Nachrichten aus der Fundamentalphysik kompakt

Auch Antiprotonen in den van-Allen-Gürteln gefangen

Wenn energiereiche Kosmische Strahlung auf die äußere Erdatmosphäre schlägt, entsteht ein wenig Antimaterie, und es war schon lange vermutet worden, dass diese teilweise in der ‚magnetischen Flasche‘ der van-Allen-Strahlungsgürtel der Erde landet, wo man schon länger auf Positronen gestoßen war – und jetzt hat dort das PAMELA-Instrument tatsächlich auch eine Handvoll Antiprotonen nachweisen können, 28 Stück in 850 Messtagen. Hochgerechnet ist dies gleichwohl das größte Antimaterie-Reservoir in Erdnähe, tausendmal dichter als im freien Weltraum vorhanden: Futuristische Raumschiffe mögen dort eines Tages auftanken können. Und wenn sie es erst bis zum Jupiter und Saturn geschafft haben, müssten sie in deren gewaltigen Magnetosphären noch wesentlich mehr Antimaterie vorfinden können. Vor allem beim Saturn sollte besonders viel Antimaterie gespeichert sein, da die ausgedehnten Ringe ein ideales Target für die Kosmische Strahlung darstellen. Vorerst kann man aber einen Erfolg der theoretischen Vorhersage des irdischen Antiprotonen-Gürtels feiern: Die meisten der Antiprotonen dort stammen aus dem Zerfall von Antineutronen, die wiederum die Kosmische Strahlung einige dutzend Kilometer über der Erdoberfläche in der dünnen Atmosphäre erzeugte. Einige Antiprotonen entstehen dabei aber auch direkt, im Paar mit jeweils einem Proton, und schaffen es ohne zu zerstrahlen bis in die Magnetosphäre. (Adriani & al., Preprint 25.7., New Scientist 4., Spiegel 6., BBC, Pharyngula 7., Ars Technica, UPI, Welt der Physik 8., Science Now, Starts with a Bang 9., Centauri Dreams 10.8.2011)

Antiprotonen und Protonen haben sehr genau dieselbe Masse, was die CPT-Symmetrie des Universums unterstützt: Das haben neue Experimente mit Helium-Atomen gezeigt, bei denen das Elektron durch ein Antiproton ersetzt wird. Solche Systeme lassen sich dann per Laser in andere Zustände versetzen, was dank Doppelstrahl nun Unschärfen durch den Doppler-Effekt weitgehend eliminieren konnte. Und bald soll das noch viel besser gehen: Die aktuelle Messgenauigkeit entspricht quasi dem Nachweis der Massenzunahme des Eiffelturms durch eine Spatz, später soll dann selbst eine Feder nachweisbar sein … (Hori & al., Nature 475 [28.7.2011] 484-8, auch Charlton, ibid 459-60; PM des MPIfQ, Physics World Blog 27., CERN Release, Symmetry Breaking, Quantum Diaries, Space.com 28.7., Pressetext 1.8.2011)

Naturkonstanten immer besser bestimmt – neue fundamentale Definition des Kilogramms rückt näher

Alle vier Jahre gibt es neue ‚amtliche‘ Werte für über 300 physikalische Konstanten, obskure wie auch wirklich fundamentale – und gerade bei der Bestimmung der Avogadro-, Planck- und Boltzmann-Konstanten hat es deutliche Fortschritte gegeben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es bis etwa 2015 eine neue Definition des Kilogramms („Eine fundamentale Definition …“) geben wird, die sich allein aus Naturkonstanten errechnet. Der Beschluss, diesen Prozess tatsächlich einzuleiten, dürfte damit wie erhofft diesen Oktober auf der General Conference on Weights and Measures in Paris getroffen werden. Das Kilogramm wäre dann direkt mit dem Planckschen Wirkungsquantum verkoppelt, das die Einheit J s = kg m^2 s^-1 hat: Bedenkenträger würden es gerne noch genauer bestimmt sehen als jetzt – aber das dürfte bis 2015 zu schaffen sein. (Nature News 26.7.2011. Auch Quantum Diaries 28.7.2011 zur Befindlichkeit von Experimental- und theoretischer Physik nach den bisherigen Nullresultaten des LHC in Sachen ’neuer Physik‘ und LBL Release 27., DLF 28.7.2011 zu neuen Neutrino-Experimenten sowie Gaisser & al., Preprint 9.8.2011 zu den bisherigen Erkenntnissen von IceCube)

Neue Runde auf der Jagd nach Gravitationswellen

Die Detektoren GEO600 in Deutschland und VIRGO in Italien haben jetzt einen koordinierten Science Run bis September begonnen, der eine kleine Hoffnung auf den ersten Nachweis kosmischer Gravitationswellen bietet, vor allem aber neue technologische Entwicklungen testet, die die nächste Generation von Laserinterferometern dramatisch empfindlicher machen soll. Gerade beim mit nur 600 Metern Armlänge eher kleinen GEO600 hat man besonders viele Innovationen einführen müssen, um mit den großen Brüdern VIRGO (3 km) und LIGO (4 km) mithalten zu können. Sollte der Kosmos ein Einsehen haben und in der Nähe zwei Neutronensterne verschmelzen lassen, müsste das ein nachweisbares Signal geben, und VIRGO allein hat auch eine vage Chance auf eine ‚Sichtung‘ des Vela-Pulsars bei 20 kHz. Auf jeden Fall ist es der erste koordinierte Science Run für Frequenzen von 1 bis 6 kHz, für die beide Detektoren besonders fit gemacht wurden. Anschließend wird VIRGO bis 2014/15 umgebaut, während GEO600 weiter ‚die Stellung hält‘. (PM des AEI, Hintergrund 5., STFC Release 8.8.2011)

Keine Hinweise auf „andere Universen“ in der Kosmischen Hintergrundstrahlung hat eine Suche nach ringartigen Strukturen im Echo des Urknalls zu Tage gefördert, die immerhin als vielversprechender Ansatz galt, eine Variante der Multiversums-Spekulationen tatsächlich mal zu testen – siehe auch diese Bestandsaufnahme zur Testbarkeit von Paralleluniversen vom letzten Jahr. (National Geographic 9., Not Even Wrong 5., UCL Release 3.8.2011, Cosmic Variance 22.12.2010 – seither ist die Signifikanz der damaligen vagen Indizien wieder verschwunden)

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Eine Antwort to “Nachrichten aus der Fundamentalphysik kompakt

  1. OPERA-Variation misst Neutrino-Geschwindigkeit direkter « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] General Conference on Weights and Measures („Naturkonstanten …“; CGPM) hat Ende Oktober ohne eine einzige Gegenstimme […]

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