Posts Tagged ‘Tiangong’

Sandra gegen die Raumfahrt: „Gravity“ im Kino

3. Oktober 2013

Seit heute ist es also im Kino zu sehen, sogar einen Tag früher als in den USA, das lang ersehnte ‚Space-Drama‘ „Gravity“, über das selbst hier schon zweimal berichtet worden war, hier (unten) und hier (oben). Da mehrere Trailer – hier der neueste – und v.a. drei Schlüssel-Clips längst die Grundidee des Films verraten haben, kann hier spoilerfrei konstatiert werden: Er hätte auch „Sandra Bullock gegen die gesamte Technik der bemannten Raumfahrt des 21. Jahrhunderts“ heißen können. Letztere wird in einer phänomenalen Detailfülle und -treue ins dreidimensionale Bild und mit durchweg realistischer Physik in Bewegung gesetzt: Allein deswegen ist der Film ein absolutes Must-See für Weltraumfans, so wie es 1997 „Contact“ mit seinen üppig ins Bild gesetzten Radioteleskopen für Astronomiefreunde – oder 1969 „Marooned“ für die Raumtechnik der Apollo-Ära – war. Glaubwürdige Dramatik kommt freilich kaum auf, denn die Kette unwahrscheinlicher Wendungen in „Gravity“ erinnert eher an Katastrophen-Trash wie „2012“ und wirkt mitunter – sicher unbeabsichtigt – erheiternd.

(AB HIER HAGELT’S SPOILER!) Die erwähnte Weltraumtechnik nämlich, die nacheinander einen Space Shuttle (die fiktive „Explorer“), das (echte) Hubble Space Telescope, die ISS, eine Soyuz, eine (fortgeschrittene) Tiangong-Station und eine Shenzhou-Kapsel umfasst, wird im Laufe des recht kurzen Films in dieser Reihenfolge auch gnadenlos geschrottet, während Bullock verzweifelt einen Weg zurück zur Erde sucht. Schuld ist eine – immer exakt nach 90 Minuten – wiederkehrende dichte Wolke aus Raumschrott, die durch eine Kettenreaktion nach einem russischen Antisatelliten-Experiment entstanden ist. Und zwar binnen weniger Minuten, während einer EVA bei einer fiktiven zukünftigen Hubble Servicing Mission („STS-157“), deren filmische Umsetzung fast wie ein Sequel des 3D-Hubble-IMAX-Films anmutet. Mit erheblich abwechslungsreicheren Kameraperspektiven natürlich – und einem sinnlos mit einer Art MMU durch die Gegend kurvenden George Clooney, der nur deswegen den Orbiter verlassen hat, um einen russischen Freiflugrekord zu brechen.

Ein dritter EVA’ler albert derweil scheint’s auch nur herum, während sich lediglich Bullock – dafür mit feistem Akkuschrauber – um das HST und seine widerspenstige Elektronik bemüht. Man würde gerne länger in diesen ruhigen und geradezu hyperrealistischen Bildern schwelgen, doch plötzlich geht alles ganz schnell: Ein besonders großes Trümmerstück trifft eine Tragfläche des Shuttles, der in wilde (und für die 3D-Technik allzu dynamische) Rotation versetzt wird. Nur die beiden Darsteller überleben (und finden dank der MMU recht flott wieder zusammen; richtig einsam wird’s für Bullock erst gar nicht) – ihr Shuttle aber nicht. Dann eben: nichts wie auf zur ISS, praktischerweise ganz in der Nähe und in MMU-Reichweite. (Dass sich in der Realität Bahnneigung wie -höhe stark unterscheiden? Wen schert’s.) An der ISS kommt Bullock Clooney leider bald abhanden, diesmal endgültig, und nicht lange danach auch die Station selbst – samt einem andockten ATV übrigens, dem einzigen erkennbaren Stück ESA-Technik.

Erst brennt’s im japanischen Modul, und dann kommt natürlich die dumme Schrottwolke wieder. An der ISS indes ist trotz der geordneten Evakukierung ihrer Besatzung wundersamerweise noch eine Soyuz angedockt – mit der Bullock der in Trümmer fallenden Station zu entkommen versucht, nicht leicht mit dem dort verhakten Fallschirm (aber es gibt ja noch den coolen Akkuschrauber). Dann geht’s jedoch immer noch nicht weiter, denn … der Tank ist leer! Zum ersten und einzigen Mal wird es jetzt tatsächlich ein bisschen ruhig im Weltraum, denn das nächste(!) Ziel der Rundreise im LEO, eine chinesische Tiangong-Station offenbar der nächsten oder übernächsten Generation, ist zwar wieder ziemlich nah aber doch unerreichbar fern. Schon dem Tode nah und schwer suizidal rettet unsere Astronautin im letzten Moment – in dem (siehe „2012“) in „Gravity“ eigentlich immer alles passiert – eine Clooney-Vision: Zünde gefälligst die Feststoff-Bremsraketen, die eigentlich zum Abbremsen der Landung 3 Meter über dem Boden dienen!

Das klappt natürlich super, und an der Tiangong angehalten wird halt mit dem Rückstoß des Strahls eines Feuerlöschers – nur dumm, dass die Station in diesem Moment(!) im Begriff ist, in der Atmosphäre zu verglühen. Flugs die angedockte Shenzhou-Kapsel geentert (auch die Chinesen haben wohl derer zuviele – mit praktischerweise der gleichen Tasten-Anordnung wie in der Soyuz) und irgendwo auf der Erde gewassert. Um – Gus-Grissom-Style – beinahe am Schluß noch zu ertrinken. Bullock schleppt sich an Land, in einer Szene, die diesen Blogger heftig an den Beginn von „Planet of the Apes“ erinnerte: Nur erscheint statt eines Gorillas zu Pferde … der Abspann. Ist ja auch nichts mehr übrig zum Kaputtmachen. Und der Zuschauer hinreichend außer Atem … Eine Infoseite der NASA (während des Shutdowns via Google Cache), Kommentare zur wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit hier (TV-Clip), hier, hier (mehr und mehr), hier, hier, hier, hier, hier und hier und weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. NACHTRÄGE: und hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Plus das $€-Ergebnis.

Die Rückkehr von Shenzhou 10 – Live-Bilder satt

26. Juni 2013

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Eine über zweistündige Livesendung von CCTV News, dem englischen Kanal des chinesischen Staatsfernsehens von der Rückkehr von Shenzhou 10 (Artikel hier, hier, hier und hier [NACHTRAG: und hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier; die Live-Sendung dauerte übrigens 3 1/2 Stunden]) von der Proto-Raumstation Tiangong-1 hatte erheblich mehr zu bieten als typische Übertragungen einer Soyuz-Landung auf NASA TV: Erst erzählte der Moderator, im Jahr 2020 werde China eine permanent bemannte Raumstation haben, gerade rechtzeitig, um die dann die veraltete ISS abzulösen – dann gab es Livebilder satt. Das Abtrennen der Landekapsel vom Servicemodul wurde von einer Außenkamera auf dem letzteren übertragen, und bald erfasste eine Infrarotkamera die Kapsel (oben: links) und dahinter das allmählich zerfallende Servicemodul (2. Bild: weiteres Auseinanderbrechen).

Das Öffnen von Vor- und Hauptschirm und wie sich letzterer mit Luft füllte war bestens zu sehen, dann ging die Sicht wegen Wolken zeitweise verloren, aber der Bodenkontakt und die rasch von der Bergungsmannschaft erreichte Kapsel am Boden waren wieder bestens im Bild. Und wenn es mal Längen gab, dann wurden halt die Highlights noch mal gezeigt, schon zusammen geschnitten. Und mitunter mit schmissiger Musik unterlegt, die erstaunlich an das „Dallas“-Thema erinnerte … (Zwei Tage vor der Rückkehr hatte die Kapsel schon einmal ab- und manuell wieder angedockt [mehr und mehr]. Und auf der ISS gab es eine EVA [mehr, mehr, mehr und mehr], während die ESA einen Wasserungs-Test des IXV [mehr und mehr] durchführte – und sich Bakterien im Space Shuttle wohl fühlten.)

Neuer offizieller JWST-Preis: 8.84 Mrd. Dollar …

2. November 2011

… für den Bau und 5 Jahre Betrieb des Weltraumteleskops – so steht es im sogenannten Breach Report, den die NASA Ende Oktober an den US-Kongress schickte, was nötig wird, wenn ein Projekt seinen Kostenrahmen um mindestens 30% sprengt. Das ist beim James Webb Space Telescope überreichlich der Fall, dessen Kosten eben noch mit 8.7 Mrd.$ beziffert worden waren – und einst um rund einen Faktor 10 geringer angegeben wurden. In dem Bericht räumt die NASA auch ein, dass zur Rettung des JWST und einem Start 2018 mehrere andere Wissenschaftsprojekte – mit Startterminen nach 2015 – verschoben werden müssen, aber welche das sein sollen, wird erst nächsten Februar verraten, wenn der Haushaltsplan für das FY2013 präsentiert wird. Nach wie vor ist aber nicht einmal klar, ob das JWST im Haushalt des FY2012 – das seit dem 1. Oktober läuft – stehen wird oder nicht: Das Abgeordnetenhaus hat es bekanntlich komplett eliminiert, der Senat dagegen gestern 529.6 Mio.$ für das JWST in seinen mit 17.9 Mrd.$ überhaupt deutlich üppigeren FY2012-Haushalt der NASA geschrieben. Das House hatte dagegen nur 16.8 Mrd.$ vorgesehen und setzte auch andere Schwerpunkte: Das muss in „der Konferenz“ zwischen beiden Kammern noch viel geschachert werden … (Space News, Florida Today, Baltimore City Paper, Universe Today 1., EarthSky 2.11.2011)

Substanzielle Speicher-Störung auf dem Mars Express

Klingt ein „attempt to find a solution that will enable a return to normal operations“ eher beruhigend oder bedrohlich, wenn es um den europäischen Marsorbiter geht, der seit Monaten unter Störungen seines Bordspeichers und immer neuen Safe Modes leidet? Das wissenschaftliche Programm ist jetzt erst einmal unterbrochen, während Experten von der ESA und auswärts nach einer Lösung suchen: Bei jedem neuerlichen Safe Mode wird viel Treibstoff verschwendet, weil sich der Orbiter dabei aktiv in eine günstige Position zur Sonne dreht. Das Problem liegt im Schreiben ins und Lesen aus dem Solid-State Mass Memory, die Lösung vermutlich in einer Änderung der Prozedur, wie der Orbiter Kommandos von der Erde erhält – und das Ziel ist jetzt „at least partial resumption of science operations“, die später „should evolve into a long-term solution“. Wichtige Tests der neuen Betriebsart stehen nun bevor. (ESA Release 31.10.2011. Auch Russian SpaceWeb, TASS 25.10., Discovery 2.11.2011 mit der Nacht 8./9. November 21:16 MEZ als Startzeitpunkt für Fobos-Grunt und Novosti 18.10.2011 zu prinzipiellem Interesse russischer Planetenforscher, bei ExoMars einzusteigen)

Progress an ISS und Shenzhou an Tiangong angedockt! Mit dem planmäßigen Anlegen von Progress M-13M alias Progress 45 an die International Space Station vor ein paar Stunden ist der Weg endgültig frei für den Start des nächsten Besatzungs-Inkrements am 14. November um 5:14 MEZ, eine Woche bevor die jetzige Stammbesatzung ausziehen muss, weil ihre Soyuz zu alt wird. Und vor einer halben Stunde hat auch Shenzhou 8 problemlos an der Übungs-Raumstation Tiangong 1 fest gemacht: eine Premiere für China, die mutigerweise live im Fernsehen übertragen wurde. (Shenzhous Andocken im chinesischen TV, BBC, Spaceflight Now [früher], People’s Daily, Xinhua 2., Space.com 1.11.2011)

Bilderbuchstarts von Progress & Shenzhou!

1. November 2011

Am Mittag des 30. Oktober und vor einer Stunde haben eine Soyuz U (Mitte & unten: russischer bzw. NASA-Feed) und eine Langer Marsch 2F (oben: chinesisches Fernsehen, englischer Dienst) – beide noch vor kurzem in Unfälle verwickelt – jeweils problemlos unbemannte Kapseln im Orbit abgeliefert, die am 2. bzw. 3. November an einer echten bzw. einer Test-Raumstation, der ISS bzw. Tiangong 1 („Chinesische Übungs-Raumstation …“), andocken sollen. Zum Progress-M-13M-Start ein NASA Release und Artikel von Spaceflight Now, NASA Spaceflight und Space Today sowie ein Clip von Russia Today, zum Shenzhou-8-Start Artikel von Xinhua (mehr), BBC, NASA Spaceflight und Space.com.

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

29. September 2011

Ein glasklares Startvideo der Minotaur 4, die am 27. September kurz vor Sonnenaufgang von Kodiak aus TacSat 4 startete, einen militärischen Kommunikations-Satelliten auf einer elliptischen Bahn, auch zum Test künftiger operationally responsive space (ORS)-Missionen. Weitere erfolgreiche Starts: eine Zenit-3SL für SeaLaunch (aus der Pleite zurück) am 24. und eine Proton (der erste Start seit dem Versager) am 21. September. Und die Vorbereitungen für den ersten Soyuz-Start in Französisch Guyana am 20. Oktober laufen auf Hochtouren: Seit dem 12. September wird die Rakete zusammen gebaut, am 14. Oktober geht es auf die Rampe. Am 25. Oktober schließlich soll endlich der US-Wettersatellit NPP starten – nachdem für das Programm in 17 Jahren 6 Mrd.$ ausgegeben wurden und noch kein einziges Stück Hardware im Orbit ist …

Chinesische Übungs-Raumstation Tiangong-1 im Orbit

Auch die Langer Marsch ist wieder da: Ohne Probleme hat vor wenigen Stunden eine Variante 2F dieser chinesischen Rakete die Test-Raumstation Tiangong-1 („Himmlischer Palast“) auf den gewünschten 350-km-Orbit gebracht, wo sie während ihrer 2 Jahre Lebensdauer dreimal von Shenzhou-Kapseln angeflogen werden soll („Chinesische Raumstations-Pläne …“), um das automatischen Andocken zu üben. Der erste Besucher, Shenzhou VIII, wird diesen November auf jeden Fall unbemannt sein, mindestens einer der nächsten beiden in den nächsten 2 Jahren aber wieder Raumfahrer an Bord haben: Die können es sich dann im 15 Kubikmeter großen Wohnmodul der Mini-Raumstation – die an die ersten sowjetischen Salyuts vor 40 Jahren erinnern mag – gemütlich machen. Eine „richtige“ Raumstation will sich China erst in einigen Jahren gönnen, das damit auch weiter dem alten sowjetischen Fahrplan folgt – nur die Informationen (zumindest was die rasche Verfügbarkeit bunter Bilder angeht) fließen heute schneller … (Xinhua-Sonderseite und –Bildergalerie vom Start, Video des Starts; Xinhua, Space.com [mehr], BBC [mehr], Spiegel [mehr], TAZ, Welt 29., Xinhua [mehr], NASA Spaceflight 28., Xinhua 27.9.2011)

Und noch kurz gemeldet

Die Hauptstruktur von MAVEN ist fertig, einem NASA-Orbiter (Start: November 2013), der vor allem den Verlust der Mars-Atmosphäre in den Weltraum untersuchen soll: Die beteiligten Wissenschaftler haben nun erstmals den Eindruck, dass ihr Projekt nicht nur auf dem Papier existiert … (NASA Release 26.9.2011)

Der Startvertrag für BepiColombo ist unterzeichnet: Im Juli 2014 soll eine Ariane 5 den ESA-Merkur-Orbiter auf die Reise schicken. (ESA Release 15.9.2011)

Alle zehn Spiegel für den Satelliten Gaia sind fertig poliert und mit Silber bedampft: Sie werden das optische System des superpräzisen ESA-Astrometrie-Satelliten bilden. (ESA Release 15.9.2011)

Südafrika steigt bei Radioastron ein, das gilt nun als fast sicher: Eine neue 15-m-Antenne bei Pretoria soll in das Bodennetzwerk eingebunden werden, das zusammen mit dem Satelliten Spektr-R – dessen Inbetriebnahme in ein paar Wochen abgeschlossen sein soll – Interferometrie betreibt. (Engineering News 23.9.2011)

Space X will eine Falcon-9-Unterstufe ‚hüpfen‘ lassen, als Demonstrator für eine vertikal startende und landende Rakete: Damit wird zum einen die Wiederverwendbarkeit der Raketenstufe getestet – und Space X könnte auch im Markt für unbemannte Suborbitalflüge mitmischen. (Parabolic Arc, Moon & Back 24.9.2011)

Nachrichten aus der Raumfahrt kompakt

15. Mai 2011

Globaler Magma-Ozean von Io in Galileo-Magnetfeld-Daten

Erst jetzt sind Modellrechnungen ausgefeilt genug geworden, um in 11 Jahre alten Daten des Magnetometers auf dem Jupiter-Orbiter Galileo nach Effekten durch das Innenleben des Mondes Io zu fahnden: Dabei ist – unabhängig von mehreren früheren Argumenten – bestätigt worden, dass es unter seiner Kruste eine globale Schicht zumindet zähflüssigen Magmas gibt. ultramafisches Gestein wird nämlich in geschmolzenem Zustand ein guter elektrischer Leiter und beeinflusst das Jupiter-Magnetfeld in ähnlicher Weise wie der salzige Ozean von Europa- Allerdings sind die Aussagen über Ios 50 bis 200 km dickem Magma-„Ozean“ (aus mindestens zu 20% geschmolzenem Lherzolith?) nur vage, basiert doch die Analyse auf nur zwei nahen Vorbeiflügen Galileos an Io 1999 und 2000: Ja, wenn man einen eigenen Io-Orbiter hätte … (JPL Release, Ars Technica, Bild der Wissenschaft 12., Gish Bar Times, Space Today 13.5.2011)

Titans Atmosphäre könnte durch Kometeneinschläge entstanden sein, während des Late Heavy Bombardements vor 3.9 Mrd. Jahren: Das legen Laborversuche nahe, bei denen Projektile auf eine Mischung aus Ammoniak und Wassereis geschossen wurden, die der Kruste des Saturnmonds entspricht. Dabei wurde etwas Ammoniak in Stickstoffgas umgewandelt: Man kann hochrechnen, dass die gesamte dichte Stickstoffatmosphäre Titans auf diese Weise gebildet worden sein könnte. (New Scientist 8.5.2011. Und Ars Technica 9.5.2011 zu weiteren Indizen für einen unterirdischen Titan-Ozean)

MESSENGER schon mehr als 100-mal um den Merkur gesaust

Am 6. Mai war dieser Meilenstein erreicht: Der erste Merkur-Orbiter hatte bis dahin fast 2 Mio. Kommandos ausgeführt, über 70 Mio. Magnetfeldmessungen gemacht, 300’000 Spektren von Gamma bis IR und 16’000 Bilder aufgenommen. Zur Zeit geht es besonders „heiß her“, da MESSENGER die Tagseite Merkurs beim höchsten Sonnenstand überfliegt – dafür geht es umgekehrt immer wieder in den Schatten des Planeten: Der Orbiter hat damit aber – dank umfassender Vorbereitung – keine Probleme. (Mission News 6.5.2011)

Genesis-Analyse fördert Isotopen-Differenz Sonne(nwind) / innere Planeten zu Tage: Mühsam ist die Auswertung der Sonnenwindteilchen, die die Genesis-Mission einsammelte und die dann unsanft in der Wüste landeten (siehe Artikel 946) – aber es geht. Gelegentlich erscheinen Papers zur Mission, jetzt mit überraschenden Sauerstoff-Isotopenverhältnissen. (Los Angeles Times 9.5.2011)

Japan gibt Satellit ALOS auf: symbolisches „letztes Kommando“

Gehört hat der ausgefallene Advanced Land Observing Satellite („Japanischer Erdbeobachter …“) das finale Kommando am 12. Mai – Sender & Batterien aus! – wohl nicht mehr: Die Elektrik war schon drei Wochen vorher zusammen gebrochen, jeder Versuch der Kontaktaufnahme fehlgeschlagen. Nach der Ursache wird weiter gesucht, aber immerhin hatte ALOS alis Daichi seine nominelle Lebensdauer von 3 Jahren klar überschritten und die gewünschten 5 Jahre gerade eben erreicht. Vor allem Bilder von frischen Naturkatastrophen wie den Erdbeben in Sichuan 2008 und Japan selbst diesen März hat ALOS geliefert: Rund 100-mal pro Jahr gab es Anfragen. (JAXA Release, Spaceflight Now, Space.com 12.5.2011)

Investment-Firma will argentinischen Satelliten als Geisel nehmen: Die auf den Cayman-Inseln ansässige NML Capital Ltd. fordert vom argentinischen Staat mehrere Milliarden Dollar – und hat versucht, den kurz vor dem Start stehenden argentinisch-amerikanischen Forschungssatelliten SAC-D/Aquarius („Ozeansatellit …“) beschlagnahmen zu lassen. Daraus wird aber wohl nichts, und die Vorbereitungen für den Start am 9. Juni gehen planmäßig weiter. (Space News 12.5.2011)

Chinesische Raumstations-Pläne öffentlich diskutiert

Die langfristige Finanzierung für eine zweite Raumstation im Erdorbit scheint jetzt zu stehen, da China wohl noch lange nicht bei der ISS mitspielen darf: Geplant ist der Start von drei Teststatiönchen, gefolgt vom Aufbau einer größeren. Zuerst kommt Tiangong-1 („In rund einem …“) dieses Jahr: Daran wird zunächst die unbemannte Shenzhou-8-Kapsel das Andocken üben, bevor 2012 zweimal Besatzungen jeweils kurz einziehen. Die in den folgenden drei Jahren geplanten Stationen Tiangong-2 und -3 können dann bereits 20 bzw. 40 Tage lang bewohnt werden – und dann beginnt der Aufbau der eigentlichen chinesischen Raumstation mit einem Kernmodul (18.1 m lang) und zwei Forschungsmodulen (à 14.4 m): immer noch kleiner als einst die russische Mir. (Nature News 4., Spaceflight Now 12.5.2011)

Panspermie-Experimente während des vorletzten Shuttle-Flugs STS-134, der jetzt für morgen angesetzt ist (mit weiterhin 70% Wahrscheinlichkeit für gutes Wetter) hat die Planetary Society vorbereitet: Im Rahmen von Shuttle LIFE gehen Bärtierchen sowie je zwei Bakterien- und Archäen-Arten auf die Reise – als Testlauf für eine MFG auf der russischen Fobos-Grunt-Mission zum Mars. Auch die Exobiologen des DLR in Köln sind beteiligt! (Planetary Society Press Release 13.5.2011)

NASA bucht Flüge auf zwei – noch nicht fertigen – Suborbital-Systemen

Die meisten der 16 Mikrogravitations-Experimente, für die die NASA jetzt Träger gebucht hat, werden auf Parabelflügen beim kommerziellen Anbieter Zero G im Juli durchgeführt – aber ein paar sollen mit dem Xaero von Masten Space Systems und dem Super Mod von Armadillo Aerospace fliegen, im Rahmen von Tests noch dieses Jahr. Mit diesem Vertrauen in diese beiden noch unerprobten Vertical-Takeoff-Vertical-Landing-Vehikel will die NASA auch die kommerzielle wiederverwendbare Suborbital-Träger-Industrie des Landes fördern. (NASA Release 13.5.2011)

Raumfahrt-Nachrichten kompakt

31. Januar 2010

Das beste Bild des Saturnmonds Prometheus ist Cassini vor vier Tagen geglückt, aus 36’000 km Entfernung im sichtbaren Licht – und aus Rohbildern wie diesem kann noch weit mehr herausgeholt werden, erst recht aber aus den finalen Bildprodukten, die mit gewissem Zeitverzug allgemein zugänglich werden. (Auch interessant: was Prometheus mit den Saturnringen anstellt.) NACHTRAG: eine verbesserte Fassung eines etwas anderen Bildes desselben Flybys.

Enceladus nur 1 bis 10 Prozent der Zeit aktiv?

Wahrscheinlich haben wir großes Glück, dass wir die starke Geysir-Tätigkeit des Saturnmonds gerade jetzt erleben dürfen: Nach einem neuen Modell seines Innenlebens (basierend auf der Konvektion der Erdkruste, auf Enceladus-Verhältnisse skaliert) ist er jeweils 100 Mio. bis 2 Mrd. Jahre völlig inaktiv, dann hat sich genug Wärme aufgestaut, dass es 10 Mio. Jahre lang zu heftigem Gasaustritt und Neubildung der Oberfläche kommt. Dieses Szenario – bei dem noch viele Details fehlen – würde die derzeit verblüffend große Wärmefreisetzung wie auch das junge Alter der Geysir-Gegend erklären. (UCSC, JPL Releases 11., Scientific American 10.1.2010) NACHTRAG: Da ist ja noch einer aufgewacht …

Hayabusa kommt der Erde immer näher und ist nach seiner erneuten Wiederauferstehung („Cleverer Rettungsplan …“) tatsächlich weiter auf Kurs. Nach gemischten Erfahrungen in der interplanetaren Raumfahrt (insbesondere Nozomis missglücktem Marsbesuch) halten sich die Japaner allerdings über die genauen Zeitpläne – und Chancen – für eine Landung der (nur vielleicht gefüllten) Probenkapsel in Australien bedeckt. (Status– und Activities-Seiten, JAXA Release 14., Spaceflight Now 11.1.2010, Planetary Society Blog 17.12.2009)

Drei Finalisten für die M-Klasse-Missionen von Cosmic Vision stehen fest

Die ESA wird – zumindest in der ersten Runde – keine Sample Return von einem Asteroiden (Marco Polo) durchführen und auch auf die Geophysikmission Cross-Scale verzichten: Diese zwei der sechs Kandidaten („Nächste Auswahlrunde …“) haben sich bei näherer Betrachtung als zu teuer erwiesen. Damit bleiben das Dunkelenergie-Observatorium Euclid, der Solar Orbiter (mit der NASA) und der Exoplanetenjäger Plato im Rennen (wobei aber nur 2 davon gebaut werden können), und außer der Reihe dürfte auch das IR-Observatorium SPICA zusammen mit Japan realisiert werden – man geht davon aus, dass das Science Programme Committee diese Auswahl am 18.2. bestätigen wird. (Space News 19., BBC 20.1.2010) NACHTRAG: So kam es in der Tat – was in Kiel für Freude sorgt.

Die NASA will bis zu 50-mal schneller mit ihren Raumsonden kommunizieren können, mittels neuer Ka-Band-Sender, vor allem aber Laser-Kommunikation: Bis zu einem Gigabit pro Sekunde von Mond oder Mars könnte es dann geben. Der Mondorbiter LADEE, Start Ende 2011, wird letzteres schon mal ausprobieren. (Space.com 22.1.2010)

Die Spiegelsegmente des JWST beginnen umfangreiche Kältetests

Bis 2011 werden alle 18 Segmente, die einmal den Hauptspiegel des superteuren IR-Teleskops („Die Gesamtkosten des JWST …“) bilden sollen, am MSFC extremer Kälte ausgesetzt – ihre Herstellung hat bereits vor 6 Jahren begonnen. (NASA Release 7.1.2010)

Lichtreflexe verraten Wasserflächen, auf der Erde und anderswo: Was beim Titan klappte, geht natürlich auch bei der Erde, wie die Raumsonde EPOXI vergangenen März sehen konnte – und mit (futuristischen) Weltraumteleskopen sollte es mit demselben Trick auch gelingen, grobe Aussagen über die Oberflächeneigenschaften von Exoplaneten zu treffen. (NASA Release 5., BdW 7.1.2010)

Drei wichtige Aufträge für das operationelle Galileo-System

hat die Europäische Komission vergeben: Die ersten 14 (von 32) Satelliten, die das europäische Navigationssystem aufbauen werden, darf überraschend die deutsche Firma OHB bauen und nicht der einst siegessichere Mega-Konzern EADS. Von den 566 Mio. Euro gehen zwar 236 Mio. an den britischen Subkontraktor SSTL; montiert wird aber in Bremen. Ebenfalls wurde Arianespace (keine Mitbewerber) mit dem Start der Satelliten ab Oktober 2012 in Kourou beauftragt (397 Mio. Euro) und ThalesAleniaSpace mit System-Support (85 Mio. Euro). Wer die folgenden 18 Satelliten bauen darf, bleibt offen: Erneut dürfen sich OHB und EADS im Wettbewerb; durch dieses ‚double sourcing‘ sollen weitere Verzögerungen („Navigationssystem Galileo …“) vermieden werden, falls einer der beiden Probleme haben sollte. Die ersten Galileo-Dienste sollen Anfang 2014 zur Verfügung stehen. (EU, SSTL Releases, Spaceflight Now, BBC, Space News, Tagesschau 7., Space Today 8.1.2010)

Überzeugende Schwerkraftkarten des GOCE-Satelliten wurden auf dem AGU-Herbstmeeting präsentiert: Obwohl der Satellit („GOCE bei der Arbeit …“) da erst 47 Tage gemessen hatte, sollen sie besser als alles bisher dagewesene sein. Und dank der ungewöhnlich niedrigen Sonnenaktivität dürfte sich GOCE weit länger auf seiner niedrigen Bahn halten als gedacht. (BBC 24.12.2009)

Deutscher Satellit „Heinrich Hertz“ soll Comsat-Technologien testen

Vorbereitungen laufen für einen kleinen deutschen Satelliten, der verschiedene neuartige Systeme für Nachrichtensatelliten testen soll – denn die Hersteller solcher Satelliten selbst stehen jedweder Innovation erst einmal skeptisch gegenüber. Neben den Experimenten soll der Satellit aber auch eine kommerzielle Telekommunikations-Nutzlast tragen, und deren Lieferant und das DLR wollen sich die Startkosten teilen. (Space News 22.1.2010)

Ein Datenrelaissatelliten-System auch für die ESA – nach dem Vorbild des amerikanischen TDRSS („Der erste Daten-Relais-Satellit …“), bereits 2008 im Prinzip beschlossen, soll dieses Jahr konkret werden: Auf zwei kommerziellen und mindestens einem speziellen Satelliten im GEO werden die Transponder untergebracht; GMES wird der erste Kunde. (Spaceflight Now 22.1.2010)

In rund einem Jahr beginnt der Bau einer chinesischen Raumstation

Ende 2010 oder Anfang 2011 soll nach allmählich klarer werdenden Plänen mit Tiangong-1 („Himmlischer Palast“) die erste Komponente einer chinesischen bemannten Raumstation in den Orbit gelangen, gefolgt von Ankoppelübungen mit der unbemannten Shenzhou 8 und der ersten Dreier-Besatzung mit Shenzhou 9. Lange kann sie nicht bleiben, da Tiangong-1 noch sehr klein ist und es auch an Vorräten fehlen wird, aber später sollen mindestens zwei Module dazu kommen. Und Fernziel bleibt eine große eigene Raumstation, von der aus es möglicherweise in den 2020-ern weiter zum Mond gehen soll. (Universe Today, Space Daily 20.1.2010, CCTV 29.12.2009. Und Spaceflight Now 28.12.2009 zur chinesischen Raumfahrtplanung insgesamt sowie Xinhua 29.12.2009 zu einem angedachten Satelliten zur Erforschung der Dunklen Materie) NACHTRAG: Der Start von Tiangong-1 ist definitiv erst 2011 möglich.

Indischer Sonnenforschungs-Satellit mit Mehrfach-Aufgabe: Aditya-1 soll 2013 gestartet werden und zum einen die Befindlichkeit der Sonne während bzw. nach dem tiefen Aktivitätsminimum ergründen. Aber es soll auch erforscht werden, wie sich Raumflugkörper im Sonnenschein aufheizen, denn da hat Indien noch Nachholbedarf: Der Mondorbiter Chandrayaan-1 fiel wegen Überhitzung vorzeitig aus, und von dem für 2015 angekündigten Einstieg in die bemannte Raumfahrt will man dieses Problem im Griff haben. (DNA 25.1.2010)

Alle Teile der ersten Falcon 9 sind am Cape angekommen

Und da im Oktober 2009 sowie am 2.1.2010 auch Testzündungen der ersten bzw. zweiten Stufe dieser u.U. wichtigen Rakete („Der erste kommerzielle Transporter zur ISS“) erfolgreich waren, darf in den kommenden Monaten – theoretisch ab dem 3. März – mit dem Start gerechnet werden. Wenn er gelingt, folgen drei Demonstrationsflüge zusammen mit der Dragon-Kapsel, der die NASA dann die Erlaubnis zum Besuch der ISS erteilen würde. (Spaceflight Now 29., 5., Space Today 6., Int’l Space Fellowship, Orlando Sentinel Blog, Nature Blog 5.1.2010) NACHTRAG: ein Press Release von Space X.

Indischer Riesenbooster-Test geglückt: Der Feststoffbooster S200, nach den Shuttle-Boostern und denen der Ariane 5 der drittstärkste der Welt, hat am 24. Januar tadellos 130 Sekunden lang gebrannt, womit das GSLV-Mk. III („Im Januar …“) auf Kurs für einen Erstflug Ende 2011 bleibt. Der Start des GSLV-D3 ist derweil auf März gerutscht. (ISRO Release 24., Hindu, DNA, Domain B 25., Hindu 23., 1.1.2010. Und Express Buzz 1.1.2010 zur – rosigen – Lage der indischen Raumfahrt insgesamt) NACHTRAG: Jetzt heißt es April.