Posts Tagged ‘Supersymmetrie’

LHC wird wieder hoch gefahren – und erste Negativ-Resultate in Sachen Supersymmetrie und Higgs-Teilchen

12. März 2011

Seit dem 19. Februar kreisen nach der Winter-Wartungspause wieder Protonen im Large Hadron Collider, der sich ohne nennenswerte Probleme wieder in Betrieb nehmen ließ, und ab Mitte März sollen sie auch wieder kollidieren: Da nun die „Leuchtkraft“ von Anfang an viel höher ist als während deren vorsichtiger Steigerung das Jahr 2010 hindurch, werden 2011 rund 100-mal mehr Kollisionsdaten – und damit viel aussagekräftigere Statistik – erwartet. Trotzdem waren auch schon die 2010-er Daten neben der Bestätigung des Standardmodells der Teilchenphysik bereits für Tests zumindest bestimmter Ideen in Sachen Supersymmetrie und Higgs-Mechanismus gut genug: Beide verliefen negativ. Doch das bedeutet noch nicht viel: Bei der – weithin als besonders sinnige und „schöne“ Erweiterung des Standardmodells angesehenen – Supersymmetrie können CMS und ATLAS bislang nur die Variante CMSSM + mSUGRA ausschließen, beim Higgs gilt das nur für eine spekulative Erweiterung der Teilchenfamilienzahl von 3 auf 4 und einen bestimmten Massenbereich.

Wenn der LHC weiter so gut läuft, sollte sich Supersymmetrie der einen oder anderen Art aber im Laufe des Jahres blicken lassen – wenn dies jedoch auch bis Ende 2012 (wenn der LHC für umfangreiche Upgrades ein Jahr lang still gelegt wird) immer noch nicht der Fall sein sollte, dann sieht es womöglich schlecht aus. Dito in Sachen Higgs (oder Higgse), aber da würde so mancher Physiker sogar eine eindeutige Nicht-Detektion für interessanter als einen Nachweis halten, weil das der Teilchenphysik erst recht neuen Schub verleihen würde. Symmetry Breaking 10., Interactions 7., Starts with a Bang 4., Symmetry Breaking, New Scientist Blog, Nature OpEd 2.3., CERN Bulletin, Nature, BBC 28., Symmetry Breaking 25., New Scientist Blog 24., Physics World, Science 2.0 22., Reuters 21., Paper vom Scopel & al., Physics World Blog, Cosmic Log 20., Cosmic Variance 17.2.2011. NACHTRAG: Nun kollidieren sie wieder, die Protonenstrahlen! Und neue Higgs-Limits vom Tevatron – ist das Teilchen eher leicht?

Nachweis der Dunklen Materie nahe – oder gar schon im Kasten?

In den kommenden 5 bis 10 Jahren wird auf einem oder mehreren Wegen ein überzeugender Nachweis von Teilchen der Dunklen Materie gelungen sein, davon gehen heute viele Teilchenphysiker aus – und ein paar sind sich sogar (fast) sicher, schon ein mehr oder weniger überzeugendes positives Signal gefunden zu haben. Allerdings ist das Forschungsgebiet von ungewöhnlicher Aggression der kleinen Forschungsgruppen untereinander gekennzeichnet, und des einen Entdeckung ist meist des anderen Selbsttäuschung. Auch wirft man sich gerne gegenseitig vor, nicht alle Fakten auf den Tisch zu legen, so dass die statistische Bewertung behaupteter Effekte mitunter Geschmackssache bleibt; eine kontroverse Metaanalyse sieht z.B. jetzt bei gleich drei Detektionsexperimenten Verdächtiges. Auch die Schwelle, ab der man von einem klaren Nachweis eines DM-Teilchen sprechen kann, ist kontrovers: Manchen würde es genügen, wenn zwei direkte Detektionsexperimente (also Messgeräte für Exotisches tief im Untergrund) parallel ein Auf und Ab der Rate – im Einklang mit dem Erdorbit um die Sonne – sehen würden, andere verlangen zusätzlich die Erzeugung des Teilchens in einem Beschleuniger. (Science 4.3.2011 S. 1132-3. Auch Cosmic Variance, Physics Today Blog und Starts with a Bang zu der Falschmeldung, die DM sei widerlegt worden, und Astrobites zu ihrer Beobachtung per Microlensing)

Radioaktivitätsproblem beim direkten Detektor XENON100: Eines der wichtigsten Untergrundexperimente zum direkten Nachweis durchzischender DM-Teilchen wird empfindlich von zerfallendem Krypton-85 gestört, das sich in den 161 kg flüssigem Xenon befindet – zwar lassen sich die Zerfallsereignisse aufgrund ihrer Signatur heraus filtern, aber leider nur mit 99.5%iger Sicherheit. Will sagen: Jedes 200. vermeintliche DM-Teilchen ist ein falsches positives, und das ist bei der geringen zu erwartenden Detektionsrate ein Problem, an dem nun emsig gearbeitet wird. (Nature 25.2.2011)

CERN-Chef verspricht mindestens eine wichtige Entdeckung mit dem LHC vor der großen Wartung

12. März 2010

Im Large Hadron Collider laufen inzwischen wieder die Protonen im Kreis, und es wird jetzt 18 bis 24 Monate lang Kollisionen mit – ab in Kürze – 7 TeV Gesamtenergie geben („LHC erst 2013 …“): Auf die übliche Winterpause wird verzichtet, um möglichst viele Ereignisse ‚im Kasten‘ zu haben, bevor der Beschleuniger für technische Nachbesserungen länger abgeschaltet werden muss. CERN-Direktor Rolf-Dieter Heuer erwartet, dass aus diesen Daten mindestens eine Entdeckung produziert werden kann: der erste Nachweis eines supersymmetrischen Teilchens, was bis zu einer Masse von 800 GeV (bisher 400 GeV) gelingen sollte, und/oder der Nachweis des Higgs-Teilchens, sofern es eine Masse in der Nähe von 160 GeV hat. Der LHC-Vorgänger LEP und der LHC-Konkurrent Tevatron haben den möglichen Massenbereich bereits erheblich eingegrenzt. Und vielleicht wird auch ein Teilchen gefunden, das mit zusätzlichen Raumdimensionen zusammenhängt: Hier wäre der LHC bis 2 TeV (bisher: 1 TeV) Masse empfindlich.

Insgesamt habe der LHC also nun das größte Potenzial für Entdeckungen in der Teilchenphysik seit einem Jahrzehnt – wobei der Fund eines SuSy-Partikels auch maßgeblich zur Aufklärung der Dunklen Materie des Kosmos beitragen könnte. Die große Panne von 2008, die – vergleichsweise banalen – Versäumnisse, die den großen Shutdown 2011/12 und die Verschiebung der 14-TeV-Kollisionen auf die Zeit danach erzwingen, und bizarre Gerichtsstreitigkeiten werden dann endlich nicht mehr die LHC-Nachrichten dominieren … CERN Press Release, PM des Bundesverfassungsgerichts 9.3.2010; Physics World Blog 22., 24., SkepticBlog, Register 25., Symmetry Breaking 28.2., Reuters 8., Discovery, ScienceBlogs 9., BBC, Telegraph, TelePolis, KosmoLogs 10., ScienceBlogs 12.3.2010. Auch ein LHC-Paper mit arg vielen Autoren, Impressionen und humoristische und künstlerische Aspekte des LHC

Schwerste Antimaterie-Kerne mit dem RHIC erzeugt: Anti-Hyper-Triton

Bei 100 Millionen Kollisionen zwischen Goldatomkernen im Relativistic Heavy Ion Collider in den USA mit 200 GeV sind im resultierenden Quark-Gluonen-Plasma ingesamt 70 Kerne nachgewiesen worden, die aus einem Antiproton, einem Antineutron und einem Antilambdahyperon bestehen, welches sich wiederum aus einem Anti-Up-, einem Anti-Down- und einem Anti-Strange-Quark zusammensetzt. Nicht nur ist dieser Kern mit 3.0 GeV etwas massereicher als der bisher schwerste Antimateriekern, der erzeugt werden konnte (Antihelium 3 mit 2.7 GeV): Es ist auch der erste überhaupt mit einem Strange-Quark.

Trotz der bedauerlich kurzen Lebensdauer des Antihypertritons von nur 2 x 10^-10 Sekunden kann man vom ihm vielleicht eine Menge lernen: etwa über das Innenleben von Neutronensternen, wo Strange-Quarks in großer Zahl vorkommen könnten, oder auch über die Physik ganz zu Beginn des Universums, als die Materie durch einen immer noch nicht ganz geklärten Prozess die Oberhand über die Antimaterie gewann. (LBL and BNL Releases, Nature News #2010.108 4., Physics World, Space.com 5.3.2010. Und ein BNL Release und noch einer sowie der Science Journalism Tracker mit weiteren RHIC-Artikeln vom Februar) NACHTRAG: ein Besuch beim RHIC. NACHTRAG 2: ein Paper dazu in Science 328 [2.4.2010] 58-62.

Erstes Neutrino im T2K-Versuch registriert: Dabei schießen Neutrinos aus einem Beschleuniger im japanischen Tokai durch die Erde in den Super-Kamiokande-Detektor. Das Ziel ist es, die bisher nur astrophysikalisch beobachteten Neutrino-Oszillationen unter quasi kontrollierten Bedingungen zu erforschen. (STFC Release, New Scientist 25., LA Times 27.2.2010) NACHTRAG: ein langer Review über Neutrino-Oszillationen. NACHTRAG 2: und ein Interview zu T2Ks erstem Fang.