Aeolis Mons: in Episoden aus See-Sedimenten?

Auf einer ziemlich überraschend angesetzten Telecon – komplette und teilweise Aufzeichnung plus alle Visuals – haben Forscher des Marsrovers Curiosity vor drei Tagen Bild-Belege dafür präsentiert, dass der Zentralberg des Kraters Gale durch Sedimentablagerungen beim Kommen und Gehen eines Sees entstanden ist. Ein Paper dazu gibt es nicht, nicht mal entwurfsweise: Vielmehr hat man beschlossen, der Öffentlichkeit nun „rohere“ Wissenschaft – in Gestalt im Wesentlichen von Farbaufnahmen diverser Kameras des Rovers – zu bieten und sie beim Testen entstehender Hypothesen quasi zugucken zu lassen. Und da sehen wir – Anklicken liefert jeweils größere Bilder mit Maßstäben und Beschreibungen – dies:

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Ein Aufschluss am Rand des „Hidden Valley“ am Sol 712 = dem 7. August – die gleichmäßigen waagerechnten Schichten sind typisch für Sedimente auf dem Boden eines Sees, nicht weit der Stelle, wo Wasser hinein floss.

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Sehr fein geschichtete Sedimente im Aufschluss Pahrump Hills am Fuße des Aeolis Mons am 28. Oktober: Die dünnere Schichtung verweist auf eine Bildung in größerem Abstand vom Delta des einströmenden Flusses wie auch größere Wassertiefe als oben.

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Der „Whale Rock“ am 2. November zeigt typisches „cross-bedding“, gegeneinander geneigte Schichten: So etwas entsteht, wenn Wasser über ein lockeres Sedimentbett strömt – der Lage nach in diesem Fall vom Delta weg in tieferes Wasser und in Richtung des heutigen Aeolis Mons.

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Verkippte Sandstein-Schichten nahe Kimberley oben am 13. März und unten am 4. April: Sie neigen sich nach Südwesten, weg vom Kraterrand und hin zum Aeolis Mons – Hinterlassenschaften kleiner Deltas, die nach und nach die Sedimente Richtung Berg aufbauten. In der Mitte ein weiterer Blick in die Landschaft an dieser Stelle.

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Auch auf dem Zabriskie Plateau – am 22. Juli – neigen sich die Schichten nach Süden, Indiz für temporäre Deltas von Zuflüssen. Aber man befindet sich nun 25 Meter höher als bei den entsprechenden Schichten von Kimberley: Damit sind sie Zeugnisse einer jüngeren Episode einer solchen Delta-Bildung, derer es mehrere gegeben haben muss – und Curiosity fährt gewissermassen die Geschichte entlang.

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Dieser Prozess im Schema: Von rechts strömt Wasser in den See, wird abgebremst und bildet keilartige Sedimente, die sich in Richtung des Sees neigen – genau von der Art, wie sie Curiosity dieses Jahr mehrfach begegnet sind.

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Und das ‚große Bild‘ der Entstehung des Aeolis Mons, wie sie sich die Curiosity-Forscher jetzt ausmalen: durch eine Abfolge von Flüssen, Seen und Wüsten, ihre Sedimente später zur heutigen Bergform erodiert (rechts). Hell sind Ablagerungen durch Deltas aber auch in Trockenperioden von Wind angewehtem Material dargestellt, dunkel Sedimente am Boden des temporär auftretenden Sees. Einige 10 Mio. Jahre dürfte das so gegangen sein, vor etwa 3.5 Mrd. Jahren – und das gesamte Marsklima müsste damals (etwas später in der Marsgeschichte übrigens als lange angenommen) wärmer und feuchter als heute gewesen sein.

Denn sonst funktioniert das mit den oberirdischen Flüssen und dem See einfach nicht; womöglich war gar anderswo auf dem Planeten ein richtiger Ozean vonnöten, um ein hinreichend stabiles Klima zu erhalten. Wobei das Bild der Sedimente bisher nicht klar aussagt, ob es durchgängig oder nur episodisch so gut war: Das wird Curiosity vielleicht bei der weiteren Fahrt den Aeolis Mons hinauf heraus finden, während der Rover die Klimageschichte gewissermassen abliest. Und natürlich dann und wann auch chemische Untersuchungen des Materials vornimmt, die das Bild weiter abrunden: auch Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und mehr Links.

Ein dynamischer Vortrag über die Curiosity-Mission bis heute, gehalten vom PI des Curiosity-Experiments CheMin, das bisher die komplexe Mineralogie von 5 Bodenproben analysiert hat – auch was derweil Opportunity treibt, der Baubeginn von InSight, dem nächsten NASA-Lander, und Chinas Visionen für Marslandungen. Und wie sich dort bereits die Kleinsten darauf vorbereiten: u.a. mit Bordwaffen für Mars-Rover, man kann ja nie wissen …

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Lebens-Spuren in frischem Marsmeteoriten – alternativlos?

Kohlenstoff-Verbindungen tief in dem 2011 in Marokko gefallenen und 3 Monate später eingesammelten Meteoriten Tissint vom Mars interpretiert ein Mineralogen-Team aus China, Deutschland, der Schweiz und Japan (Lin et al., Meteoritics & Planetary Science 49 [2014] 2201-18) als Produkt biologischer Prozesse auf dem Mars: indem sie alle ihnen prinzipiell möglich erscheinenden Alternativ-Erklärungen ausschließen. Das Kerogen-artige Material stammte vermutlich aus einer Flüssigkeit, die in Brüche im Gestein eindrungen war, die ein früherer Impakt erzeugt hatte – später gab es dann einen weiteren Impakt, in dessen Folge einige der Kammern mit den organischen Ablagerungen isoliert (und etwas des Kohlenstoffs zu Mini-Diamanten) wurden: ebenso wie ein erhöhter Deuterium-Anteil ein Argument dafür, dass sie wirklich vom Mars stammen und keine späteren irdischen Verunreinigungen sind. Ihre Kohlenstoff-Isotopen sind gleichwohl erheblich leichter als im CO2 der Marsatmosphäre oder den Karbonaten des Planeten: „ein faszinierender Hinweis auf einen möglichen biotischen Prozess“, über den die Analyse freilich keine weitere Auskunft gibt. Die kosmochemisch naheliegendste Alternative wäre noch abiogenes organisches Material aus kohligen Chondriten – bei dem zwar die Chemie wie Isotopenverhältnisse passen würden, dessen Transport in den Meteoriten hinein aber kaum zu erklären wäre. Der Nachweis einer Flüssigkeit reich an organischen Verbindungen auf der Oberfläche des jungen Mars, die einst in die Ritzen des späteren Meteoriten kroch, würde das Bild der damaligen Umwelt des Planeten gravierend verändern: eine Pressemitteilung aus Bayreuth, ein Press Release aus Lausanne (von wo auch die beiden Videos stammen) und Artikel – teilweise mit mehr oder weniger konkreten Einwänden – hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Eine Antwort to “Aeolis Mons: in Episoden aus See-Sedimenten?”

  1. J19 Says:

    … Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf den Berg im Zentrum des Kraters Aeolis Mons zu nennen … und die Kurzbezeichnung des Kometen ist noch immer schlicht 67P. 😉

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