Live-Blog von der 220. AAS-Tagung in Anchorage

Die Herkunft der Kometen ist weniger klar als bisher gedacht, führt der letzte Referent der letzten PK aus, Kometen-Altstar Mike A’Hearn: Entstanden sind sie wohl in der heutigen Uranus-Neptun-Region, und Bahnstörungen während der Migration der Planeten schleuderten sie in die Scattered Disk außerhalb des Kuiper-Gürtels, wo es zu einer teilweisen Durchmischung kam. [0:35 MESZ am 14. Juni] Zum Schluss noch Keplers Exo-Märse und die Mittwochs– und Donnerstags-Berichte: Tagung zuende! [0:25 am 15. Juni] Und noch ein allerletzter Bericht. [12:35 MESZ am 15. Juni – Ende]

Das Quaoar-Weywot-System fällt aus dem Rahmen: Wie Beobachtungen des Mondes auf seiner Umlaufbahn um das Kuipergürtel-Objekt zeigen, hat dies eine geradezu felsgleiche Dichte > 2.6 gm/cm^3 – und die Exzentrizität der Bahn ist e=0.14…0.16. Die Kollision, die das Doppelsystem schuf, muss besonders wild gewesesen sein; genau erklären lassen sich die Eigenschaften des Paares aber noch nicht. [0:25 MESZ]

Ein Retroreflector der nächsten Generation für den Mond wird auf der letzten PK präsentiert: Insbesondere die Libration macht den klassischen Modellen aus der Apollo-Zeit Probleme, und neue Gravitationstests rufen nach höherer Messgenauigkeit der Mondentfernung. „LLRRA-21“ würde sie um einen Faktor 10-100 verbessern. Und MoonEx soll ihn absetzen. [0:15 MESZ]

Grunsfeld beeindruckt Schüler – und einen TV-Reporter

Bei einem Auftritt am Rande der AAS-Tagung hat John Grunsfeld – Ex-Astronaut und jetzt Top-Science-Manager der NASA – nicht nur einen Saal voll Schülern sondern auch einen örtlichen TV-Reporter von KTUU mächtig inspiriert. Und der astrobites-Mittwoch-Vormittagsbericht ist da. [22:15 MESZ am 13. Juni. NACHTRAG: auch der Nachmittags-Bericht]

Kleine Exoplaneten brauchen keine metallreichen Sterne, um sich bilden zu können, große schon: Diese Einsicht aus der Untersuchung der Sterne von hunderten von Kepler-Planeten wird parallel in einem Nature-Paper und einer AAS-PK (und Pressemitteilungen aus Kopenhagen, Cambridge und Pasadena und hier) präsentiert. Hier Histogramme für Planeten kleiner (blau) und größer als 4 Erddurchmesser: Die ersteren können sich sogar um Sterne mit geringerem Gehalt schwerer Elemente als der Sonne bilden. Mithin dürfte die Milchstraße voll davon sein – und Exoerden könnten sich schon sehr früh gebildet haben. [20:20 MESZ] In der 2. Präsentation wird die Entdeckung eines Braunen Zwergs mit 30 Jupitermassen im Transit, KELT-1b, berichtet; eine andere Entdeckung des Mini-Teleskops ist ein Exojupiter um einen besonders hellen Stern. [20:25 MESZ] Braune Zwerge und massereiche Planeten mit Perioden < 5 Tagen um G-Sterne fallen durch Gezeitenkräfte bald in ihre Sterne: Das, so die 3. Präsentation, sieht man sowohl in Beobachtungen ("Braun-Zwerg-Wüste") wie in Simulationsrechnungen. [20:35 MESZ]

Intermezzo! Neuer NEA/PHA mit 14. Größe am Himmel

Der erst gerade entdeckte große erdnahe Asteroid – ein Potentially Hazardous Asteroid mit rund 500 Metern Durchmesser – wird in den kommenden Nächten auch gut über Deutschland zu sehen sein: Nach der gegenwärtigen Bahn wird er jeweils in der nautischen Morgendämmerung um 4:00 MESZ kulminieren, kommende Nacht nur 10°, in der Nacht 14./15. Juni schon 25° und in der folgenden gar 40° hoch; dann ist er bereits die ganze Nacht zu sehen. Und die Helligkeit liegt in den kommenden zwei Nächten jeweils bei 14.0 mag., danach geht es langsam abwärts. [19:00 MESZ. NACHTRAG: SLOOH plant eine Liveübertragung Donnerstagnacht]

Intermezzo, Forts.: NuSTAR ist im korrekten Orbit ausgesetzt worden! Die Pegasus-Mission – hier der Moment des Abwurfs vor 1/4 Stunde – ist nun zuende, und das Ausklappen der Sonnensegel des Satelliten hat schon begonnen. [18:15: MESZ] Die Bahnhöhe ist ~630 km, mit 6° Neigung. [18:20 MESZ] Die Solarzellen sind draußen, NuSTAR wird in die Sonne gedreht – und der Pegasus-Start ist genau nach Drehbuch gelaufen. Weitere Updates auch hier, die NASA-Übertragung endet. [18:25 MESZ] Die letzten Minuten auf dem Pegasus und die Payload Sep – der lange Teleskoparm wird erst in einer Woche ausgefahren. [18:45 MESZ. NACHTRAG: ein Caltech Feature, ein JPL Release und ein BBC-Artikel zum Start]

Intermezzo! NuSTARs Pegasus-Start in unter einer Stunde

Die Mission wurde auf der 219. AAS-Tagung vorgestellt („Auf zu hohen (Röntgen-)Energien …“, Item 3) – und während der 220. startet sie: Das Trägerflugzeug mit der Pegasus-Rakete und dem Röntgensatelliten NuSTAR hat gerade in Kwajalein abgehoben, und um 18:00 MESZ soll die Reise in den Orbit beginnen. Es gibt Live-Video zu sehen (das die Pegasus-Nase zeigt) und Updates zu lesen. [17:05 MESZ] Einen offiziellen Launch-Blog der NASA gibt’s auch: Es bleibt bei 18:00 MESZ für den Abwurf; die Drop-Box wird in ein paar Minuten erreicht. Alles grün. [17:15 MESZ] Das Flugzeug fliegt jetzt in der Abwurfzone; viel zu sehen gibt’s weiterhin nicht. [17:25 MESZ] Der Pegasus ist gut weg gekommen: 1. und 2. Stufe brannten planmäßig, NuSTAR jetzt auf 2. Stufe coasting in 354 km Höhe, alles bestens. [18:05 MESZ] 2. Stufe abgetrennt, 3. Stufe brennt. [18:10 MESZ]

Ein Konferenz-Poster in Gestalt eines handgemalten Comics ist auf der Tagung entdeckt worden: L Dwarfs in the Catalina Real-time Transient Survey: Beats And Freaks ist der Titel. [3:40 MESZ] Weitere Blog-Berichte von der Tagung hier, hier und hier entdeckt. [16:55 MESZ]

Die AAVSO hat den gesamten Himmel photometriert

zwischen 10 und 17 mag. als Grundlage für die Helligkeitsmessung von Novae etc., die ja überall auftauchen können: Dieses Zwischenergebnis der AAVSO Photometric All-Sky Survey präsentiert der Direktor der AAVSO in der 4. PK. Der Helligkeitsbereich schließt eine Lücke zwischen existierenden Satelliten- und Großteleskop-Durchmusterungen: 40 Mio. Sterne liegen darin. [0:15 MESZ] Die magnetische Altersbestimmung von M-Sternen ist Thema der 2. Präsentation: Die Age-Rotation-Activity-Beziehungen können jetzt geeicht werden, was viele Bereiche der Astronomie beeinflusst – schließlich ist dies der häufigste Sterntyp. [0:35 MESZ] Der Eta-Carinae-Homunculus als „Labor“ ist Thema der 3. Präsentation: Im Jahr 2014 wird sich die Geometrie des Doppelsystems so gedreht haben, dass seltene – und im irdischen Labor unmögliche – Messungen der Atomspektroskopie möglich werden; eine große Kampagne wird schon vorbereitet. [0:45 MESZ] Und weitere Berichte vom Di-Morgen … [0:50 MESZ] … und -Nachmittag. [2:25 MESZ]

Ein vierter Exoplanet, der um ein Sternpaar kreist, ist in den Keplerdaten entdeckt worden: Die Masse von Kepler 38 ist kaum bestimmt, dürfte aber um 20 Erdmassen liegen. Und noch vier weitere Kandidaten für zirkumbinäre Planeten wurden im letzten Vortrag der 1. Kepler-Session vorgestellt. [21:40 MESZ am 12. Juni]

Ein Hoch auf Transit Timing Variations von Exoplaneten in einem weiteren Vortrag der Kepler-Session. [21:30 MESZ]

Die meisten Planeten-Kandidaten Keplers in Planetensystemen sind echt und keine False Positives: In der Webinar-übertragenen Kepler-Session (s.u.) wird diese Erkenntnis vom 1. Autor erklärt. Und die meisten Exoplanetensysteme sind extrem flach. [21:10 MESZ]

AAS-Pressekonferenz als Forum für Kosmologie-Häretiker

Der Sinn der dritten PK auf der AAS-Tagung erschließt sich diesem Blogger nicht: Hier traten im Wesentlichen bekannte Vertreter von Außenseitermeinungen wider die weithin akzeptierte Standardkosmologie auf, um ihre seit vielen Jahren bekannten Thesen ohne neue Erkenntnisse zu verbreiten – etwa dass alternative Gravitationstheorien Galaxiendynamik besser als Dunkle Materie erklären sollen oder dass die WMAP-Karte der Hintergrundstrahlung verseucht durch Effekte im nahen interstellaren Medium sei (Bild). Kein Wort zur Kritik an diesen Deutungen in der Zwischenzeit – aber wenigstens kann keiner sagen, die Hüter der Orthodoxie würden Abweichler unterdrücken … [20:45 MESZ]

Intermezzo! Die Quintessenz der Venus-Beobachtungen auf Rhodos während der einwöchigen Expedition, mit mehreren Phasen der Aureole beim Austritt nach dem Transit und der Voll-Ring-Venus davor und danach. Anklicken der von T. Kampschulte erstellten Collage liefert die volle Auflösung. [14:50 MESZ] Und was als nächstes kommt, für Deutschland: von der Jupiterbedeckung nächsten Monat bis zum Merkurtransit 2016. [18:45 MESZ]

Heute 20:00 MESZ Kepler-Subtagung live, online, für alle

Im Rahmen der 220. AAS-Konferenz findet auch ein „Kepler Meeting-in-a-Meeting“ statt – und zumindest die erste Session heute von 20:00-21:30 MESZ kann im „Webinar“-Format frei online verfolgt werden: Diese Vorträge werden ab 20:00 MESZ geboten. Aufzeichnungen der Pressekonferenzen sollten derweil hier verfügbar werden, wie es bereits für fünf frühere Meetings der Fall ist. [14:30 MESZ]

Eine schwache Lyman-Alpha-Galaxie mit Rotverschiebung 7, LAE J095950.99+021219.1 im COSMOS-Feld, ist die schwächste ferne Galaxie aus der Zeit der Reionisation – und man sucht bereits nach vergleichbaren Objekte mit z~8, um diese Epoche besser zu verstehen. [0:35 MESZ] Weitere AAS-Berichte vom Vormittag des 11. Juni Alaska-Zeit. [1:10 MESZ] Und vom Nachmittag. [1:25 MESZ]

Es gibt eine klumpige Gasbrücke zwischen M 31 und M 33, hat das Green Bank Telescope bestätigt: Die Klumpen – von den Ausmaßen von Zwerggalaxien, ~1 kpc; künstlerische Darstellung – belegen eine Wechselwirkung der beiden Galaxien der Lokalen Gruppe in der Vergangenheit. Viele Details sind aber noch unklar, und die Gasemission ist so schwach, dass nur das GBT überhaupt etwas sehen kann. [0:24 MESZ]

Sind diese zwei SMBHs über- oder ihre Galaxien untergewichtig? In der ersten Präsentation der zweiten AAS-220-PK werden Chandra-Daten der beiden Galaxien präsentiert: Ihr heißes Gas reicht weit nach draußen, Beleg für Dark Matter – die Galaxien wurden also nicht ihrer Sterne beraubt (wobei auch die DM reduziert worden wäre). Damit ist in diesen Fällen die bekannte Korrelation von SMBH-Masse und Bulge-Masse klar durchbrochen. [00:18 MESZ]

Eine „goldene Ära der Sonnenforschung“ ist angebrochen

Zehn Zeitzonen weit weg in Alaska hat jetzt die 220. Tagung der American Astronomical Society begonnen, und die Pressekonferenzen können wieder – wenn man das Passwort kennt … – per Livestream verfolgt werden. Die erste Runde beschäftigt sich mit der Sonne. In der ersten Präsentation geht es um Gammastrahlung hoher Energie während Sonnenflares mit mehr als 100 MeV: vermutlich werden in den Flares Protonen beschleunigt, die mit anderen Teilchen kollidieren und Pionen produzieren, die dann in Gamma-Paare zerfallen. [20:17 MESZ. NACHTRAG: ein NASA Press Release dazu] „Turbulentes Pumpen“ scheint bei der Funktion des Sonnenzyklus eine wichtige Rolle zu spielen, schließt der 2. Referent: Daher hat die Sonne nur ein ‚kurzes Gedächtnis‘. Und Voraussagen ihrer Aktivität bleiben schwierig … [20:26 MESZ] Die 3. Präsentation handelt von automatischer Auswertung – ein großes internationales Projekt – der Flut von Live-Sonnendaten, die in Zukunft noch zunehmen wird: Da gibt es z.B. „Sigmoid-Sniffer“ zur Voraussage von Flares – und die Software kann auch’lernen‘, noch gar nicht in der Literatur beschriebene Vorläufer zu erkennen. [20:34 MESZ] Sprecher Nr. 4 meint, dass rund 70% der Korona-Heizung durch Wellen-Dämpfung in geringer Höhe erklärt werden kann – wie die Energie umgesetzt wird, bleibt allerdings rätselhaft. [20:40 MESZ] Ein Meta-Referent schließlich hält dies für „a smoking gun“, da in den zu Grund liegenden Hinode-Daten tatsächlich Energie fehlt. Und in den nächsten 5 Jahren werde die Sonnenforschung dramatische Fortschritte machen. [20:44 MESZ am 11. Juni]

3 Antworten to “Live-Blog von der 220. AAS-Tagung in Anchorage”

  1. Live-Blog über Shenzhou-9 zu Tiangong-1 « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Die moderat nahe Erdpassage (“Intermezzo! Neuer NEA/PHA …”) des ziemlich großen NEA 2012 LZ1 ist vielfach […]

  2. Wie baut man einen Tatooine? « Zauber der Sterne Says:

    […] übrigens auf der AAS-Tagung vergangene Woche bekannt gegeben wurde, wurde mit Kepler 38 mittlerweile der vierte Kepler-Planet entdeckt, der sich um einen […]

  3. Neuester Röntgensatellit NuSTAR öffnet die Augen! « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Woche nach dem Pegasus-Start am 13. Juni hat der neue NASA-Röntgensatellit NuSTAR seinen 10 Meter langen Arm ausgefahren, der die beiden […]

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