Live-Blog zum Event Horizon Telescope Reveal

Beobachtungen, Bild-Rekonstruktionen und Simulationen zuhauf gibt es in sechs laaangen Papers, die jetzt Open Access verfügbar sind – hier eine Auswahl der interessantesten Visuals. Hier Bilder, die jeweils den Mittelwert von drei verschiedenen Rekonstruktionsverfahren darstellen (Kreis = reale Auflösung) und zeigen, dass die Strukturen stabil sind, weil mit Daten verschiedener Tage immer wieder sehr ähnliche Strukturen erscheinen. Ob kleine Unterschiede von Tag zu Tag real sind, kann man aber nicht sagen.

Frühe Rekonstruktions-Experimente an den Daten vom 11. April durch vier Teams, die gänzlich unabhängig voneinander arbeiteten und schließlich im Sommer 2018 die Ergebnisse verglichen. Wie auf der PK in Brüssel zu hören war, hat man sich sehr schnell entschlossen, alle Arbeit in die M-87-Daten zu investieren, weil darin „der Schatten“ so klar erkennbar war, während das bei Sgr A* nicht der Fall war: Auch weil bei diesem viel kleineren Schwarzen Loch die Gasbewegungen weit hektischer sind, ist die Analyse (noch) komplizierter.

Links ein Modell, das dann mit einem Gauß-Weichzeichner mit 20 µas FWHM auf EHT-Auflösung verschmiert wurde: Das tatsächlich beobachtete Bild erscheint, die feinen Detais verschwinden. In der Asymmetrie des Bildes steckt die Information, dass da etwas rotiert – ob es allerdings das Schwarze Loch selbst oder nur das Gas in seiner Nähe ist, das geben die Daten (noch) nicht her.

Die EHT-Beobachtungen passen zwar im Prinzip gut zu den Simulationen, aber in den drei Rechnungen eben stecken ziemlich unterschiedliche Rotations- und Akkretions-Parameter, während die resultierenden Bilder (unten jeweils auf EHT-Auflösung reduziert) sehr ähnlich aussehen: Aus den EHT-Daten direkt wesentliche Angaben über den Zustand des Schwarzen Lochs in M 87 zu machen, ist also nicht möglich.

Ein Single Snapshot Model-Fit zu den EHT-Daten vom 6. April 2017: „Halbmonde“ von 42±3 μas Durchmesser passen immer am besten – und es folgt auch eine Masse des SMBH von 6.5±0.7 Mrd. Sonnenmassen, was mit anderen Methoden überein stimmt. Auch weitere Press Releases von European Commission, Chandra, Amherst, Waterloo, NASA und Perimeter, eine PM der Goethe Univ., ein 17-Minuten-Video, die Momente des Reveals, weitere Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, clevere wie derbe Scherzchen hier, hier und hier – und um 17:00 MESZ hier ein weiterer Webcast zum Thema. [16:30 MESZ]

Ein Paket der NSF, weitere Press Releases hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, eine Astronomin bei der ersten Ansicht des rekonstruierten Bildes, ein Größenvergleich (aber beachten, dass das Bild von M87* durch des SMBH eigene Schwerkraft gewaltig verzerrt erscheint), ein weiterer Webcast mit Zuschauerfragen (von Kann man das nutzen? bis Will das Universum schön sein?), eine Sammlung von Videoclips (Vorsicht: alles Simulationen, kein Sgr A* vom EHT), ein EHT-Manga, perfekt passende Memes und Gags hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, eine bekloppte Petition, ein Dreifach-Blackout bei der BBC und noch viel mehr Artikel hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. [21:15 MESZ – Ende. NACHTRÄGE: und hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier sowie spezielle Titelseiten hier und hier (und ein trefflicher Artikel im Kontext) und normale hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, ein Videoclip über die frühe Verarbeitung der Daten, noch ein Clip, ein TV-Interview samt Transkript, noch mehr Video-Clips, Soundbites, das SL in der Daily Show (ab 1:40), ein bizarrer Skandal in China, ein Google Dodle, Reaktionen von Bridenstine und Rather, ein Thread, die Frage wer wieviel zur EHT-VLBI-Software beitrug (und eine sehr lange Antwort, halbwegs nüchterne Artikel hier und hier sowie ein alter Press Release dazu), die Bedeutung der chilenischen Teleskope, die geschätzte Größe anderer SL, warum „Schatten“ sagen o.k. ist, wie M 87 ins Spiel kam und dass Sgr A* das große Ziel bleibt]

Hallo, Messier 87! So sieht das EHT Dein Schwarzes Loch

mit etwa 6,5 Milliarden Sonnenmassen – trotz rund 55 Millionen Lichtjahren Distanz zu der Aktiven Galaxie von den ‚gekoppelten‘ Radioteleskopen erstaunlich gut räumlich aufgelöst, die bei 1.3 mm Wellenlänge eine Winkelauflösung von besser als 20 Mikrobogensekunden geschafft haben. Heute wird nur dieses Ergebnis des Event Horizon Telescope präsentiert, denn das Bild von Sgr A* blieb zu unscharf: zu viel geladenes Gas in der Sichtlinie, aber man arbeitet weiter dran. Aber M 87 alias Virgo A ist eine perfekte Alternative: klarerer Blick, zwar 2000-mal weiter entfernt, dafür aber auch gut 1000-mal massereicher als Sgr A* im Milchstraßen-Zentrum – dadurch ist die effektive Auflösung der Strukturen vergleichbar. Ob man das schwarze Etwas vor dem leuchtenden Gas in unmittelbarer Umgebung des Galaxienzentrums nun als „Schatten“ oder „Silhouette“ bezeichnen mag, sei dahin gestellt: Die Lichtstrahlen sind so nah an einer derartigen Masse eh extrem gekrümmt und das (Radio-)Bild zwar echt aber auch gravierend verzerrt. Und es entspricht geradezu verblüffend den Simulationsrechnungen für M 87 im Vorfeld. Die Beobachtungen gehen derweil schon weiter: Seit Ende 2018 ist auch NOEMA in den französischen Alpen Teil des weltweiten Verbundes und wird mit seinen zwölf hochempfindlichen Antennen das leistungsfähigste Observatorium des EHT auf der nördlichen Hemisphäre sein. [15:07 MESZ] Press Releases von ESO, NRAO, MPIfR, NSF, MIT, CfA und Aalto, der Moment in Brüssel und erste Artikel hier, hier, hier, hier und hier. [15:15 MESZ]

Hier wird jetzt die Pressekonferenz aus Washington, DC, übertragen, die aus Brüssel beginnt gleich auf diesem Kanal und noch mehr Pressekonferenzen zum ersten Bild eines Schwarzen Lochs sind hier zu finden. Bei der Brüsseler ist jede Menge Prominenz im Saal: Morgen beginnen dort die Feierlichkeiten zum 100-Jährigen der IAU. [14:55 MESZ. NACHTRAG: In der Übertragung aus DC blitzte übrigens bereits gegen 14:27 MESZ für Sekunden das echte Bild auf – dieser Vorspann wurde aus der Aufzeichung aber nach ein paar Stunden rausgeschnitten]

Zwei Jahre nach den Messungen: Das EHT liefert heute

Zwei Jahrzehnte ist es nun her, dass diese Computersimulationen in dem Paper „Viewing the Shadow of the Black Hole at the Galactic Center“ erschienen sind: zu sehen das mutmaßliche Schwarze Loch Sgr A* im Zentrum der Milchstraße, bei 0.6 mm (links) und 1.3 mm Wellenlänge rechts), für den Fall schneller Rotation (oben) bzw. keiner Rotation (unten), unter Berücksichtigung der leider ziemlich gravierenden Streuung derart kurzer Radiowellen im interstellaren Medium. Anfang 2000 hatte das MPI für Radioastronomie ob dieses Papers die Hoffnung ausgesprochen, dass „die Weiterentwicklung bereits vorhandener astronomischer Beobachtungsmethoden es Astronomen bald erlauben könnte, die verworrenen Wege von Photonen zu verfolgen, die nur um Haaresbreite den Fängen eines Schwarzen Lochs entkommen sind“: Die entscheidende Entdeckung war nämlich gewesen, dass der ‚Schatten‘ des Schwarzen Lochs vor umgebendem strahlendem Gas durch die Lichtablenkung in seinem eigenen extremen Schwerefeld winkelmäßig deutlich vergrößert wird, wenn auch nur auf etwa 50 Mikrobogensekunden.

Kommende Fortschritte in der Radiointerferometrie könnten gleichwohl in absehbarer Zeit in der Lage sein, davon tatsächlich ein echtes Bild zu machen, hoffte man damals: Dabei werden die von Teleskopen auf der ganzen Welt empfangene Radiostrahlung wellengenau aufgezeichnet und die Daten am Ende zentral zusammengeführt, wobei ein Teleskop fast von der Größe der Erde synthetisiert wird. Vor genau zwei Jahren hatte dann mit dem Event Horizon Telescope aus 8 Teleskopen der erste ernsthafte Versuch stattgefunden, den „Schatten“ tatsächlich abzubilden. Das Primärziel der koordinierten Beobachtungen bei 1.3 mm Wellenlänge war Sgr A* („Sagittarius A Stern“), wo etwa 4.5 Millionen Sonnenmassen auf kleinstem Raum vereinigt sind: Zu einem Supermassereichen Schwarzen Loch – von einer eher ruhigen Sorte – gibt es kaum eine Alternative. Aber auch das Zentrum der Galaxie Messier 87 wurde angepeilt, wo ein noch wesentlich größeres Schwarzes Loch ähnlich gut auflösbar sein könnte, und mehrere andere Galaxien standen für Vergleiche auf dem Programm. Neben am Limit arbeitender Messtechnik war auch gutes Wetter an den Teleskopstandorten für den Erfolg entscheidend – das sich tatsächlich einstellte: Rund 20 Mikrobogensekunden Auflösung waren zu erhoffen.

Und nach genau zwei Jahren sehr mühsamer Analyse-Arbeit wird nun heute um Punkt 15:07 MESZ ein erstes Resultat der 2017-er Beobachtungen enthüllt, in zahlreichen parallelen Pressekonferenzen und online: Im Prinzip sollte der Anblick ähnlich sein wie bei dem wissenschaftlich weitgehend akkurat modellierten (und Oscar-prämierten) Schwarzen Loch in dem Spielfilm ‚Interstellar‘, wenn auch natürlich bei weitem nicht so deutlich. Und es ist auch umstritten, ob die Qualität der EHT-Bilder der Kampagne 2017 (bei einer zweiten 2018 waren die Bedingungen leider deutlich schlechter) jetzt schon ausreichen wird, um eindeutig die Anwesenheit Schwarzer Löcher nachzuweisen und alle verbliebenen Alternativen auszuschließen – aber es wäre ein erster ganz großer Schritt: weitere Papers zur Abbildung Schwarzer Löcher, zum EHT und den Erwartungen hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier, noch mehr Simulationen, Ankündigungen von NSF, ESO (früher), MPIfR und ALMA, Videos sehr lang, ziemlich kurz und mehr, Artikel von gestern (mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, mehr, mehr und mehr), vorgestern (mehr), dem 7. April, 6. April (mehr), 4. April (mehr und mehr), 3. April, 2. April (mehr), 1. April, 29. März, 27. Januar und 11. Januar 2019, 4. Oktober, 24. März, 22. März und 14. März 2018 und 28. Dezember, 12. Oktober und 17. April 2017 – und (wann gab’s das schon mal vor einer Astro-Veröffentlichung?) Cartoons hier und hier. [1:15 MESZ]

6 Antworten to “Live-Blog zum Event Horizon Telescope Reveal”

  1. Jeremy Royston Says:

    Sehr gut geschriebener Artikel, und so schnell nach der Bekanntgabe. Leider fehlten ganz am Ende die links auf die zwei Cartoons

  2. Allgemeines Live-Blog ab dem 15. April 2019 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] in Heidelberg gezeigt – wo auch zu erfahren war, dass die vermeintlichen Unterschiede der M87*-Bilder von den vier Tagen im April 2017 nicht real sind, weshalb man den Mittelwert aus allen verwenden möge. Auch weiteres […]

  3. Allgemeines Live-Blog ab dem 9. Mai 2022 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] am Himmel haben, ist das SMBH im GZ natürlich in der Realität drastisch kleiner als das Exemplar in Messier 87, wie diese Vergleiche mit den Dimensionen des Sonnensystems zeigen (die Kreise sind die Orbit von […]

  4. Allgemeines Live-Blog ab dem 16. April 2023 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] auf den Tag genau vier Jahre nach der Präsentation des ersten Bilds vom Event Horizon Telescope mit dem ‚Schatten‘ des Schwarzen Lochs im Zentrum von Messier 87 hat das Paper […]

  5. Schon etliche Dutzend Meteoriten von 2024 BX1 | Skyweek Zwei Punkt Null Says:

    […] und sollte u.a. durch Hinzukommen eines Radioteleskops in Grönland etwas zuverlässiger als die 2019 enthüllte aus den Messungen von 2017 (links) sein. Alles Wesentliche wird bestätigt, insbesondere der […]

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