Live-Blog zur 227. AAS-Tagung in Florida


8. Januar

milkywayage

Die Sloan Digital Sky Survey liefert immer weiter Science

Bald zwei Jahrzehnte steht das speziell für effiziente Himmelsdurchmusterungen entwickelte Teleskop nun schon in New Mexico und arbeitet inzwischen an der 4. Generation von Projeken, eBOSS, MANGA und APOGEE-2 – von dieser SDSS IV wurden auf der letzten PK der Tagung folgende Ergebnisse präsentiert:

  • Eine Alters-Karte der Sterne der Milchstraße im Rahmen von APOGEE-2 anhand von fast 100’000 Roten Riesen zeigt, dass die Milchstraße von innen nach außen gewachsen ist (Grafik: je blauer, desto älter; auch Artikel hier, hier, hier und hier).

  • Das LINER-Phänomen betrifft nicht nur die Kernregionen mancher Galaxien, zeigen MaNGA-Bilder, weshalb man das „N“ aus den ‚Low-Ionization Nuclear Emission-line Regions‘ korrekterweise streichen und sie damit zu „LIERs“ erklären müsste: Für diese spezifische Anregung des Gases überall in diesen Galaxien sorgen vermutlich alte Sterne in bestimmten finalen Lebensphasen und (offensichtlich) weder Aktive Kerne noch Sternbildung.

  • Manche Quasare gehen urplötzlich „aus“, und nur noch die Galaxie strahlt: Ein Dutzend solcher ‚Changing-Look Quasars‘ sind überraschend von der Time-Domain Spectroscopic Survey (TDSS) gefunden worden, die zu eBOSS gehört – rasante Veränderungen des Akkretionsverhaltens sind wohl die Erklärung (auch ein Artikel).
Ansonsten von der nunmehr zuende gehenden Tagung in einem kuriosen Hotel noch Notizen vom Hack Day, ein VLA-Witzchen – und Aufzeichnungen aller 7 Pressekonferenzen (und von früheren Tagungen). [23:55 MEZ – Ende. NACHTRÄGE: die Highlights-Berichte vom letzten Tag hier und hier, ein ‚Eventifier‘ von „aas227“, ein weiterer Press Release zum Quasar, die Ballistik von Stardust, ein Poster zu Astronomy Fashion – und ein blauer L-Zwerg war auch da]

Ein Schwenk über die Milchstraße im „Licht“ neutralen Wasserstoffs aus Daten des Arecibo-Radioteleskops, wobei die Radialgeschwindigkeit ständig variiert wird: Das ist im Poster-Saal der Tagung – ein etwas hektisches Video eines Ausstellers – ebenso zu sehen wie ein Ausschnitt aus der Andromeda-Galaxie in riesengroß, denn es sind Hubble-Aufnahmen einer Teil-Durchmusterung, oder dieses kuriose Detail. Und das World Wide Telescope ist jetzt ein AAS-Projekt. [0:30 MEZ] Das LSST verspricht eine solche Datenflut, dass selbst gestandene Astronomen nicht mehr mitkommen … [1:10 MEZ] Highlights vom 3. Konferenztag hier und hier. [16:35 MEZ]


7. Januar

lat

6+ Jahre Fermi: der Gamma-Himmel bei 50 GeV bis 2 TeV

Sämtliche Daten des Large Area Telescope (LAT) auf dem Fermi Gamma-ray Space Telescope sind in dieser Gesamtkarte des Himmels vereinigt, Hochenergiephotonen gesammelt in über 6 Jahren: Die Quellen beschreibt der Second Catalog of Hard Fermi-LAT Sources (2FHL), der gerade auf einer weiteren PK vorgestellt wurde. 360 Einzelquellen sind erkennbar, was für harte Gammastrahlung eine Menge ist: 75% sind Blazare bis zu einer Rotverschiebung von 2, 11% galaktische Quellen , 14% unidentifiziert. Speziell in der Milchstraßen-Ebene gibt es 39 galaktische Quellen mit meist über 1 TeV Energie (überwiegend Pulsar-Wind-Nebel und Supernova-Überreste), 42 Blazare (Maximum um 100 GeV) und 22 unbekannte Quellen. Andere Themen der PK waren mögliche Spuren der 1. Sterngeneration oder Population III in einem Lyman-Limit-System bei z=3.5 mit 1/2500 der Metallizität der Sonne (ein Minus-Rekord aber nicht eindeutig), der massereichste Galaxienhaufen mit z > 1.5, den man so früh in der kosmischen Geschichte (z=1.75) gar nicht erwartet hätte (Press Releases hier, hier, hier, hier und hier) sowie die „galaktoseismologische“ Suche nach Zwerggalaxien mit viel Dunkler Materie durch charakteristische Störeffekte auf die Milchstraße. [22:35 MEZ. NACHTRÄGE: ein weiterer Press release und ein Artikel dazu und ein Artikel und ein Poster zur Population III]

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Sternbedecker vs. New Horizons: Pluto-Widersprüche adé

Kurz bevor New Horizons letzten Juli am Pluto vorbei gezischt war und mit mehreren Techniken dessen dünne Atmosphäre durchleuchtet hatte, hatte der Zwergplanet von der Erde aus gesehen einen vergleichsweise hellen Stern bedeckt: Erfolgreich beobachtet wurde das vom Boden in Neuseeland aus – und von der fliegenden Sternwarte SOFIA, hier deren noch während der Mission aufgrund neuester Astrometrie veränderte Route. Damals schienen sich die Atmosphärenprofile aus den irdischen Messungen im sichtbaren Licht (insgesamt 11 Lichtkurven in 8 Farben [NACHTRAG: hier zu sehen]) und den Vor-Ort-Daten im Radio- und UV-Bereich („Und so sah ALICE …“) stark zu widersprechen, doch das ist Geschichte: In einem Seminar „Science from SOFIA“ wurde gerade verkündet, dass es jetzt ein plausibles Modell gibt, das alle drei Datensätze – die sich auf jeweils andere Höhenbereiche beziehen – gemeinsam beschreibt.

Details wurden allerdings noch keine verraten, die wird es erst nach dem Erscheinen einer Icarus-Spezialausgabe zu Plutos Atmosphäre geben, auf jeden Fall befindet sich Plutos Atmosphäre nicht in einem schnellen Kollaps. Das Modell liefert Temperatur, Dichte und Teilchenzahl als Funktion der Höhe, und aus der Beobachtung des Central Flash, in dessen Genuss sowohl eine Gruppe am Boden wie SOFIA nach dem Kurswechsel kam, haben sich auch Eigenschaften des atmosphärischen Dunstes wie die Teilchengrößen und eine etwaige Abplattung der Atmosphäre ableiten lassen. Noch steht der Pluto von der Erde aus gesehen in der galaktischen Ebene und bedeckt alle paar Monate einen Stern: Das soll weiter für solche Beobachtungen ausgenutzt werden, von SOFIA vielleicht schon wieder 2017. Und auch Sternbedeckungen durch andere Transneptune stehen auf dem Programm, was allerdings (noch) schwieriger zu planen ist: Ihre Bahnen sind, da meist erst seit ein paar Jahren unter Beobachtung, schlechter bekannt und die Schattenpfade schmaler.

Andere SOFIA-Highlights des Seminars waren die Mineralogie des von Novae produzierten Staubs, den die IR-Spektren vollständiger als bisher charakterisieren, die Untersuchung von Debris Disks bei 45 µm, die die Wirkung von Planeten zeigen können, und die Temperaturmessung des Windes von Betelgeuze, die (nach früheren Radiomessungen nicht unerwartet) ziemlich niedrig ausfällt, was wiederum nur mühsam zu modellieren ist [NACHTRAG: ein Artikel dazu). Ansonsten gibt es von der Tagung noch ein Briefing der National Science Foundation (mit der Zukunft diverser Einrichtungen und finanziellen Aussichten der nächsten Jahre), Highlight-Berichte hier, hier und hier, den guten Zustand der Kosmologie mit der Erwartung neuer Daten und Komplikationen am Rande, große Erwartungen an das Event Horizon Telescope, gute Fortschritte beim JWST, das im Zeitplan bleibt und erste Wissenschaft im April 2019 liefern soll, das Ziel, das TMT doch auf dem Mauna Kea zu bauen – und ein feucht-fröhliches Poster zu Astronomy on Tap. [19:55 MEZ. NACHTRAG: ein weiterer Artikel zum Event Horizon Telescope]


6. Januar

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So sieht Spitzer die Bugschocks rasender Sterne im IR

Zwei Beispiele massereicher Sterne, die die Milchstraße sausen und deren Sternwind mit dem interstellaren Gas wechselwirkt: Aufnahmen des Spitzer Space Telescope, die auf einer der ersten drei Pressekonferenzen während der 227. Tagung der American Astronomical Society diese Woche in Kissimmee [NACHTRÄGE: Artikel hier und hier]. Andere Themen waren u.a.

Kurios schließlich waren Überlegungen zur Besiedlung von Kugelsternhaufen durch intelligente Zivilisationen, die es wegen der Nähe der Sterne zueinander besonders einfach hätten [NACHTRÄGE: Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier] – Planeten in Habitablen Zonen sind möglich, besonders alte Zivilisationen, so es sie denn gibt, besonders dort zu vermuten:

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Auch die Folien eines Vortrags des NASA-Astrophysik-Chefs über die nächsten Jahrzehnte, Berichte von den ersten Konferenztagen hier, hier und hier, was der Galaxy Zoo zu bieten hat, die ersten Kepler-Entdeckungen im K2-Modus und ein Review der Erkenntnisse von New Horizons bis jetzt (mehr und mehr). [20:15 MEZ. NACHTRAG: ein weiterer Artikel zum K2-Ertrag] Das Hubble Space Telescope ist so gut in Form, dass man auf Science noch nach 2020 hofft! Derweil wird in einem Seminar Stimmung für Hubbles Nach-Nach-Nachfolger gemacht, ein optisches Teleskop („LUVOIR“) im Weltraum mit 8 bis 12 Metern Hauptspiegel. [20:30 MEZ]

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Das soll in 15 bis 20 Jahren fliegen – und die Realisierbarkeit von Hubble war zu einem vergleichbaren Zeitpunkt viel unklarer gewesen. [21:10 MEZ] Etwa 10 Jahre nach dem Start des Hubble-Nach-Nachfolgers WFIRST ca. 2024, womit wieder NASA-Geld für große Dinge frei wird, könnte LUVOIR starten: Viele Vorarbeiten laufen schon jetzt, man würde ‚hit the ground running.‘ [21:20 MEZ. NACHTRAG: ein Artikel zu dem Seminar] Jetzt online: die Folien vieler Vorträge eines Workshops zu den Zeitschriften der AAS. [21:25 MEZ]

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