Live-Blog „von“ der 219. AAS-Tagung in Texas

Der 1. Exoplanet mit großem Saturn-artigem Ringsystem?

Es gibt nur einen einzigen beobachteten Transit dieses höchst seltsamen Objekts vor dem Scheibchen seines Sterns, aber der dauerte ~54 Tage und wurde von zwei voneinander entfernten Teleskopen verfolgt (Lichtkurven oben): Die einfachste Interpretation ist ein kleiner Begleiter des Sterns mit einem ausgedehnten Ringsystem (Grafik Mitte), der sich 2007 in die Sichtlinie schob, mit einer dicken inneren Scheibe und drei dünnen äußeren Ringen und deutlichen Lücken dazwischen. Aber weder vorher noch nachher ist auch nur ein weiterer Transit beobachtet worden: Die Bahnperiode muss mindestens 850 Tage betragen, und auch Amateurastronomen sind aufgerufen, nach weiteren Durchgängen Ausschau zu halten, um wenigstens die Jahreslänge des Objekts einzugrenzen. Auch seine Masse ist noch unbekannt; spektroskopische Messungen der Radialgeschwindigkeit sind aber beantragt. Ob man bei solch einer gewaltigen Scheibe – von der Masse ungefähr unseres Mondes! – noch von einem Ring sprechen kann, ist im Vergleich mit den Saturnringen (artist’s view unten) die Frage: Die Entdecker sprechen selber von einem „protoexosatellite system“, da sich aus den Ringen – die mehrere Lücken aufweisen – durchaus noch mehrere Monde des Objekts (sei es nun ein Planet oder ein Brauner Zwerg) bilden dürften. Die Lücken zwischen den Ringen lassen vermuten, dass die Mondbildung schon begonnen hat.

Mehrere weitere Kepler-Entdeckungen wurden auf der letzten AAS-PK ebenfalls vorgestellt: zum einen zwei weitere Exoplaneten, die um Doppelsterne kreisen. Kepler-34b und Kepler-35b gesellen sich zu Kepler-16b (siehe ISAN 146-7) und etablieren Planeten auf stabilen Bahnen um Doppelsterne als nicht mal seltene Kategorie in der Milchstraße, mit hochgerechnet Millionen Exemplaren. Beide Planeten sind etwa Saturn-groß und liegen deutlich außerhalb der habitablen Zonen (zu nahe an ihren Sonnen). Und es gibt die drei vom Durchmesser her kleinsten Exoplaneten, die alle um den Roten Zwerg KOI-961 kreisen und 0.78, 0.73 und 0.57 Erddurchmesser haben: Entdeckt wurden sie nicht vom Kepler-Team selbst sondern in öffentlichen Daten des Satelliten.

Weitere Nachrichten von der Tagung, die am Donnerstagnachmittag zu Ende gehen und keine weiteren PKs mehr bieten wird, umfassen erste Entdeckungen von ALMA, die ‚amtliche‘ Abkürzung „Jansky VLA“ (wer’s denn benutzen wird), weitere Einsichten von SOFIA, eine AAS-Rede zu LGBT-Fragen und weitere umfangreiche Impressionen vom heutigen Nachmittag und Vormittag sowie vom ganzen Dienstag. Aufzeichungen aller PKs – auch mehrerer vorangegangener AAS Meetings – sind übrigens hier zu finden! [21:45 MEZ am 11. Januar – Ende! Weitere AAS-News auf Twitter und im Cosmic Mirror]

Die fernste Typ-Ia-Supernova mit spektroskopischer Rotverschiebung – nämlich 1.55, was einem Weltalter zum Explosionszeitpunkt von nur 4.2 Mrd. Jahren entspricht – ist im Rahmen eines großen Hubble-Programms entdeckt worden, mit der WFC3 und ihren neuen IR-Möglichkeiten im Hubble Ultra Deep Field. Damit erweitert sich das kosmologische Diagramm dieser SNe (für den linken Teil gab’s letztes Jahr den Nobelpreis) deutlich, und mit weiteren so fernen SNe – mehrere Kandidaten gibt’s schon – wird sich u.a. untersuchen lassen, ob die Dunkle Energie zeitlich variabel ist. Und man wird auch sehen, wie alt oder jung ein Ia-Progenitor (siehe 19:50 MEZ) sein kann, auch hilfreich. [20:05 MEZ]

Aufwind für doppelt entartete Progenitoren der Ia-Supernovae

gab es auf der nächsten – und vorletzten – AAS-PK zu hören: Insbesondere gibt es mit dem Supernova-Rest SNR 0509-67.5 in der LMC jetzt einen Fall, wo alles andere ausgeschlossen ist als die Fusion zweier Weißer Zwerge als Ursache der Ia-Supernova. Denn eine tiefe Suche im Zentrum der Blase (die die Autoren übrigens beim Astronomy Picture of the Day ‚entdeckt‘ hatten!) hat keinerlei verbliebene Sterne – bis 26.9 mag.V herab, was +8.4 Mag.V absoluter Helligkeit entspricht, zum Vorschein gebracht: Bei allen anderen Szenarien als Weißzwerg-Fusionen bleibt aber der materiespendende Partner zurück. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass es mehrere Wege zu einer Ia-Explosion geben könnte, und so ist dieser eine – per se klare – Fall kein Beweis, dass alle doppelt-entartet sind.

Auch bei der Aufklärung des Vorgänger-Systems der SN 2011fe in M 101 gibt es Fortschritte: Hatte die Analyse der frühen Lichtkurve anhand der Fotometrie durch das Entdecker-Teleskop der PTF (Nugent & al., Nature 480 [15.12.2011] 344-7, zusammen gefasst in ISAN 153-4) noch eine Obergrenze des explodierten Objekts von höchstens 1/10 Sonnendurchmesser geliefert, so zeigt die Nichtdetektion der Supernova auf einer 1-Stunden-Aufnahme des Teleskops PIRATE auf Mallorca noch 7 1/2 Stunden vor dem ersten PTF-Datenpunkt bzw. etwa 4 Stunden nach der Explosion, dass das Objekt sogar höchsten 2% des Sonnendurchmessers gehabt haben kann! Eindeutig ein Weißer Zwerg also: Das folgt sowohl aus Modellierungen – und damit ein paar Annahmen – des Shock-Breakouts wie der Interaktion mit dem Massenspender. Dessen Durchmesser ist in diesem Fall weniger gut eingeschränkt, dürfte aber unter 1/10 Sonnendurchmesser gelegen haben: „a compact object of some sort“. Auch wenn es also weiter kein abschließendes Urteil zur Natur der Ia-Supernovae gibt: Das Feld ist mächtig in Bewegung geraten! [19:50 MEZ]

Das schärfste Bild des „Doppelkerns“ der Andromeda-Galaxie gab‘ auf der 1. PK des 3. Tages zu sehen: Diese Aufnahme mit Hubbles High Resolution Channel der ACS zeigt einen Haufen blauer Sterne um das mutmaßliche Schwarze Loch im Galaxienzentrum und einen Haufen roter Sterne, der es in größerem Abstand umkreist – so kommt die Illusion des Doppelkerns zustand. Andere Beiträge beschäftigten sich mit „failed AGB stars“ in der Nähe des Zentrums derselben Galaxie (wo stärkere Metallizität die Sternentwicklung beeinflusst): Die sorgen für Extra-UV-Licht. Und durch Vergleich mit anderen ähnlichen Galaxien wurde berechnet, dass die Milchstraße eine Farbtemperatur von 4840 Kelvin hat und damit sehr weiß ist: Dem Auge erscheinen ja auch Glühlicht (3000 K) und die Mittagssonne (6500 K) weiß. [17:25 MEZ]

Der VLA heißt jetzt „Karl G. Jansky Very Large Array“

Das also ist das Ergebnis der – von Astronomen wie Lokalpolitikern mit Argwohn betrachteten – ‚Volksbefragung‘ zur Umbenennung des 1980 gebauten aber seit 2000 innerlich runderneuerten (siehe Artikel 34) Radiointerferometers. Ein neues Akronym enthält die Pressemitteilung – der ’neue‘ Name wird in diesen Minuten auf der AAS-Tagung feierlich verkündet – übrigens nicht … Weitere News von der Tagung: die Rolle von Mergers (oder auch nicht), keine Hinweise auf Raumzeit-Granularität durch einen fernen GRB („Die Lorentz-Invarianz …“) und wie man sicher kein Funding bekommt (Grafik) – und weitere Berichte vom Tagungsgeschehen vom Nachmittag und Vormittag des 10. Januar und Nachmittag sowie ganzen 9. Januar. [1:45 MEZ]

Infrarot-Extravaganz Nr. 5: SOFIA und die Folgen der Sternentstehung in W3, wo der massereiche Jungstern IRS2 einen Hohlraum in das umgebende ISM geblasen hat (links im SOFIA-Bild, dessen Ausschnitt auf einer Spitzer-Aufnahme markiert ist) – ein typischer Prozess in Sternbildungsgebieten, den hier das Instrument FORCAST der fliegenden Sternwarte bei 37 µm so scharf wie noch nie betrachten konnte. [22:55 MEZ am 10. Januar]

IR-Extravaganz Nr. 4: Sternentstehungs-Statistik mit WISE anhand eines 1000-Quadratgrad-Mosaiks der Milchstraße, von dem hier nur ein Ausschnitt zu sehen ist. Die Sterndichte in verschiedenen Regionen als Funktion vom Abstand eines Konzentrations-Peaks spricht klar für eine Sternbildung in Kettenreakion, sog. triggered star formation, und gegen ein Alternativmodell mit bevorzugter Sternbildung in einer Schale. [22:45 MEZ]

IR-Extravaganz Nr. 3: Die Spitzer Cygnus X Legacy Survey, eine Durchmusterung einer der aktivsten Sternentstehungsregionen der Milchstraße, umfasst 25 Quadratgrad und hat eine große Zahl Young Stellar Objecs erwischt. [22:40 MEZ]

Infrarot-Extravaganz Nr. 1+2 (so hieß der Obertitel der letzten AAS-PK des 2. Tages): Spitzer und Herschel betrachten die Magellanschen Wolken, oben die LMC, und die SMC. Zu sehen ist kalter Staub, erstmals auf der Skala der Sternentstehung – die in den metallarmen Magellanschen Wolken so ablaufen dürfte wie allerorten vor 10 Mrd. Jahren zur Zeit der heftigsten Sternbildung in der kosmischen Geschichte. [22:25 MEZ]

Auf zu hohen (Röntgen-)Energien: RXTE, Fermi & NuSTAR

spielten bei dem nächsten Runde Pressekonferenzen auf dem Süßwarenmarkt für Astronomen AAS die Hauptrolle.

  • Der (gerade abgeschaltete) Rossi X-ray Timing Explorer hat – zusammen mit dem Radiointerferometer VLBA – den Ausbruch eines Schwarz-Loch-Kandidaten in der Milchstraße nahezu perfekt überwacht: Erst gab’s QPOs, als etwas in der Akkretionsscheibe nach innen spiralierte, dann wurden Jets herausgeschleudert: Der Zusammenhang beider zentralen Phänomene der Astrophysik lässt sich an diesem Beispiel näher ergründen.
  • Der Satellit Fermi hat den Kosmos jenseits von 10 GeV Photonenenergie erschlossen – das dauerte eine Weile, weil manche Quellen nur alle vier Monate mal ein Photon schicken! Der Vorgänger EGRET (auf dem Satelliten CGRO) hatte insgesamt nur 1500 Photonen > 10 GeV in 9 Jahren gesehen, von gerade mal 4 diskreten Quellen, alles Pulsare. LAT auf Fermi hat dagegen in 3 Jahren bereits 496 solche Quellen mit mindestens 4 Sigma nachgewiesen, galaktische wie extragalaktische: 274 sind AGNs, 25 Pulsare, 25 SNR & Pulsarwind-Nebel – aber 168 haben kein Gegenstück bei niedrigerer oder höherer Energie und bleiben einstweilen unidentifiziert. Nach 10 Jahren sollte LAT etwa 1000 Quellen >10 GeV identifiziert haben, alles Objekte mit außerordentlich energiereichen Prozessen.
  • Schließlich wurde noch der NASA-Satellit NuSTAR vorgestellt, der Nuclear Spectroscopic Telescope Array mit den ersten fokussierenden Teleskopen für 6 bis 79 keV, die ein dramatisch schärferes Bild des Himmels in diesem Energiebereich als frühere Satelliten versprechen. Während seine Webseite vor allem Beobachtungen an Supernovaresten, mutmaßlichen Schwarzen Löchern etc. als zentrale Ziele nennt, wurde in der PK betont, dass sich NuSTAR auch der Sonne zuwenden wird: in der Hoffnung, den Mechanismus der Heizung ihrer Korona aufzuklären.
Ansonsten noch frohe Kunde von Gemini (wo die AO jetzt ein 90″-Feld korrigiert), eine Lichtverschmutzungs-Story und Werbung für’s JWST bei den Postern. [20:45 MEZ]

Drei aus dem Rahmen fallende Galaxienhaufen

waren das Thema der ersten Pressekonferenzen am 2. Tagungstag (an dessen Ende gegen 1:30 MEZ übrigens die – umstrittene! – Umbenennung des Very Large Array verkündet werden soll):

Von der Tagung gibt’s außerdem einen Bericht und noch einen über den Vortrag „Big Science in Crisis“, Tagungs-Impressionen aus Zooniverse-Sicht, einen Artikel über das Missions-Proposal FINESSE und die PM zur LOFAR-PK in Englisch (und einen Artikel dazu) sowie einen Bericht von einer Vortagung über Venustransits in der Geschichte. [18:35 MEZ]

Und war da noch … jenseits der Pressekonferenzen

am ersten Konferenztag zum Beispiel von der Entdeckung zweier weiterer Planetenkandidaten durch die Planethunters und von einem Exoplaneten mit 10 Jahren Umlaufszeit zu hören sowie von Spekulationen über einen Exomond von Kepler 16b. Eine andere Arbeitsgruppe hatte ebenfalls (siehe 9. Januar, 18:10 MEZ) eine große Karte der Dunklen Materie im Kosmos zu bieten, das James Webb Space Telescope – das finanziell angeblich aus dem Gröbsten raus sei – wurde schon mal vorab gelobt und vermutet, dass Chandra noch weitere 20 Jahre durchhalten könnte. Der erdgebundenen US-Astronomie geht’s dagegen nicht so gut. Und dann war da noch der Astronaut S. Hawley, der in einer Festrede zu 50 Jahren bemannter Raumfahrt behauptete, Shepard hätte vor Gagarin im All sein können, wenn man nicht wegen der Schwierigkeiten beim Flug des Schimpansen Ham den menschlichen Flug noch mal verschoben hätte. [0:05 MEZ]

Erste vielversprechende Ergebnisse von LOFAR, dem europaweiten Radio-Interferometer, das sich der Fertigstellung nähert aber schon jetzt Wissenschaft produziert: oben ein typisches Einzelbild einer großen Himmelsdurchmusterung (deren Parameter darunter stehen), eine Pulsarbeobachtung und ihre Auswertung (die überraschend nahelegt, dass die Radiostrahlung bei allen Wellenlängen aus der selben Region der Pulsarmagnetosphäre kommt) sowie ein Ausblick auf den möglichen Nachweis eines Signals aus der Ära der Reionisation (EoR) des Kosmos – das sich in etwa einem Jahr aus dem Rauschen schälen können sollte, wenn viele Daten aufintegriert sind. [22:15 MEZ am 9. Januar]

Erste Ergebnisse von APOGEE, dem neuesten Subprojekt der SDSS-III, dessen aufwändiger IR-Spektrograph vor wenigen Monaten den Betrieb aufnahm. Ziel ist die Spektroskopie eines gehörigen Teils der Milchstraße, um ihre Struktur besser zu verstehen: Die detailreichen Spektren verraten sowohl Chemie (oben) wie Radialgeschwindigkeit (Mitte: Verteilung im markierten Feld). Und der Vorgänger SEGUE-2 ist auf Sterne auf Abwegen gestoßen. [19:25 MEZ]

Die große Astro-Show hat begonnen: Wie jeden Januar steigt diese Woche eine der größten Astronomie-Tagungen des Jahres, diesmal in Austin, Texas: Seitens der Teilnehmer wird – was bei entsprechenden Tagungen in Europa leider noch nicht der Fall ist – kräftig gebloggt und getwittert. Und es gibt neun Pressekonferenzen, die auch per Webcast verfolgt werden können. Bei der ersten gerade (oben das Panel, mit 75% Frauenanteil) ging es um die Beobachtung von Dunkler Materie: ihre Kartierung auf der bisher größten Skala per Weak Lensing – und die Vermessung von DM-Halos einzelner Galaxien durch Gravitationseffekte von Nachbargalaxien auf den Wasserstoff in der ausgedehnten Scheibe. Ein Ableger einer Technik, den dieselbe Gruppe schon ein Jahr zuvor präsentiert hatte („‚Dunkle‘ Galaxien …“). [18:10 MEZ]

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Eine Antwort to “Live-Blog „von“ der 219. AAS-Tagung in Texas”

  1. Live-Blog von der 220. AAS-Tagung in Anchorage « Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] Mission wurde auf der 219. AAS-Tagung vorgestellt (“Auf zu hohen (Röntgen-)Energien …”, Item 3) – und während der 220. […]

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