Der seltsame Fall von VLT, CRIRES & Tau Boo b

Es begab sich am 27. Juni, dass binnen weniger Stunden zwei kleine Papers das Licht der Öffentlichkeit erblickten: mit derselben (durchaus bedeutenden) Entdeckung am selben Stern, mit demselben Instrument CRIRES am selben ESO-Teleskop VLT UT1 – aber von zwei völlig separaten Arbeitsgruppen, die durch zwei separate Anträge Beobachtungszeit bekommen hatten. Gemeint sind Brogi et al., The signature of orbital motion from the dayside of planet Tau Bootis b, Nature 486, 502-4, schon in der Nacht vorher auch als Preprint verbreitet und von einem ESO Press Release begleitet, und Rodler et al., Weighing The Non-Transiting Hot Jupiter Tau BOO b, als Preprint rund 10 Stunden nach der offiziellen Nature-Veröffentlichung verbreitet und von der Carnegie Institution beworben. Die die andere Arbeit erwähnt, die ESO aber nicht diese.

Beide Teams hatten im April bzw. Juni letzten Jahres 452 bzw. 116 Spektren des Sterns aufgenommen und es jeweils geschafft, das reflektierte Licht seines Planeten dank starker Kohlenmonoxid-Absorption zu isolieren: Damit konnten sie die Radialgeschwindigkeit des Planeten bestimmen, woraus sie wiederum auf seine Bahnneigung (rund 45°) und damit die genaue Masse (6 Jupiters) des Planeten schließen konnten. Der ist als solcher vielleicht nicht besonders interessant, von Atmosphären-Struktur-Details abgesehen, aber entscheidend war, dass erstmals eine neue Analysetechnik bei einem Exoplaneten funktionierte, der keine Transits vollführt, wie auch hier, hier und hier berichtet wird. Doch wie hatten die zwei Gruppen bei der ESO Meßzeit für ein identisches Projekt erhalten können? Normal ist das nicht, und so hat dieses Blog nachgefragt. Und Antwort bekommen.

Vom Head des Observing Programmes Office der ESO, Nando Patat: „This is indeed an interesting case. We will check how this could happen. One first explanation is that the two programmes were submitted in two different ESO semesters (86 and 87). They were therefore seen by different people, six months apart. One of the two is a large programme, meaning that it lasted over several semesters. This explains part of the problem. Although we have automatic target duplication checks in place (which spot conflicts in proposals submitted for the same period) what you report may signal a problem in the system, in the sense that there may be a glitch in the check between normal programmes against ongoing large programmes. This is now being checked.“

Vom Public Information Officer der ESO, Richard Hook: „This was indeed an odd occurrence. We (ESO ePOD) worked with the Leiden people [also Brogi et al.] to prepare the ESO press release and this all went pretty smoothly. They contacted us in plenty of time and were helpful. They didn’t mention the other paper at all and the first I heard was the AAS email on the same day as ours. The other team didn’t contact us and, as nothing had appeared publicly, we didn’t know anything about it.“

Von einem Mitglied des Leiden-Teams, Ignas Snellen: „It is indeed rather strange. It is indeed not ESO’s policy, but I think that something went wrong because our observations were done as part of a large program (already awarded a year earlier), while Rodler’s observations were awarded as a normal program. Our paper was already near acceptance with Nature when we learned about their work (and vice versa) – too late to combine things. In the end it does not make much difference. We got three times as much data as them, and therefore combining the data only increases the signal-to-noise by ~15%. In the end we have now two independent studies showing the same result – which is also valuable.“

Und von Florian Rodler: „[b]eide Proposals sind tatsaechlich voellig unabhaengig voneinander entstanden. Waehrend die Gruppe um Ignas Snellen (in der Matteo Brogi ist) ein ESO Large Program eingereicht hatten, hatten wir ein normales ESO Proposal mit einem aehnlichen Ziel eingereicht. Unser Proposal, bei dem ich der PI war, entstand aus dem alten Projekt meiner Doktorarbeit plus der Idee, im NIR nach CO-Absorption bei Tau Boo zu suchen. Beide Proposals wurden akzeptiert. ESO ist nie an mich herangetreten, damit unsere Gruppe mit Snellen’s Gruppe zusammenarbeiten moege. Wir fanden im Winter heraus, dass die andere Gruppe ein Naturepaper ueber Tau Boo eingereicht hatte und dieser bereits in Begutachtung war. Wir nahmen Kontakt auf und ueberprueften unsere Resultate und tauschten Informationen aus (allerdings nie die Artikel).

Wir koordinierten uns und beschlossen, unsere ApJ-Letters Publikation so lange zu verzoegern, bis der Artikel von Brogi et al. rauskam – denn waere unser Artikel frueher rausgekommen, so waere Brogi’s Artikel automatisch von Nature abgelehnt worden. Aus diesem Grund erschienen beide Artikel und Press-Releases am selben Tag. Natuerlich macht es Sinn, beide Resultate zu kombinieren. Allerdings wurden beide Datensaetze mit unterschiedlichen Datenreduktions- und Analysemethoden bearbeitet. Man muesste beide Datensaetze gemeinsam mit der selben Methode analysieren, um ein besseres Ergebnis zu erhalten.“

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