Allgemeines Live-Blog vom 18. bis 20. 11. 2014


20. November

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Von der ersten Kometen-Landung gibt es ein Sound-File

von den CASSE-Sensoren des SESAME-Experiments während der ersten kurzen Bodenberührung, das zwar nur 2 Sekunden lang ist, aber auch dem sich einiges über die Kometenoberfläche lernen lässt: Erst setzt Philae auf einer mehreren Zentimeter dicken, weichen Schicht auf, dann treffen die Füße einige Millisekunden später auf eine harte, vielleicht eisige Schicht – so hat es später auch MUPUS gesehen. Insgesamt drei Mal landete Philae, bis er auf der Kometenoberfläche stehenblieb und die nächsten Messungen beginnen konnten – so „hörte“ das Cometary Acoustic Surface Sounding Experiment auch das Hämmern der Thermalsonde MUPUS. Vermutlich wackelte der Lander bei diesem Hämmern leicht und bekam mit verschiedenen Sohlen Kontakt zum Boden, denn das MUPUS-Signal wurde nicht in allen Füßen gleichzeitig von CASSE registriert. Auch die beiden weiteren Instrumente des Surface Electric Sounding and Acoustic Monitoring Experiments, DIM und PP, konnten während den mehr als 60 Stunden Betrieb von Philae Daten zur Erde senden. Der Dust Impact Monitor stellte fest, dass Churyumov-Gerasimenko an der Landestelle am Rande eines Kraters derzeit nicht aktiv ist, denn er registrierte kein einziges Teilchen: In der unmittelbaren Umgebung des Kometen – oben ein neues NavCam-Bild vom 17. November aus 42 km Entfernung – befinden sich wohl nur wenige aufgewirbelte Staubpartikel. Die Permittivity Probe schickte von einer der Fußsohlen Wechselströme unterschiedlicher Frequenz durch den Kometenboden und konnte feststellen, dass sich zumindest unter einem Teil von Philae eine größere Menge Wassereis befindet. Ferner wurde heute bekannt, dass der Abstand vom Kometen Ende Januar zeitweise bis auf 5 km verringert werden soll; auch ein lebhaftes Interview mit dem PI von COSAC, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein umfangreiches ‚Ask me anything‘ mit ESA-Experten (in dem auch eine Frage dieses Bloggers zur Lage Philaes auf der Oberfläche von Valentina Lommatsch detailliert beantwortet wird) und noch ein Philae-Scherz. Sowie Verlängerungen für 10 ESA-Missionen, ein Update zu Curiosity – und das britische Mond-Crowdfunding (mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, mehr und mehr Links) hat nach den ersten 44 Stunden bereits 258’000 Pfund eingesammelt, fast die Hälfte der ersten Zielsumme. [21:05 – Ende]

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Die wiedergekehrte einst große Gruppe geht jetzt durch den Zentralmeridian der Sonne, zu einer ‚Löwentatze‘ geschrumpft und – bis auf einen M-Flare – weitgehend inaktiv: Bilder auch vom 18.11. und 17.11. (mehr, mehr und im Vergleich mit der letzten Runde). Derweil hat sich ein vermeintlicher Bolide über Russland (mehr und mehr und ein Video) durch ein weiteres Video klar als Explosion unter den Wolken erwiesen. Auch Spekulationen über Raketentrümmer in Australien, Werbung für Globe@Night, ein Interview zum Int’l Year of Light 2015 – und Fortschritte beim Galileium in Solingen. [19:05 MEZ]


19. November

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Rosetta wieder im „Routine“-Betrieb als Kometenorbiter

Nachdem die Mission von Philae schnell zuende ging (wobei immer noch unklar ist, was der Bohrer genau ereichte), hat sich der Rosetta-Orbiter wieder dem Normalbetrieb zugewandt: der „comet escort phase“. Markiert wurde das Ende des Ausnahmezustands Philae durch den Umzug der Flugkontrolle vom Hauptraum des ESOC in einen kleineren, von wo Rosetta zunächst in einen 30-km-Orbit manövriert wird: Bisher hatten alle Bahnen mit den Vorbereitungen der Philae-Landung zu tun, jetzt gibt die Wissenschaft den Ton an. So wird es am 3. Dezember noch einmal für 10 Tage auf 20 km hinab gehen, bevor man zu 30 km zurückkehrt. Über die weitere Bahnentwicklung bestimmt die Entwicklung der Aktivität von C-G – allerdings wird ab Anfang 2015 auch wieder periodisch nach Signalen von Philae gelauscht. Auch drei Stückchen von Vangelis für Philae, die Reise von Bennu, den OSIRIS-REx heimsuchen wird, der Status von Curiosity, das Überleben von Bakterien in der Foton-Kapsel, künftige Bodenfeuchte-Forschung mit SMAP – und wie Nachtaufnahmen der Erde bei der Flut-Forschung helfen: Viel Licht ist ein guter Indikator für dichte Besiedlung. [23:55 MEZ]

Fulminanter „Lunar Mission One“-Start – reicht der Atem?

Seit genau 17 Stunden wird für die Planungsphase des privaten britischen Mondprojekts (s.u.) gesammelt, und schon ist fast ein Viertel der geforderten 600’000 Pfund für „the most inspirational lunar project since the Apollo landings“ (Eigenwerbung) zusammen: Eine energische Social-Media-Kampagne, fügsame Medienberichte mit kaum kritischen Fragen und der Nachhall des Philae-Dramas haben wohl das ihre getan. Auch fällt auf, dass die höchste Spendenkategorie von 5000 Pfund gleich siebenmal gebucht wurde und eine für 1200 Pfund 21-mal; am populärsten mit 674 Buchungen ist natürlich die 60-Pfund-Kategorie, ab der eine jener ‚digital memory boxes‘ inklusive ist, auf deren Verkauf auch die spätere Finanzierung der eigentlichen Mission aufbauen soll. Auf einer inszenierten Konferenz-Präsentation heute (alt.) gab es wenig Details zu dieser oder auch dem Businessplan zu hören: Es wurde aber betont, dass die Wissenschaft am Mond-Südpol im Zentrum stehe und die lunare Zeitkapsel mit nämlichen ‚boxes‘ darin v.a. der Finanzierung diene – während gleichzeitig der Bildungs-Aspekt des Ganzen betont wurde. Mit einer gewaltigen internatiomalen Marketing-Kampagne ist ab Ende des Jahrzehnts zu rechnen, wenn es mit dem Bau der Hardware ernst wird: Die Lunar Mission One ist ein großes soziales Experiment, ob man mit der Eitelkeit mehr oder weniger betuchter Massen etwas Großes finanzieren kann, unter Wahrung eines seriösen Profils … Auch frühere Artikel hier (mit Experten-Meinungen: So was gab’s noch nie, also weiß keiner, wie es ausgeht), hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier – und heute begann gleich noch ein Mondflug-Crowdsourcing, mit weit weniger Wirbel und entsprechend Erfolg. [18:00 MEZ]

Deuterium/Wasserstoff-Ratio in C-G viel größer als irdisch!

Eine bedeutende Entdeckung des Instruments ROSINA auf Rosetta ist quasi nebenher bekannt geworden, obwohl sie nun wirklich Aufsehen verdient hätte: Das Isotopenverhältnis von Deuterium und Wasserstoff in der Koma des Kometen C-G liegt deutlich über dem Wert in den Ozeanen der Erde – und sogar noch über dem Wert aller anderen Kometen, wo es bestimmt werden konnte. Von denen hatte nur Hartley 2 einen irdischen Wert gezeigt, alle anderen lagen auch darüber. Der erneute Ausreißer nach oben von C-G stützt die Vermutung, dass das Wasser der Erde eben nicht von Kometen sondern eher von Asteroiden stammt: Der äußere Hauptgürtel käme dafür in Frage, wo sich Eis unter der Oberfläche lange gehalten haben könnte. Und auch heute noch zuweilen Asteroiden aktiv werden und Hauptgürtel-Komet spielen. Auch russische Anteilnahme am Schicksal Philaes. [2:50 MEZ] Das von manchen bereits als Fehlschlag abgebuchte APXS-Experiment auf Philae hat möglicherweise doch Kometen-Staub gemessen: „Der Austausch mit den anderen Teams der Mission wird hier in den nächsten Wochen und Monaten Aufklärung bringen, sodass hoffentlich ein Gesamtbild über die Lage und Position des Landers und schließlich auch über die Situation auf dem Kometen entsteht.“ Auch Artikel hier, hier und hier. [14:45 MEZ] Morgen veranstaltet die ESA ein ‚Ask me Anything‘ zu Rosetta – die lassen auch keine Social-Media-Methode aus. Zugabe: ein Manga über Hayabusa 2 und MASCOT, eine Art Verwandten Philaes. [16:55 MEZ]

Britisches Mondlander-Projekt will Planung crowdfunden

Viel Geheimnistuerei und gleichzeitig Wirbel in sozialen Medien, aber die Realität, die ab dieser Minute verraten werden darf, ist eher bescheiden: Hinter der britischen „Lunar Mission One“ verbirgt sich erst einmal nur der Versuch, binnen eines Monats 600’000 Pfund (770’000 Euro) per Crowdfunding einzutreiben, um damit detailliertere Vorarbeiten für eine Mondlandung in der Nähe des Südpols bezahlen zu können. Wie dann die eigentliche Mission – bei der in zehn Jahren 20 bis 100 Meter tief nach lunarem Urgestein gebohrt werden soll – finanziert werden möge, dazu bleiben diesem Blog vorab zugegangene Werbematerialien eben so vage wie zu irgendwelchen technischen Details und der wissenschaftlichen Motivation: „Following the development phase, funded by Kickstarter, the remaining funding requirements of the project will primarily be met through sales of digital memory boxes to the general public, as well as through public sector and commercial backing.“ Besagte ‚memory boxes‘ sind dabei „for inclusion in a 21st Century time capsule that will be sent to and buried in the Moon as part of Lunar Mission One.“ Das Projekt ist bereits sieben Jahre in Vorbereitung und besitzt die Unterstützung von zwei britischen Universitäten, einer Raumfahrtfirma und allerlei Weltraum-Promis – doch ob es eine Chance hat, die (nirgends auch nur grob bezifferten) Kosten für Lander wie Rakete aufzubringen, ist kaum abzuschätzen. Private Initiativen, zum Mond zu fliegen, hat dieser Blogger über die Jahre schon viele kommen und gehen sehen: Angekommen ist davon allein der Lunar Prospector – aber erst, nachdem dieser einfache Orbiter nach vielen Wirren zu einer Mission mutiert war, die komplett von der NASA bezahlt wurde. Kühn sind die Briten jedenfalls: Sie glauben, durch den Verkauf der „memory boxes“ – bei denen es sich um Dateien und keine realen Schachteln handelt – nicht nur die Mission locker stemmen zu können, sondern auch noch einen Profit einzufahren. „We’ve undertaken market research in the UK and the USA which demonstrated a strong interest in the mission and the digital memory boxes,“ schreiben sie: „Based on the findings, we are able to predict around 1% of the global population who can afford the product will purchase a digital memory box. This delivers a mid-point projected revenue of £3billion.“ Eventuelle Überschüsse sollen dann in Bildungsprojekte gesteckt werden. Leuchtendes Vorbild ist dabei die Londoner Industrieausstellung 1851, die v.a. durch Kleinspenden finanziert wurde. [1:00 MEZ] Ein Promo-Video, die Kickstarter-Seite und ein Artikel, nach dem die Mission rund 500 Mio. Pfund kosten würde – und die größte Hoffnung auf Einnahmen darauf basiert, dass Leute auch ein Haar mit zum Mond schicken und dafür 200 statt 60 Pfund für die rein digitale ‚box‘ zahlen. [1:15 MEZ] Weitere Artikel hier und hier – wo die haarige Mondreise (natürlich flöge nur etwas extrahierte DNS) „50 Pfund oder so“ kosten soll. [2:25 MEZ]


18. November

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MUPUS-Messung: Hartes Kometeneis unter Staub mit -170°C

Weitere Erkenntnisse des MUPUS-Instruments auf Philae wurden heute präsentiert, die bei dem heroischen Hämmern auf die Kernoberfläche gewonnen wurden. In der Nacht vom 13. auf den 14. November 2014 war die Thermalsonde MUPUS vom sogenannten „Balkon“ des Landers – das heißt von der nach vorne geöffneten Instrumentenbucht an der hinteren Seitenwand von Philae – ausgefahren worden und sollte sich rund 40 cm in den Kometenboden hämmern: Dies misslang, obwohl die Hammerleistung sukzessive auf die höchste Stufe gefahren und der Mechanismus dabei zerstört wurde. „Aus Vergleichsmessungen im Labor haben wir abgeschätzt, dass die Thermalsonde wahrscheinlich unter einer zehn bis 20 Zentimeter dicken Staubschicht auf eine Schicht gestoßen sein muss, die eine Festigkeit wie die von Eis haben sollte“, sagt MUPUS-PI T. Spohn. Der Infrarotsensor des Instruments habe eine geringe thermische Trägheit der aufliegenden Staubschicht festgestellt. „Das Team geht davon aus, dass unter der sehr porösen Staubschicht Eis ansteht.“

Dieses Eis enthalte wahrscheinlich Staub und könne selbst durchaus auch porös sein, aber über Jahrhunderte bis Jahrmillionen thermisch gesintert, also immer wieder durch Temperatur-Schwankungen mehr und mehr zusammengebacken worden sein. An diesem Eis hat MUPUS eine Temperatur von circa minus 170 Grad Celsius gemessen, während der Sensor am Balkon noch -153°C angezeigt hatte. Der Infrarotsensor der Sonde hatte schon während des Anflugs und während der Sprünge über dem Kometenboden Daten registriert. Auch Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein Storify der MUPUS-Tweets, Bilder aus dem ESOC, ein Reddit – und hier, hier und hier mehr oder weniger gelungene humoristische Bezüge. Plus eine geologische Karte aus Dawn-Daten von Vesta, der Beginn der Forschung von MAVEN, die Bedeutung von MOM, die Geschichte des Wassers auf dem Mars, neue HST-Beobachtungen von Europa – und hier, hier, hier, hier und hier Rätselraten über russische Satelliten-Experimente. [22:25 MEZ]

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