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Kunterbunter Kosmos kompakt

30. Dezember 2009

Wintersonnenwende im Jantar Mantar von New Delhi: 1500 waren dabei, als die historischen Riesenmessgeräte (siehe ISAN 17) von lokalen Amateurastronomen wieder „in Betrieb genommen“ wurden. (Astronomy Activities 2009 26.12.2009)

Das größte, beste, schönste der letzten 12 Monate …

Eigentlich nervt es gewaltig, aber außer dem Team hinter dem Chandra-Satelliten hat es sich mal wieder niemand nehmen lassen, das Jahresende mit Best-Of-Sammlungen zu feiern: zum Weltraum vom ORF, Astro Bob, Spektrum, Nat’l Geogr., (2 NACHTRÄGE) MediaQuell, Planetary Society, Cosmic Log, Science News, Space.com (mehr), Bad Astronomy, Voice of America, Fox News (Kommentar) und NASA, zur Physik von Physics World (mehr) und zur Wissenschaft allgemein von SPIEGEL, BBC, TIME, (4 NACHTRÄGE) IO9, Discover, Wired und RFERL. Außerdem die Financial Times mit den Raumfahrt- und IO9 mit den Science-Highlights der (3 NACHTRÄGE) 10 „Nuller“-Jahre, die man als Jahrzehnt betrachten mag oder auch nicht.

Die 50 größten wissenschaftlichen „Sagas“ der letzten 50 Jahre hat dagegen das Council for the Advancement of Science Writing zusammengestellt: Ungefähr 19 davon haben mit Astronomie und/oder Raumfahrt zu tun. Und im Gegensatz zum angeblichen Abstieg der Astronomie seit 1980 werden es hier immer mehr: 3 in den 1960-ern, 2 in den 1970-ern, 3 in den 1980-ern, 4 in den 1990-ern und 5 in den 2000-ern …

Der „Preprint-Server“ sucht nach einem neuen Finanzmodell

Rund 400’000 Dollar kostet es im Jahr, das zentrale Depositorium für aktuelle Forschungsarbeiten v.a. aus der Naturwissenschaft zu betreiben, die Webseite „arxiv.org“ auch so ziemlich jedes astronomische Paper, das gelesen werden will, landet früher oder später hier und ist dann völlig frei und kostenlos verfügbar. Jetzt sind diejenigen wissenschaftlichen Institute, aus denen am meisten auf den Server zugegriffen wird, um Spenden angegangen worden und scheinen auch zu reagieren: Im Januar sollen Details der neuen Arrangements bekannt werden. (US LHC Blog 29.12.2009) NACHTRAG: Nature Blog dazu. NACHTRAG 2: weitere Details.

Alles was Sie je zu wissenschaftlichen Postern wissen wollten und sich nie zu fragen trauten – weniger ein Ratgeber, mehr eine Glosse. Aber die Atmosphäre typischer Postersessions auf großen wissenschaftlichen Konferenzen wird bestens karikiert … (Prima Klima 19.12.2009. Auch Antworten auf die Fragen, ob der Erfolg eines Papers von seiner Länge und der Zahl der Autoren abhängt …)

Ein ganz frischer Impaktkrater auf dem Mars, der zwischen Januar 2006 und Mai 2008 entstanden ist, auf einer HiRISE-Aufnahme vom November 2008: Er ist 5.5 Meter groß und nicht etwa von dunklen Ejekta umgeben – vielmehr hat die Druckwelle des Einschlags Staub davon geblasen und dunkleren Boden freigelegt. (HiRISE Picture 10862_1880)

10 Jahre vergebliche Suche nach dem Wrack des Mars Polar Lander

nach seinem mutmaßlichen Absturz im Dezember 1999 (siehe Skyweek 50+51/1999 Artikel 1+2) – auf keiner Aufnahme eines seither eingetroffenen Marsorbiters ist bisher irgendetwas Eindeutiges zu entdecken gewesen, aber die Suche geht weiter … (Scientific American 29.12.2009) NACHTRAG: noch ein Aufruf, die Suche anhand von MRO-Bildern zu intensivieren.

Was ist wahr an „Avatar“ …?

Besonders komplex oder versteckt sind die ‚Botschaften‘ hinter dem visuellen Überschwang im SF-Film Avatar ja nicht gerade, aber man kann ja mehr draus machen: Vor allem ein Press Release des Center for Astrophysics, „Avatar’s Moon Pandora Could Be Real“, der sich auf die pünktlich zum Filmstart eingereichte Arbeit von L. Kaltenegger „Characterizing Habitable Exo-Moons“ bezieht, ist schon unzählige Male aufgegriffen worden. Nicht im Film, wohl aber im ‚offiziellen‘ Buch dazu, wird der Avatar-Schauplatz Pandora als einer von 14 Monden eines von 3 Gasriesen eingeführt, die um Alpha Centauri A kreisen – wo man in der Realität noch nicht einen einzigen Planeten gefunden hat, aber kräftig sucht („Noch eine Jagd …“). (Knight Science Journalism Tracker 30., Evolution Blog 29., Space.com, Prima Klima, Ethics & Science 28., Telepolis 22., Centauri Dreams 21., Exoplanetology 20., Popular Mechanics 16.12.2009 – und ein ganz spezielles Video …) NACHTRAG: ‚The science of Avatar‘ sorgt auch 2010 noch für Diskussion … NACHTRAG 2: … und wie baut man eigentlich einen Avatar?

Die Erde hat sich ihre Atmosphäre erst später verschafft, durch Akkretion von Material, dessen Zusammensetzung derjenigen kohliger Chondriten ähnelt: Das wird aus Krypton-Isotopen aus dem Erdmantel geschlossen, die nicht zu einem Ausgasen der festen Erde zu passen scheinen. (Holland & al., Science 326[11.12.2009] 1522-5; Science News 10., Scientific American, BdW 11.12.2009)

Deutsche Computerfreaks wollen auf dem Mond landen

Der einzige deutsche Bewerber um den Google Lunar X Prize sind – seit diesem Juni – die „Part Time Scientists“, eine Schar Computerfreaks ohne Hintergrund in praktischer Raumfahrt, dafür aber umso größeren Ideen: Auf der 26. Chaos Communication Congress in Berlin präsentierten sie am 28.12. zwar einen „Prototypen“ ihres Marsrovers (Abb.: entzerrter Screenshot aus dem Webcast) und sprachen über zwei Stunden lang. Aber diskutiert wurden praktisch nur Details der Bordelektronik; über die eigentliche Mission (für deren Start eine Falcon sorgen soll) inklusive des Landers lernte man fast nichts. Außer dass die Anforderungen des GLXP wohl nicht genügen: Man will auch gleich noch Mondgestein zur Erde schaffen, wenn man schon mal da ist … (Press Release 24.6., Financial Times D 10.7., The Launch Pad 26., Heise Online 28., RaumfahrerNet 30.12.2009) NACHTRAG: ein ZDF-Bericht.

Astrologie + Aderlass = Akupunktur …

In einer brillianten Analyse ist jetzt aufgezeigt worden, wie die Lehren der vermeintlichen „Alternativmedizin“ Akupunktur auf Vorstellungen aus der Steinzeit und frühe medizinische Astrologie zurückgeführt werden können, wobei sich das Nadeln letztlich als „edlere“ Form des früher so verbreiteten Aderlasses entpuppt. (Kavoussi, Focus on Alternative and Complementary Therapies 4.12.2009)

Neuer australischer Impaktkrater passt zu Stories der Aborigines – allerdings ist der Palm Valley-Krater schon vor Jahrmillionen entstanden, so dass irgendeine konkrete Erinnerung an seinen kosmischen Ursprung unmöglich ist. (Sydney Morning Herald 28., Universe Today 30.12.2009)

Die dämlichste Weltraum-Story des ganzen Jahres

machte ausgerechnet heute die Runde: Offenbar gibt es in Russland vage Pläne, mit einer Raumsonde die Bahn eines potenziell die Erde gefährdenden Asteroiden abzulenken – und der Raumfahrtchef hat darüber in einem Interview geplaudert und dabei groben Unfug verzapft. Mal wieder muss der arme Asteroid Apophis, dessen Impaktwahrscheinlichkeit längst nahe Null angekommen ist (siehe ISAN 95-7), als Sündenbock herhalten: „Ich erinnere mich nicht genau, aber ich glaube, er könnte die Erde 2032 treffen,“ hat Anatoly Perminov gegenüber einem Radiosender von sich gegeben – das kann er eben nicht, und deswegen bleibt zu hoffen, dass sich nicht tatsächlich jemand an der Bahn gerade dieses Asteroiden zu schaffen machen wird. Aber Beobachter vermuten eh, dass das geheimnisvolle Projekt allenfalls auf dem Papier existiert und es auch dabei bleiben wird. (NASA Watch, MSNBC, Space.com, 80 Beats, NPR, Science Blogs, New York Times, The Star, Bad Astronomy, SpacePorts, Universe Today, AP, AFP, Novosti, Pravda, Knight Science Journalism Tracker 30.12.2009)

Kosmische Kuriosa kompakt

20. November 2009

Inbetriebnahme des LHC in diesen Stunden

Während sich Physiker und (durchweg) Nichtphysiker noch ein wenig darüber streiten, ob mit dem Large Hadron Collider unwägbare Gefahren für Genf, die Erde oder das Universum verbunden sind, wird der Teilchenbeschleuniger in diesen Stunden wieder hochgefahren, 14 Monate nach der schweren Panne kurz nach dem ersten Start – das konnte auch ein Kurzschluss in einem über der Erde gelegenen System nicht verhindern, den ein von einem Vogel verlorenes Stück Baguette ausgelöst haben soll. Soeben ist der Strahl einmal ganz herum gelangt, nun wird es auch in der Gegenrichtung ausprobiert. Laufende Updates liefert der Twitter-Feed des CERN.

Schon nächste oder übernächste Woche könnte es die ersten Teilchenkollisionen geben (zu denen es 2008 erst gar nicht gekommen war): zunächst noch mit viel geringerer Energie als sie längst der große US-Konkurrent Tevatron schafft, aber die riesigen Detektoren rund um den Ring werden dann endlich etwas zum Detektieren haben. Und bereits im Januar könnte der LHC am Tevatron vorbeiziehen. (Cosmic Variance, Boston Globe, Discovery, Nature Blog, Tracker, BBC, Physics World 20., BBC, Telegraph 19., AP 17., Cosmic Log 13., eSkeptic 11., Cosmic Variance 8., Twisted Physics 6.11.2009) NACHTRÄGE: CERN, LBL Releases, BBC, AP, New York Times, Scientific American, Discovery, Tagesschau, BR, KosmoLogs, FAZ, WissensLogs, Welt der Physik (mit Twitter-Protokoll) zum Erfolg.

Auch Gewitterwolken funktionieren offenbar als Teilchenbeschleuniger: Wie schon andere Satelliten vor ihm, sieht Fermi „Terrestrial Gamma Flashes“, insbesondere mit einer Energie von 511 keV – da werden wohl Positronen und Elektronen annihiliert. Aber auch ein Mechanismus, bei dem die Wolken Elektronen beschleunigen, die dann mit Luftmolekülen kollidieren und Gammablitze erzeugen, ist denkbar. (Symmetry Magazine 6.11.2009) NACHTRAG: Hat’s noch wer mitbekommen … NACHTRAG 2: … aber es berichten nicht genug? NACHTRAG 3: Dafür gibt’s einen eigenen Mini-Satelliten, Firefly. NACHTRAG 4: Und gleich noch ein Artikel von Science@NASA. NACHTRAG 5: Auch Fermi guckt nach TGFs – ebenso wie der Satellit AGILE.

Auf der Jagd nach Dunkler Materie – am Himmel und im Labor

Während sie manche am liebsten loswerden wollen, glauben andere, direkte Spuren der Dunklen Materie bereits in astronomischen Daten gefunden zu haben. Oder sind überzeugt, die vermuteten Teilchen bald mit Detektoren auf der Erde einfangen zu können, seien es laufende oder vorgeschlagene (etwa mit Richtungsempfindlichkeit). Der Fermi-Satellit sieht Gammastrahlung aus Richtung des Galaktischen Zentrums, die darauf zurückgehen könnte, dass bestimmte DM-Teilchen mit normaler Materie annihilieren – die Daten könnten aber auch ‚konventionell‘ erklärt werden. (Diese Studie sorgte auch für Wirbel, weil die Autoren ‚von auswärts‘ Fermi-Daten analysierten, die die Fermi-Forscher selber noch gar nicht ausgewertet hatten.)

Derweil suchen eine ganze Reihe Experimente – meist unterirdisch – nach speziellen Kandidaten für die Dunkle Materie, namentlich Neutralinos und Axions, wobei die letzteren weniger populär aber womöglich physikalisch vielversprechender sind. Versuche, die umstrittene angebliche Detektion Dunkler Materie durch das Experiment DAMA unabhängig nachzuprüfen, hakt allerdings an der mangelnden Verfügbarkeit von zentnerweise hochreinem Natriumjodid. (Goodenough & Hooper, Preprint 11., Nature 5.11. 23, Scientific American 3.11., Physics World 29., Sky&Tel., Cosmic Variance 28., Nature News 2009.1018 19.10.2009 zu Fermi, Irastorza, Preprint 15., Ahlen & al., Preprint 1.11.2009 zu den Labors) NACHTRAG: mehr zu den Fermi-Daten.

Neues Untergrundlabor DUSEL wird weiter gefördert: Die NSF investiert 29 Mio.$ in Detailstudien für das tiefste Untergrundlabor überhaupt, das Deep Underground Science and Engineering Laboratory in South Dakota – der Bau könnte um 2013 beginnen. Derweil laufen im Baikalsee Experimente, um durchs Wasser schießende Neutrinos über akustische Effekte nachzuweisen. (Berkeley Press Release 15., Aynutdinov & al. Preprint 5.10.2009)

Das Vereinigte Königreich steigt aus dem Gemini-Projekt aus

Das scheint nun so gut wie sicher zu sein: Man will die 4 Mio. Pfund im Jahr Anteil an den Betriebskosten der beiden 8-m-Teleskope auf Hawaii und in Chile sparen. Bisher wurden 35 Mio. investiert, und das UK hat einen Anteil von 23% an dem Projekt. (Physics World 19.11.2009)

Meilenstein für das ALMA-Interferometer: Zum ersten Mal konnten zwei der Radioantennen am chilenischen Standort kohärent zusammengeschaltet werden. Da musste dann auch eine beteiligte deutsche Firma zur Feder, äh, Tastatur greifen und auf die besondere Rolle Nordrheinwestfalens bei ALMA verweisen … (ALMA News, Jodrell Bank Release, ThyssenKrupp PM 19.11.2009) NACHTRAG: ALMA Announcements und der NRAO Newsletter zu den First Fringes.

50 Jahre (modernes) SETI – 25 Jahre SETI Institute

Zwar haben sie immer noch keine Funk- oder sonstigen Signale fremder Zivilisationen vorzuweisen, aber wenigstens konnten die Fans der Search for Extraterrestrial Intelligence dieser Tage zwei runde Jubiläen begehen: Am 19. September 1959 veröffentlichte Nature ein Paper mit dem Titel „Searching for Interstellar Communication“, das dank renommierter Autoren die Radiosuche nach Aliens gewissermaßen legitimierte (während Frank Drake bereits heimlich auf der Suche war). Und am 20. November 1984 wurde das SETI Institute in Kalifornien eröffnet, das sich nach dem Wegbrechen staatlicher Förderung auf anderen Wegen um die systematische Suche und auch verwandte Forschungsgebiete kümmert, übrigens bis hin zur Meteorbeobachtung. Daher war dieser Blogger auch 2007 dort zu Gast, im Rahmen der Aurigiden-Kampagne. (Nature 17.9. 345-6 und 316, New York Times 6.10., Welt der Physik 16., Wired 20.11.2009) NACHTRÄGE: Wow – oder auch nicht … und was wir senden sollten. NACHTRAG 2: Die Washington Post sieht SETI heuer schwer im Aufwind … NACHTRAG 3: … und der New Scientist hofft auf ETs Anruf 2010.

Der ‚Preprint-Server‘ soll ein interaktives Medium werden

Kaum eine Forschungsarbeit aus der Physik (und der Astrophysik allemal) landet nicht früher oder später im „Arxiv“, einer offen zugänglichen Sammlung von schon rund 600’000 Forschungsarbeiten – manche referiert und publiziert, andere nie. Jetzt investiert die National Science Foundation 883’000$ in einen Ausbau der bislang reinen Paper-Sammlung in ein System, das die Kommunikation über die Arbeiten anheizen und diese auch selber auf neuen Wegen erfassen und zugänglich machen soll. Selbst die „Genealogie“ wissenschaftlicher Gedanken soll automatisch ergründet werden … (Cornell Press Release 17.11.2009)

Was war die „beste“ Astronomie des vergangenen Jahrzehnts? Geht man nur von den Zitaten durch andere Arbeiten aus, dann liegt die Kartierung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung durch den Satelliten WMAP klar an der Spitze. Unterdessen hat der besorgte Neuseeländer bei den „fundamentalen Entdeckungen“ der Astronomie auch seine Ränge 26-51 nach der Zeit sortiert – und wieder geht es nach 1980 steil bergab … (We are all in the Gutter 17., Cosmic Diary 19.11.2009)