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Das Semikolon der Inquisition – wieder gefunden

9. März 2014

semikolon

Am 24. Februar 1616 begann eine lange Talfahrt des gerade aufkommenden heliozentrischen Weltbildes in Europa: Eine von der Inquisition eingesetzte Theologen-Komission lieferte eine Beurteilung der kopernikanischen Weltsicht ab, die keine Fragen offen ließ. „Omnes dixerunt dictam propositionem esse stultam et absurdam in Philosophia; et formaliter haereticam, quatenus contradicit expresse sententiis sacrae scripturae in multis locis,“ steht auf dem unscheinbaren Zettel (im vatikanischen Geheim-Archiv und oben) über die Sonne als ruhendes Zentrum des Kosmos zu lesen, also „alle sagen, dass diese Behauptung wissenschaftlich töricht und absurd ist, und formell ketzerisch, da sie den Worten der heiligen Schrift an vielen Stellen eindeutig widerspricht“, und das gleiche gelte für die sich bewegende und drehende Erde. Kurioserweise ist dieser Schlüsselsatz aber in den vergangenen vier Jahrhunderten häufig mit falscher Interpunktion wiedergegeben worden – die die Begründung der angeblichen Dummheit des Heliozentrismus auf bedeutsame Weise verzerrt.

Zwar waren die Regeln für die Zeichensetzung damals nicht wirklich festgeschrieben, aber ein Semikolon zwischen zwei Satzteilen meinte unzweifelhaft eine klare logische Trennung. Und just das im Original klar erkennbare Semikolon nach ‚Philosophia‘ – was damals für die weltliche Wissenschaft generell stand – ist erstaunlich oft „vergessen“ worden. Dann liest sich der Satz aber so, als beginne die Begründung für die Verdammung des kopernikanischen Weltbildes (die am 5. März prompt dazu führte, dass De Revolutionibus in der originalen Fassung, 73 Jahre lang unbehelligt, auf dem Index landete, und schließlich in den Galilei-Prozess von 1633 mündete) erst mit ‚quatenus‘ und sei mithin allein im Widerspruch zu Sätzen in der Bibel zu verorten. Doch in der korrekten Version wird klar, dass es primär wissenschaftliche Probleme waren, die zu der Ablehnung führten, und zusätzlich noch theologische. Und genau jene damals weithin gesehenen wissenschaftlichen Probleme hatte dem Heliozentrismus ausgerechnet die Einführung des Fernrohres in die Astronomie beschert! Dieses hatte zwar mit dem Nachweis der Venus-Phasen das ptolemäische System, bei dem sich alles um die Erde drehte, sehr eindeutig erledigt und u.a. mit dem unebenen Erdmond und den Jupitermonden als einer Art ‚zweitem Sonnensystem‘ das wohlgeordnete aristotelische Weltbild zumindest kräftig erschüttert.

Doch alle teleskopischen Beobachtungsdaten der ersten Jahre (und genau besehen sogar des ganzen ersten Jahrhunderts) ab 1609 waren mit hybriden Weltmodellen – mit der Erde im Zentrum aber den meisten Planeten im Orbit um die Sonne – genau so gut verträglich wie mit einem reinen heliozentrischen. Und ein hybrides Modell wie das bekannteste von Tycho erklärte einiges sogar besser: insbesondere die vermeintlich im Fernrohr sichtbaren Sterndurchmesser! Die waren in Wirklichkeit nichts weiter als Beugungsscheibchen, aber das konnte damals keiner wissen. Korrekt war dagegen die Beobachtung, dass kein einziger Stern für die verfügbaren Teleskope eine jährliche Parallaxe zeigte: Zusammen mit den vermeintlichen Durchmesser bedeutete das, dass die Sterne im kopernikanischen System extrem weit entfernt und verglichen mit der Sonne dramatisch groß sein mussten – im tychonischen Bild dagegen saßen sie in harmloser Größe auf einer nicht weit entfernten Sphäre. Ausgerechnet die Kopernikaner mussten sich auf göttliche Allmacht berufen, um die fernen Riesensterne zu begründen, währed letztere aus rein wissenschaftlicher Sicht – wie sie etwa Simon Marius vertrat – klar für einen tychonischen Kosmos sprachen. Es ist schwer zu sagen, ob die Gutachter der Inquisition so konkret physikalisch gedacht haben – aber das nun wieder sicher an seinen Platz gerückte Semikolon hinter ‚Philosophia‘ deutet in diese Richtung.

albategnius

Der Mondkrater, der übertrieben groß Galileis Siderius Nuncius dominieren dürfte, ist gestern überraschend durch diesen Blogger „wieder entdeckt“ worden – passenderweise während eines Seminars über Galilei, wo er gerade nämliche Illustration gezeigt hatte. Ein Schnappschuss in der Abenddämmerung, wenige Stunden nach dem 1. Viertel, zeigte bereits auf dem Kameradisplay einen bei dieser harten Beleuchtung verblüffend dominanten Mondkrater direkt am Terminator etwas südlich der Mitte, der sogleich an Nuncius-Illustrationen wie diese erinnerte. Es handelt sich um den 129 km großen Albategnius – der tatsächlich meist für Galileis Vorbild gehalten wird und auf den dieser wohl besonderen Wert gelegt hatte (Fig. 15-18) und ihn daher übertrieben groß (S. 42-43) darstellen ließ.

Hatte Galilei geheime Kenntnisse von theoretischer Optik?

Da es keinerlei Schriften Galileo Galileis gibt, die auf eine theoretische Durchdringung jener Teleskope schließen lassen, mit denen er ab 1609 eine Reihe bahnbrechender Entdeckungen machte (s.o.), wird allgemein angenommen, dass er in Sachen Optik lediglich ein geschickter Tüftler war. Doch zwei israelische Wissenschaftshistoriker widersprechen neuerdings diesem Eindruck: In Zik & Hon, „Magnification: how to turn a spyglass into an astronomical telescope“, Arch. Hist. Exact. Sci. 66 [2012] 439-64 und „Galileo’s Knowledge of Optics and the Functioning of the Telescope – Revised von vor 5 Tagen können sie zwar auch keine geheimen Tagebücher Galileis vorlegen, spekulieren aber durchaus plausibel über Berechnungen des Physikers bevor er seine astronomischen Teleskope herstellte. Diese seien ihren niederländischen Vorgängern – die tatsächlich durch Kombination existierender Brillengläser plus geschickten Einsatz einer Objektivblende gebaut werden konnten – derartig überlegen, dass Galilei die optischen Parameter der Linsen mit ihren oft ungewohnten Brennweiten geplant haben müsse. Die Theorie dazu könne er durch Kombination der optischen Erkenntnisse della Portas – dessen De refractione optices parte von 1593 er nachweislich besaß – und Einsichten bei der Entwicklung des Sectors zu Eigenschaften von Winkeln entwickelt haben, doch konkrete Spuren gibt es nicht.

Die drei Pioniere des modernen Großteleskop-Baus erhalten den Kavli-Preis für Astrophysik!

3. Juni 2010

Der Kavli-Preis ist eine moderne Ergänzung der Nobelpreise und wird seit 2008 alle zwei Jahre für herausragende Leistungen in den drei Bereichen Astrophysik, Nano- und Neurowissenschaften vergeben: Diese – „from the biggest, to the smallest, to the most complex“ – erscheinen dem aus Norwegen stammenden Geschäftsmann und Stifter F. Kavli als die aufregendsten und vielversprechendsten des 21. Jahrhunderts. Dreimal 1 Mio.$ teilen sich die Gewinner, die norwegische Organisationen zusammen mit der 10 Jahre alten Kavli-Stiftung aussuchen lassen – und in der Astrophysik wurden heute die drei Pioniere der Konstruktion moderner optischer Großteleskope schlechthin ausgezeichnet, die viele Entdeckungen überhaupt erst möglich gemacht haben.

Jerry Nelson, Ray Wilson und Roger Angel sind wohl jedem ein Begriff, der sich näher mit Teleskopen jenseits von 6 Metern Hauptspiegel-Durchmesser beschäftigt hat. Nelson erdachte das Design der 10-m-Keck-Teleskope auf Hawaii, deren Spiegel aus zahlreichen Segmenten bestehen. Wilson entwickelte – bei der ESO – die Aktive Optik, bei der ein sehr dünner Spiegelträger von unten von zahlreichen Aktuatoren in Form gebracht wird: Die vier Unit Telescopes des VLT in Chile sind damit bestückt. Und Angel erfand das Spin Casting, bei dem in einem rotierenden Ofen ein starrer, weitgehend ausgehöhlter Spiegelträger allein durch die Fliehlkräfte schon fast die richtige Paraboloidform erhält: Mehrere Teleskope sind so möglich geworden, u.a. das Large Binocular Telescope in Arizona. NACHTRÄGE: Einen Tag später feiert die ESO Wilson. Und Anmerkungen zum Medien-Echo der Kavlis.

Kosmische Kuriosa kompakt

25. Dezember 2009

2011 ein neues 2-m-Teleskop auf deutschem Boden

Mit Kayser-Threde als Hauptauftragnehmer entsteht derzeit im Auftrag der Ludwig-Maximilians Universität München und dem Staatlichen Bauamt München ein 2-m-Teleskop für das Wendelstein-Observatorium, wo ein betagtes 80-cm-Teleskop bereits weichen musste (und nun in Amateurhand der Wiederauferstehung entgegen sieht). Das neue Teleskop wird eine Weitwinkelkamera zur Abbildung von wenigstens 0.5° des Himmels sowie eine Mehrkanalkamera (optisch und nahes Infrarot) und Spektrographen für mittlere bis hohe Auflösung bekommen; die Übergabe soll 2011 erfolgen. (Kayser-Threde PM 17.12.2009)

Wenn ein Neutrinoteleskop die Meeresforschung voranbringt: Bei Testmessungen zum möglichen akustischen Nachweis von Neutrinos hoher Energie, die durch’s Meer sausen, sind Physiker auf Klicksignale von Pottwalen gestoßen: An jedem zweiten Messtag waren sie da, was durch bekannte Populationen nicht zu erklären ist. Die Daten des Ocean Noise Detection Experiments werden nun von Walforschern ausgewertet – und künftige Neutrinoobservatorien im Ozean werden nicht nur Lichtblitze sondern auch akustische Signale messen. (Nature 3.12.2009 S. 560-1, ScienceBlogs 3.12.2009. Auch DLF 16.12.2009 zur Wiederaufnahme von Neutrinobeobachtungen unter dem Gran Sasso nach dem Erdbeben vom April) NACHTRAG: Ein Jahr später machen die Neutrino-Wale wieder Schlagzeilen …

Großes Wehklagen in der britischen Astronomie

ist ausgebrochen, nachdem das Science and Technology Facilities Council am 16. Dezember seine „Prioritisation 2010-2015“ verkündete, eine 2.4-Mrd.-Pfund-„Investitionsstrategie“ in Forschung in Technologie, bei der einige Astronomieprogramme des U.K. auf der Strecke bleiben. Top-Priorität sollten Programme haben, die britischen Forschern Zugang zu internationalen Spitzeneinrichtungen ermöglichen: Es sollen in den 5 Jahren 639 Mio. in die Weltraumforschung und 267 Mio. in die Astronomie am Boden gesteckt werden. Aber eben nicht alle: Ein „managed withdrawal“ ist u.a. bei den Gemini-Teleskopen (ab 2012), dem UKIRT und Auger vorgesehen. Und auch der astronomische Arbeitsmarkt im U.K. wird gehörig schrumpfen. (STFC Release, Reaktionen von R.A.S. [noch eine], IOP und ING, eine riesige FAQ-Liste, Kommentare von Astronomy Blog, Megan’s Blog, Physics World, Nature Blog, Bad Astronomy, Herschel Blog, In the Dark, SN Condensate, AstroEngine, e-Astronomer, Askew, Left of Centre und Orbiting Frog sowie gesammelte Tweets) NACHTRAG: der Lay Scientist dazu. NACHTRAG 2: die Folgen für … Hawaii.

Sollten wissenschaftliche Papers vor der Veröffentlichung offen diskutiert werden? Mike Brown hat jedenfalls bei seiner Arbeit zu Nebel auf dem Titan die Erfahrung gemacht, dass sein Paper noch erheblich klarer formuliert werden konnte, nachdem er es in seinem Blog dem Volk zum Fraß vorgeworfen hatte. Der ‚offizielle‘ Reviewer war da weniger hilfreich gewesen … (Mike Brown’s Planets 28.11.2009)

Vier primäre Atomuhren in Deutschland tragen zur Weltzeit bei

Bisher waren drei Uhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Mitglied des exklusiven Clubs der primären Caesium-Atomuhren, nun ist eine vierte hinzugekommen: die Caesium-Fontänenuhr CSF2. Ihre Daten werden in diesem Monat erstmals zur Bestimmung von UTC mit berücksichtigt. (PTB PM 16.12.2009)

„Farbe des Universums“ machte wieder mal Schlagzeilen: Die Geschichte ist alt (siehe Artikel 436!), aber weil man sie jetzt eines Astronomy Picture of the Day für würdig befand, war die blass-beige Gesamtfarbe des Kosmos auf einmal wieder „News“ … (Telegraph 2., Cosmic Ray 4.11.2009. Auch der New Scientist 2.12.2009 zur überraschenden „Durchsichtigkeit“ des Alls für hochenergetische Strahlung)

Zehntausende alte Bücher online verfügbar

Abseits aller Copyright-Streiterei hat die Bibliothek der Cornell-Universität über 80’000 bereits für den Eigenbedarf eingescannte Bücher, die vor 1923 gedruckt werden (so dass es „no known copyright restrictions in the United States on the use of the texts“ gibt), frei verfügbar gemacht – darunter auch viele astronomische. Leider fragt die Suchmaske nur nach Autor und Titel; eine Auflistung des vorhandenen Materials nach Themen scheint nicht möglich zu sein. (Cornell Chronicle 15.12.2009)

Ein englisch-französisch-persisches Astronomie-Wörterbuch hat M. Heydari-Malayeri anlässlich des IYA online gestellt – und dafür jede Menge Astro-Begriffe in Farsi erfunden, weil die Sprache nichts Passendes zu bieten habe bzw. nur arabische Lehnworte. (Heydari-Malayeri, Preprint 24.11.2009)

Mit Billig(st)-Ballons bis an den ‚Rand des Weltraums‘

vorzudringen, oder wenigstens eine Kamera deutlich höher über die Erde zu tragen als ein Passagierflugzeug fliegt, ist zu einer regelrechten Sportart geworden – und das bemerkenswerteste Ergebnis erzielte wohl das „Projekt Ikarus“, das am 2. September eine Digitalkamera bis in 30 km Höhe schaffte, bei gerade einmal 150 US-Dollar Materialkosten. Und sogar ein regelrechtes Handbuch für Nachahmer verfasst hat. Später wurde am 15.11. beim Project Dragon ein Kunstwerk auf dieselbe Höhe getragen. (New Scientist 14., On Orbit 21., The Atlantic 22., Space.com 23.9.2009. Auch noch so ein Flug – und ein irres Commercial mit Höhenballon …)

Ballon-Flug zum Mond für’s erste gescheitert: Bei einem Test eines „Rockoons“, der ihm Rahmen eines neuen X Prize eine Rakete mit Mondrover in der Luft starten will, ist das Vehikel im Schwarzen Meer buchstäblich baden gegangen. (Nature Blog, Universe Today 17.11.2009)

Kosmische Kuriosa kompakt

1. Dezember 2009

LHC schon jetzt energiereichster Teilchenbeschleuniger der Erde! Und es gibt das erste Paper zu den Kollisionen …

Nach der flotten Inbetriebnahme und den überraschend frühen Teilchenkollisionen – über die bereits eine erste Forschungsarbeit geschrieben und eingereicht wurde! – hat der Large Hadron Collider schon wieder einen Meilenstein passiert: Am Abend des 29.11. brach er den Energierekord von 0.98 TeV pro Strahl, den das Tevatron seit 2001 gehalten hatte, und in der Nacht waren 1.18 TeV in beiden umlaufenden Protonenstrahlen erreicht. Ab kommender Woche bis zum 17. Dezember sind Kollisionen bei dieser Energie aber höherer Strahlintensität geplant, um den LHC-Forschern etwas vor der Weihnachtspause zu bieten. Und die erste „richtige“ Physik wird für das erste Quartal 2010 versprochen, mit je 3.5 TeV/Strahl, und später im Jahr könnten es dann 5 und 2011 schließlich 7 TeV/Strahl werden: das (vermutete) Territorium von Higgs & Co. (CERN und STCF Releases, Ars Technica, New Scientist, Nature Blog, Tagesschau, Discovery, Spiegel, AP, BBC, Scientific American, Telegraph, Physics World, LiveScience, Cosmic Diary, Bad Astronomy und Tracker zum Rekord, Cosmic Variance zum Unterschied Energie & Leistung, Discovery zum LHC an sich und das erste Paper, auch hier erwähnt) NACHTRAG: Der Press Release zum 1. Paper dauerte länger, auch dieser Artikel …

Großes japanisches Neutrino-Experiment läuft: Bei T2K = Tokai to Kamioka „sendet“ ein Synchrotron und der Kamioka-Detektor fängt die Neutrinos ein, um Oszillationseffekte unter kontrollierten Bedingungen zu beobachten. (STCF Release, Physics World, Nature Blog 24.11.2009) NACHTRAG: ein Queen Mary Press Release. Unterdessen wurde dem India-based Neutrino Observatory (INO) die Baugenehmigung in den Nilgiri-Hügeln von Tamil Nadu aus Tierschutzgründen verweigert; jetzt wird möglicherweise bei Suruliyar im selben Bundesstaat gebaut. (Nature News 24., Daily India 25.11.2009)

„Dunkle Strömung“ ferner Galaxienhaufen offenbar bestätigt – Effekt eines … Paralleluniversums?

Eine neue Analyse der des kinematischen Sunyaev-Zeldovich-Effekts in der kosmischen Hintergrundstrundstrahlung durch rund 1400 röntgenselektierte Galaxienhaufen scheint zu bestätigen, dass es bis in 800 Mpc Entfernung eine Art geordnete Strömungsbewegung der Haufen mit rund 1000 km/s gibt – die im Rahmen der Standardkosmologie keinerlei Sinn macht. Das neue Paper spekuliert nicht über die Ursache dieses „Dark Flow“, aber ein kurioser Erklärungsversuch sieht dahin den Effekt eines Paralleluniversums, der sich kurz nach dem Urknall auswirkte … (Kashlinsky & al., Preprint 27.10., New Scientist 16., World of Weird Things 19., Cosmos Magazine 24., Science Blogs 25.11.2009) NACHTRAG: noch ein Artikel, mit ‚historischen‘ Links zu einem früheren Kashlinsky-Paper. NACHTRAG 2: noch ein später Artikel. NACHTRAG 3: Das Paper ist erschienen, was wieder neue Artikel zur Folge hat – und sogar einen NASA Release

40’000 verschiedene „Universen“ mit den Eigenschaften des einen sind in einer aufwändigen Computersimulation erzeugt worden, um ein besseres Gefühl für unsere kosmische ‚Nachbarschaft‘ zu erlangen: Jede dieser Karten zeigt ein mögliches Universum, das mit den Daten kompatibel ist, und Strukturen, die in allen Karten vorkommen, sind glaubwürdiger als solche, die sich nur in wenigen Karten finden. (MPI für Astrophysik PM 27.11.2009)

Jetzt sehen sie auch noch „Bakterien“ in anderen Marsmeteoriten

Ohne viel Aufhebens hat die NASA jetzt das neue Paper zum Marsmeteoriten ALH 84001 online gestellt, in dem ein Zusammenhang zwischen Magnetitkristallen und solchen irdischer Bakterien nahegelegt (aber natürlich nichts bewiesen) wird. Dazu gibt’s gleich noch ein Paper mit Mikroaufnahmen anderer Marsmeteoriten, in denen dieselben Forscher „biomorphe“ Gestalten wähnen … (Papers & Bilder; JSC Release, NASA Watch, Discovery [mit ersten Magnetit-Zweifeln] 30.11., Cumbrian Sky [wundert sich über das geringe Echo], Martian Chronicles [bester Kommentar bisher] 1.12.2009) NACHTRAG (Anfang 2011): Die einzige – und negative – Reaktion auf das Magnetit-Paper scheint diese von der LPSC 2010 zu sein.

Klima-Anomalien der Erde durch geringe Trigger, starke Feedbacks in den letzten 1500 Jahren: Die Klimaabweichung im Mittelalter (hier viel wärmer, dort aber kälter) wie auch die kleine Eiszeit dürften nach einer neuen Analyse zahlreicher „Proxy“-Daten sowie Modellrechnungen auf relativ geringe Auslöser – Vulkanismus bzw. dessen Ausbleiben, etwas mehr oder weniger Sonnenleuchtkraft – zurückgegangen sein, die durch Rückkopplungen verstärkt wurden. (Mann & al., Science 326 [27.11.2009] 1256-60; BBC 26., TelePolis 27.11.2009)

Dung-Pilz soll beweisen: Mammuts und Co. nicht Opfer eines Impakts

Dass es vor rund 12’900 Jahren in Nordamerika einen kosmischen Impakt mit Folgen für Flora, Fauna und frühe Menschen gegeben hat, ist ohnehin höchst umstritten – und nun legt die Zeitentwicklung eines speziellen Pilzes, der im Dung großer Landtiere lebt, deren Aussterben schon lange vor diesem Zeitpunkt nahe. Neben dem angeblichen Impakt werden werden auch ein Habitatwandel und zumindest die bis jetzt wegen ihrer Waffen verdächtige Clovis-Kultur „entlastet“, der Grund des Aussterbens der Mammuts und 33 anderer Großtiergenera bleibt freilich unklar. Und dann ist da noch (mindestens) ein Museumsmastodon, das neuerdings auf nur 10’000 Jahre Alter datiert wird – alles reichlich verwirrend … (Gill & al., Science 326 [20.11.2009] 1100-3; Ars Techica 20.10., Univ. of Wisconsin Press Release, New York Times, New Scientist 19., Ars Technica, LA Times, Nature Blog 20., TechnoPolis 22., Sky & Tel. 23.11.2009) NACHTRAG: Auch die Indizien für einen Impakt lösen sich auf … NACHTRAG 2: … während die Ursache des Aussterbens unklar bleibt.

Spekulationen über einen Riesenimpakt bei Indien und eine Rolle der „Shiva-Struktur“ beim Sauriersterben machten kürzlich – wieder einmal – die Runde, dabei ist in keinster Weise etabliert, dass es sich bei dem über 500 km großen Unterwasserbecken vor der Küste überhaupt und eine Multiring-Impaktstruktur handelt. Wenn ja, dann wäre ein 40-km-Asteroid verantwortlich gewesen; die meisten Geologen sehen das nicht, v.a. weil die Struktur ziemlich länglich ist. (Chatterjee, Abstract, Texas Tech Univ. PR 15., Space.com 18., Discovery 19., Worldwide Meteor News 20., New Scientist Blog 23.10.2009. Und gleich noch ’ne Dino-Theorie, mit Biogiften …)

Royal Society stellt 60 bahnbrechende Papers online

Seit 1665 hat die britische Royal Society über 60’000 wissenschaftliche Arbeiten publiziert – und zur Feier ihres 350. Geburtstags nächstes Jahr hat sie jetzt 60 besonders bedeutende online zugänglich gemacht, leider nur durch ein grafisch ziemlich überfrachtetes Portal. Unter den – oft ganz kurzen – Papers auch etliche astronomische, etwa von 1715 (SoFi in England), 1769 (Venustransit), 1794 (C. Herschel findet Komet), 1805 (W. Herschel und die Bewegung der Sonne), 1850 (Beobachtungen mit dem Leviathan), 1898 (Temperatur der Korona), 1920 (SoFi 1919 & Einstein), 1970 (Schwarze Löcher) und 1991 (Sonnenflares): ganz schon viele SoFis … („Trailblazing“-Portal, Royal Society Press Release, BBC, Nature Blog 30.11.2009)

Sah Brueghel der Ältere ein Kepler’sches Teleskop – schon um 1618? Der Niederländer hat vermutlich als erster überhaupt ein Teleskop in einem Gemälde verewigt, zwischen 1608 und 1612, das seiner simplen Bauweise nach klar ein „holländisches“ bzw. Galilei’sches ist – doch in einem anderen Bild von 1617 oder 1618 ist ein viel komplexeres Gerät zu sehen, das an den Kepler’schen Typ erinnert. Der wurde zwar bereits 1611 beschrieben aber nach heutigem Wissen erst 1630 tatsächlich gebaut. Muss die Geschichte umgeschrieben werden – oder wird das Gemälde überinterpretiert? Teleskopexperten verweisen darauf, dass auch Galileische Fernrohre entsprechend dicke Okulare haben konnten. (Selvelli & Molaro, Preprint 21.7., Molaro & Selvelli, Preprint 19.8., We are all in the Gutter 28.9., arXiv Blog 2., Rudd, HASTRO 4., Scientific American 5., Twisted Physics 13., FlavorWire 20.10.2009)

Knapp 20’000 bei den Bonner IYA-Feierlichkeiten

1. Juli 2009

sternenaction
17’000 Besucher waren es allein im SternenZelt an drei Tagen, hat die Bonner Universität anhand von Stichproben hochgerechnet, und dazu kam sicher nochmals eine gut vierstellige Zahl von Zuschauern des 8-stündigen SternenFests am letzten Tage: Die zentralen Feierlichkeiten zum IYA in Bonn vergangene Woche sind die bestbesuchte speziell dem Astronomiejahr gewidmete Veranstaltung von nur wenigen Tagen Dauer zumindest in Europa geworden. Der große Zuspruch der Bevölkerung hat wiederum die zahlreichen Helfer so begeistert, dass schon emsig diskutiert wird, wie man Derartiges auch in die Zukunft transportieren kann – zum Beispiel mit weiterer Sidewalk-Astronomie (Bild: Teleskope des KBA), die es in dieser Form vor dem IYA hier schlicht nicht gegeben hatte.

Ausführliche Bilderstrecken vom SternenZelt und dem Nachmittags- und Abendprogramm des SternenFests sowie ein Artikel des General-Anzeiger und der WDR-Beitrag aus dem SternenZelt zum Herunterladen. NACHTRAG: Noch mehr Bilder von Fest und Zelt. NACHTRAG 2: Bewegte Ausschnitte aus dem SternenFest sind in SternStundeOnline vom Juli zu sehen! NACHTRAG 3: Es wurde nicht nur in Deutsch berichtet …