Fundstücke von der 228. AAS-Tagung in San Diego

Außer der Präsentation des zweiten Gravitationswellen-Events – die Physiker waren sichtbar angetan, nun als echte Astronomen ernst genommen zu werden – gab es auf der alle halben Jahre stattfindenden wichtigsten allgemeinen Astro-Tagung diese Woche natürlich noch mehr: zunächst ein Blick auf die Pressekonferenzen, von denen es hier komplette Aufzeichnungen gibt („Press Conferences from AAS 228“), in genau umgekehrter zeitlicher Abfolge, da just die allerletzte Präsentation vorgestern Nacht die vielleicht interessanteste war.

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Gamma-ray Bursts doch als Standardkerzen verwendbar?

Die kosmischen Gamma-Blitze leuchten quer durch das Universum und wären tolle Maßstäbe für kosmologische Messungen, wenn man irgendwie die absoluten Helligkeiten individueller GRBs festnageln könnte: Bei den bislang führenden Typ-Ia-Supernovae erfordert das vergleichsweise geringe Korrekturen anhand messbarer Eigenschaften, aber die Gammabursts streuen zunächst wild herum. Erste Versuche, sie mit zwei Parametern zu bändigen, waren nur mäßig erfolgreich, aber mit dreien lassen sie sich in eine Ebene bringen, womit eine mögliche kosmologische Anwendung näher rückt [NACHTRAG: eine verspätete Zusammenfassung]. „Das Abenteuer begann vor mehr als 10 Jahren“, und nun könnten bald eine unabhängige Hubble-Konstante, die vielleicht die „Spannungen“ mit Planck lösen, und andere Parameter des Kosmos heraus kommen. Immerhin lassen sich GRBs bis Rotverschiebungen von 9.4 nachweisen und wohl noch darüber hinaus!

  • Ziemlich aus dem Rahmen fiel ein lebendiger Vortrag mit nur einem Bild, das eine neuartige Visualisierung eines Kretschmann-Skalars diskutierte, den der Referent bereits 1999 berechnet hatte.

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    Wenn ein Schwarzes Loch einem Paar aus zwei anderen begegnet, was in Kugelsternhaufen besonders wahrscheinlich ist, dann passiert typischerweise das hier: Sie bilden ein Dreikörper-System in wilden Konvulsionen, und am Ende wird der masseärmste der drei Partner herausgeworfen (hier einer des alten Paares, nach oben), während die beiden massereicheren ein engeres Paar bilden. In einem Kugelhaufen geht es mithin zu wie in einem Moshpit (fragen Sie notfalls einen Punk-Fan, was das ist) – und das überraschend massereiche Schwarzloch-Paar, das das Gravitationswellen-Event vom September verursachte, könnte das Produkt solcher Prozesse gewesen sein.

  • Auf einer der PKs wie auch der Tagung selbst wurde argumentiert, über das Multiversum dürfe nun seriös diskutiert werden, etwa auch im Sinne einer fernen Zone des Kosmos mit anderen Gesetzen – die sich in unserem Teil durchaus bemerkbar machen könnten. Andere bleiben skeptisch

  • Eine kuriose Berechnung zum „Fermi-Paradoxon“ lässt einen Anruf von ET in 1500 Jahren erwarten, womit das eh reichlich kontroverse Problem nur eine Frage der Zeit wäre.

  • Ein Light at Night Index wird vorgeschlagen, um die Effizienz der Lichtnutzung kommunenweise zu quantifizieren – bisher nur in den USA, wo es schon große Unterschiede gibt.

  • Die Helligkeit des Jungsterns FU Orionis geht permanent zurück seit einem Ausbruch 1936, auch wenn er weiter akkretiert: Das verrät etwas über die Anfänge auch des Sonnensystems.

  • Das erste komplexe organische chirale Molekül im Wetraum ist in Sgr B2 gefunden worden: weitere Press Releases hier und hier und Artikel hier, hier, hier und hier.

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    Simulationen der Entstehung von Galaxien werden immer besser, wie am Beispiel des FIRE-Projekts (oben) überzeugend dargestellt wurde, das Feedback-Prozesse durch die gebildeten Sterne berücksichtigen kann (dazu Papers hier, hier, hier und hier): Die künstlichen Galaxien sind von echten nicht mehr zu unterscheiden (Mitte). Und viele scheinbare Detailprobleme des heutigen kosmologischen Standardbildes wie das vermeintliche Fehlen von Zwerggalaxien lösen sich quasi in Nichts auf [NACHTRAG: ein später Artikel dazu].

  • Eine wichtige Rolle niederenergetischer Elektronen bei interstellarer Chemie, die man bisher auf die Wirkung von UV-Photonen zurück führte, sieht ein neues Modell, das auch präbiotische Moleküle einschließt.

  • Beim Planetensystem um Kepler-108 sind die Bahnen der beiden Planeten geneigt zueinander, um stolze 30°; so dass jeder Transit anders ist: So etwas deutet auf eine ziemlich heftige Vergangenheit hin.

  • Der größte und langperiodischste zirkumbinäre Planet, den Kepler im Transit sah, ist Kepler-1647b, der aber nur die Spitze eines Eisbergs einer vorhergesagten Population solcher Welten darstellt: Press Releases hier, hier und hier und Artikel hier, hier, hier und hier.

  • Der dichteste planetare oder stellare Körper ist ein Brauner Zwerg im Transit mit rund 67 Jupitermassen, der die 10-fache Dichte von Gold oder die 190-fache von Wasser hat – und die erste Entdeckung eines Braunen Zwergs bei Keplers neuer K2-Mission ist er obendrein.

  • Ein Weißer Zwerg, der zu 9% aus Kalziumkarbonat besteht hat sich diesen Belag offensichtlich durch Akkretion von einem anderen Körper beschafft, der bereits differenziert war.

    Unabhängig von den Pressekonferenzen gab es noch einen Press Release zu Flares auf einem Braunen Zwerg, die die Ausbrüche unserer Sonne in den Schatten stellen – und es gibt ein sehr persönliches Videoblog einer Teilnehmerin (Videos eins, zwei, drei, vier und fünf) und seitens des Tagungsveranstalters Berichte vom Vormittag (alt.) und Nachmittag (alt.) des 13. Juni, Vormittag (alt.) und Nachmittag (alt.) des 14. Juni und Vormittag (alt.) und Nachmittag (alt.) des 15. Juni. NACHTRAG: Und vom 16. Juni (alt.).

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