Allgemeines Live-Blog vom 3. bis 5. August 2014


5. August

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Und das gestrige NavCam-Bild, aus 234 km Distanz ungefähr entlang der großen Achse von C-G aufgenommen, hier kaum mehr nachvergrößert. Auch die Timeline Rosettas, die Pläne für Philae, dessen Instrument Ptolemy, der morgige Webcast, ein halbstündiges Radio-Feature der BBC und Artikel hier, hier, hier, hier, hier und hier. Sowie ExoMars 2018 weiter 2018, IBEX & die Voyagers als Heliosphären-Forscher, eine enge Begegnung mit Raumschrott für UniBrite, ein weiterer Falcon-9-Start heute (mehr, mehr und mehr – und Tests mit den Triebwerken des SLS, das auch viele CubeSats mitnehmen soll. [15:50 MESZ – Ende. NACHTRAG: zu Rosettas Ankunft auch dieses Essay und ein Arianespace Press Release – und wie dieses Blog erfahren hat, werden morgen Punkt 11:30 MESZ umwerfende OSIRIS-Bilder von heute veröffentlicht und wohl schon etwas früher im Webcast aus dem ESOC nach 10:45 MESZ zu sehen sein]

Der Mond bedeckte gestern den Saturn und seine Monde – und weil bei diesem Video aus Australien die Belichtung stark variiert wurde, ist das auch zu sehen. Auch kommende Konjunktionen von Jacques mit Deep-Sky-Objekten, der Komet gestern und vorgestern sowie Siding Spring, Catalina und Oukaimeden, ein Planetariums-Preis, neuartige Robo-AO auf Hawaii – und das Large Synoptic Survey Telescope kommt wirklich. [13:10 MESZ]

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Heftiger Vulkanismus auf dem Jupiter-Mond Io letztes Jahr ist von den Teleskopen Keck II (a-c) und Gemini (d) im IR verfolgt worden, drei massive Ausbrüche innerhalb einer Zwei-Wochen-Periode: weitere Press Releases hier, hier und hier. [0:35 MESZ] Und noch ein paar Artikel hier, hier, hier und hier. [12:34 MESZ]


4. August

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250 Jahre Sonnenflecken-Zahlen: Es war alles ganz anders

Seit dem 19. Jahrhundert wird die Zahl der Sonnenflecken und Fleckengruppen systematisch beobachtet, und anhand älterer Astronomen-Aufzeichnungen lässt sie sich bis zur Erfindung des Fernrohrs zurück rekonstruieren: Das Auf und Ab der Sonnenaktivität über Jahrhunderte ist von fundamentaler Bedeutung für das Verständnis des Sonnendynamos wie auch als Eingangsgröße für Klimamodelle. Doch Probleme sind offenkundig: Oben geglättet die beobachteten bzw. rekonstruierten Relativzahlen (also 10 x Zahl der Gruppen + Zahl der Einzelflecken) in rot und die Zahl der Gruppen mal einer Konstanten in grün – da anfangs oft nur die Gruppen-Zahl aufgeschrieben wurde, ist letzteres inzwischen die populärere Messgröße geworden. Die Widersprüche zwischen beiden Zeitreihen sind vor dem 20. Jahrhundert allerdings so eklatant, dass sich seit einigen Jahren eine Arbeitsgruppe – ohne dafür bezahlt zu werden, wie sie lauthals klagt – um deren Beseitigung bemüht. In einem kürzlich vorgelegten sehr umfangreichen Bericht stellt sie den Zwischenstand dar: Vier gravierende Fehlerquellen wurden gefunden, die zu falschen Trends oder gar Sprüngen bei beiden Zeitreihen geführt haben. Nach deren Korrektur (unten) schwinden nicht nur die Diskrepanzen: Der gesamte Zeitverlauf der Sonnenaktivität seit 1750 – kurz nach dem Ende des Maunder-Minimums – stellt sich nun deutlich anders dar.

Es gibt nämlich jetzt einen vermeintlichen Trend mehr zu immer höheren Maxima schlicht nicht mehr, das angebliche „Grand Maximum“ in der 2. Hälfte des 20. Jh. erweist sich als Illusion. Ungewöhnlich war da lediglich, dass von 6 aufeinander folgenden Maxima 5 besonders hoch ausfielen – aber (bis auf ein einziges) eben nicht nennenswert höher als 100 und 200 Jahre früher. Und im Detail betrachtet fallen weder das letzte Minimum, das besonders lang und tief war, noch der schlappe laufende 24. Zyklus aus dem Rahmen des schon Gesehenen: Anzeichen für ein kommendes neues Maunder-Minimum sind sie nicht, Punkt. Fleißig werden jetzt weitere historische Aufzeichnungen gesucht, die noch nicht digitalisiert sind, und die Analysen gehen weiter: Wie man sieht, passt es im späten 18. Jh. immmer noch nicht gut – und davor noch viel schlechter. Und bislang wird auch nur die Gesamtzahl der Flecken bzw. Gruppen betrachtet: In einer späteren Phase sollen auch ihre Breitenverteilung (vgl. ISAN 75-6), das Aussehen der Gruppen usw. möglichst umfassend rekonstruiert werden; so scheint z.B. die mittlere Fleckenzahl pro Gruppe mit der Zeit etwas zu schwanken. In außergewöhnlichem Umfang hilft hier die Astronomiegeschichte der modernen Astrophysik, aber es ist ein mühsames Geschäft. [23:50 MESZ]

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Churyumov-Gerasimenko gestern aus 300 km Abstand von Rosettas NavCam aufgenommen: Er füllt jetzt schon so viele Pixel, dass hier erstmals nur die nicht interpolierte Version gezeigt wird! Der Bildausschnitt wurde lediglich um einen Faktor 2 vergrößert. Auch was heute in Mission Control passiert, ein bisschen Physik bei Mini-Schwerkraft, allerlei Spekulationen über die Oberfläche – und ein Pinterest-Board v.a. mit Amateur-Daten von 67P, die natürlich noch spärlich sind. [15:10 MESZ] Eine erste Interpretation, Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier – und OU-Medien-Training mit Rosetta. [22:55 MESZ]

Drei aktuelle Papers, die hinter Paywalls eingesperrt sind

sorgten in den letzten Tagen für Schlagzeilen, wofür natürlich die zugehörigen Press Releases gesorgt haben. Hier steht, was drin steht:


  • Klassische Novae sind Quellen von Gammastrahlen, und unter den drei vom Large Area Telescope auf dem Fermi-Satelliten 2012/13 jeweils 2-3 Wochen als Gamma-Quellen gesichteten ist auch die zeitweise mit bloßem Auge sichtbare Nova Delphini 2013 alias V339 Del. The Fermi-LAT Collaboration (Science 345 [1.8.2014] 554-7) ist ehrlich überrascht: Bisher kannte man Gamma-Emission nur von der symbiotischen Nova V407 Cyg von 2010, wo die in die dichte Windzone des Roten Riesen-Begleiters hineinlaufenden Ejekta einen offensichtlichen Mechanismus für die notwendige Teilchenbeschleunigung bieten. Doch bei klassischen Novae ist der Materiespender, der den Weißen Zwerg fütterte, bevor es zur thermonuklearen Explosion kam, ein gewöhnlicher Stern, da klappt das nicht. Jedenfalls sind fortan alle Novae Gamma-verdächtig: ASU und NASA Releases, eine PM aus Innsbruck und ein Artikel.

  • Sind Nanoflares der Mechanismus, der die Sonnenkorona heizt? In diesem Erklärungsansatz für eines der hartnäckigsten Mysterien der Astrophysik kommt es in den koronalen Bögen permanent zu kleinen unabhängigen Heizereignissen, die mit Feldlinien-Rekomnination (wie bei den großen Flares) zusammen hängen können oder auch nicht. Eine klare Voraussage dieses Modells ist omnipräsentes Plasma, das noch viel heißer als der Rest der Korona ist – und Emission genau davon scheinen Brosius et al. (Astrophysical Journal 790 [1.8.2014] 112) letztes Jahr mit dem Extreme UV Normal Incidence Spectrograph (EUNIS-13) bei einem Raketenflug gesehen zu haben. EUNIS konnte mit seiner hohen spektralen Auflösung die Fe XIX-Linie bei 59.22 nm, die von 9 Mio. Kelvin heißem Plasma stammt, von der Fe XII-Linie (59.26 nm, 1.6 Mio. K) trennen – und diese Emission war überall. Das ist zumindest „konsistent mit dem Nanoflare-Heizungs-Modell der Sonnenkorona“ und „the strongest evidence to date“ dafür; alternative Erklärungen für die Fe XIX-Emission werden nicht diskutiert: ein NASA Release.
  • Die junge Erde wurde noch 500 Mio. Jahre lang durch gigantische Impakte umgegraben, schließen Marchi et al. (Nature 511 [31.7.2014] 578-81) aus der Statistik der Krater auf dem Mond, wo die geologische Frühgeschichte wesentlich besser überliefert ist als auf der Erde. Die Kraterzahlen wurden in einen Projektil-Fluss umgerechnet und dann die Geschichte der Erde rund 5000-mal simuliert: Nur so wird man der Statistik kleiner Zahlen Herr, da Megaimpakte auch damals sehr seltene Ereignisse waren. Bis vor 4.15 Mrd. Jahren durften die Impaktoren bis zu 4000 km groß sein (wie die größten Planetesimals), danach noch bis 1000 km (wie heute Ceres, der größte Bewohner des Hauptgürtels). Ergebnis: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde die Erdoberfläche bis in 20 km Tiefe „umgegraben“, der Planet wurde sterilisiert (1-4 Impakte von Brocken > 1000 km), und die Urozeane verdampften komplett, „dank“ 3-7 Impakten von Brocken > 500 km. Typischerweise fand der letzte 500-km-Einschlag vor 4.3 Mrd. Jahren statt, in 10% der Simulationen aber erst vor 4.0 Mrd. Jahren. Das Hadean, wie diese Epoche heißt, war schon sehr ungemütlich, und eventuelles Leben schon damals war besser sehr hitzebeständig und gut versteckt: NASA, SwRI und SSERVI Releases und Artikel hier, hier, hier und hier.

Sollten sich diese Papers in die Freiheit des Open Access durchkämpfen können, gibt’s hier die Links. [14:55 MESZ]


3. August

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Churyumov-Gerasimenko gestern aus nur noch ca. 500 km Abstand und in wieder einem anderen Rotationszustand von Rosettas NavCam aufgenommen, wobei die ESA diesmal freundlicherweise Bildartefakte gleich selber entfernte – auch eine Würdigung der Bilder bisher und das erfolgreiche vorletzte Bahnmanöver. Ferner ist heute der 10. Jahrestag des Starts von MESSENGER, der kürzlich ganz tief über den Merkur flog, es wird weiter gerätselt, was aus ExoMars 2018 wird, MOM vor dem Einschuss in den Mars-Orbit, weitere Fortschritte bei Curiosity, der Status von Dawn vor Ceres, Gezeter (mehr und mehr) über die Asteroid Retrieval Mission, wie Apollo damals empfunden wurde, ein On-Board-Video des Absetzens des 5. ATV (und ein Amateurfilm und Bilder hier und hier vom Start), der Start des nächsten GPS-Satelliten (mehr und mehr Links), 2 Jahre NuSTAR, der Status des HST – und die bescheidene Realität hinter einem angeblichen Wunder-Triebwerk (mehr) der NASA. [19:35 MESZ. NACHTRAG: noch ein (auch meta-)kritischer Artikel zu der Sache]

Asteroid entpuppt sich als Komet: 6-au-Perihel Ende 2016

Der zunächst als Kleinplanet verbuchte 2014 OE4 hat sich jetzt als Komet erwiesen: Sein Perihel in enormen 6.2 au Sonnenabstand wird er erst Ende 2016 erreichen. Auch die Kometen Jacques – weiter mit detailreichem Plasmaschweif – heute (mehr, mehr und mehr), gestern (mehr), vorgestern, am 29. Juli und an mehreren Tagen und Marsbesucher Siding Spring gestern (mehr), am 28. Juli und an mehreren Tagen. Sowie zahlreiche Bilder vom Mars 2014 eines einzelnen, ein schwimmendes Polarlicht-Hotel in Norwegen – und erstaunliche Filmaufnahmen der Milchtraße mit 24 fps bei ISO 410’000 mit der neuen ‚Astro‘-Kamera Sony a7s. [19:00 MESZ]

2 Antworten to “Allgemeines Live-Blog vom 3. bis 5. August 2014”

  1. Daniels Dies & Das Says:

    […] ArXiv: Ein bemerkenswertes Riesen-Paper revidiert den Verlauf der Sonnenaktivität der letzten 250 Jahre – Astronomiegeschichte, die […]

  2. Allgemeines Live-Blog ab dem 9. August 2015 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] irritierender Press Release der IAU zur neuen Rekonstruktion der Sonnenfleckenzahl, die zum einen bereits vor einem Jahr publiziert worden war und zum anderen kaum Klimarelevanz besitzt, weil auch mit der alten die Rolle des […]

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