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AAS 221: allerlei Strukturen in der Milchstraße

9. Januar 2013

waren gestern Thema der 5. Pressekonferenz der 221. AAS-Tagung (komplette Aufzeichung). Das gab es zu sehen:

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Der erste „Knochen“ der Milchstraße – denen auch gleich die eigene URL „MilkyWayBones“ gewidmet wird – ist diese 300 Lichtjahre lange und nur 1-2 Lichtjahre dicke Faser aus Staub und Gas, die auf dieser Spitzer-Aufnahme dunkel erscheint. Die Struktur könnte zu einem regelrechten ‚Skelett‘ der Galaxis gehören.

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„Radio-dunkle Wolken“ in der Milchstraße im Kontinuum sind ein überraschendes Phänomen, durchdringt doch Radiostrahlung normalerweise alles und erscheint hell. Doch in den radio-dunklen Wolken fehlt tatsächlich Emission: Es sind dichte Molekülwolken, die in heißes Gas eingebettet sind – das kann emittieren, sie nicht.

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So sieht die fliegende Sternwarte SOFIA den Quintuple Cluster und die Umgebung dieser links zu erkennenden heißen Sterne, die vor 4-6 Mio. Jahren bei einem Starburst 35 pc vom Milchstraßen-Zentrum entfernt entstanden: Die Sterne machen sich im Infraroten – Kamera FORCAST, 20 – 37 µm Wellenlänge – durch Staubhüllen bemerkbar, die die aufheizen; man erkennt aber auch noch viel anderes Interstellares.

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Eine massereiche Molekülwolke, die kaum Sterne machen will, obwohl sie die 25-fache Dichte von Orion A hat, ist G0.253+0.016 in der Nähe des Milchstraßenzentrums: Wie neue Untersuchungen ergeben haben, fehlt es ihr an besonders dichten Kernen, das Gas bewegt sich zu stark, und vermutlich kollidieren hier gerade mehrere Wolken. [NACHTRAG: ein später Press Release dazu.]

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Der Ring um das Galaktische Zentrum aus SOFIAs Sicht bei 20 bis 37 µm Wellenlänge: Der – schräg von der Seite gesehene – Circumnuclear Ring ist hier deutlich zu erkennen (darin sitzt ein Radioastronomen schon seit Jahrzehnten bekanntes „Y“ aus Gas, das wohl auf dem Weg in die Zentralmaschine Sgr A* ist). Mit FORCASTs Auflösung scheinen periodische und horizontale Strukturen im CNR sichtbar zu werden, die Rückschlüsse auf Prozesse in der Nähe von Sgr A* geben könnten – über deren Natur wurde auf der PK aber nicht mal spekuliert.

Live-Blog „von“ der 219. AAS-Tagung in Texas

9. Januar 2012

Der 1. Exoplanet mit großem Saturn-artigem Ringsystem?

Es gibt nur einen einzigen beobachteten Transit dieses höchst seltsamen Objekts vor dem Scheibchen seines Sterns, aber der dauerte ~54 Tage und wurde von zwei voneinander entfernten Teleskopen verfolgt (Lichtkurven oben): Die einfachste Interpretation ist ein kleiner Begleiter des Sterns mit einem ausgedehnten Ringsystem (Grafik Mitte), der sich 2007 in die Sichtlinie schob, mit einer dicken inneren Scheibe und drei dünnen äußeren Ringen und deutlichen Lücken dazwischen. Aber weder vorher noch nachher ist auch nur ein weiterer Transit beobachtet worden: Die Bahnperiode muss mindestens 850 Tage betragen, und auch Amateurastronomen sind aufgerufen, nach weiteren Durchgängen Ausschau zu halten, um wenigstens die Jahreslänge des Objekts einzugrenzen. Auch seine Masse ist noch unbekannt; spektroskopische Messungen der Radialgeschwindigkeit sind aber beantragt. Ob man bei solch einer gewaltigen Scheibe – von der Masse ungefähr unseres Mondes! – noch von einem Ring sprechen kann, ist im Vergleich mit den Saturnringen (artist’s view unten) die Frage: Die Entdecker sprechen selber von einem „protoexosatellite system“, da sich aus den Ringen – die mehrere Lücken aufweisen – durchaus noch mehrere Monde des Objekts (sei es nun ein Planet oder ein Brauner Zwerg) bilden dürften. Die Lücken zwischen den Ringen lassen vermuten, dass die Mondbildung schon begonnen hat.

Mehrere weitere Kepler-Entdeckungen wurden auf der letzten AAS-PK ebenfalls vorgestellt: zum einen zwei weitere Exoplaneten, die um Doppelsterne kreisen. Kepler-34b und Kepler-35b gesellen sich zu Kepler-16b (siehe ISAN 146-7) und etablieren Planeten auf stabilen Bahnen um Doppelsterne als nicht mal seltene Kategorie in der Milchstraße, mit hochgerechnet Millionen Exemplaren. Beide Planeten sind etwa Saturn-groß und liegen deutlich außerhalb der habitablen Zonen (zu nahe an ihren Sonnen). Und es gibt die drei vom Durchmesser her kleinsten Exoplaneten, die alle um den Roten Zwerg KOI-961 kreisen und 0.78, 0.73 und 0.57 Erddurchmesser haben: Entdeckt wurden sie nicht vom Kepler-Team selbst sondern in öffentlichen Daten des Satelliten.

Weitere Nachrichten von der Tagung, die am Donnerstagnachmittag zu Ende gehen und keine weiteren PKs mehr bieten wird, umfassen erste Entdeckungen von ALMA, die ‚amtliche‘ Abkürzung „Jansky VLA“ (wer’s denn benutzen wird), weitere Einsichten von SOFIA, eine AAS-Rede zu LGBT-Fragen und weitere umfangreiche Impressionen vom heutigen Nachmittag und Vormittag sowie vom ganzen Dienstag. Aufzeichungen aller PKs – auch mehrerer vorangegangener AAS Meetings – sind übrigens hier zu finden! [21:45 MEZ am 11. Januar – Ende! Weitere AAS-News auf Twitter und im Cosmic Mirror]

Die fernste Typ-Ia-Supernova mit spektroskopischer Rotverschiebung – nämlich 1.55, was einem Weltalter zum Explosionszeitpunkt von nur 4.2 Mrd. Jahren entspricht – ist im Rahmen eines großen Hubble-Programms entdeckt worden, mit der WFC3 und ihren neuen IR-Möglichkeiten im Hubble Ultra Deep Field. Damit erweitert sich das kosmologische Diagramm dieser SNe (für den linken Teil gab’s letztes Jahr den Nobelpreis) deutlich, und mit weiteren so fernen SNe – mehrere Kandidaten gibt’s schon – wird sich u.a. untersuchen lassen, ob die Dunkle Energie zeitlich variabel ist. Und man wird auch sehen, wie alt oder jung ein Ia-Progenitor (siehe 19:50 MEZ) sein kann, auch hilfreich. [20:05 MEZ]

Aufwind für doppelt entartete Progenitoren der Ia-Supernovae

gab es auf der nächsten – und vorletzten – AAS-PK zu hören: Insbesondere gibt es mit dem Supernova-Rest SNR 0509-67.5 in der LMC jetzt einen Fall, wo alles andere ausgeschlossen ist als die Fusion zweier Weißer Zwerge als Ursache der Ia-Supernova. Denn eine tiefe Suche im Zentrum der Blase (die die Autoren übrigens beim Astronomy Picture of the Day ‚entdeckt‘ hatten!) hat keinerlei verbliebene Sterne – bis 26.9 mag.V herab, was +8.4 Mag.V absoluter Helligkeit entspricht, zum Vorschein gebracht: Bei allen anderen Szenarien als Weißzwerg-Fusionen bleibt aber der materiespendende Partner zurück. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass es mehrere Wege zu einer Ia-Explosion geben könnte, und so ist dieser eine – per se klare – Fall kein Beweis, dass alle doppelt-entartet sind.

Auch bei der Aufklärung des Vorgänger-Systems der SN 2011fe in M 101 gibt es Fortschritte: Hatte die Analyse der frühen Lichtkurve anhand der Fotometrie durch das Entdecker-Teleskop der PTF (Nugent & al., Nature 480 [15.12.2011] 344-7, zusammen gefasst in ISAN 153-4) noch eine Obergrenze des explodierten Objekts von höchstens 1/10 Sonnendurchmesser geliefert, so zeigt die Nichtdetektion der Supernova auf einer 1-Stunden-Aufnahme des Teleskops PIRATE auf Mallorca noch 7 1/2 Stunden vor dem ersten PTF-Datenpunkt bzw. etwa 4 Stunden nach der Explosion, dass das Objekt sogar höchsten 2% des Sonnendurchmessers gehabt haben kann! Eindeutig ein Weißer Zwerg also: Das folgt sowohl aus Modellierungen – und damit ein paar Annahmen – des Shock-Breakouts wie der Interaktion mit dem Massenspender. Dessen Durchmesser ist in diesem Fall weniger gut eingeschränkt, dürfte aber unter 1/10 Sonnendurchmesser gelegen haben: „a compact object of some sort“. Auch wenn es also weiter kein abschließendes Urteil zur Natur der Ia-Supernovae gibt: Das Feld ist mächtig in Bewegung geraten! [19:50 MEZ]

Das schärfste Bild des „Doppelkerns“ der Andromeda-Galaxie gab‘ auf der 1. PK des 3. Tages zu sehen: Diese Aufnahme mit Hubbles High Resolution Channel der ACS zeigt einen Haufen blauer Sterne um das mutmaßliche Schwarze Loch im Galaxienzentrum und einen Haufen roter Sterne, der es in größerem Abstand umkreist – so kommt die Illusion des Doppelkerns zustand. Andere Beiträge beschäftigten sich mit „failed AGB stars“ in der Nähe des Zentrums derselben Galaxie (wo stärkere Metallizität die Sternentwicklung beeinflusst): Die sorgen für Extra-UV-Licht. Und durch Vergleich mit anderen ähnlichen Galaxien wurde berechnet, dass die Milchstraße eine Farbtemperatur von 4840 Kelvin hat und damit sehr weiß ist: Dem Auge erscheinen ja auch Glühlicht (3000 K) und die Mittagssonne (6500 K) weiß. [17:25 MEZ]

Der VLA heißt jetzt „Karl G. Jansky Very Large Array“

Das also ist das Ergebnis der – von Astronomen wie Lokalpolitikern mit Argwohn betrachteten – ‚Volksbefragung‘ zur Umbenennung des 1980 gebauten aber seit 2000 innerlich runderneuerten (siehe Artikel 34) Radiointerferometers. Ein neues Akronym enthält die Pressemitteilung – der ’neue‘ Name wird in diesen Minuten auf der AAS-Tagung feierlich verkündet – übrigens nicht … Weitere News von der Tagung: die Rolle von Mergers (oder auch nicht), keine Hinweise auf Raumzeit-Granularität durch einen fernen GRB („Die Lorentz-Invarianz …“) und wie man sicher kein Funding bekommt (Grafik) – und weitere Berichte vom Tagungsgeschehen vom Nachmittag und Vormittag des 10. Januar und Nachmittag sowie ganzen 9. Januar. [1:45 MEZ]

Infrarot-Extravaganz Nr. 5: SOFIA und die Folgen der Sternentstehung in W3, wo der massereiche Jungstern IRS2 einen Hohlraum in das umgebende ISM geblasen hat (links im SOFIA-Bild, dessen Ausschnitt auf einer Spitzer-Aufnahme markiert ist) – ein typischer Prozess in Sternbildungsgebieten, den hier das Instrument FORCAST der fliegenden Sternwarte bei 37 µm so scharf wie noch nie betrachten konnte. [22:55 MEZ am 10. Januar]

IR-Extravaganz Nr. 4: Sternentstehungs-Statistik mit WISE anhand eines 1000-Quadratgrad-Mosaiks der Milchstraße, von dem hier nur ein Ausschnitt zu sehen ist. Die Sterndichte in verschiedenen Regionen als Funktion vom Abstand eines Konzentrations-Peaks spricht klar für eine Sternbildung in Kettenreakion, sog. triggered star formation, und gegen ein Alternativmodell mit bevorzugter Sternbildung in einer Schale. [22:45 MEZ]

IR-Extravaganz Nr. 3: Die Spitzer Cygnus X Legacy Survey, eine Durchmusterung einer der aktivsten Sternentstehungsregionen der Milchstraße, umfasst 25 Quadratgrad und hat eine große Zahl Young Stellar Objecs erwischt. [22:40 MEZ]

Infrarot-Extravaganz Nr. 1+2 (so hieß der Obertitel der letzten AAS-PK des 2. Tages): Spitzer und Herschel betrachten die Magellanschen Wolken, oben die LMC, und die SMC. Zu sehen ist kalter Staub, erstmals auf der Skala der Sternentstehung – die in den metallarmen Magellanschen Wolken so ablaufen dürfte wie allerorten vor 10 Mrd. Jahren zur Zeit der heftigsten Sternbildung in der kosmischen Geschichte. [22:25 MEZ]

Auf zu hohen (Röntgen-)Energien: RXTE, Fermi & NuSTAR

spielten bei dem nächsten Runde Pressekonferenzen auf dem Süßwarenmarkt für Astronomen AAS die Hauptrolle.

  • Der (gerade abgeschaltete) Rossi X-ray Timing Explorer hat – zusammen mit dem Radiointerferometer VLBA – den Ausbruch eines Schwarz-Loch-Kandidaten in der Milchstraße nahezu perfekt überwacht: Erst gab’s QPOs, als etwas in der Akkretionsscheibe nach innen spiralierte, dann wurden Jets herausgeschleudert: Der Zusammenhang beider zentralen Phänomene der Astrophysik lässt sich an diesem Beispiel näher ergründen.
  • Der Satellit Fermi hat den Kosmos jenseits von 10 GeV Photonenenergie erschlossen – das dauerte eine Weile, weil manche Quellen nur alle vier Monate mal ein Photon schicken! Der Vorgänger EGRET (auf dem Satelliten CGRO) hatte insgesamt nur 1500 Photonen > 10 GeV in 9 Jahren gesehen, von gerade mal 4 diskreten Quellen, alles Pulsare. LAT auf Fermi hat dagegen in 3 Jahren bereits 496 solche Quellen mit mindestens 4 Sigma nachgewiesen, galaktische wie extragalaktische: 274 sind AGNs, 25 Pulsare, 25 SNR & Pulsarwind-Nebel – aber 168 haben kein Gegenstück bei niedrigerer oder höherer Energie und bleiben einstweilen unidentifiziert. Nach 10 Jahren sollte LAT etwa 1000 Quellen >10 GeV identifiziert haben, alles Objekte mit außerordentlich energiereichen Prozessen.
  • Schließlich wurde noch der NASA-Satellit NuSTAR vorgestellt, der Nuclear Spectroscopic Telescope Array mit den ersten fokussierenden Teleskopen für 6 bis 79 keV, die ein dramatisch schärferes Bild des Himmels in diesem Energiebereich als frühere Satelliten versprechen. Während seine Webseite vor allem Beobachtungen an Supernovaresten, mutmaßlichen Schwarzen Löchern etc. als zentrale Ziele nennt, wurde in der PK betont, dass sich NuSTAR auch der Sonne zuwenden wird: in der Hoffnung, den Mechanismus der Heizung ihrer Korona aufzuklären.
Ansonsten noch frohe Kunde von Gemini (wo die AO jetzt ein 90″-Feld korrigiert), eine Lichtverschmutzungs-Story und Werbung für’s JWST bei den Postern. [20:45 MEZ]

Drei aus dem Rahmen fallende Galaxienhaufen

waren das Thema der ersten Pressekonferenzen am 2. Tagungstag (an dessen Ende gegen 1:30 MEZ übrigens die – umstrittene! – Umbenennung des Very Large Array verkündet werden soll):

Von der Tagung gibt’s außerdem einen Bericht und noch einen über den Vortrag „Big Science in Crisis“, Tagungs-Impressionen aus Zooniverse-Sicht, einen Artikel über das Missions-Proposal FINESSE und die PM zur LOFAR-PK in Englisch (und einen Artikel dazu) sowie einen Bericht von einer Vortagung über Venustransits in der Geschichte. [18:35 MEZ]

Und war da noch … jenseits der Pressekonferenzen

am ersten Konferenztag zum Beispiel von der Entdeckung zweier weiterer Planetenkandidaten durch die Planethunters und von einem Exoplaneten mit 10 Jahren Umlaufszeit zu hören sowie von Spekulationen über einen Exomond von Kepler 16b. Eine andere Arbeitsgruppe hatte ebenfalls (siehe 9. Januar, 18:10 MEZ) eine große Karte der Dunklen Materie im Kosmos zu bieten, das James Webb Space Telescope – das finanziell angeblich aus dem Gröbsten raus sei – wurde schon mal vorab gelobt und vermutet, dass Chandra noch weitere 20 Jahre durchhalten könnte. Der erdgebundenen US-Astronomie geht’s dagegen nicht so gut. Und dann war da noch der Astronaut S. Hawley, der in einer Festrede zu 50 Jahren bemannter Raumfahrt behauptete, Shepard hätte vor Gagarin im All sein können, wenn man nicht wegen der Schwierigkeiten beim Flug des Schimpansen Ham den menschlichen Flug noch mal verschoben hätte. [0:05 MEZ]

Erste vielversprechende Ergebnisse von LOFAR, dem europaweiten Radio-Interferometer, das sich der Fertigstellung nähert aber schon jetzt Wissenschaft produziert: oben ein typisches Einzelbild einer großen Himmelsdurchmusterung (deren Parameter darunter stehen), eine Pulsarbeobachtung und ihre Auswertung (die überraschend nahelegt, dass die Radiostrahlung bei allen Wellenlängen aus der selben Region der Pulsarmagnetosphäre kommt) sowie ein Ausblick auf den möglichen Nachweis eines Signals aus der Ära der Reionisation (EoR) des Kosmos – das sich in etwa einem Jahr aus dem Rauschen schälen können sollte, wenn viele Daten aufintegriert sind. [22:15 MEZ am 9. Januar]

Erste Ergebnisse von APOGEE, dem neuesten Subprojekt der SDSS-III, dessen aufwändiger IR-Spektrograph vor wenigen Monaten den Betrieb aufnahm. Ziel ist die Spektroskopie eines gehörigen Teils der Milchstraße, um ihre Struktur besser zu verstehen: Die detailreichen Spektren verraten sowohl Chemie (oben) wie Radialgeschwindigkeit (Mitte: Verteilung im markierten Feld). Und der Vorgänger SEGUE-2 ist auf Sterne auf Abwegen gestoßen. [19:25 MEZ]

Die große Astro-Show hat begonnen: Wie jeden Januar steigt diese Woche eine der größten Astronomie-Tagungen des Jahres, diesmal in Austin, Texas: Seitens der Teilnehmer wird – was bei entsprechenden Tagungen in Europa leider noch nicht der Fall ist – kräftig gebloggt und getwittert. Und es gibt neun Pressekonferenzen, die auch per Webcast verfolgt werden können. Bei der ersten gerade (oben das Panel, mit 75% Frauenanteil) ging es um die Beobachtung von Dunkler Materie: ihre Kartierung auf der bisher größten Skala per Weak Lensing – und die Vermessung von DM-Halos einzelner Galaxien durch Gravitationseffekte von Nachbargalaxien auf den Wasserstoff in der ausgedehnten Scheibe. Ein Ableger einer Technik, den dieselbe Gruppe schon ein Jahr zuvor präsentiert hatte („‚Dunkle‘ Galaxien …“). [18:10 MEZ]

SOFIA hat seine erste Sternbedeckung gesehen!

23. Juni 2011

Und zwar durch den Zwergplaneten Pluto, vor wenigen Stunden: Bisher gibt es nur eine knappe aber eindeutige Erfolgsmeldung von R. Fienberg, der an Bord – vor der Westküste der USA – dabei war. Zwei Sternbedeckungen durch Pluto in rascher Folge sind der Gegenstand einer intensiven Beobachtungskampagne, die auch viele Stationen am Boden einschließt. Für SOFIA aber war es die erste Demonstration einer Art von Beobachtung, die sein Vorgänger KAO häufig durchführte und dabei u.a. die Uranus-Ringe entdeckte: Eine fliegende Sternwarte kann – im Prinzip – überall auf der Welt zur rechten Zeit am rechten Ort sein. NACHTRAG: eine offizielle Bestätigung des Erfolgs ohne weitere Einsichten. NACHTRAG 2: nach einem Tag ein USRA Press Release mit ein paar Details vom Flug, insbesondere einer Routenänderung in letzter Minute. NACHTRAG 3: Na ja, „lots of ink“ hat das nicht gerade hinterlassen.

Curiosity ist am Cape – und hat offenbar auch ein Ziel auf dem Mars bekommen, den Krater Gale

Vergangene Nacht ist der neue NASA-Marsrover Mars Science Laboratory alias Curiosity (Video oben: das Einpacken am JPL im Zeitraffer [NACHTRAG: eine geschnittene & kommentierte Version]) per Lastflugzeug am Kennedy Space Center angekommen (Bild), wo er nun für den Start im November vorbereitet wird – und fast zeitgleich machte die inoffizielle Nachricht die Runde, dass als Ziel auf dem Mars der Krater Gale ausgewählt wurde: Das Video unten zeigt einen simulierten Rundflug darüber. NACHTRAG: zwei neue Animationen von EDL & Betrieb. NACHTRAG 2: Es hat doch noch keine Entscheidung über das Ziel gegeben. NACHTRAG 3: Aber es gibt zwei Finalisten! NACHTRAG 4: Und es ist doch Gale geworden. NACHTRAG 5: Ein neues Video zeigt, wo es lang gehen soll – und ein Video in 3D liefert die detaillierte Begründung dazu!

Auch das zweite ATV ist verglüht: „Johannes Kepler“ (Bild: kurz nach dem Abdocken; hier und hier andere Perspektiven) ist vorgestern in die Atmosphäre eingetreten. Diesmal gab es keine Beobachtungs-Kampagne aus der Luft, aber es war ein Datenrecorder an Bord; über dessen Schicksal wurde noch nichts bekannt. NACHTRAG: Das System hat komplett versagt, im Gegensatz zum ersten REBR („‚Flugschreiber‘ …“) auf dem HTV-2!

NASA steigt aus LISA, IXO aus – ESA allein gelassen

7. April 2011

Noch sind die Quellen allein Blog-Stories, die auf einem internen Rundschreiben und einzelnen Interviews basieren, aber das Bild ist eindeutig: Die NASA hat alle Arbeit an den großen Weltraumastronomie-Projekten LISA (Gravitationswellen-Nachweis durch mehrere Satelliten) und IXO (großes Röntgenobservatorium) abgebrochen. Beide gehören auch zu den 3 Finalisten für das erste Großprojekt der Cosmic Vision der ESA („Erste Riesenforschungsmission …“); der dritte wäre eine Mission zum Jupiter ebenfalls mit der NASA zusammen. Angesichts der Unwägbarkeiten der NASA-Politik war die ESA-Auswahl bereits verschoben worden („NASA zu verwirrt …“): Da nunmehr allen drei Kandidaten der NASA-Beitrag abhanden gekommen ist, wird diesseits des Atlantuik ein gewaltiges Umdenken nötig, die bisherigen Missionskonzepte sind allesamt Geschichte und müssen deutlich vereinfacht werden. Und jenseits des Teichs? Dort werden die Karten erst recht neu gemischt werden müssen (womöglich mit gleich einer neuen Decadal Review für die Astrophysik) – und schon munkeln manche, das viel zu teuer geratene JWST könnte doch noch dran glauben müssen … Cat Dynamics, Cosmic Variance 6., BBC Blog, Living LIGO, Nature Blog [NACHTRAG: mit einem Update vom 11.4.] 7.4.2011. NACHTRAG: ein offizielles Wort zu LISA. NACHTRAG 2: ein Statement des AEI Hannover zum Weiterleben von LISA … NACHTRAG 3: … und ein Statement der NASA (in einem Update vom 13.4.)

Nur ein gemeinsamer Marsrover von ESA & NASA 2018

Auch das gemeinsame Marsprogramm von ESA und NASA („Grünes Licht …“) wird abspecken müssen: Eigentlich sollten 2018 gemeinsam ein ESA- und ein NASA-Rover starten, der erste zu intensiven astrobiologischen Forschungen, der andere zum Probensammeln für einen Transport irgendwann zur Erde, aber beide (ExoMars bzw. MAX-C) werden nun zu einem Fahrzeug vereinigt, größer als die beiden gewesen wären. Viele Details müssen noch ausgehandelt werden, aber der Rover wird vermutlich in Europa gebaut und mit europäischen und amerikanischen Instrumenten bestückt, und die USA sorgen auch für Verpackung und Start – und die Landung, mit genau derselben Skycrane-Technik, die erstmals beim MSL (s.u.) zum Einsatz kommt: Deren exakte Wiederverwendung soll entscheidend zum Geldsparen beitragen. (BBC 7.4.2011) NACHTRAG: Die ESA soll sich Ende Mai entscheiden, ob das was wird.

Erste Spektren des deutschen GREAT-Instruments auf der fliegenden Sternwarte SOFIA, aus der Sternentstehungsregion M17SW im Terahertz-Bereich, die beim ersten Wissenschaftsflug in der Nacht 5./6. April aufgenommen wurden, auch die Galaxie IC342 war beobachtet worden. Auf dem Jungfern-Flug wurden mit GREAT die stärksten Emissionslinien beobachtet, über die eine Kühlung des interstellaren Mediums erfolgt: Pressemitteilungen von MPG, MPIfR und DLR und den Universitäten Stuttgart und Köln und NASA und USRA Press Releases 7.4.2011.

Soyuz TMA-21 im Anflug auf die ISS heute morgen, knapp 49 Stunden nach dem Start und 10 Minuten zu früh: Man sah die Chance, schneller zum Ziel zu kommen und dabei etwas Sprit zu sparen und nutzte sie. Und nun? Die ‚Abschaltung‘ der US-Regierung ist immer noch nicht abgewendet und hätte z.B. gravierende Folgen am KSC für die Vorbereitung von STS-134, z.Z. für den 29.4. geplant. Und noch schlimmer: Es gäbe dann kein NASA-Fernsehen mehr …

So „sieht“ das Laseraltimeter LOLA auf dem LRO den Mond: von links ein Höhen-, ein Neigungs- und ein Rauigkeitsbild, das aus den Höhenmessungen aus dem Orbit abgeleitet wurde, alle auf den jungen Krater Tycho zentriert – alle 192 Terabyte Daten der ersten Missionsphase (die einer längst nicht mehr existierenden bemannten Mission zuarbeiten sollte) sind inzwischen öffentlich, darunter auch eine 1.1 GB große Höhenkarte mit 100 m Netzweite. Der LRO betätigt sich weiterhin, nun rein wissenschaftlich; derweil hat der zweite chinesische Orbiter Chang’e 2 seine Primärmission abgeschlossen und wendet sich weiteren Aufgaben zu – während es bereits Pläne bis Chang’e 5 gibt.

So weit ist der nächste Marsrover schon gediehen: das Mars Science Laboratory der NASA alias „Curiosity“ (allmählich wird der, äh, kuriose Name etwas populärer). Gestartet werden soll zwischen dem 25.11. und 18.12., und wo gelandet werden soll, wird auch bald entschieden. Das Bild des 3-m-Rovers enstand am 4. April im Rahmen einer Pressevorführung, von der Fotografen reichlich Gebrauch machten.

Eine Merkuraufnahme vom ersten Wissenschaftsorbit MESSENGERs von 80°S: Wie angekündigt, gibt es seither genau einen Bild-Happen pro Tag in der Galerie, während der Planet systematisch fotografiert wird: Die morphologische Basiskarte soll 90% der Oberfläche mit 250 Metern pro Pixel Auflösung zeigen, überwiegend mit schrägem Sonnenstand.

Fünf kosmische Impressionen, von fern bis nah

17. Februar 2011

Die Spiralgalaxie NGC 2841 auf einer Hubble-ACS-Aufnahme durch vier verschiedene Filter von UV bis Nah-IR.

Drei Ausschnitte aus dem Reflexionsnebel M 78, aufgenommen mit dem 2.2-m-Teleskop der ESO; unten ist auch der McNeil’sche Nebel zu sehen.

Voll-Enceladus vor dem Saturn und seinen Ringen am 21. Dezember 2010: Der Saturnmond hat eine der höchsten Albedos im ganzen Sonnensystem – denn die Geysire in seinem Süden frischen seine Eisoberfläche permanent auf.

Ein „hell getönter Felsen“ auf dem Mars – mehr ist dem BU-Texter zu dieser HiRISE-Aufnahme bislang nicht eingefallen …

Das Instrument GREAT sitzt im Fokus des SOFIA-Teleskops in der fliegenden Sternwarte; Anklicken liefert die ganze Einbau-Sequenz vom 20./21. Januar. Inzwischen hat der „German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies“ auch erste Testbeobachtungen am Boden absolviert; in die Luft geht es erstmals wohl im April. NACHTRAG: Danach wird GREAT wieder aus- und FORCAST erneut eingebaut, für die ersten Basic Science Flights ab ca. Mai; zuvor ging/geht es nur um Instrumententests, die als Short Science Flights bezeichnet werden.

Heiße Bilder von der AAS-Tagung und anderswo

12. Januar 2011

Delta Cephei verliert Masse und ist von einem Nebel umgeben, der einen Bugschock ausbildet – der Sternwind ist eine Million-mal stärker als der Sonnenwind. Nicht nur der Prototyp der Cepheiden sondern jeder vierte Vertreter, den Spitzer anschaute, hat einen IR-Nebel und damit Massenverlust. In wieweit solch ein Verhalten den Nutzen der Cepheiden als Standardkerzen schmälert, muss man sehen: Ein paar benehmen sich schon merkwürdig wie Polaris (siehe ISAN 71-8) – oder der Stern V19 in Messier 33, der kein Cepheide mehr sein will, wie es scheint …

Die Folgen eines heftigen Flares im Krebs-Nebel letzten Herbst (siehe z.B. [NACHTRAG: Tavani & al., Preprint,] SLAC Release, Uni Innsbruck PM, Science Journalism Tracker), gesehen links von Hubble am 2. Oktober und rechts von Chandra am 26. September: Dass der Crab überhaupt so etwas tut, bisher mindestens 3-mal, ist eine Entdeckung des AGILE-Satelliten, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Was auch für die generelle Variabilität des Crab im Röntgenbereich gilt, der bedauerlicherweise nicht mehr als Standard dienen kann. Dabei wurde kosmische Röntgenstrahlung bisher in Milli-Crab gemessen …

Endlich wieder was Neues von der fliegenden Sternwarte SOFIA – und dann ist es wieder nur der Orionnebel bei 19 und 37 µm, wie man ihn schon seit den Testflügen kennt (rechts; links ein gleich orientiertes Nah-IR-Bild). Immerhin ist das Mosaik aus Bildern der ersten Wissenschaftsflüge im Dezember besser gesticht, wurde aber von NASA und DLR bisher nur in einer merkwürdig finsteren Farbdarstellung veröffentlicht, die hier bereits kräftig aufgehellt wurde.

Ein feistes koronales Loch auf der Sonne am 10. Januar, gesehen vom Satelliten SDO bei 19 nm Wellenlänge.

Neue Radarbilder eines erdnahen Asteroiden, diesmal von 2010 JL33, den vor einem Monat das Goldstone Solar System Radar der NASA in Kalifornien ausgiebig beleuchten konnte, als er 8.5 Mio. km von der Erde entfernt war. Der NEA erweist sich als 1.8 km groß, mit einem bedenklichen Impaktkrater, und rotiert alle 9 Stunden. NACHTRAG: eine alternative Animation.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

13. Dezember 2010

‚Sah‘ ein Satellit eindeutige Vorläufer des Haiti-Erdbebens?

Die konkrete Vorhersage von Erdbeben – über die rein statistische Gefährdung einzelner Regionen hinaus – ist eines der großen ungelöstend Probleme der Geophysik. Jetzt soll in den extrem niederfrequenten elektromagnetischen Wellen (ULF), die der kleine Satellit DEMETER – Detection of Electro-Magnetic Emissions Transmitted from Earthquake Regions – in den 30 Tagen vor dem schweren Erdbeben in Haiti diesen Januar maß, ein signifikanter Energieanstieg aufgespürt worden sein, der mit der ‚Vorbereitung‘ des Bebens in der Tiefe zusammen gehangen haben könnte. Mehr oder weniger plausible Hypothesen für die Erzeugung solcher Strahlung (und anderer angeblich vor Erdbeben aufgetretener EM-Effekte) gibt es durchaus – aber dass sich daraus jemals eine operative konkrete Warnmöglichkeit ergeben könnte, gilt als fraglich. Die Mission des Satelliten ist derweil am 9. Dezember nach über 6 Jahren beendet worden. (Homepage; Athanasiou & al., Preprint 7., arXiv Blog 9.12.2010) NACHTRAG: Auch beim Japan-Beben 2011 könnte was gewesen sein.

Venus-Express-Beobachtungen stellen Geoengineering-Idee in Frage: Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, künstlich Schwefelsäuretröpfchen in die Erdatmosphäre zu bringen, um dem anthropogen Temperaturerwärmung entgegen zu wirken – das legen Modellrechnungen nahe, die die Entstehung einer Schwefeldioxid-Schicht in der oberen Venusatmosphären erklären, auf die der Venus Express gestoßen ist. Das Gas entsteht offenbar durch Verdampfen der Schwefelsäuretröpfchen, wobei die Säuremoleküle von der Sonnenstrahlung zerbrochen werden (und der Schwefelkreislauf der Venus mithin komplizierter als gedacht ist). Genau das würde küntlichen Schwefelsäuretropfen in der Erdatmosphäre wohl auch blühen, deen Einbringung in Analogie zu der temporär global kühlenden Wirkung des Pinatubo-Ausbruchs 1991 öfters mal vorgeschlagen wird – in Gasform geht die kühlende Wirkung indes verloren. (ESA Release 30.11.2010)

IKAROS passierte Venus – mit Gravity Assist

Am 8. Dezember ist auch der zusammen mit Akatsuki gestartete Sonnensegler IKAROS an der Venus vorbei gekommen und sollte sich dem Planeten bis auf 80’800 km Entfernung genähert haben. Dabei wurde die Bahn des Seglers durch die Schwerkraft des Planeten deutlich abgelenkt: das erste Mal, dass ein Gravity Assist einem Sonnensegler widerfuhr! (Eureka 13.12.2010. [NACHTRAG: noch ’ne Notiz dazu.] Und Kyodo zu einem Programmierfehler von Hayabusa, der 2005 das Zünden der Pellet-Kanone verhinderte)

MESSENGER keine 100 Tage mehr vor dem Eintritt in den Merkurorbit am 18. März 2011: Nach 6 Planeten-Vorbeiflügen und 5 Bahnkorrekturen dazwischen steht dem entscheidenden Manöver nun nichts mehr im Wege – das haben dem Projekt jedenfalls auch externe Gutachter bestätigt. (MESSENGER Mission News 7.12.2010. Auch CollectSpace zu einer US-Briefmarke anlässlich der Ankunft)

Elf Wissenschaftsmissionen der ESA werden verlängert

Das hat das Science Programme Committee am 18./19. November entschieden: Die Missionen von Cluster, Integral, Planck, Mars Express, Venus Express und XMM-Newton sowie die ESA-Beteilungungen an Hinode, Cassini, Hubble, SOHO und Proba 2 werden fortgesetzt. Alle zwei Jahre müssen Projekte, die sich dem Ende ihrer regulären Finanzierung nähern, ausgiebig geprüft werden: Kann noch weiterer wissenschaftlicher Gewinn aus den großen Investitionen der Vergangenheit gepresst werden? (ESA Release 22., Physics World, Planetary Society Blog 23.11.2010)

Labortests einer entscheidenden Technologie für die LISA-Satelliten zur Messung von Gravitationswellen haben gezeigt, dass das Rauschen ihrer Laser weit genug unterdrückt werden kann, um per Interferometrie die extrem geringen Verschiebungen der drei Satelliten zueinander beim Durchlaufen einer Welle messen zu können. Konkret sollen die Lichtphasen auf den Satelliten bestimmt werden, während die eigentliche Interferometrie erst mathematisch am Boden erfolgt – und am Ende sind die relativen Positionen der Satelliten auf einen Picometer genau bekannt. (JPL Release 23.11.2010)

SOFIA hat alle drei Wissenschaftsflüge absolviert, und es kehrt bereits eine gewisse Routine ein. (Allerdings nicht in der Öffentlichkeitsarbeit: Von keinem der drei Flüge, auch dem ersten vor 2 Wochen, sind bisher Bilder publik geworden.) Nächstes Jahr geht es mit einem neuen wissenschaftlichen Instrument, GREAT, weiter. (365 Days of Astronomy 12., DLR Blog [mit schönen Impressionen vom 3. Flug], S. Casey Tweet 8., Ithaka College Release 7., Daily Camera 4.12.2010)

New-Millennium-Mission EO-1 schon seit 10 Jahren im Einsatz: Erdbilder auf Bestellung

Das entsprechende NASA-Technologie-Programm gibt es schon lange nicht mehr – aber einer der wenigen Satelliten, die daraus hervorgegangen sind (Artikel 411), arbeitet immer noch: Earth Observing 1 ist jetzt 10 Jahre im Orbit, obwohl eigentlich nur für ein Jahr ausgelegt. Nach ausgiebigen Technologietests dient der Satellit jetzt als Erdbeobachter mit ungewöhnlicher Autonomie, der einfach und schnell kommandiert werden kann, um sich spezielle Dinge von oben anzusehen. Und weil das alles nicht viel kostet, gibt’s die Bilder sogar gratis! (Homepage; NASA Feature 22.11., ASU Press Release 2.12.2010)

CryoSat 2 ist jetzt operativ: Die Inbetriebnahme des Eis-Forschungs-Satelliten ist nun abgeschlossen, und am 19.11. wurde die Kontrolle feierlich an das Operationsteam übergeben. (ESA Release 22.11., UKSA Release 6.12.2010. [NACHTRAG: ein paar erste wissenschaftliche Ergebnisse von CryoSat.] Auch eine Missionsverlängerung für GOCE – und die CubeSats, die Glory begleiten werden)

Die NASA bekommt vermutlich 18.9 Mrd.$ im FY2011

im Rahmen einer modifizierten Continuing Resolution, die das Repräsentantenhaus beschlossen hat, die aber den Senat noch passieren muss: Das würde weitgehend dem entsprechen, was die Authorization Bill vorsieht und die prinzipielle Umsetzung der Weltraumpläne Obamas einleiten. Das Constellation-Programm – bisher durch eine Klausel im FY2010-Haushalt künstlich am Leben erhalten – kann endgültig abgewickelt werden, jedenfalls die Ares-Raketen, während an der Orion-Kapsel weiter gearbeitet und rasch die Konstruktion einer Schwerlastrakete aufgenommen wird (ohne vorher erst nach besseren Technologien zu suchen). Eine explizite Genehmigung für einen zusätzlichen Shuttle-Flug nach den zwei letzten im Manifest ist allerdings nicht enthalten. (Space News 7., Space Politics 8., Space Policy Online 9.12.2010. [NACHTRAG: Der Senat scheint es ähnlich zu sehen.] Auch Wired und Space Policy Online zur unklaren Zukunft des JWST – und Space.com zur Versenkung der ISS)

Deutschland hat eine neue Raumfahrt-Strategie – und ein Rahmenabkommen mit den USA: Stark auf wirtschaftlichen Nutzen ausgerichtet ist das neue Dokument, das Projekte der wissenschaftlichen Grundlagenforschung nur noch im Rahmen der ESA und in bilateralen Unternehmungen vorsieht. Von rein deutschen Mondflügen, die immer wieder mal gepuscht wurden, kann man sich also endgültig verabschieden, aber ein neues Rahmenabkommen mit den USA, das kurz danach am 8.12. unterzeichnet wurde, sieht zwar keine konkreten neuen Projekte vor, führt aber explizit die Mondforschung beider Seiten näher zusammen. Auch ein gemeinsames Paar Radarsatelliten scheint möglich. (Strategie-Dokument; PMn von BMWi und DLR, Welt, Tagesschau 30.11., Nature Blog 1., Deutsche Welle, Alles was Fliegt 2., SpaceMart 6., DLR PM, NASA PR, Spiegel 8., Space News 9., NASA Ames Release 13.12.2010) NACHTRAG: eine Glosse zur deutschen Erdfahrt-Stragie …

Auch Südafrika bekommt eine eigene Weltraumagentur, auch wenn die South African National Space Agency (SANSA) erst ab April 2012 voll funktionsfähig sein wird. Mehrere Forschungseinrichtungen werden unter dem neuen Dach und im Rahmen eines nationalen Weltraumprogramms zusammen geführt, und auch eingemottete Anlagen aus der Apartheid-Zeit wieder belebt. (Engineering News, Sify 9.12.2010. Und die Irish Times zu Mondplänen in, ääh, Uganda?)

Zuviel Treibstoff in die Oberstufe getankt – Proton kommt nicht hoch genug!

Hat es schon einmal solch einen Grund für einen Fehlstart in der Raumfahrt gegeben? Da sitzt ein neues Modell der DM-Oberstufe (DM-03) auf der Proton-Rakete, das über einen größeren Tank als der Vorgänger verfügt – und die Startmannschaft macht ihn einfach bis zu der Marke voll, wie man das früher auch immer tat. Dumm nur, dass damit nun 1 bis 2 Tonnen Sprit zuviel im Tank sind, die Stufe damit zu schwer – und die 3. Stufe der Proton schaffte es nicht, sie samt drei Satelliten für das Navigationssystem GLONASS in den Orbit zu bringen, die stattdessen im Pazifik landen. Immerhin war die Proton nicht schuld, die vielleicht noch dieses Jahr wieder starten darf. (Space Today 11., Spaceflight Now, Space News, Novosti, UPI, AFP 10., Space News, TASS, Spiegel 6., Spaceflight Now, Novosti [man beachte die Formulierung, dass die Satelliten im Pazifik „may fail to function as normal“ …], BBC, Space Today, Eureka 5.12.2010) NACHTRAG: Laut dem Abschlussbericht wurden 1.5 bis 2 Tonnen zuviel Oxidator in die Tanks gepumpt.

Mysteriöser Schaden beim Start lässt Nachrichtensatellit auf Transferorbit stranden: Es ist nach wie vor unklar, wie bei Eutelsat W3B während des Ariane-5-Starts am 28. Oktober die Leitung vom Oxidator-Tank zum Triebwerk einreissen konnte, während einem anderen Satelliten an Bord nicht das Geringste passierte und es auch keinerlei Anzeichen für Anomalien bei der Ariane gab. Jedenfalls kann sich der Satellit mangels Antriebs weder in den Graveyard oberhalb des geostationären Orbits heben noch kontrolliert zum Absturz gebracht werden: Eutelsat hat ihn wenigstens so ‚inert‘ wie möglich gemacht, damit es bei einer eventuellen Kollision mit einer alten Raketenoberstufe (sonst treibt sich auf dem elliptischen Transferorbit wenig herum) nicht zu einer Explosion kommt. Modellieren lässt sich der natürliche Verfall solch einer Bahn auch kaum: 20 bis 30 Jahre es wohl bis zum Wiedereintritt dauern. (Space News 3.12., Spaceflight Now 8., Space News 5.11.2010. Auch Space News und Raumfahrer zur mühsamen Entfaltung der Riesenantenne von SkyTerra 1 [NACHTRAG: Jetzt ist sie offen])

Was wird aus US-Forschungssatelliten nach dem Ende der Delta 2, die seit 1998 zahlreiche Starts besorgte aber inzwischen nicht mehr hergestellt wird? Die – dieses Jahr zweimal erfolgreiche – Falcon 9 und die Taurus 2 sind als Träger für kleinere wissenschaftliche Satelliten ausgeguckt, aber bis sie für den Einsatz zertifiziert sind, v.a. wenn es um wertvolle Nutzlasten geht, vergehen typischerweise drei Jahre. (Space News 24.11.2010)

SOFIAs erster Wissenschaftsflug absolviert!

2. Dezember 2010

Das ist der Orion-Nebel bei 19 und 37 µm Wellenlänge, aufgenommen mit der SOFIA-Kamera FORCAST während eines der Charakterisierungsflüge Mitte November, bei denen auch der Sternhaufen Sharpless 140 beobachtet wurde. Diesen letzten Vorbereitungen auf den regulären Einsatz („Fliegende Sternwarte …“) folgte nun in der Nacht zum 1. Dezember der erste richtige Wissenschaftsflug von knapp 10 Stunden Dauer, bei dem die Beobachtungen vertieft wurden und dem rasch noch zwei weitere folgen sollen.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

23. November 2010

Hier startet der angeblich „größte Satellit der Welt“

auf einer Delta 4 Heavy kurz vor Mitternacht MEZ am 21. November (Screenshot aus einer Liveübertragung im Web; beeindruckende Bilder aus der Nähe) – aber niemand darf wissen, um was es bei dem Satelliten „L-32“ des National Reconnaissance Office der USA geht. Satellitenfans vermuten den 5. Abhörsatelliten des Mentor-Reihe – mit einer bis zu 100 Meter großen Antenne: Jedenfalls sind Satelliten dieser Serie am Himmel trotz großer Höhe ungewöhnlich hell. (Spaceflight Now 17., CBS, Universe Today 21., Space Today, Eureka 22.11.2010. Wesentlich kleiner – aber immer noch eine der größten im Zivilbereich – ist die 22-m-Antenne des Satelliten SkyTerra 1, der zuvor gestartet war: LightSquared PR, BBC, SpaceNews, Space Today)

Proba-2 mit vielen Technologietests im ersten Jahr

17 neue Weltraumtechnologien erprobt der am 2.11.2009 gestartete kleine ESA-Satellit („So sieht der …“): Zum Beispiel hat er bereits über 180’000 Aufnahmen der Sonne gemacht, als „3. STEREO-Satellit“ sozusagen und mit einem Active Pixel Sensor, den auch der Solar Orbiter der ESA benutzen soll. Mit einer GPS-Anlage kann Proba 2 seine Position im Orbit auf weniger als eine Satellitenlänge genau angeben, was wiederum über Laserreflektoren validiert wird, während Magnetometer die Lage im Raum bestimmen. Auch die Weltraumwetter-Instrumente an Bord haben sich bewährt und z.B. am 16. Oktober einen Sonnensturm beobachtet, den gerade keiner der bekannteren Sonnensatelliten im Blick hatte. (ESA Release 9.11.2010)

Triebwerk der Taurus-2-Rakete getestet, für 10 Sekunden: Diese privat entwickelte Rakete der Orbital Sciences Corp. soll ab Ende 2011 mit der Cygnus-Kapsel die ISS versorgen, zusammen mit der Falcon 9 & Dragon von Space X („Erster …“). Vorher sind aber noch zwei weitere Tests des Triebwerks AJ26 – modifizierte NK-33-Motoren, die einst die sowjetische Mondrakete N-1 antreiben sollten! – und zwei Taurus-Testflüge im Juli und September geplant. Derweil hat Space X – als erstes Privatunternehmen überhaupt – die Lizenz der US-Luftaufsicht für die Rückkehr einer Kapsel aus dem Orbit erhalten; der erste Flug ist weiter für den 7.12. geplant. (Spaceflight Now 12., Space News, Spaceflight Now 22.11.2010) NACHTRAG: Und zwar zwischen 15:03 und 18:22 MEZ, gültig auch für den 8. und 9.12.

Meteosats der 3. Generation endlich auf den Weg gebracht

Nachdem ein ewiger Streit um die Industrieaufträge beigelegt worden war („Streit …“), hat die ESA jetzt Thales Alenia erlaubt, mit der Entwicklung der Meteosat Third Generation zu beginnen: Dieser „Preliminary Authorisation to Proceed“ soll Mitte 2011 der endgültige Vertrag folgen. Insgesamt 6 Satelliten sollen die Verfügbarkeit von exzellenten Wetterdaten bis über 2037 hinaus sicher stellen: Der erste von 4 MTG-I-Satelliten für Bilder mit 500 m Auflösung startet 2017, der ersten von 2 MTG-S für die Durchleuchtung der Atmosphäre 2019. Die Satelliten rotieren nicht mehr wie alle Vorgänger sondern sind 3-Achs-stabilisiert wie moderne Kommunikationssatelliten; Gesamtkosten 3.4 Mrd. Euros. (ESA Release 18., Space News, BBC 19.11.2010) NACHTRAG: Und schon wieder neuer Ärger, diesmal wg. Portugal …

Fliegende Sternwarte SOFIA vor der ersten Wissenschaft: Nach allerlei Flugmanövern („Weitere Testflüge“) und dann ausgiebigen Bodentests des Teleskop-Equipments am echten Nachthimmel sollten eigentlich noch diesen Monat zwei „Charakterisierungsflüge“ folgen, an die sich direkt die erste „Short Science“ mit der schon beim First Light benutzten Kamera FORCAST anschließen. (Status Update 5.11.2010) NACHTRAG: Jetzt hat auch das DLR einen SOFIA-Blog – und laut dem Eintrag vom 24.11. wurde ein Charakterisierungsflug am 10./11.11. absolviert.

Die Zentralregion von Messier 82: das erste astrophysikalische Motiv für SOFIA

29. Mai 2010

Neben dem Planeten Jupiter hat die fliegende Sternwarte SOFIA bei gegen Ende des First-Light-Fluges am 26. Mai auch noch die Galaxie M 82 beobachten können, deren Zentralregion hier bei vier IR-Wellenlängen zu sehen ist – durch den Staub, der hier den Blick im Sichtbaren versperrt, fällt der Blick nun direkt ins Herz der Sternentstehung. Präzision der Teleskopausrichtung wie Bildstabilität entsprachen während der Operationen in bis zu 11 km Höhe den Vorgaben oder übertrafen sie sogar, und dass die Luftströmung an der großen Öffnung im Jumbo-Jet vorbei kaum Turbulenzen mit sich bringt, hatten bereits frühere Testflüge gezeigt. Insbesondere einer am 30. April: Damals war zwar der Spiegel noch eingepackt gewesen, aber zwei Nachführteleskope hatten Beta Leo, Beta Ori und den Saturn im Blick gehalten. Im Herbst dürften nun die ersten längeren wissenschaftlichen Einsätze der Kamera FORCAST folgen, und bald sollte auch das erste der beiden deutschen SOFIA-Instrumente zum Einsatz kommen, GREAT aus Bonn. Noch lange muss sich die Forschung aber viel Zeit mit weiteren Flugtests teilen: Erst 2014 wird SOFIA ganz der Astronomie gehören, mit bis zu 160 Flügen à 6 bis 8 Stunden und 800 Stunden Beobachtungen pro Jahr. Das dann aber zwei Jahrzehnte lang, während ständig neue Instrumente dazu kommen: SOFIA ist gewissermaßen ein substanzieller Infrarot“satellit“, der 99% des Wasserdampfs unter sich lässt – und jeden Morgen zur Erde zurück kehrt.

Uni Stuttgart, USRA, DLR und NASA Releases; New Scientist, Discovery, Universe Today, Bad Astronomy, Alles was Fliegt. NACHTRÄGE: ein längerer NASA Release mit mehr jubilierenden Zitaten (aber keiner neuen Information) und ein später Sky & Tel.-Artikel

Die beiden Artemis-Satelliten sind schon am Mond angekommen

Die beiden THEMIS-Sonden, die aus ihren Erdumlaufbahnen auf Bahnen Richtung Mond geschickt wurden, sind dort dieses Jahr ohne großes Aufsehen angekommen und schon mehrere Male in einigen tausend Kilometern Höhe über die Mondoberfläche geflogen. (Jonathan’s Space Report #628 26.5.2010)

Kurskorrektur für Deep Impact/EPOXI erfolgreich: Die alte/neue Kometensonde hat am 28. Mai ihr Triebwerk für 11.3 Sekunden gezündet – das Delta-V von 10 cm/s genügte, um sie auf die richtige Trajektorie für einen Erd-Flyby am 27. Juni zu lotsen, der wiederum die Begegnung mit Hartley 2 („Der Kern …“) am 4. November verursachen wird. (JPL Release 28.5.2010)