „All-Sky-Effekt“, der bei einem ordentlichen Substurm die Aurora über den ganzen Himmel huschen lässt. Dafür birgt die Kombination des Naturereignisses mit der High-Tech-Umgebung eines modernen Passagierflugzeugs und von High-End-Kameras mit Live-Display einen ganz eigenen Reiz. Von der Wettergarantie über dem Großteil der Troposphäre und flexibler Routenanpassung natürlich ganz zu schweigen … NACHTRAG: noch ein Artikel.