Live-Blog zur Gravitationswellen-Enthüllung

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Was wir über die erste direkte Gravitationswelle wissen

Aus dem Dutzend Papers, das heute vorgelegt wurde, die wesentlichen Erkenntnisse zum ersten direkt beobachteten Gravitationswellen-Ereignis (oben noch mal die entscheidenden zwei Messungen, jetzt wissenschaftlicher geplottet):

  • Was haben die LIGO-Detektoren gesehen? Am 14. September 2015 um 9:50:45 UTC trat ein starkes Signal mit etwa 10 Schwingungszyklen auf, dessen Frequenz innerhalb von 1/5 Sekunde von 35 bis 250 Hz zunahm. Dabei stieg auch die Amplitude, und die die Interferometerarme veränderten sich in der Länge um bis zu 10^-21. Die nahezu identischen Kurven traten zwischen den beiden LIGOs mit einer Zeitdifferenz von 6.9 (+0.5/-0.4) Millisekunden auf.

  • Was ist die naheliegendste Interpretation? Das Signal ist genau das, was man in den finalen Momenten vor der Fusion zweier Schwarzer Löcher von 36(+5/-4) und 29±4 Sonnenmassen erwarten würde: Sie spiralieren immer schneller aufeinander zu, und dann schwingt das neu entstandene größere Schwarze Kerr-Loch von 62±4 Sonnenmassen aus. Alternativen wie zwei verschmelzende Neutronensterne oder ein Neutronenstern-Schwarzloch-Merger passen nicht: Nur zwei Schwarze Löcher wären kompakt genug gewesen, um noch mit 75 Hz umeinander zu sausen, ohne dass sie sich schon berührten.

  • Wie stark war die Quelle? Wie die Betrachtung der obigen Massen zeigt, hat sich das Äquivalent – gemäß E = m c^2 – von 3.0±0.5 Sonnenmassen als Gravitationswellen davon gemacht. Die maximale Gravitationswellen-‚Leuchtkraft‘ betrug 3.6 (+0.5/-0.4) x 10^56 erg/s was dem Energie-Äquivalent – wieder nach E = m c^2 – von 200 (+30/-20) Sonnenmassen pro Sekunde entspricht. Nimmt man an, dass dies ein „typisches“ Ereignis war, dann – so lässt sich hochrechnen – passiert so was zwischen 2- und 53-mal (oder 6- bis 400-mal unter anderen Annahmen) pro Kubikgigaparsec und Jahr.

  • Wie weit von der Erde entfernt ist das passiert? Die „luminosity distance“, die sich praktischerweise direkt aus den Wellen-Messungen ableiten lässt, betrug 410 (+160/-180) Megaparsec, was in der Standardkosmologie einer Rotverschiebung von 0.09 (+0.03/-0.04) entspricht. Leider arbeiteten zum Zeitpunkt des Ereignisses nur die beiden LIGO-Detektoren, die erst kurz vorher nach umfassenden Upgrades wieder eingeschaltet worden waren, aber nicht Italiens VIRGO: Die Quelle war irgendwo in einem langen Streifen von 600 Quadratgrad am Südhimmel. Advanced LIGO hätte ein derartiges Signal übrigens noch bis zu einer Rotverschiebung von etwa 0.5 nachweisen können.

  • Warum ist die Beobachtung so epochal? Es ist der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen (die sich indirekt bereits seit 1978 bemerkbar machen, indem sie zwei Neutronensterne immer schneller zusammen kommen lassen; da gab es 1993 den Physik-Nobelpreis für), die erste Beobachtung der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher und auch der Nachweis, dass es überhaupt Paare stellarer Schwarzer Löcher mit mehr als 25 Sonnenmassen gibt. Und dass solche „schweren“ stellaren Schwarzen Löcher in der Natur entstehen – wobei das Verschmelzungsprodukt mit seinen ~62 Sonnenmassen das schwerste je gesehene dieser Klasse überhaupt ist.
Irgendwelche Abweichungen von der Allgemeinen Relativitätstheorie waren bei dem ersten direkt beobachteten Gravitationswellen-Signal übrigens nicht zu erkennen, alles passt perfekt zum Modell. Hat Einstein vor 100 Jahren fein gemacht, weshalb diese kurze Arbeit nun im LIGO-Paper als Referenz 1 zitiert wird. [23:55 MEZ – Ende]

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Beteiligte Wissenschaftler erzählen + die komplette LIGO-PK bis zum unerklärten Abbruch der Übertragung – inzwischen sind noch mehr Papers aufgetaucht, es gibt einen detaillierten Explainer von LIGO (mehr und mehr), weitere Outreach-Materialien hier und hier, noch mehr Press Releases hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein Statement von Wanka, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und ein 10-Minuten-Erklärstück von PBS. [20:25 MEZ] Und noch mehr Press Releases hier, hier und hier und Artikel hier, hier, hier und hier. [21:55 MEZ] Immer noch mehr Press Releases hier und hier, die Blogs von LIGO und CSIRO, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier – und eine britische Frontpage. [23:40 MEZ]

„We did it!“ LIGO hat eine BH-Fusion in 400 Mpc gesehen

Es ist alles wahr! Beide LIGOs haben am 14. September dasselbe Signal mit kurzem Zeitanstand gesehen – genau so wie es die ART für die Fusion zweier Schwarzer Löcher voraussagt. [16:35 MEZ] Und hier ist das wissenschaftliche Paper: „Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger“. [16:40 MEZ]

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Das entscheidende Signal, wie es von den beiden LIGOs gesehen wurde – und wie sich Frequenz und Intensität mit der Zeit veränderten. Die Positionsbestimmung der Quelle ist nur sehr ungenau: eine langgestreckte Ellipse am Südhimmel … [16:50 MEZ] … wie in dieser Grafik gezeigt. [16:55 MEZ] Pressemitteilungen zum Erfolg vom Caltech, der MPG und Stanford. [17:05 MEZ]

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LIGO ist nur eines von vier Fenstern in die Welt der Gravitationswellen, hat Kip Thorne auf der NSF-PK betont: Wellen anderer Frequenz werden – demnächst … – von LISA im Weltraum gemessen, und schon jetzt wird mit Radioteleskopen via Pulsare und in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung gesucht. [17:10 MEZ] Und er sagt voraus, dass die LIGOs jetzt eine Vielfalt von Signalen sehen sollten – mehrmals pro Jahr. [17:20 MEZ] Das Paper noch einmal, da der PRL-Server inzwischen in die Knie geht, sowie weitere Press Releases hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier und weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [17:35 MEZ] Ein weiteres Paper ist erschienen, über die astrophysikalische Bedeutung der Beobachung – und ebenfalls Open Access! Und schon gibt’s Gerüchte über noch mehr Signale … [18:00 MEZ] … und hier der LIGO-Forscher, der als erster das September-Signal sah. [18:20 MEZ] Und gleich noch neun weitere Papers dazu, via „Related Documents“! [18:25 MEZ]

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So sieht’s aus in Washington, DC, zwei Stunden vor der LIGO-Pressekonferenz – die in gleich drei weitere Säle übertragen und auch bei zahlreichen „Viewing Parties“ weltweit geguckt werden kann. Und auch live im Netz: diese, diese und diese Adressen sehen gut aus. Unter zahlreichen erwartungsfrohen Vorberichten ist dieser besonders lesenswert, der klar macht, was – die Verkündung eines überzeugenden, korrekten Signals vorausgesetzt – die große Nachricht ist: nämlich nicht, dass Gravitationswellen existieren, sondern dass die Technik jetzt so weit ist, sie direkt als astronomisches Beobachtungstool einzusetzen. Weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier (Fortsetzung), hier und hier, weitere Live-Blogs u.ä. hier, hier und hier – und ein paar GW-Scherzchen gibt es auch schon: hier, hier und hier. [14:40 MEZ] Der Saal in DC, wo es passieren wird … [15:55 MEZ] Bekomme gerade von einer Teilnehmerin dort die Bestätigung, dass es heute auch ein richtiges Paper mit LIGO-Ergebnissen geben wird. [16:10 MEZ] Und ein haarscharfer Embargo-Break: Ein Forscher hat gesprochen und die Detektion bestätigt, Details fehlen aber. [16:25 MEZ] Und überall gucken sie jetzt … [16:30 MEZ]

3 Antworten to “Live-Blog zur Gravitationswellen-Enthüllung”

  1. Patrick Schmeer Says:

    „Am 14. September 2015 um 9:50:45 MEZ trat ein starkes Signal mit etwa 10 Schwingungszyklen auf, …“
    Laut Paper um 09:50:45 UTC, also um 11:50:45 MESZ.

  2. Allgemeines Live-Blog ab dem 12. Februar 2016 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Alles übers All … von Daniel Fischer … seit 1985 – und jetzt online im klassischen Blog-Format « Live-Blog zur Gravitationswellen-Enthüllung […]

  3. Allgemeines Live-Blog ab dem 12. Juni 2016 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] hatten bei der Vorstellung des September-Signals diesen Februar schon etwas geahnt, waren sich aber nicht sicher genug und sagten lieber nix: Heute nun wurde nach […]

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