Lichtverschmutzung: die guten & die schlechten

Seit der Satellit NPP-Suomi die Erde bei Nacht mit neuer Sensor-Technik überwacht, hat die globale Erforschung der künstlichen Lichtverschmutzung eine neue Qualität erreicht: Aus den Messungen abgeleitet wurde ein viel beachteter Weltatlas der Himmelshelligkeit, während auch zeitliche Trends gesucht werden können. Jetzt hat das große Paper „Light pollution in USA and Europe: The good, the bad and the ugly“ interessante Vergleiche mit Bevölkerungsdichte und Wirtschaftskraft gezogen – und jede Menge weitere Karten produziert. Diese hier zeigt in feiner Auflösung – nach Nomenclature des unités territoriales statistiques Stufe 3, was in Deutschland der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte entspricht – die mittlere Zenit-Helligkeit des Nachthimmels, wobei jede Farbstufe einer Verdopplung entspricht.

Ab jetzt wird der Strahlungsfluss nach oben betrachtet: hier nun bezogen auf die Zahl der Einwohner einer Region („Flux per Capita“) – und zwar in der groberen Auflösung NUTS 2, in der Deutschland in 38 größere Regionen zerfällt …

… und wiederum in NUTS-3-Auflösung: je blauer, desto weniger Licht geht pro Einwohner nach oben. Deutschland fällt auf, mit flächendeckend besonders guten Werten v.a. in den ‚alten Ländern‘, was sonst fast nur noch in Südosteuropa der Fall ist (während die gesamten USA dramatisch schlechter da stehen). Ingesamt ist es per Capita nur etwa halb so hell wie der Rest Europas; insbesondere Portugal ist viermal heller!

Hier nun wurde der Lichtfluss auf das Bruttoinlandsprodukt (GDP; NUTS 3) bezogen: Auch auf die Wirtschaftsleistung eines Kreises bezogen – „Flux per Dollar“ – ist Deutschland ein besonders geringer Lichtverschmutzer. (Während wegen der großen Bevölkerung und des hohen GDP die absolute Lichtverschmutzung natürlich ziemlich hoch ist; am absolut dunkelsten in Europa sind drei schottische Provinzen, und in den USA gibt es noch deutlich dunklere Counties.) Nicht-ländliche Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte gewinnen per Dollar generell.

Zu guter Letzt wurden alle NUTS-3-Gebiete bzw. Counties der USA nach Abstrahlung, Abstrahlung pro Einwohner und Abstrahlung pro Dollar GDP in endlose Ranglisten gestellt und aus allen drei Rang-Stellen ein Gesamtranking generiert: Von Top-Rängen 1 bis 25 Europas nimmt Deutschland 17 (!) ein, darunter den ersten (Ammerland in NW-Niedersachsen), dritten und vierten (in S-Niedersachsen und Mittelhessen), während das Ende der Tabelle die Niederlande dominieren, die 4 der letzten 5 Plätze 1355-59 belegen, mit Delft & Westland in Zuid-Holland als Schlusslicht. In der Karte sind Gebiete der Top-25 („the good“) grün, der vorletzten 25 („the bad“) orange und der untersten 25 („the ugly“) rot markiert.

Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus dieser Big-Data-Analyse sind, dass sich die Lichtabstrahlung pro Einwohner wie pro Dollar in Europa (wie den USA) zwischen den Verwaltungsgebieten um mehrere Größenordnungen unterscheiden kann, wobei die USA konsistent dreimal so viel Licht pro Einwohner in den Himmel schicken wie die Europäer. Und Deutschland weltweit gesehen pro Kopf am wenigsten – wer hätte das gedacht. Der Lichtverschmutzungsexperte Christopher Kyba sieht vor allem zwei Gründe für das gute Abschneiden Deutschlands: Viele Gemeinden ignorierten EU-Vorschriften und stellten weniger Straßenlampen auf – und der Korruptionsindex des Landes ist besonders gering. Direkte Kausalitäten müssten aber noch ergründet werden. Weitere Lichtverschmutzungs-News der letzten Zeit:

Zum Schluss noch weitere Artikel mit Bezug zur Lichtverschmutzung aus dem vergangenen halben Jahr in drei Sprachen von heute („Hotspots für Astrotouristen in Deutschland“), gestern und dem 26. August, 28. Juli, 13. Juli, 1. Juni, 2. Mai, 1. Mai, 29. April, 21. April, 19. April, 18. April und 16. April – und die Verschmutzung des Radio-Spektrums bleibt auch ein aktuelles Thema. NACHTRÄGE: die Entwicklung von Straßenbeleuchtung mit minimierter Licht-Abstrahlung zum Insekten-Schutz – und ein neues Citizen-Science-Projekt zur Lichtverschmutzung in Deutschland, das Bürger-Helmholtz-Netzwerk für die Erforschung von nächtlichen Lichtphänomenen (Nachtlicht-BüHNE), an dessen Planung dieser Blogger beteiligt ist und auch schon erste Experimente durchgeführt hat.

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