Eine Wolfram-Kugel im Orbit bestätigt „Frame-Dragging“ schon auf 1.5 Prozent genau

Wem ist eigentlich bewusst, dass seit diesem Februar eine 386.8 kg schwere und 36.4 cm große massive Kugel aus dem dichten Metall Wolfram in 1450 km Höhe um die Erde fliegt – und dabei eine wesentliche Voraussage der Allgemeinen Relativitätstheorie mit um eine Größenordnug höherer Genauigkeit als alle Vorgänger überprüfen soll? Und diesem italienischen Passiv-Satelliten namens LARES – oben bei den Startvorbereitungen – ist dies bereits im ersten halben Jahr seit seinem Start auf der ersten Vega-Rakete weitgehend gelungen, war heute auf der Tagung „from quantum to cosmos 5“ in Bergisch-Gladbach zu erfahren, wo Ignazio Ciufolini erste Ergebnisse aus der Bahnverfolgung dieses Satelliten per Lasermessung verriet, dessen Name gleichzeitig ein Akronym für LAser RElativity Satellite und ein Anagramm von LASER ist und zudem auf römische Schutzgötter Bezug nimmt.

Viele Details des Erfolges mochte Ciufolini vor einer formellen Publikation noch nicht verraten, aber doch genug: Noch nie war ein künstlicher Satellit gleichzeitig so klein und so massereich, und entsprechend ist auch noch nie einer so ungestört von Luftreibung auf seiner Bahn allein dem Schwerefeld der Erde gefolgt. LARES übertrifft damit seine Vorgänger LAGEOS I und II, aus deren sich langsam drehender Bahnebene bereits 2004 eine Bestätigung des relativistischen „Frame-Dragging“ auf 10% genau abgeleitet worden war (Artikel 963). Möglich gemacht hatte dies die höchpräzise Vermessung des Schwerefelds der Erde durch das Satellitenpaar GRACE (Artikel 713 und 447), denn der alles andere als kugelsymmetrische Aufbau des Planeten muss bei der Analyse der Bahnebenen-Drehung genauestens heraus gerechnet werden: Ciufolini beschreibt dies anschaulich in einem großen Review-Artikel in Nature 449 [6.9.2007] 41-47.

Inzwischen sind die GRACE-Vermessungen natürlich noch viel besser als damals, und die wesentlich störungsärmere Bahnvermessung des LARES hat zusammen damit und mit den früheren LAGEOS-Erkenntnissen den Relativitätstest dramatisch verbessern können. Nach dem gegenwärtigen Stand der Analyse beträgt das Frame-Dragging 100.3±1.6 % des erwarteten Wertes, d.h. das auch als Lense-Thirring-Effekt bezeichnete „Mitziehen“ des Raumes durch die rotierende Erde ist auf 1.5% genau bestätigt. Der weit aufwändigeren Gravity Probe B war dies nur auf 19% genau gelungen … Die erhofften 1% Genauigkeit sollte LARES in ein paar Jahren spielend schaffen – wobei es übrigens erstaunlich diffizil ist, solch einen scheinbar simplen passiven Satelliten mit (in diesem Fall 92) Laser-Retroreflektoren zu bauen: Die verziehen sich nämlich leicht unter Weltraumbedingungen, und der Satellit ist nicht mehr zu orten. NACHTRAG: Vier Jahre später spricht man von ~5% – nach einiger Diskussion

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3 Antworten to “Eine Wolfram-Kugel im Orbit bestätigt „Frame-Dragging“ schon auf 1.5 Prozent genau”

  1. Ein Paradigmen-Wechsel der Physik … verkündet in Bergisch-Gladbach « Bonner Sterne Says:

    […] versprochen – in der Ferne den Kölner Dom sehen kann. Dabei war u.a. zu erfahren, dass der Satellit LARES die Allgemeine Relativität exzellent bewiesen hat (was vorher wahrscheinlich noch nie öffentlich verkündet worden war), dass für die Zukunft der […]

  2. Allgemeines Live-Blog ab dem 1. Juni 2013 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Asteroiden-Suchprogramme an. Auch ein Paper über den Relativitätstester LARES (dessen Ergebnisse hier längst diskutiert wurden), die bevorstehende NASA-Entscheidung, ob einer der geschenkten NRO-Satelliten WFIRST werden […]

  3. Allgemeines Live-Blog ab dem 12. Juli 2022 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Sein Vorgänger LARES – der mit der ersten Vega überhaupt startete – hat sich bereits vor 10 Jahren dabei verdient gemacht. Der laaange Webcast der ESA geht aber immer noch weiter, da die Oberstufe den Orbit […]

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