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Nachrichten vom (Erd-)Mond kompakt

21. Oktober 2010

12 1/2 Monate danach: LCROSS-Papers endlich publiziert

Jetzt kann man endlich auch in referierten Papers – gleich 6 an der Zahl: morgen in Science – nachlesen, was beim LCROSS-Impakt heraus gekommen ist, ganz wörtlich gesehen: Es waren Körnchen aus reinem Wassereis, zuzüglich so vieler flüchtiger Beimischungen, dass eine ganze Reihe von Quellen (sowie komplexe chemische Prozesse) angenommen werden müssen. Dominante Lieferanten waren wohl Kometenkerne, ihre Hinterlassenschaften auf dem Mond sind ungleichmäßig verteilt, und allerlei leichte Metalle gibt es auch noch. Die genauen Abläufe während des Impakts liefern auch Aussagen über die physische Beschaffenheit des Regoliths und wie das flüchtige Material darunter gemengt ist. (Ames [telecon visuals], Brown, U of A, JPL, SwRI Releases, Washington Post, New York Times, Space.com, Planetary Society Blog, IO9, Universe Today [more] 21.10.2010)

Der LRO ist nun ein wissenschaftlicher Mondorbiter und keiner mehr, der in erster Linie die Landung von Astronauten vorbereiten soll: Am 16.9. beendete der Lunar Reconnaissance Orbiter seine „Exploration“ – alle Ziele wurden erreicht – und wird nun die kommenden 2 bis 4 Jahre reine Forschung betreiben. Als als Gehilfe der bemannten NASA-Fraktion hat der LRO eine Menge Wissenschaft (und mehr Daten als alle anderen Planetenmissionen zuvor zusammen) abgeworfen: So hat sein Laseraltimeter einen kompletten Katalog von 5185 Impaktkratern > 20 km Durchmesser geliefert, aus dem man schließen zu können glaubt, dass sich die Population der Impaktoren vor 3.8 Gyr veränderte. Und sein IR-Instrument Diviner hat gezeigt, dass der Mond geologisch komplexer als bisher gedacht ist. (Head & al./Greenhagen & al./Glotch & al., Science 329 [17.9.2010] 1504-13; NASA Release 15., JPL, Stony Brook Releases, Diviner Blog, Planetary Society Blog 16., Oxford Release, Science Journalism Tracker 17., Physics World 21.9.2010. Auch LROC-Bilder, Planetary Society Blog und Universe Today zu kleinen Mondbrücken, LROC-Bilder von Mondlöchern und Universe Today, StarStryder, New Scientist Blog mit weiteren LRO-Entdeckungen)

Wieviel über die Ausgasungen des Mondes fand Chandrayaan I schon 2008 heraus?

In Indien erhitzen sich die Gemüter („Zu wenig Anerkennung …“) weiter über die Frage, wie viel der vermeintlichen „NASA-Entdeckungen“ in Sachen Wasser & mehr im Mondboden – durch LCROSS bzw. NASA-Instrumente auf dem indischen Orbiter Chandrayaan I – eigentlich das kleine CHACE-Instrument vorweg genommen („Chandrayaans Moon Impact Probe …“) hat, das 2008 mit der Moon Impact Probe auf die Oberfläche stürzte. Diese Kapsel war primär ein Ingenieur-Experiment mit der Wissenschaft nur als Zugabe – aus diesem Grund war es nicht möglich, CHACE vor dem Abwurf ausgiebig zu eichen. Seine Daten während des Abstiegs, mit H2O, C02 und manchem mehr, sehen zwar gut aus (und scheinen zu den nun publizierten LCROSS-Auswertungen zu passen) – aber der letzte Beweis, dass es sich nicht doch überwiegend um Ausgasungen des Instruments oder der MIP selbst handelt, kann scheint’s nicht geführt werden. Und so ruhen die Hoffnungen nun auf einem ähnlichen Instrument auf dem Orbiter Chandrayaan II, das a) geeicht und b) wesentlich länger und systematischer nach Ausgasungen vom Mondboden – d.h. der Mondexosphäre – schnüffeln soll. (Frontline 25., Beyond Moon & Mars 24., Parallel Spirals 23., 21., Telegraph 19., Beyond Moon & Mars 15.9.2010. Und ein EuroPlaNet Release und Astronomy Now zu Chandrayaan-Beobachtungen zur Wechselwirkung von Mondoberfläche & Sonnenwind)

12 Instrumente werden auf dem russischen Lander von Chandrayaan II sitzen, wurde jetzt bekannt; der Orbiter und vom Lander ausgesetzte Rover („Russischer Lander …“) tragen weitere 5 bzw. 2 Instrumente. Bei der russischen Lander-Nutzlast geht es in erster Linie um die Entstehung des Mondbodens und Prozesse, die darin ablaufen. Derweil scheint es möglich, dass der kleine Rover u.a. in eine Höhle rollen wird. (Parallel Spirals 13., Space.com 9.10., Parallel Spirals 24.9.2010)

Wieder ein chinesischer Satellit im Mondorbit

Chang’e 2 ist das Ersatzmodell des erfolgreichen Orbiters Chang’e 1, das auch wieder mit denselben, wenn auch z.T. verbesserten, Instrumenten auf die Reise gegangen ist – aber diesmal in nur 5 Tagen (1. bis 6. Oktober) statt 12. Und der kurz nach der Ankunft eingenommene 100 km hohe Orbit liegt nur halb so hoch wie beim letzten Mal: Besonderes Interesse soll dem Sinus Iridum gelten, wo die Chinesen mit Chang’e 3 vermutlich die erste Landung wagen werden. (Und sich inzwischen wegen der ganzen lunaren Ausgasungen Sorgen machen, dass ein astronomisches UV-Teleskop auf den Lander womöglich Probleme haben wird.) Die Primärmission von Chang’e 2 dauert 6 Monate: Danach wird sie entweder verlängert oder aber Chang’e 2 in ein Ingenieurexperiment umgewandelt und entweder zur Erde zurück oder noch tiefer in den Raum hinein geschicht, beides als Training für künftige komplexere Missionen. Da diesmal auf der stärkeren Langer Marsch 3C statt der 3A gestartet wurde, konnte reichlich Sprit für exotische Manöver mitgenommen werden. (Beijing Review 18., Space Daily 12., Space Today 7., Xinhua, Spaceflight Now, Space Daily 6., Lunar Networks 4., Xinhua, Planetary Society Blog, Space Today 1.10., EPSC Release 21.9.2010. Und ein EPSC Release und der Spiegel zur 1. Mikrowellenkarte des Mondes von Chang’e 1)

Alle Daten von SMART-1 stehen nun der Wissenschaft zur Verfügung – und vor allem die vielen Bilder der AMIE-Kamera auf dem europäischen Mondorbiter sind bislang kaum ausgewertet worden: Sie zeigen die Mondoberfläche mit 40 m Auflösung unter vielen verschiedenen Beleuchtungen, woraus man einiges über die physische Beschaffenheit des Bodens lernen kann. (ESA Release 21.9.2010. Auch ESA und Astrium Releases und BBC zu einer Studie für einen ESA-Mondlander)

Hervorragende Laser-Echos vom lange verschollenen Lunochod 1, der erst dieses Jahr auf Bildern des LRO gefunden wurde, sind mit dem APOLLO-System des Apache Point Observatory erhalten worden: Sie sind viermal so stark wie von Lunochod 2. Nun eröffnen sich eine Menge Möglichkeiten für detaillierte Vermessungen der Mondbewegungen, „parkt“ doch der 1. sowjetische Mondrover als einziger nahe am Mondrand. Und weil sein Retroreflektor noch so gut ist, kann er sogar in der Sonne benutzt werden. (Murphy & al., Preprint 28.9., arXiv blog 1.10.2010)

Nachrichten aus der Weltraumforschung kompakt

15. Juni 2010

Endlich die ersten Röntgenbilder der Sonne von GOES 15 liefert der Solar X-Ray Imager (SXI) auf dem jüngsten US-Wettersatelliten („Neuester US-Wettersatellit …“) seit Anfang Juni, 1/4 Jahr nach dem Start: Es war zu so gravierenden Problemen gekommen, dass man das Instrument schon fast aufgegeben hatte und die NASA – ungewöhnlich – das Wort „mirakulös“ für die Rettung benutzt … NACHTRAG: Woran’s gelegen hat, weiß man nicht genau, irgendwas Elektrisches.

Sonnensatellit Picard, Satellitenpaar Prisma im Orbit!

Problemlos ist heute in Yasny der Dnepr-Start von drei Satelliten („Nächster Dnepr-Start …“) gelungen: Zwei bilden das Experiment Prisma und werden Formationsflug und Rendezvous demonstrieren, der dritte ist der französische Picard. Mit drei Instrumenten wird er die Variabilität der Sonne und ihre möglichen Auswirkungen auf die Erde überwachen. Das Teleskop SODISM misst hochpräzise den Durchmesser der Sonne (der offenbar konstanter als gedacht ist), während SOVAP und PREMOS die Irradianz der Sonne und ihre Schwankungen in verschiedenen Spektralbereichen verfolgen. (Kosmotras, SSC Releases, Spaceflight Now, Space News, NASA Spaceflight 15.6.2010) NACHTRAG: noch ein bildreicher Artikel über Satelliten & Rakete auf Spanisch und einer auf Deutsch.

Auch China startete heute einen Forschungssatelliten, aber wie so oft erfährt man herzlich wenig über die konkreten Aufgaben von Shijian („Übung“) XII, die grob als „space environment probe, measurement and communications“ beschrieben werden. Der Name für schon früher für Satelliten zum Testen diverser Technologien und Messungen des erdahen Raumes verwendet; der Start war der 125. einer ‚Langer Marsch‘. (Xinhua, Eureka, Spaceflight Now, Space Today 15.6.2010)

Die Einschlagsstelle von SMART-1 auf dem Mond gefunden?

Noch sind es nur die Spekulation eines – allerdings erfahrenen – Planetenkundlers, aber ein kleiner Krater mit hellen „Spritzern“ auf einem Bild des Lunar Reconnaissance Orbiter würde gut dem extrem flachen Absturz des ersten europäischen Mondorbiters im Jahre 2006 passen (siehe Artikel C35 und MEPCO News). Die Stelle ist nicht ganz da, wo es die ESA erwartet hätte, aber sie scheint plausibel – und andere Kandidaten sind nicht in Sicht. (Planetary Society Blog 15.6.2010)

Das Wasser, das LCROSS freischlug, hatte mehr als eine Quelle: So wurde es soeben auf einer Videokonferenz zum Stand der Auswertung des Mond-Crashs vom Oktober 2009 berichtet. Die Kältefalle Cabeus hatte demnach alle Arten von flüchtigen Substanzen eingesammelt, darunter >150 kg Wasser, mit einem Anteil am hochgeschleuderten Material von 6±2 Gewichts-Prozent. Entgegen ersten Berichten haben übrigens doch einige Sternwarten auf der Erde Spuren des freigesetzten Wasserdampfs gesehen, und das HST registrierte sein Abbauprodukt OH. (NLSI Video Conference 15.6.2010)

Nach fünf Jahren festgestellt: Spirit sah einen Karbonat-Klotz

Jetzt hat der seit Monaten „schlafende“ Marsrover Spirit doch tatsächlich eine potenziell bedeutende Entdeckung gemacht – nachdem es endlich gelungen ist, die staubige Verunreinigung seines Mini-TES ‚wegzurechnen‘, die 2005 Messungen am Felsen Comanche behindert hatte. Zusammen mit den (per se nicht schlüssigen) Direktmessungen der beiden Spektrometer APXS und Mößbauer steht nun fest, dass der mindestens 3.5 Mrd. Jahre alte Brocken aus Magnesium-Eisen-Karbonat besteht, chemisch ähnlich einem einsamen aus dem Orbit entdeckten Karbonat-Aufschluss in Nili Fossae und den Einschlüssen im Marsmeteoriten ALH 84001. Nach Karbonaten, wurde auf dem Mars lange gesucht, sollte man sie doch als Rückstand einer weithin vermuteten frühen dichten CO2-Atmosphäre vermuten. Ob Spirits Zufallsfund (der zu 16 bis 34 Gewichtsprozent aus Karnbonat besteht) nun nahelegt, dass es tatsächlich große – aber versteckte – Karbonatvorkommen gibt, ist indes nicht klar: An dieser Stelle tritt es nämlich zusammen mit vulkanischem Olivin auf und kam vermutlich aus der Tiefe, als Wasser hindurchfloss. Welches immerhin einen neutralen pH-Wert hatte und damit lebens(entstehungs)freundlicher gewesen wäre als das extrem saure, dessen Hinterlassenschaften der andere MER Opportunity desöfteren in Meridiani Planum gefunden hat. (ASU, JPL Releases, Uni Tübingen PM 3., Uni Mainz PM 4.6.2010; Nature News, BBC, Scientific American, Space.com 3., Space Today 4., Planetary Society Blog 10.6.2010)

Radarblicke „unter“ die Nordpolarkappe des Mars mit dem SHARAD des Mars Reconnaissance Orbiter haben gezeigt, dass es vor allem die Wirkung des Windes und vom ihm transportierten Materials ist, die in Millionen Jahren das Muster der North Polar Layered Deposits (NPLD) – des größten bekannten Eis-Reservoirs des Planeten – bestimmt: So kommt es sowohl zu auffälligen Spiralmustern wie auch dem 2 km tiefen Canyon Chasma Boreale. (Holt & al./Smith & Holt, Nature 465 [27.5.2010] 446-53; University of Texas, NASA Releases 26.5.2010) NACHTRAG: Science@NASA dazu.

Verfrühte Spekulationen über Methan-basiertes kaltes Leben auf dem Saturnmond Titan

Publizistisches Eigentor der NASA: Da wird aus mehreren schon einige Monate alten Papers eine tolle Story von Methan-verschlingenden eiskalten Organismen auf dem Saturnmond Titan gestrickt, auf die sonst kaum jemand gekommen wäre, die Medien fahren mehr oder weniger drauf ab – und dann sieht sich das Cassini-Team genötigt, auf einer eigenen Webseite dagegen zu halten. Konkret beobachtet worden waren von verschiedenen Cassini-Instrumenten ein unerwartetes Defizit von Azethylen auf der Titanoberfläche und eine überraschende Höhenabhängigkeit von Wasserstoff in der Atmosphäre darüber. Aus letzterer war mit einem Modell berechnet worden, dass es einen großen Strom von Wasserstoff in den Boden gäbe – was zusammen mit den fehlenden Azethylen zu der Hypothese passen würde, dass dort Lebensformen Stoffwechsel betreiben, die flüssiges Methan (praktisch die einzige unter Titan-Temperaturen noch flüssige Substanz) statt Wasser als Lebenselixir verwenden. Nun ist die organische Chemie auf diesem Mond aber bekanntermaßen ziemlich komplex, und ein unbekannter katalytischer Prozess könnte genau so gut für das Azethylen-Defizit sorgen, während der Wasserstoff-Transport als unbewiesen gilt. Ja, wenn man einen Titan-Länder mit ausgefuchsten Detektoren hätte … (JPL Release 3., Bild der Wissenschaft 5., „Gegendarstellung“ des Cassini-Teams, Universe Today, Discovery, Tracker 7., New Scientist, TIME 10., AstroBiology, Washington Examiner 15.6.2010)

Kleine Saturnmonde erst ‚vor kurzem‘ aus den Saturnringen geboren? So erklärt ein zweistufiges – aber immer noch stark vereinfachtes! – Modell die Herkunft von Prometheus, Pandora, Epimetheus und Co., die außerhalb des A-Rings um den Saturn ziehen und dort nicht schon vom Beginn des Sonnensystems gewesen sein können (Kometentreffer hätten die <50 km großen Körper längst zerstört). Nach dem Modell, das ihre Eigenschaften (etwa ihre Dichte von nur ~0.6 g/cm^3) gut produziert, bilden sich in den Ringen Klumpen, die zu Monden zusammen finden – welche dann durch Drehimpuls-Transfer nach draußen geschoben werden. Auch der harte Außenrand des A-Rings wird reproduziert – und der mysteriöse F-Ring erweist sich als Abfallprodukt der Mondbildung, die das mit Abstand jüngste Akkretionsphänomen im Sonnensystem wäre. (Charnoz & al., Nature 465 [10.6.2010] 752-4, auch Burns, ibid. 701-2; Nature News, Scientific American, Space.com 9.6.2010)