Darf man an Stelle von Dunkler Materie an der Gravitation spielen?

Über 25 Jahre befasst sich nun schon eine kleine aber lautstarke Minderheit von Physikern um den unermüdlichen Israeli Mordehai Migrom mit der Möglichkeit, die Evidenz für die Dunkle Materie des Universums verschwinden zu lassen, indem man willkürlich das Newton’sche Gravitationsgesetz abändert. Inzwischen gibt es auch relativistische Erweiterungen dieser „MOND“, und ihre Fans glauben, damit einen Großteil derjenigen Beobachtungen erklären zu können, für die sonst die – in der Standardkosmologie bei weitem über die normale Materie dominierende – Kalte Dunkle Materie (CDM) herangezogen wird. Und manchmal sei MOND sogar besser als CDM in der Lage, etwa kuriose Eigenschaften von Galaxienhalos zu verstehen.

Völlig anders sieht jedoch die etablierte CDM-Fraktion die Lage: Während MOND gerade mal ein paar lästige Details (wie die Rotationskurven von Galaxien, für die das Konzept einst erdacht wurde) erkläre, beschreibe die – unveränderte – Allgemeine Relativitätstheorie den ganzen Rest des Kosmos tadellos. Und es gibt auch manchen Befund, der klar gegen MOND zu sprechen scheint (siehe z.B. ISAN 81-10). Da hagelt es dann Tadel für die Populärpresse, die MOND als gleichwertige Alternative neben CDM stellt, und selbst die Redaktion von Nature, die das MOND-freundliche Halo-Paper (das sich allerdings nirgends explizit für diese Interpretation der Daten ausspricht) durchgelassen habe, wird kritisiert.

Neue kosmologische Beobachtungsprogramme sollten bald in der Lage sein, zwischen der vielfach abgesicherten Standdardkosmologie (siehe z.B. Artikel 265, 686 und C59) mit CDM und Dunkler Energie und einer MOND-artigen Welt zu unterscheiden – und vielleicht hat auch bald mal eines der zahlreichen Untergrundexperimente Erfolg, das direkt nach Kandidaten für die CDM sucht. Schon jetzt aber kann man festhalten, dass abweichende (aber physikalisch noch irgendwie vertretbare) Meinungen in der Mainstream-Forschung eben nicht unterdrückt werden: Die Flut provokativer Veröffentlichungen aus der MOND-Ecke in normalen Fachzeitschriften ist ein beredtes Beispiel.

Ferreira & Starkman, Science 326 [6.11.2009] 812-5, Ars Technica, Scientific American, Space.com 5., Centauri Dreams 4., SLAC, Cardiff Univ. Releases 2.11., Blanchet & Combes, Preprint 27., Starts with a Bang 27., Dynamics of Cats 9., Starts with a Bang 8., 6., Spiegel, BdW 1.10.2009, Gentile & al., Nature 461 [1.10.2009] 627-8, Uni Bonn PM, New Scientist, Spektrum, STV 30., Physics World 21.9., Milgrom, Preprint 26.8.2009. NACHTRAG: In einem anderen Paper machen sich mehrere der Halo-Autoren dann doch explizit für MOND stark.

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3 Antworten to “Darf man an Stelle von Dunkler Materie an der Gravitation spielen?”

  1. Kosmische Kuriosa kompakt « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] sie manche am liebsten loswerden wollen, glauben andere, direkte Spuren der Dunklen Materie bereits in astronomischen Daten gefunden […]

  2. Blog-Teleskop 40 » Beitrag, Blog, Carolin, Astronomie, Liefke, Stefan » Sheng Fui Says:

    […] in der internationalen Raumfahrtszene zu informieren. An anderer Stelle fragt der Blogautor Darf man an Stelle von Dunkler Materie an der Gravitation spielen und diskutiert eine Minderheitsmeinung, welche das Newtonsche Gravitationsgesetz außer Acht […]

  3. Kosmologen lassen sich die Kalte Dunkle Materie nicht wegnehmen: Facetten einer öffentlichen Debatte « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] einem Jahr wurde es hier schon einmal thematisiert: Gegen das in den vergangenen ~12 Jahren gewachsene Standard- oder Konkordanz-Modell der Kosmologie […]

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